Unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen

Zusammenfassung

  • Definition:Oberflächliche bakterielle Infektion der Schleimhäute von Harnblase und Urethra bei gesunden, nicht schwangeren Frauen. Die unkomplizierte Zystitis wird meist durch aszendierende Infektion mit E. coli verursacht.
  • Häufigkeit:Häufigste bakterielle Infektion der Frau und häufiger Vorstellungsgrund in der Hausarztpraxis. Die Hälfte aller Frauen hat in ihrem Leben mindestens einmal eine Zystitis und etwa 3 % leiden unter rezidivierenden Harnwegsinfektionen.
  • Symptome:Akuter Beginn mit Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie), häufigem Wasserlassen (Pollakisurie) und vermehrtem Harndrang.
  • Befunde:Getrübter, stark riechender Urin ist ein häufiges Anzeichen. Auch kann eine Hämaturie vorliegen.
  • Diagnostik:Typische Anamnese und Urinteststreifen oft ausreichend für die Diagnosestellung. Urinmiksroskopie und Urinkultur als weiterführende Diagnostik, z. B. bei Therapieversagen oder komplizierenden Umständen.
  • Therapie:Infektion meist innerhalb einer Woche spontan selbstlimitierend. Behandlung mit Antibiotika zur Verkürzung der Symptomdauer empfohlen: Einsatz von Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder Trimethoprim in Abhängigkeit der Resistenzlage.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

  • Unkomplizierte Harnwegsinfektion
    • Kriterien einer unkomplizierten Harnwegsinfektion (HWI):2-3
      • keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien
      • keine relevanten Nierenfunktionsstörungen
      • Keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen, die eine Harnwegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen.
    • Die unkomplizierte Zystitis ist eine weniger als 1 Woche andauernde Zystitis bei einer sonst gesunden und nicht schwangeren Frau.
    • Eine klinisch symptomatische Harnwegsinfektion wird von einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden.
      • Letztere soll bei nicht schwangeren Frauen nicht behandelt werden.
  • Rezidivierende Zystitis
    • meist unkomplizierte Infektionen
    • Liegt vor bei > 3 Infektionen pro Jahr oder ≥ 2 Infektionen in den letzten 6 Monaten.3
  • Komplizierte Zystitis

Klassifikation

  • Infektionen der Harnwege werden gewöhnlich in obere und untere HWI eingeteilt.2-3
    • untere Harnwegsinfektion (Zystitis)
    • obere Harnwegsinfektion (Pyelonephritis)
      • zusätzlich akute Symptome wie z. B. Flankenschmerz, klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C)

Häufigkeit

  • Harnwegsinfektionen sind einer der häufigen Gründe für einen Arztbesuch.3
  • Wenige verlässliche Angaben zur Häufigkeit in Deutschland3
  • Inzidenz
    • Die Zystitis ist die häufigste Infektion bei Frauen.4
    • Eine Routinedatenanalyse aus dem Jahr 2013 ergab, dass bei 9 % aller Frauen > 12 Jahre die Diagnose einer akuten Zystitis gestellt wurde.3
  • Ca. 50–70 % aller Frauen haben im Laufe ihres Lebens eine Harnwegsinfektion.5
  • In einer Befragung gaben 3 % der Frauen an, an rezidivierenden Harnwegsinfektionen zu leiden.3
  • Die Häufigkeit ist abhängig von der Altersgruppe (am höchsten bei über 80-Jährigen).3
  • Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie
    • Zunahme mit dem Alter und in Zusammenhang mit sexueller Aktivität3
      • 5–6 % bei sexuell aktiven Frauen zwischen 20–40 Jahren
      • 18 % bei > 70-jährigen Frauen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Typisch ist ein aszendierender Verlauf.
    • Die uropathogenen Keime gelangen durch Schmierinfektion zur äußeren Harnröhrenöffnung und wandern die Urethra hinauf in die Harnblase und ggf. weiter ins Nierenbecken.
    • Die Keime können der Darmflora entstammen und/oder beim Geschlechtsverkehr übertragen werden.
    • Eine hämatogene Streuung in die Nieren kommt selten vor.
  • Erregerspektrum im hausärztlichen Versorgungsbereich für ambulant erworbene, unkomplizierte HWI:3,6
    • Escherichia coli (73–80 %)
    • Enterokokken (3–13 %)
    • Proteus spp. (ca. 5 %)
    • Staphylokokken (5–8 %)
    • Klebsiella pneumoniae (7 %).
  • Komplizierte Zystitis2
    • E. coli ist der häufigste Erreger.
    • Enterokokken, Proteus spp. oder Klebsiella sind ebenfalls häufig.
  • Urethritis3
    • Bei der Urethritis handelt es sich oft um eine sexuell übertragbare Erkrankung, die durch Chlamydien, seltener durch Gonokokken, Mykoplasmen oder Ureaplasmen verursacht wird.
  • Rezidivierende Harnwegsinfektionen
    • Sind oft auf Reinfektion ohne andere prädisponierende Faktoren zurückzuführen.3

