Zusammenfassung
- Definition:Allmählich zunehmende Fibrosierung der Palmarfaszie mit Beugekontrakturen der Finger.
- Häufigkeit: 4–6 % aller hellhäutigen Menschen weltweit betroffen, im Verhältnis Männer zu Frauen 3:1.
- Symptome:Es kommt zur allmählichen Entwicklung einer Beugekontraktur, vor allem des 4. und 5. Fingers.
- Untersuchung:Zuerst Bildung von Knoten in der palmaren Handfläche, die über Strangbildung letztlich zu Beugekontrakturen führen können.
- Diagnostik:Es gibt keine ergänzenden Untersuchungen, die von diagnostischem Nutzen wären.
- Therapie:Bei den meisten Patienten kann zunächst abgewartet werden. Als aktive Therapie können Dehnungsübungen, eine Injektion eines Kollagen abbauenden Enzympräparats oder ein operativer Eingriff erfolgen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Allmählich zunehmende Fibrosierung der Palmarfaszie mit Beugekontraktur, von der vor allem der 4. und 5. Finger betroffen sind.
- Zunächst Bildung fester Knoten im proximalen Bereich eines Fingergrundgelenks in der Handfläche1
- anschließend zunehmende Kontraktur der Palmaraponeurose und resultierende Flexionsdeformität der Finger2
- Namensgebung
- Benannt nach dem französischem Chirurgen Baron Dupuytren, der die Methoden zur Therapie der Erkrankung weiterentwickelt hat.
- Assoziierte Erkrankungen3
- Morbus Ledderhose (häufig): hyperproliferative Erkrankung der Plantaraponeurose einer oder beider Fußsohlen
- Induratio penis plastica (selten): Vermehrung von Bindegewebe am Penisrücken und Penisschaft
- Fasciitis nodularis (sehr selten): Verhärtung in der Bauchwand
Häufigkeit
- Prävalenz
- 4–6 % aller Europäer weltweit in verschieden ausgeprägten Stadien4
- Der Ringfinger ist am häufigsten betroffen, gefolgt von kleinem Finger.5
- Alter und Geschlecht
Ätiologie und Pathogenese
- Genaue Ursache unbekannt, es besteht jedoch eine erbliche Komponente.
- Bei einem betroffenen Geschwisterkind ist das Risiko 2,9-fach erhöht.9
- Weiterhin scheinen Alter (Senioren), Geschlecht (Männer) und Ethnizität (Europäer) eine Rolle zu spielen.10
- Risikofaktoren11
- Rauchen
- Alkoholkonsum
- Diabetes mellitus: bei Typ 1 häufig schwerere Verläufe
- wiederholte mechanische Belastungen der Handfläche12
- Leberzirrhose13
Pathogenese
- Gutartige, langsam fortschreitende, fibroproliferative Erkrankung der Palmarfaszie14
- Hypothese15
- Zuerst knotenförmige Bindegewebsbildung
- Im weiteren Krankheitsverlauf Fibrosierung der longitudinalen Fasern der Palmarfaszie
- Später in Form einer Strangbildung tastbar; durch die Strangbildung kommt es zu einer Kontraktur der Fingermittelgelenke.
- Im weiteren Krankheitsverlauf Fibrosierung der longitudinalen Fasern der Palmarfaszie
ICPC-2
- L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis NNB
- schließt die Dupuytren-Kontraktur ein
ICD-10
- M72.0 Fibromatose der Palmarfaszie [Dupuytren-Kontraktur]
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Charakteristische Befunde, d. h. verdickte Palmaraponeurose, Strangbildung und schließlich Kontrakturen der Finger
Anamnese
- Die Patienten suchen für gewöhnlich ärztliche Hilfe, wenn Kontrakturen der Fingergelenke die Funktion der Hand einschränken.
- Meist sind der Ring- und der kleine Finger betroffen.
- Grundsätzlich können die Beschwerden jedoch in allen Fingern auftreten.
- Initial häufig schmerzhafte Knoten in der Handfläche
- Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es durch Beugekontrakturen zu Schwierigkeiten bei alltäglichen Aktivitäten.
- Manchmal treten zusätzliche Beschwerden im Bereich der Füße (Morbus Ledderhose) oder am Penis (Induratio penis plastica) auf.
