Harnsteine/Nierensteine

Steine in den Harnwegen können sehr starke und krampfartige Schmerzen verursachen. Diese sog. Nierenkolik kann über wenige Minuten bis hin zu Tagen andauern.  Eine ausreichende Trinkmenge und eine entsprechende schmerzlindernde Behandlung wirken oft schnell gegen die Schmerzen. Um den Stein zu entfernen und einen Rückfall zu verhindern, sind jedoch häufig noch weitere therapeutische Maßnahmen nötig.

Was sind Harnsteine/Nierensteine?

Definition

Harnsteine (Urolithen) sind Steine in den Nieren oder Harnwegen. Die Substanzen, die an der Steinbildung beteiligt sind, liegen bei jedem Menschen in gelöster Form im Urin vor: Kalziumoxalat, Kalziumphosphat, Magnesiumammoniumphosphat (Struvit), Harnsäure und Zystin. Diese Substanzen bleiben normalerweise im Urin gelöst und werden mit ihm ausgeschieden. Überschreitet die Konzentration einzelner Substanzen bestimmte Grenzwerte, bilden sich daraus Kristalle, die zu Steinen heranwachsen können.

Zuweilen verbleiben die Steine an ihrem Entstehungsort (z. B. im Nierenbecken), ohne Symptome zu verursachen. Sie können aber auch in den Harnleiter hinabwandern. Ab einer bestimmten Größe können die Steine die ableitenden Harnwege nicht mehr passieren und blockieren den Harnfluss. Dies führt durch die Dehnung des Gewebes zu starken Schmerzen.

Symptome

Insgesamt hängen die Symptome von der Lage, Größe und Beweglichkeit der Harnsteine ab. Steine innerhalb des Nierengewebes verursachen häufig keine Beschwerden oder nur ein unangenehmes Kribbeln in der Nierengegend ohne Ausstrahlung. Dagegen können Nierenkelch- oder Nierenbeckensteine plötzliche krampf- und anfallsartige Schmerzen im Bereich der Flanke verursachen, die in Richtung der Genital- oder Oberschenkelregion ausstrahlen.

Typisch ist dabei der wehenartige Charakter der Schmerzen: Phasen der Schmerzfreiheit wechseln sich mit Phasen von starken seitlichen Schmerzen ab. Meist haben die Patient*innen einen starken Bewegungsdrang. Durch eine Verletzung der Schleimhaut kann es zu Blutbeimischungen im Urin kommen, der sog. (Makro-)Hämaturie. Steine können den Harnfluss blockieren, sodass sich ein Harnverhalt entwickelt. Übelkeit und Erbrechen sind häufig vorhanden. Infolge von Harn-/Nierensteinen entwickeln sich leicht Harnwegs- und Niereninfektionen. Fieber kann ein Hinweis auf eine Infektion sein.

Ursachen

Harnsteine bilden sich, wenn bestimmte Mineralsalze im Urin so hoch konzentriert sind, dass sie auskristallisieren und sich als Steine ablagern. Die Harnsteinbildung weist aber meist mehrere Ursachen auf. Oft ist die individuelle Lebensweise (wie Fehlernährung und zu geringe Flüssigkeitszufuhr) oder das Vorliegen von Stoffwechselerkrankungen (z. B. Hyperurikosurie [erhöhter Harnsäuregehalt im Urin] oder Gicht) verantwortlich. Folgende Faktoren erhöhen das Risiko für Harnsteine:

  • Die Flüssigkeitsaufnahme ist geringer als die Menge an Flüssigkeit, die vom Körper ausgeschieden wird. Der Körper verliert Flüssigkeit sowohl über den Urin als auch über Schweiß und Verdunstung. Bei höheren Temperaturen kommt es schneller zu einer negativen Flüssigkeitsbilanz und infolgedessen zu einer erhöhten Salzkonzentration im Urin.
  • Hoher Fleischkonsum (bzw. zu eiweißreiche Kost)
  • Gicht/Veränderungen im Harnsäuregehalt (ca. 25 % der Fälle)
  • Familiäre Veranlagung zu Nierensteinen
  • Übergewicht
  • Immobilisierung und Bettlägerigkeit von über 1–2 Wochen
  • Harnwegsinfekte und Fehlbildungen der unteren Harnwege
  • Anatomische Veränderungen des Nierenbeckens und des Harnleiters
  • Patient*innen mit künstlichen Darmausgang, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa

Häufigkeit

  • Harnsteine treten häufig auf; etwa 4,7 % der Erwachsenen in Deutschland leiden an Harnsteinen.
  • Weltweit treten Harnsteine bei 8 von 1.000 Erwachsenen pro Jahr auf.
  • Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
  • Etwa 50–80 % der Betroffenen erleiden einen Rückfall.
  • Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machen etwa 1 % der Patient*innen mit Harnsteinen aus. Am häufigsten kommen Harnsteine in den mittleren Jahren vor.

Untersuchungen

  • Die Diagnose ist meist sehr einfach anhand des typischen Krankheitsverlaufs und der Schmerzen zu stellen. Eine Klopfempfindlichkeit des Nierenbereichs ist ebenfalls ein typisches Merkmal.
  • Der Urin wird auf eventuelle Infektionen oder Anzeichen von Nierenschäden untersucht. Häufig lässt sich Blut im Urin nachweisen.
  • Anhand eines Blutbilds werden die Werte für Kalzium, Harnsäure und andere Substanzen im Blut bestimmt und die Nierenfunktion beurteilt.
  • Zur Bestätigung der Diagnose wird eine Ultraschalluntersuchung veranlasst.
  • Ist das Ergebnis im Ultraschall nicht klar, ist eine Computertomografie ohne oder ggf. auch mit Kontrastmittel erforderlich.
  • Eine Röntgenaufnahme der Niere, Harnleiter, Blase und Prostata (Harntraktleeraufnahme) ohne Kontrastmittel kann zur Steindiagnostik, zur Feststellung der Röntgendichte und zur Nachkontrolle hilfreich sein.
  • Mithilfe einer Ureterpyelografie, also einer Röntgenaufnahme von Harnleiter und Nierenbecken mithilfe eines Kontrastmittels, lassen sich zusätzlich die Harnwege genau darstellen. Diese Untersuchung ist oft nötig, wenn ein Eingriff zur Harnableitung geplant ist.
  • Eine Analyse der chemischen Zusammensetzung des Steins sollte bei jedem Nieren- oder Harnleiterstein durchgeführt werden.
  • Besteht der Verdacht auf eine Eiteransammlung im Nierenbecken oder auf eine Blockade der Harnwege in Kombination mit einem Infekt, werden die Patient*innen zur sofortigen Behandlung in ein Krankenhaus überwiesen. Bei zu starken Schmerzen erfolgt ebenfalls eine Überweisung in ein Krankenhaus.

Behandlung

Medikamente

  • In der Regel werden zuerst Schmerzmittel (Metamizol) oder entzündungs-/schmerzhemmende Medikamente, sog. nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR-Präparate), verabreicht. Paracetamol kann als Alternative zu Metamizol und bei Schwangeren verabreicht werden.
    • Opioide sollten nur ergänzend als zweite Wahl bei unzureichender Wirkung der anderen Schmerzmittel gegeben werden.
    • Schmerzen und Übelkeit lassen sich zusätzlich durch Wärmebehandlung lindern.
  • Besteht eine Infektion (Fieber, reduzierter Allgemeinzustand) ist zusätzlich eine antibiotische Therapie erforderlich, ggf. im Krankenhaus.