Prädisponierende Faktoren

  • Die wichtigsten Risikofaktoren sind Zystitiden in der Vorgeschichte sowie häufige oder kürzliche sexuelle Aktivität.7
  • Risikofaktoren für eine Harnwegsinfektion sind:3
    • vorhergehende Harnwegsinfektionen
    • Geschlechtsverkehr
    • Verhütungsmethode mit Diaphragmen, Spermiziden oder DMPA (Depot-Medroxyprogesteronacetat)
    • Antibiotikaeinnahme vor 2–4 Wochen
    • anatomische Besonderheiten oder Funktionseinschränkungen
    • Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2
    • Immunsuppression.
  • Hormone
    • Bei zunehmendem Östrogenmangel ab 65 Jahren und darüber wird die Schleimhaut trocken und dünn, die Laktobazillen-Flora in der Vagina wird durch die Darmflora ersetzt, und das Risiko für Zystitiden steigt insbesondere bei atrophischer Vulvovaginitis.

Anatomische, pathologische oder funktionelle Faktoren

  • Liegt Folgendes vor, ist die Zystitis kompliziert:
    • Steine, Katheter, Tumoren oder andere Faktoren, die eine Schleimhautläsion verursachen.
    • Neurogene oder andere Störungen der Harnentleerung, Obstruktion, Missbildungen, vesikoureteraler Reflux, Blasendivertikel, vaginaler Prolaps oder andere Erkrankungen, die zu Restharn führen.3
    • Schwangerschaft
    • Diabetes mellitus mit Glukosurie
    • systemische Erkrankungen oder immunsuppressive Behandlungen.

ICPC-2

  • U71 Zystitis/Harnwegsinfekt, anderer

ICD-10

  • N30 Zystitis
    • N30.0 Akute Zystitis
    • N30.1 Interstitielle Zystitis (chronisch)
    • N30.2 Sonstige chronische Zystitis
    • N30.3 Trigonumzystitis
    • N30.4 Strahlenzystitis
    • N30.8 Sonstige Zystitis
    • N30.9 Zystitis, nicht näher bezeichnet
  • N39 Sonstige Krankheiten des Harnsystems
    • N39.0 Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose beruht im Wesentlichen auf der Beschwerdeanamnese.
    • typische, akute Beschwerden bei Zystitis
      • Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen (Dysurie)
      • häufige Harnentleerung (Pollakisurie)
      • fehlender Ausfluss.
    • Bei typischen, akut aufgetretenen Symptomen ist die Wahrscheinlichkeit für eine Harnwegsinfektion sehr hoch.
    • Weitere Diagnostik bringt nur wenig zusätzliche Diagnosesicherheit.
      • Bei typischer Symptomatik und Fehlen von komplizierenden Faktoren kann auf weitere Diagnostik verzichtet werden.3
  • Bei uneindeutigen Beschwerden
    • Urin-Teststreifen mit einem der folgenden Befunde:3
      • Leukozyten und Nitrit positiv
      • Nitrit positiv
      • Leukozyten und Hämoglobin positiv.
  • Goldstandard zur Diagnose einer Harnwegsinfektion ist die Urinkultur.3
    • Schwellenwert von 103 cfu/ml uropathogener Keime im Mittelstrahlurin bei symptomatischen Patientinnen.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Zentrale Fragen in der Anamnese3
    • Haben Sie Schmerzen beim Wasserlassen, häufige Miktionen und imperativen Harndrang?
    • Harnwegsinfektion als vermutete Ursache?
    • Zusätzlich vaginale Beschwerden?
  • Typische, akut aufgetretene Symptome:
    • Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie)
    • häufiges und nächtliches Wasserlassen (Pollakisurie, Nykturie)
    • Fehlen von vaginalem Ausfluss.
  • Symptome, die die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion erhöhen:3
    • frühere Harnwegsinfektionen
    • vorhandene oder verstärkte Inkontinenz bzw. imperativer Harndrang
    • suprapubischer Schmerz
    • Trübung des Urins
    • Makrohämaturie
    • Vorliegen von Risikofaktoren
    • fehlender vaginaler Ausfluss oder Juckreiz
      • bei vaginalen Symptomen ggf. Differenzialdiagnostik und gynäkologische Untersuchung
      • Das Fehlen vaginaler Symptome erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Zystitis auf über 90 %.5
  • Komplizierende Faktoren bei der Frau:3
  • Symptome, die auf eine obere Harnwegsinfektion (Pyelonephritis) hindeuten:7
    • Fieber und reduzierter Allgemeinzustand
    • Flankenschmerzen
    • Übelkeit oder Erbrechen.

