Nierenzysten

Zusammenfassung

  • Definition:Nierenzysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, umgeben von einer dünnen, epithelialisierten Membran.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz steigt mit dem Alter, Auftreten bei 20 % der 50- bis 60-Jährigen.
  • Symptome:Nierenzysten sind in der Regel symptomfrei. Im Einzelfall dumpfer Flankenschmerz, selten Fieber (infizierte Zyste).
  • Befunde:Normalerweise kein Befund bei der körperlichen Untersuchung, selten palpable Raumforderung oder klopfschmerzhaftes Nierenlager.
  • Diagnostik:Meistens Zufallsbefund im Rahmen einer bildgebenden Untersuchung. Bei eindeutig benigner Zyste keine weitere Abklärung notwendig. Die Abgrenzung benigner Zysten gegen malignomverdächtige zystische Befunde erfolgt nach kontrastverstärkter Sonografie oder Computertomografie mit der Bosniak-Klassifikation.
  • Therapie:Bei benignen, asymptomatischen Zysten keine Therapie notwendig. Große, symptomatische Zysten können sklerosiert werden. Exzision malignomverdächtiger Zysten.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Nierenzysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume umgeben von einer dünnen, epithelialisierten Membran1
  • Häufigste Nierenfehlbildung2
  • Klinisch meist unbedeutend3
  • Nierenzysten müssen von der polyzystischen Nierenerkrankung unterschieden werden.

Häufigkeit

  • Zunehmende Prävalenz mit dem Alter
  • 20 % der 50- bis 60-Jährigen mit Nierenzysten4
  • Bei ca. 40 % aller abdominellen CT-Untersuchungen Nachweis von Nierenzysten5
  • Nachweis bei 50 % aller Obduktionen6
  • Männer zu Frauen ca. 2:14

Ätiologie und Pathogenese

  • Nierenzysten sind zumeist Entwicklungsanomalien der Tubuli, angeboren oder im Lauf des Lebens entstehend.2
  • Je nach Lage werden kortikale, medulläre und parapelvine Nierenzysten unterschieden.2
  • Lokalisation gehäuft am oberen Nierenpol 
  • Größenzunahme im Verlauf, im Mittel ca. 0,14 cm/Jahr6
  • Die meisten Nierenzysten sind heutzutage Zufallsbefunde im Rahmen sonografischer Untersuchungen.
  • Ein Krankheitswert von Nierenzysten ist nur bei unklarer Dignität und/oder Auftreten von Beschwerden gegeben.
  • Neben gutartigen Nierenzysten gibt es maligne, zystische Nierenläsionen.7
  • Durch große Zysten evtl. Kompression des Nierenhohlsystems oder anderer Organe mit Flanken- oder Abdominalschmerzen 2
  • Selten Infektion von Zysten2,8
  • Von den einfachen Nierenzysten abzugrenzen sind „sekundäre“ Nierenzysten bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz 
     und Dialysepatienten im Rahmen einer erworbenen, sekundären Zystenkrankheit.9

Disponierende Faktoren

ICPC-2

  • U14 Nierenorgane/-beschwerden

ICD-10

  • N28 Sonstige Krankheiten der Niere und des Ureters, anderenorts nicht klassifiziert
    • N28.1 Zyste der Niere, erworben

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Initiale Diagnose zumeist mit dem Ultraschall
  • Klassische sonografische Kriterien einer benignen Nierenzyste:6
    • rundlich bis ovaläre Form
    • scharfe und glatte Begrenzung der Zystenwand
    • echofreier Inhalt
    • distale Schallverstärkung.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Palpable Geschwulst in der Flanke?
  • Schmerzhafte Palpation?
  • Klopfschmerzhaftes Nierenlager?
  • Erhöhte Temperatur?
  • Blutdruck?

