Zusammenfassung
- Definition:Verletzung des lateralen Kollateralbands vom Knie, die in der Regel als Kombinationsverletzung, insbesondere mit Kreuzbandrupturen, auftritt.
- Häufigkeit:Isolierte Rupturen des Außenbands machen < 2 % aller Knieverletzungen aus.
- Symptome:Knieschmerzen und Instabilitätsgefühl nach Trauma mit Varusstress.
- Befunde:Schmerz, Bewegungseinschränkung, Gelenkschwellung und Instabilität.
- Diagnostik:Klinische Untersuchung des Kniegelenks. Röntgen und MRT.
- Therapie:Verletzungen von Grad I und II in der Regel konservativ therapiert, komplette Rupturen (Grad III) werden operativ versorgt.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonym: Außenbandruptur (des Kniegelenks), Ruptur des Ligamentum collaterale fibulare/laterale
- Verletzung des lateralen Kollateralbands am Kniegelenk
Einteilung
- Grad I: Dehnung/Zerrung des Außenbands
- Grad II: Partielle Ruptur
- Grad III: Vollständige Ruptur
Häufigkeit
- Isolierte Rupturen des Außenbands machen < 2 % aller Knieverletzungen aus.1
- Auftreten in der Regel in Kombination mit vorderer Kreuzbandruptur2
Klinische Anatomie
- Verlauf vom Außenband3
- Ursprung an lateraler Femurepikondyle, Ansatz an Fibulaköpfchen
- Funktion3
- begrenzt Varisierung vom Kniegelenk sowie Außenrotation bei Extension
Ätiologie und Pathogenese
- Trauma-Mechanismus meist übermäßiger Varusstress (Kraft wirkt von medial auf Kniegelenk)4
- z. B. direkter Schlag/Anprall gegen das mediale Kniegelenk
- Das Band wird oft auch bei Hyperextensionstrauma beschädigt.4
Prädisponierende Faktoren
- Die Sportarten mit dem höchsten Risiko sind vermutlich Tennis und Gymnastik.5
ICPC-2
- L96 Akuter Kniebinnenschaden
ICD-10
- S83.41 Distorsion des fibularen Seitenbandes (Außenband)
- S83.43 Riss des fibularen Seitenbandes (Außenband) inkl. partieller oder kompletter Riss
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Trauma und darauf folgende Knieschmerzen mit Instabilitätsgefühl und vermehrter medialer Aufklappbarkeit des Kniegelenks
Differenzialdiagnosen
- Meniskusverletzung
- Iliotibiales Bandsyndrom (Läuferknie)
- Kreuzbandverletzung, vorderes Kreuzband
- Kreuzbandverletzung, hinteres Kreuzband
Anamnese
- Traumaanamnese mit Verletzungsmechanismus
- Dumpfer Schmerz und Instabilitätsgefühl1
- Bei Begleitverletzungen oft Kniegelenkserguss
Klinische Untersuchung
- Inspektion
- Schwellung am seitlichen Kniegelenk
- Palpation
- Außenband durch subkutane Lage gut zu tasten, bei Verletzung druckdolent bzw. evtl. nicht palpabel.1
- Beine der Patient*innen in 4er-Position bringen, d. h. das zu untersuchende Knie wird gebeugt und der Fußknöchel auf dem kontralerateralen Kniegelenk abgelegt.
- Dadurch Anspannung vom Außenband, das sich wie ein dünnes Seil tastet.
- ggf. Kniegelenkserguss mit „tanzender" Patella
- Außenband durch subkutane Lage gut zu tasten, bei Verletzung druckdolent bzw. evtl. nicht palpabel.1
- Funktionsprüfung
- regelhafte Dokumentation vom Bewegungsausmaß des Kniegelenks
- Test der Seitenstabilität
- Bei Kniegelenkserguss V. a. Binnenschädigung des Kniegelenks und daher Untersuchung von Kreuzbändern und Menisken (s. auch Untersuchung des Kniegelenks).
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Röntgen
- Standarddiagnostik, Aufnahme des Kniegelenks unter Belastung in 2 Ebenen (im Stehen)
- Ausschluss von ossären Begleitverletzungen1
- MRT1
- Goldstandard zur Darstellung des Außenbands und weiterer möglicher Pathologien (Menisken, Kreuzbänder, Innenband)
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf Ruptur des Außenbandes Überweisung an operativ tätige Spezialist*innen
Checkliste zur Überweisung
Ligamentverletzung
- Zweck der Überweisung
- Bestätigende Diagnostik? Konservative Therapie? Operation?
- Anamnese
- Beginn und Dauer? Trauma? Trauma-Mechanismus (Varus/Valgus)?
- Schmerzen? Schmerzauslösende Situationen? Hydrops? Gelenkblockaden?
- Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
- Sonstige relevante Erkrankungen?
- Regelmäßige Medikamente?