Klinische Untersuchung

  • In der Regel ist der körperliche Untersuchungsbefund unauffällig.
    • suprapubische Druckschmerzhaftigkeit bei 10–20 % der Patientinnen9
  • Körperliche Untersuchung bei Vorliegen einer unkomplizierten Harnwegsinfektion verzichtbar3

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Urinuntersuchung mittels Teststreifen
    • einfacher, schneller und häufig eingesetzter Test auf Nitrit, Leukozyten und Blut/Protein3
    • Makroskopische Hämaturie ist nicht ungewöhnlich (kein Indikator für den Schweregrad).
    • Nitrit
      • Zeigt Vorhandensein bestimmter Erreger ab einer bestimmten Konzentration an.
      • Urin muss eine gewisse Zeit (ca. 4 Stunden) in der Blase verbracht haben.
      • relativ hohe Spezifität (85–95 %) bei geringer Sensitivität (45–60 %)3
      • Ein positiver Test spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Bakteriurie.
    • Leukozyten
      • indirekter Hinweis auf das Vorhandensein von Leukozyten (Leukozytenesterase)
      • Kann auch bei anderen Infektionen im Genitalbereich positiv ausfallen.3
      • hohe Sensitivität von ca. 80–90 % und geringe Spezifizität von 40–50 %
      • Besser dafür geeignet, eine Bakteriurie auszuschließen, als sie nachzuweisen.
    • Blut
      • hohe Sensitivität zum Nachweis einer Harnwegsinfektion
    • Protein
      • keine Bedeutung in der Diagnostik einer Harnwegsinfektion3
    • Siehe Tabelle Urinstreifentest, Störfaktoren.
  • Anamnese und Urinstreifentest reichen zur Diagnose Harnwegsinfektion normalerweise aus.
    • Behandlung meist auf Grundlage von Anamnese und Urinstreifentest3
    • Bei Frauen mit Dysurie und häufiger Harnentleerung, aber mit für Nitrit- und Leukozyten-negativem Urinstreifentest, sprachen 3 von 4 auf Antibiotika an.10

Weitere Urinuntersuchungen

  • Mikrobiologische Untersuchung (Urinkultur)
    • Bakteriologische Untersuchungen des Urins bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt (Zystitis) sind selten indiziert.
    • Beispielindikationen für eine Urinkultur3
    • Erfordert exakte Gewinnung und Verarbeitung des Urins.
      • in der Regel Mittelstrahlurin
      • Kontaminationen durch Umgebungsflora minimieren.3
  • Harnmikroskopie
    • in der Diagnostik der Bakteriurie nach der Urinkultur die besten Testeigenschaften
      • Phasenkontrastmikroskopie: Sensitivität 100 %, Spezifität 60–86 %11
    • Stark untersucherabhängig: Hohe diagnostische Genauigkeit, wenn Praxen Erfahrung haben.
    • Kann bei ausreichender Erfahrung dazu dienen, eine Harnwegsinfektion weitgehend auszuschließen.3

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bilddiagnostische Untersuchungen
    • in der Regel nicht erforderlich
    • Sonografie empfohlen bei V. a. Pyelonephritis, atypischen Symptomen und rezidivierenden Harnwegsinfektionen2-3
  • Häufige rezidivierende Harnwegsinfektionen (> 3/Jahr)
    • ggf. urologische Untersuchung
    • bildgebende Verfahren
    • Eine routinemäßige Zystoskopie bei Fehlen relevanter Begleiterkrankungen ist nicht empfohlen.3