Abwartende Haltung unter ärztlicher Kontrolle

  • Bei neu diagnostizierten Harnleitersteinen bis 7 mm kann der Spontanabgang unter regelmäßiger Kontrolle abgewartet werden.
    • Dazu wird empfohlen, zwischen den Schmerzanfällen mindestens 2,5 Liter pro Tag zu trinken, sodass ein durchspülender und zugleich verdünnender Effekt erzielt wird, um die steinbildenden Salze zu lösen. Trinken Sie stets so viel, dass sich der Urin nicht dunkel verfärbt.
    • Hilfreich ist es zudem, regelmäßig aufzustehen und sich zu bewegen.

Entfernung der Steine/Stoßwellentherapie

  • Ist der Harnfluss von den Nieren komplett unterbrochen, muss zunächst der Harn künstlich abgeleitet werden. Anschließend werden die Steine entfernt, um die Funktionsfähigkeit der Niere zu erhalten. Eine längere Blockade des Harnleiters kann zu einer dauerhaften Schädigung der Niere sowie einer Ausweitung von Harnleiter und Nierenbecken führen.
  • Viele Steine lassen sich mit der sog. Stoßwellentherapie (ESWL) von außen erfolgreich behandeln. Dabei werden die Steine mithilfe energiereicher Schallwellen von außen zertrümmert.
  • Kann eine ESWL nicht durchgeführt werden, gibt es endoskopische Methoden wie die Ureterorenoskopie (Einführen eines Endoskops über die Harnwege zur Entfernung eines Steins) und die perkutane Nephrolitholapaxie (Einführen eines Endoskops durch die Haut).
    • Die Stoßwellentherapie und die perkutane Nephrolitholapaxie werden in der Schwangerschaft nicht durchgeführt.
    • Offene Operationen müssen heute nur noch selten durchgeführt werden.

Vorgehen bei Kindern

  • Bei Kindern sollte aufgrund des Rückfallrisikos eine zugrunde liegende Stoffwechselstörung diagnostiziert und behandelt werden. Auch urogenitale Fehlbildungen als Ursache der Steinbildung sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

Was können Sie selbst tun?

  • Das Wichtigste, was Sie selbst tun können, ist ausreichend zu trinken, sobald die akute Phase mit starken Schmerzen vorüber ist. Dadurch kann erneuten Koliken wirkungsvoll vorgebeugt werden.
  • Auch die Umstellung auf eine weitgehend vegetarische, salzarme Ernährung wird empfohlen. Nahrungsmittel mit viel Oxalsäure (Rhabarber, Spargel, Spinat, Nüsse und Schokolade) sowie purinreiche Nahrungsmittel (Innereien, Sardinen, Anchovis und Bohnen) sollten Sie vermeiden.
  • Übergewicht erhöht das Risiko für Nierensteine. Eine Gewichtsreduktion sowie ausreichend körperliche Bewegung können das Risiko für Harnsteine verringern. Zu beachten ist dabei jedoch, dass während der Phase einer raschen Gewichtsreduktion das Steinrisiko manchmal vorübergehend steigen kann.
  • Patient*innen mit einem hohen Risiko sollten eine erweiterte, steinartspezifische Abklärung erhalten, um mit gezielter Medikamenteneinnahme Rückfällen vorbeugen zu können.

Prognose

  • Etwa 75 % der Fälle können als unkompliziert eingestuft werden.
  • Bis zu 80 % der Patient*innen mit Harnsteinen erleiden innerhalb von 10 Jahren einen Rückfall. Durch vorbeugende Maßnahmen, insbesondere der o. g. Eigenbehandlung, können jedoch 70–90 % der Patient*innen Beschwerdefreiheit erlangen.
  • Bei vielen Betroffenen nimmt die Tendenz zur Steinbildung mit dem Alter ab. Das gilt insbesondere für über 60-Jährige.
  • Harnsteine führen nur selten zu schwerwiegenden Komplikationen wie Nierenschäden oder Nierenversagen.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien
  • Natalie Anasiewicz, Ärztin, Freiburg i. Br.

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Urolithiasis. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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