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Sonografie

  • Ultraschall mit hohem Stellenwert in der Früherkennung (und Verlaufskontrolle) in der Hausarztpraxis10
  • Basis-Sonografie (B-Mode und Farbduplexsonografie) zur initialen Diagnosestellung und Beurteilung von Nierenzysten
  • Das B-Bild liefert Informationen zu:4
    • Größe
    • Form
    • Echogenität
    • Beschaffenheit der Zystenwand
    • Septierungen
    • nodulären Weichteilkomponenten.
  • Bei benignen Zysten sind farbduplexsonografisch keine Gefäße darstellbar.6
    • Sichtbare Gefäße in der Zyste sind malignomverdächtig.6

Labor

  • Bluttests
  • Urintests
    • Urinteststreifen
    • Urinsediment

Diagnostik beim Spezialisten – Beurteilung der Dignität

  • Die weitere fachärztliche Beurteilung umfasst die Unterscheidung in unkomplizierte bzw. komplizierte, malignitätsverdächtige Zysten.
  • Die wichtigsten Bildgebungsverfahren für die weiterführende Diagnostik sind CT und kontrastmittelverstärkter Ultraschall.
  • Grundlage für die Beurteilung von Zysten ist die Bosniak-Klassifikation, die ursprünglich im Rahmen der CT-Diagnostik entwickelt wurde.11
    • Die Einstufung erfolgt vorwiegend durch das Ausmaß der Kontrastmittelaufnahme in Septen oder soliden Anteilen innerhalb der Zyste.9
    • Einteilung der Zysten in 5 Kategorien (I, II, IIF, III und IV)
    • mit zunehmender Kategorie ansteigendes Risiko für eine maligne Ursache der zystischen Läsion
  • Heutzutage ist die Anwendung der Bosniak-Klassifikation auch auf der Grundlage des kontrastmittelverstärkten Ultraschalls CEUS (CEUS = Contrast-enhanced Ultrasound) möglich.6
  • Vorteile des CEUS im Vergleich zu CT4
    • keine Strahlenexposition
    • kurze Untersuchungsdauer
    • anwendbar auch bei Jodallergie
    • anwendbar auch bei eingeschränkter Nierenfunktion

Bosniak-Klassifikation von Zysten durch kontrastmittelverstärkten Ultraschall (CEUS)4,6

Zysten Bosniak I
  • B-Bild: scharf abgrenzbare, dünne Wand, keine Verkalkungen, keine Septen, keine nodulären/soliden Anteile
  • CEUS: keine Kontrastmittelaufnahme
  • Malignitätsrisiko 0 %
Zysten Bosniak II
  • B-Bild: einzelne, feine Septen ≤ 1 mm, Größe der Läsion < 3 cm
  • CEUS: keine Kontrastmittelaufnahme der Septen
  • Malignitätsrisiko 0 % 
Zysten Bosniak IIF
  • B-Bild: gering wandverdickte Septen/Zystenwand, einzelne Verkalkungen
  • CEUS: diskrete Kontrastmittelaufnahme der Septierungen
  • Malignitätsrisiko: 5–25 %
Zysten Bosniak III
  • B-Bild: multiple Septierungen/irregulär verdickte Septen/irregulär verdickte Zystenwand, irreguläre Verkalkungen
  • CEUS: deutliche Kontrastmittelaufnahme von Septierungen oder Wandverdickungen
  • Malignitätsrisiko: 30–100 %
Zysten Bosniak IV
  • B-Bild: noduläre/solide Anteile
  • CEUS: Kontrastmittelaufnahme der nodulären/soliden Anteile
  • Malignitätsrisiko: 100 %

Indikationen zur Überweisung

  • Bei noch unklarer Einschätzung der Dignität nach der hausärztlichen Untersuchung

Therapie

Therapieziele

  • Eine nicht notwendige Behandlung bei kleinen, benignen Zysten vermeiden.
  • Symptome durch Behandlung symptomatischer Zysten lindern.
    • große Zysten mit Schmerzen oder Obstruktion des Nierenkelchsystems, infizierte Zysten  
  • Die Prognose durch Entfernung maligner Zysten verbessern.

Allgemeines zur Therapie

  • Therapiemöglichkeiten bei Nierenzysten sind:
    • chirurgische Exzision (evtl. vorausgegangene Biopsie) maligner Zysten6
    • große, symptomatische Zysten
      • Aspiration und Sklerotherapie12
      • Marsupialisation8
    • Drainage, antibiotische Therapie bei infizierten Zysten8

Vorgehen in Abhängigkeit von der Dignität anhand der Bosniak-Klassifikation6

  • Zysten der Kategorien I und II nach Bosniak
    • sichere Diagnose durch native B-Bild-Sonografie und Farbduplexsonografie möglich
    • keine weitere Abklärung
  • Zysten der Kategorie Bosniak IIF
    • regelmäßige Verlaufskontrollen
  • Zysten der Kategorie Bosniak III und IV
    • weitere Abklärung durch Biopsie
    • chirurgische Exzision

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Hydronephrose durch Obstruktion der Harnwege
  • Infektion
  • Einblutung

Verlauf und Prognose

  • Die Prognose ist überwiegend gut, die meisten Zysten sind benigne.