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Infektion sanieren.
  • Rezidivierende Infektionen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Beratung3
    • Gutartigkeit der Erkrankung
    • Häufigkeit von Rezidiven
    • Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr
    • Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe
  • Antibiotische Therapie
    • Antibiotische Therapie dient der Verkürzung der Symptomdauer und der Vermeidung von Komplikationen.
    • Laut Leitlinien der DEGAM und DGU sollte eine antibiotische Therapie empfohlen werden.2-3
      • Bei nur leichten/mittelgradigen Beschwerden kann eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative erwogen werden.
      • partizipative Entscheidungsfindung
      • Auswahl des Antibiotikums nach individuellem Risiko, Wirksamkeit (Erregerspektrum, orale Bioverfügbarkeit u. a.), Nebenwirkungen und dem vermehrten Auftreten von Resistenzen.
  • Akute unkomplizierte Zystitis in der Regel spontan selbstlimitierend innerhalb 1 Woche
    • nichtantibiotische Behandlung und Konzept der verzögerten Verschreibung bei Frauen akzeptiert und gewünscht
    • Alleinige symptomatische Therapie kann bei leichten oder mittelgradigen Beschwerden als Alternative angeboten werden.3
  • Symptomatische Therapie
    • NSAR (z. B. Ibuprofen) haben einen symptomlindernden Effekt, sind jedoch Antibiotika unterlegen.12-14
    • evtl. erhöhtes Vorkommen von Pyelonephritiden bei rein symptomatischer Therapie mit NSAR13-14
  • Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Schwangeren mit einer Risikoschwangerschaft)3

Empfehlungen für Patient*innen

  • Maßnahmen zur nichtmedikamentösen Behandlung3
    • ausreichende Trinkmenge (mind. 2 l/d; Kontraindikationen beachten, z. B. Herzinsuffizienz)
    • vollständige, regelmäßige Entleerung der Blase
    • Wärmeapplikation bei Schmerzen
    • Keine übertriebene Genitalhygiene, die die körpereigene Vaginalflora zerstört.
    • Miktion nach Geschlechtsverkehr
    • ggf. Wechsel der Verhütungsmethode (Vermeiden von Scheidendiaphragmen, Spermiziden).

Medikamentöse Therapie

Antibiotische Therapie

  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.15

Leitlinie: Antibiotika zur empirischen Therapie2-3

Allgemeines zur Antibiotikatherapie bei unkompliziertem Harnwegsinfekt

  • Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen keine mikrobiologische Diagnostik empfohlen
  • Empfohlen ist, wenn möglich eine antibiotische Kurzzeittherapie (1–3 Tage) durchzuführen.
  • Fluorchinolone und Cephalosporine sollen nicht eingesetzt werden.
  • Risikofaktoren für das Vorliegen einer Infektion mit resistenten Keimen
    • vorheriger Einsatz des jeweiligen Antibiotikums
    • evtl. bei liegendem Urinkatheter