Klinische Untersuchung
- Die Erkrankung ist in 45 % der Fälle beidseitig.5
- In der frühen Phase tritt lediglich eine knotige Schwellung in der Handfläche auf.
- Ist die Erkrankung voll entwickelt, liegen Kontrakturen und Beschwerden in der Hand vor.
- Meist sind der Ring- und der kleine Finger von den Kontrakturen betroffen.
- Grundsätzlich können die Beschwerden jedoch in allen Fingern – auch im Daumen – auftreten.16
- Es ist sinnvoll, beide Hände, beide Füße und bei Männern den Penis zu untersuchen.
- Koinizidenz von Morbus Ledderhose und Induratio penis plastica
- Abklärung eines möglichen Diabetes mellitus bei Patienten mit passender Klinik
Stadien
- Stadium 1: Proliferationsphase
- Hyperproliferation von Myofibroblasten
- Auftreten von schmerzhaften Knoten und Spannungsgefühl in der Handfläche
- Stadium 2: Rückbildungsphase
- Beginn reparativer Vorgänge
- Klinisch peritendinöser Strang und eingeschränkte Extension des betroffenen Fingers
- Stadium 3: Residualphase
- Die Fibroblastenaktivität sistiert und das eingelagerte Kollagen verhärtet.
- Beugekontrakturen in den jeweils betroffenen Fingern13
- In 75 % der Fälle ist die Erkrankung in den nächsten 6 Monaten klinisch stabil oder sogar regredient.17
Indikationen zur Überweisung
- Relevante Funktionseinschränkung
- Beugekontraktur > 30 Grad
- PIP-Gelenk betroffen
Therapie
Therapieziel
- Die Funktion der Hand verbessern.
Allgemeines zur Therapie
- Bei Patienten mit minimalen Kontrakturen, ohne Einschränkungen und stabiler Erkrankung ist ein beobachtendes Prozedere möglich.18
- Es stehen diverse konservative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, abhängig vom Schweregrad.
- Eine operative Therapie ist bei Kontrakturen > 30 Grad oder starker funktioneller Einschränkung indiziert.19
Nichtoperative Therapie
- Mehrmals täglich Dehnübungen der Finger mit Ausreizen des vollen Bewegungsumfangs5
- Injektion von Kollagenase (aus Clostridium histolyticum)
- Hat sich zum bewährtesten Verfahren entwickelt.19
- Prozedere
- ambulante Injektion (0,58 mg Xiaflex) in den verhärteten Strang an Tag 1
- passive Streckung des betroffenen Fingers 24–72 Stunden später
- dabei Zerreißung des pathologisch verhärteten Bindgewebestrangs
- Lokalanästhesie zur Schmerzreduktion empfohlen20
- bei 64 % der Patienten Heilung (Bewegungseinschränkung < 5 Grad), in der Placebogruppe lediglich 6,8 %21
- Durchschnittliche Verbesserung der Beweglichkeit um 36,7 Grad, 81 % der Patienten sind zufrieden.21
- Wiederholung der Prozedur bis zu 3-mal möglich
- Bei 86 % der Patienten gewinnt das Bewegungsausmaß nach erneuter Injektion > 20 Grad.22
- Nebenwirkungen
- Die Rezidivhäufigkeit liegt nach 5 Jahren bei 47 %.
- Die entspricht der Rezidivhäufigkeit nach operativer Therapie.24
- Glukokortikoid-Infiltrationen
- deutlich mehr Komplikationen, wie Fettatrophie und Sehnenrupturen, als Kollagenase-Infiltration18
- daher obsolet
- Bestrahlung
- Durchführung im aktiven Stadium der Knotenbildung13
- 2 Bestrahlungszyklen à 5 Einheiten mit jeweils 3 Grey (30 Grey insgesamt)
- zwischen den beiden Zyklen eine Pause von 8–12 Wochen
- Kann in einem frühen Stadium ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und führt nicht zu mehr Komplikationen nach einer möglichen OP.25
- Ist in einem fortgeschrittenen Stadium nicht mehr sinnvoll.