Verlaufskontrolle

  • In Abhängigkeit von der Bosniak-Klassifikation:
    • Bosniak I: keine Verlaufskontrolle notwendig6
    • Bosniak II: keine Verlaufskontrolle notwendig6
    • Bosniak IIF: regelmäßige bildgebende Verlaufskontrollen empfohlen (F steht für für Follow-up)6
    • Bosniak III und IV: normalerweise unmittelbare Exzision, bei Patienten mit schweren Komorbiditäten/reduzierter Lebenserwartung evtl. Verlaufskontrolle nach 6 und 12 Monaten, anschließend jährlich mit Neuentscheid über das weitere Vorgehen5

Patienteninformationen 

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Nierenzysten sind im Allgemeinen ein harmloser Zufallsbefund.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Sonografie: Nierenzyste und Nephrolithiasis
Sonografie: Nierenzyste und Nephrolithiasis (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Größere Nierenzyste zum unteren Pol, Nierenparenchymbrücken
Sonografie: Größere Nierenzyste zum unteren Pol, Nierenparenchymbrücken (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
CT: Linksseitige Nierenzyste
CT: Linksseitige Nierenzyste

Quellen

Literatur

  1. Vester U, Kranz B, Bergmann C. Von Nierenzysten und Zystennieren. URO-News 2010; 14: 40-46. doi:10.1007/BF03369501 DOI
  2. Stiefelhagen P. Was drückt da auf die Niere?. MMW - Fortschritte der Medizin 2013; 155: 34. doi:10.1007/s15006-013-0281-x DOI
  3. Wüthrich R. Nierenzysten Zystennieren. Nephrologe 2010; 5: 363. doi:10.1007/s11560-010-0467-5 DOI
  4. Müller-Peltzer K, Negrão de Figueiredo G, Schwarze V, et al. Sichere Diagnostik zystischer Nierenläsionen. Radiologe 2018; 58: 887–893. doi:10.1007/s00117-018-0444-y DOI
  5. Scharitzer M, Tamandl D, Ba-Ssalamah A. Zufallsbefunde von Niere, Nebenniere, Adnexen, Gastrointestinaltrakt, Mesenterium und Lymphknoten. Radiologe 2017; 57: 279–285. doi:10.1007/s00117-017-0236-9 DOI
  6. Rübenthaler J, Mueller-Peltzer K, Negrão de Figueiredo G, et al. CEUS – Diagnostik zystischer Nierenläsionen. Radiologe 2018; 58: 545-552. doi:10.1007/s00117-018-0394-4 DOI
  7. Ljungberg B, Holmberg G, Sjödin JG, et al. Renal cell carcinoma in a renal cyst. A case report and review of the literature. J Urol 1990; 143: 797. PubMed
  8. Padevit C, Jaeger P. Infizierte solitäre Nierenzyste: eine seltene Ursache von Flankenschmerzen. Schweiz Med Forum 2005; 5: 153-154. doi:10.4414/smf.2005.05457 DOI
  9. Stock F, Kübler H, Holzapfel K. Zufallsbefund zystische Nierenläsion. MMW - Fortschritte der Medizin 2017; 6: 60. doi:10.1007/s15006-017-9486-8 DOI
  10. Mumm J, Clevert D, Ziegelmüller B. Unklare Raumforderung in der Niere. MMW - Fortschritte der Medizin 2018; 160: 48-50. doi:10.1007/s15006-018-0291-9 DOI
  11. Bosniak, MA. The Bosniak Renal Cyst Classification: 25 Years Later. Radiology 2012; 262: 781-5. PubMed
  12. Brunken C, Pfeiffer D, Tauber R. Langzeitergebnisse nach perkutaner Sklerosierung von Nierenzysten mit Polidocanol. Urologe 2002; 41: 263-266. www.researchgate.net

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Steinar J. Karlsen, tidligere klinikksjef og professor dr. med., Oslo Urologiske Universitetsklinikk, Aker universitetssykehus helseforetak og Universitetet i Oslo
  • Steinar Hunskår, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Seksjon for allmennmedisin, Universitetet i Bergen
  • Tor Erik Widerøe, professor, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, og overlege ved Seksjon for nyresykdommer, Regionsykehuset i Trondheim

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