- Folgen: Funktionsverlust? Arbeitsunfähigkeit?
- Klinische Untersuchung
- Lokalisierung der Schmerzen? Schmerzempfindliche Gelenklinie? Schwellung? Eingeschränkte Beweglichkeit? Hängefuß?
- Meniskusschmerzen oder -klicken bei Rotation während der Bewegung?
- Seitenstabilität (Kollateralband)?
- Schubladentest (Kreuzband)?
- Ergänzende Untersuchungen
- Röntgen: Fraktur?
- MRT des Kniegelenkes? Ergebnis?
Therapie
Therapieziel
- Kniegelenksstabilität und -funktion wiederherstellen.
Allgemeines zur Therapie
- Akute Behandlung mit Pause, Eis, Kompression, Hochlagerung (PECH-Schema)
- Verletzungen von Grad I und II in der Regel konservativ, von Grad III operativ behandelt.1-2
Medikamentöse Therapie
- Analgetika
- Thromboseprophylaxe bei entlastenden Unterarmgehhilfen?
- bei Patient*innen mit Gips am Unterschenkel oder nach arthroskopischen Eingriffen an der unteren Extremität kein signifikanter Unterschied bei der Anzahl der symptomatischen Thrombosen mit bzw. ohne Heparinspritzen6
- Laut DEGAM nur bei individuell sehr erhöhtem Thromboserisiko (z. B. Zustand nach Lungenarterienembolie) erwägen.7
- In diesem Fall individuelle Aufklärung über Für und Wider einer medikamentösen Behandlung und gemeinsame Entscheidungsfindung
- Aufklärungsbogen der DEGAM
Konservative Therapie
- Bei Verletzungen von Grad I und II in der Regel Therapie der Wahl1-2
- In den ersten Wochen Knieorthese zur Stabilisierung des Kniegelenks, hiermit ist eine Vollbelastung möglich.4
- Frühzeitige Mobilisierung1
Operative Therapie
- Bei vollständigen Rupturen des Außenbands (Grad III) operative Wiederherstellung des Bands
- Simultan können Begleitverletzungen operativ versorgt werden.1-2
- Zur Wiederherstellung des Bands entweder primäre Naht des Bands oder Rekonstruktion, z. B. mittels Sehnenplastik. 1-2
- Nach operativer Rekonstruktion führt frühe Teilbelastung der betroffenen Extremität zu keinem erhöhten Risiko für Instabilität im Vergleich zu kompletter Entlastung.8
Rehabilitation
- Frühzeitig funktionelle Rehabilitation mit propriozeptiven sowie muskelkräftigenden stabilisierenden Übungen anstreben.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei nicht erkannter Ruptur des Außenbands Entstehung von Varusdeformität mit Instabilität des Kniegelenks2
Komplikationen
- Anhaltende Instabilität
- Bewegungseinschränkung
- Operationsbedingte Risiken, wie Blutungen, Wundheilungsstörungen oder Infektionen
Prognose
- Bei Verletzungen von Grad I–II Rückkehr zu sportspezifischen Übungen nach 4–6 Wochen möglich4
- Nach operativer Versorgung von Grad-III-Verletzungen ist eine Teilbelastung ab dem 3. postoperativen Tag möglich.8
- Bei adäquater Therapie kann bei der großen Mehrheit der Verletzungen eine gute Funktion des Kniegelenks ohne Schmerzen oder Instabilität wiedererlangt werden.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Grawe B, Schroeder AJ, Kakazu R, et al. Lateral Collateral Ligament Injury About the Knee: Anatomy, Evaluation, and Management. J Am Acad Orthop Surg 2018; 26(6): 120-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Vermeijden HD, van der List JP, DiFelice GS. Primary Repair of the Lateral Collateral Ligament Using Additional Suture Augmentation. Arthroscopy Techniques 2020; 9(8): 1073-7. www.sciencedirect.com
- Olewnik L, Gonera B, Kurtys K, et al. A proposal for a new classification of the fibular (lateral) collateral ligament based on morphological variations. Annals of Anatomy 2019; 222: 1-11. www.sciencedirect.com
- Ho SSW. Lateral Collateral Knee Ligament Injury. Medscape, last updated Nov 30, 2020. emedicine.medscape.com
- Majewski M, Habelt S, Steinbrück K. Epidemiology of athletic knee injuries: A 10-year study. Knee 2006; 13(3): 184-8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- van Adrichem RA, Nemeth B, Algra A, et al. Thromboprophylaxis after Knee Arthroscopy and Lower-Leg Casting. N Engl J Med 2017; 376(6): 515-25. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- DEGAM. Patienteninformation Thrombembolie. Stand Juli 2018. Letzter Zugriff 26.07.21. www.degam.de
- Oberhofer E. Außenbandruptur am Knie: Frühe Teilbelastung nach einer Operation ist möglich. Orthopädie & Rheuma 2018; 21: 15. link.springer.com
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).