- Durchführung im aktiven Stadium der Knotenbildung13
Operative Therapie
- In fortgeschrittenen Stadien zur Wiederherstellung der Handfunktion
- Indikationen5
- Flexionskontraktur > 30 Grad
- Kontraktur des PIP-Gelenks
- starke Funktionseinschränkung
- Selbst schwere Kontrakturen lassen sich in der Regel noch korrigieren.
- Bei Kontrakturen > 30 Grad besteht jedoch die Gefahr einer Kontraktur des Gelenks selbst und nicht nur des umliegenden Gewebes.26
- Auch bei einer operativen Therapie sind Rezidive möglich.
- Das Risiko von Rezidiven sinkt mit zunehmender Radikalität der Operation, jedoch steigen dadurch die operativ bedingten Komplikationen.5
Operationsverfahren
- Es gibt eine große Auswahl an Operationsverfahren.
- Die Möglichkeiten reichen von Fasziotomie über Arthrodese bis hin zur Amputation.
- Fasziotomie
- Das Ausmaß der Erkrankung bestimmt die Radikalität der Fasziotomie.27
- minimal-invasive Nadel-Fasziotomie
- begrenzte Fasziektomie mit Entfernung von Strängen und Knoten
- radikale Fasziektomie mit Entfernung der kompletten Faszie
- Dermofasziektomie mit Entfernung der darüber liegenden Haut und anschließender Hauttransplantation
- Das Ausmaß der Erkrankung bestimmt die Radikalität der Fasziotomie.27
- Arthrodese
- bei irreversibler Kontraktur des PIP-Gelenks
- Arthrodese des Gelenks in funktioneller Position
- Amputation
- nur sehr selten bei alten Patienten mit schwerer Kontraktur des kleinen Fingers27
- Komplikationen
- Intraoperative Komplikationen treten in 15–20 % der Fälle auf und umfassen Schädigungen von Nerven der Finger und von Blutgefäßen.13
- Postoperativ seltene, aber schwerwiegende Komplikationen sind Gewebenekrosen und ein komplex-regionales Schmerzsyndrom.27
Postoperative Therapie
- Schienung der Hand mit Finger in Extensionsstellung, bei Operation am PIP-Gelenk für 6 Wochen einschließlich nachts27
- Eine nächtliche Extensionsschiene für einen längeren Zeitraum (3 Monate) ist vermutlich ohne zusätzlichen Benefit.28
- Frühfunktionelle, therapeutische Mobilisierung
- Steifigkeit verhindern.
- Beweglichkeit zurückerlangen.
- Funktion wiederherstellen und stärken.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei 75 % der Patienten stabilisiert sich der Zustand oder ist sogar regredient.17
- In den restlichen Fällen zunehmende Verdickung und Kontraktur der Palmaraponeurose
- resultierend in Beugekontrakturen der Finger
Prognose
- Bei vielen der Patienten kommt es nicht zur Entwicklung einer Kontraktur, sodass zunächst abgewartet werden kann.
- Durch die Injektion von Kollagenase lässt sich eine gute Wirkung erzielen.
- Durch eine Operation kann eine fortgeschrittene Deformität korrigiert und die Entwicklung einer irreversiblen Kontraktur verhindert werden.
- Zwar ist eine vollständige Wiederherstellung der Funktion nicht sehr wahrscheinlich, die meisten Patienten können jedoch mit einer deutlichen Verbesserung der Funktion der Hand und der Arbeitsfähigkeit rechnen.
- Ein aggressiver Verlauf der Krankheit ist zu erwarten bei:
- positiver Familienanamnese
- Beginn vor dem 40. Lebensjahr
- beidseitigem Befall
- Befall der radialen Finger (Daumen)
- Befall auch außerhalb der Hände (Füße, Penis, Bauchwand).29
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patienten informieren?
- Bei 75 % ist die Erkrankung stabil oder regredient, sodass ein abwartendes Procedere vertretbar ist.17
- Hohes Rezidivrisiko
- sowohl bei Kollagenase-Infiltrationen als auch bei chirurgischem Eingriff bis zu 50 % nach 5 Jahren24
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
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Literatur
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Autoren
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
- Björn Salomonsson, dr. med och överläkare, Ortopedkliniken, Danderyds sjukhus
- Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo