Patella bipartita

Zusammenfassung

  • Definition:Anatomische Anomalie, bei der die Patella durch eine inkomplette Ossifikation aus zwei Fragmenten besteht.
  • Häufigkeit:Prävalenz von 2–6 % in der Gesamtbevölkerung. Männer sind deutlich häufiger betroffen.
  • Symptome:Die große Mehrheit der Betroffenen ist asymptomatisch. Falls Beschwerden auftreten, meist anteriorer Knieschmerz bei körperlicher Belastung.
  • Befunde:Druckschmerz der Patella; evtl. positives Zohlen-Zeichen.
  • Diagnostik:Röntgen der Patella in drei Ebenen; ggf. MRT.
  • Therapie:Initial konservative Therapie. Bei Therapieversagen in der Regel operative Exzision des akzessorischen Knochenfragments.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Anatomische Anomalie, bei der die Patella durch eine inkomplette Ossifikation aus zwei Fragmenten besteht.1
  • Bei drei Fragmenten spricht man von einer Patella tripartita, bei mehr als drei Fragmenten von einer Patella multipartita.2

Einteilung

  • Einteilung nach der Lokalisation des akzessorischen Fragments3
    • Typ I: inferiorer Pol (5 % der Fälle)
    • Typ II: lateraler Pol (20 %)
    • Typ III: superolateraler Pol (75 %)

Häufigkeit

  • Prävalenz: 2–6 %4
    • Davon sind nur etwa 2 % der Fälle symptomatisch.2 
    • in 50 % der Fälle beidseits vorhanden4
    • Verhältnis Männer zu Frauen = 9:12

Ätiologie und Pathogenese

  • Normalerweise beginnt die Ossifikation der Patella aus mehreren Knochenkernen im Alter von 3–5 Jahren.1
  • Bei einer fehlenden Verschmelzung der Knochenkerne verbleibt eine fibrokartilaginäre Synchondrose zwischen den einzelnen Knochenfragmenten.1
  • Bei einer Fraktur der Synchondrose, z. B. durch direktes Trauma oder repetitive Mikroverletzungen, kann die Patella bipartita symptomatisch werden.2

ICPC-2

  • L98 Erworbene Deformität einer Extremität

ICD-10

  • Q74.1 Angeborene Fehlbildung des Knies

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnosestellung durch Röntgen3
    • in der Regel Zufallsbefund

Differenzialdiagnose

Anamnese

  • Fast immer (etwa 98 %) asymptomatisch2
  • Falls symptomatisch:3
    • Beginn der Beschwerden meist in der Jugend bei sportlichen Aktivitäten
      • Trigger durch direktes Trauma oder repetitive Mikroverletzungen2
    • anteriorer Knieschmerz

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
    • in der Regel unauffällig 
  • Palpation2
    • Druckschmerz über der Patella
  • Funktionsprüfung2
    • evtl. Zohlen-Zeichen positiv
      • Untersucher*in übt Druck auf Patella aus und schiebt sie Richtung Unterschenkel (distalisieren).
      • Patient*in spannt M. quadriceps femoris an.
      • bei Schmerzen: positiv
    • Das Bewegungsausmaß des Kniegelenks ist meist nicht eingeschränkt.

Weitere Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen der Patella in drei Ebenen2
    • a. p., lateral und axial
  • Ggf. MRT2
    • Ödem in synchondraler Zone als Korrelat zu chondraler Fraktur als Schmerzursache

Indikationen zur Überweisung

  • Bei konservativ therapierefraktären Beschwerden Überweisung an orthopädische Praxis

Therapie

Therapieziele

  • Schmerzfreiheit
  • Keine Einschränkungen der körperlichen Aktivität

Allgemeines zur Therapie

  • Die Mehrheit der symptomatischen Fälle kann erfolgreich konservativ behandelt werden.3
  • Bei Versagen der konservativen Therapie bestehen diverse OP-Methoden, die in den meisten Fällen zu sehr guten Ergebnissen führen.1 

Konservative Therapie

  • Multimodale konservative Therapie mit Modifikation der sportlichen Aktivität, Verzicht auf schmerzhafte Bewegungen, Physiotherapie, Orthesenversorgung und kurzzeitig NSAR führen in den meisten Fällen zum Abklingen der Symptomatik.3

Operative Therapie

  • Indiziert bei Versagen der konservativen Therapie
  • Es existieren diverse OP-Methoden, u. a. arthroskopische oder offene Exzision des akzessorischen Knochenfragments, laterales Release (Durchtrennen des lateralen Retinaculums) oder interne Fixation mit K-Draht.1
    • Die Überlegenheit einer OP-Methode konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
  • Einzelne Autor*innen beschreiben, dass sehr gute operative Ergebnisse durch die Exzision des Fragments vor allem erzielt werden können, wenn das Patella-Fragment < 12 % der Patella ausmacht.3
    • Mehr als 40 % der Patella sollten nicht entfernt werden.3
  • Beispielhafte postoperative frühfunktionelle Nachbehandlung nach Exzision2
    • isometrische Kräftigungsübungen des M. quadriceps femoris und Limitierung der Knieflexion auf 40 Grad für 3 Wochen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die große Mehrheit der Patient*innen mit Patella bipartita entwickelt keine Beschwerden.

Komplikationen

  • Chronische Schmerzen und Funktionseinschränkungen

Prognose

  • In knapp 80 % der Fälle können durch konservative und/oder operative Therapie exzellente Ergebnisse erreicht werden.1
  • Je jünger die Patient*innen, desto besser die Prognose1

Illustrationen

Patella bipartita.png
Patella bipartita Typ III (häufigste Form mit superolateralem Fragment). Quelle: Wikipedia

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. S2e-Leitlinie Patellafraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 187-021, Stand 2021 (überarbeitete Langfassung). register.awmf.org

Literatur

  1. Soini V, Raitio A, Virkki E, et al. Treatment of congenital bipartite patella in pediatric population - a systematic review of the published studies. Acta Orthop Belg 2022; 88(1): 87-93. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Saleh TM, Abbood SH, Abbas TH. Surgical treatment of the non-frequent common symptomatic patella bipartite. International Journal of Advanced Research in Medicine 2019; 1(2): 83-85. www.medicinepaper.net
  3. Pan T, Hennrikus W. Symptomatic Bipartite Patella in Adults Treated With Open Excision: Outcomes and Management. Cureus 2022; 14(7): e26705. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. S2e-Leitlinie Patellafraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 187-021, Stand 2021 (überarbeitete Langfassung). register.awmf.org

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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