Empfohlene Antibiotika

  • Siehe Tabelle Unkomplizierte Zystitis, Antibiotikatherapie.
  • In den Leitlinie der DEGAM und DGU werden folgende Antibiotika zur möglichen Erstlinientherapie bei unkomplizierter Harnwegsinfektion bei Frauen empfohlen:  
  • Fosfomycin-Trometamol
    • Dosierung: Einmaldosis 3 g
    • konstant geringe Resistenzrate von E. coli
    • hohe Behandlungskosten
    • Kann in der Stillzeit verwendet werden (Embryotox).
  • Nitrofurantoin
    • Dosierung: 50 mg 4 x/d über 7 Tage oder Retardform 100 mg 2 x/d über 5 Tage
    • niedrige Resistenzraten und Kollateralschäden16
    • geringere Behandlungskosten
    • seltene unerwünschten Arzneimittelwirkungen (z. B. Lungenfibrose) erst bei längerer Gabe
    • Kontraindikation bei Niereninsuffizienz
    • Kontrolle der Transaminasen bei Lebererkrankungen
    • in der Stillzeit strenge Indikationsstellung (Embryotox).
  • Nitroxolin
    • Dosierung: 250 mg 3 x/d über 5 Tage
    • seit den 1960er Jahren als orales Harnwegstherapeutikum bei akuten und chronischen Infektionen zugelassen.
  • Pivmecillinam
    • Dosierung: 400 mg 2- bis 3-mal/d über 3 Tage
    • Betalaktam-Antibiotikum, das ausschließlich zur Behandlung der Zystitis empfohlen ist.
      • seit 2016 in Deutschland zugelassen
    • Kann in der Stillzeit verwendet werden (Embryotox).
  • Trimethoprim, bei lokalen Resistenzraten < 20 %
    • Dosierung: 200 mg 2 x/d über 3 Tage
    • Resistenzraten im hausärztlichen Bereich meist < 20 % (Grenzwert für empirische Therapie)
    • Monosubstanz Trimethoprim (statt Cotrimoxazol) aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsspektrums
    • Kann in der Stillzeit verwendet werden (Embryotox).
  • Nicht eingesetzt werden sollten in der Erstlinientherapie:
    • Cefpodoxim-Proxetil
    • Ciprofloxacin
    • Cotrimoxazol
    • Levofloxacin
    • Norfloxacin
    • Ofloxacin.
  • Schwangere: Siehe Artikel Harnwegsinfekt in der Schwangerschaft.
  • Nicht empfohlene Antibiotika
    • Trimethoprim bei Resistenzrate von > 20 %2-3
      • Versorgungsebene der Patientin für die Resistenzlage relevant
      • Im hausärztlichen Setting finden sich im Gegensatz zu Resistenz-Surveillance-Datenbanken niedrigere Resistenzraten für Trimethoprim (< 20 %).16-17
    • Trimethoprim mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol)
      • im Vergleich zur Monosubstanz (TMP) keine Vorteile3
      • höheres Risiko von Nebenwirkungen (v. a. allergische Hautreaktionen)
    • Fluorochinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)3,6 und Cephalosporine
      • nicht als Antibiotika der 1. Wahl bei der unkomplizierten Zystitis
      • vermehrte Resistenzbildung im Hinblick auf die notwendige Verwendung der Substanzen bei anderen Indikationen
      • Selektion multiresistenter Erreger und Risiko für Clostridium-difficile-Kolitis bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen am höchsten
      • Einsatz bei komplizierten Infektionen oder wenn keine Alternativen bestehen.2-3
    • Ampicillin oder besser resorbierbare Ampicillinester und Amoxicillin
      • niedrige Empfindlichkeits- bzw. hohen Resistenzraten2-3,6
      • Ggf. Einsatz, wenn sensitive Bakterien nachgewiesen worden sind.

Symptomatische Therapie

  • Primär symptomatische Behandlung mit Ibuprofen
    • unter symptomatischer Behandlung nach 1 Woche 70 % beschwerdefrei (80 % bei antibiotischer Behandlung)
    • Bei leichten/mittelgradigen Beschwerden kann eine alleinige symptomatische Therapie angeboten werden.3
  • Spasmolytika haben keine kausale Wirkung, und ein Nutzen zur Symptomkontrolle ist nicht erwiesen.3
  • Phytotherapeutika
    • häufiger und traditioneller Einsatz von Phytotherapeutika bei Harnwegsinfektionen und Blasenreizzuständen, jedoch wenig wissenschaftliche Basis
    • Behandlung einer Harnwegsinfektion mit Heidekrautgewächsen (Preiselbeere, Moorbeere, Moosbeere [Cranberries])
      • aktuell keine Empfehlung aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse und fehlendem Wirksamkeitsnachweis2-3,18
    • meist Einsatz zur Verhinderung von Rezidiven
      • Bei häufigen Rezidiven können Phytotherapeutika (z. B. Präparate aus Bärentraubenblättern [max. 1 Monat], Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel) empfohlen werden.3

Rezidiv und Therapieversagen

  • Rückfall (Frührezidiv)
    • Persistenz der Erreger trotz anfänglichem Therapieerfolg innerhalb von 14 Tagen3
  • Mögliche Ursachen für ein Therapieversagen oder Rückfall
    • mangelnde Compliance
    • resistente Erreger
    • andere Risikofaktoren
  • Die Leitlinien der DEGAM und DGU empfehlen folgendes Vorgehen:2-3
    • körperliche Untersuchung
    • Beratung mit Diskussion der Ursachen
    • Urinuntersuchung einschließlich -kultur
    • ggf. Wechsel des Antibiotikums.
  • Neuinfektion (> 14 Tage) wird wie eine Erstinfektion behandelt.
    • antibiotische Behandlung wieder mit einer Kurzzeittherapie3
    • ggf. Wechsel auf ein anderes Erstwahl-Antibiotikum3

Prävention

Behandlung rezidivierender Harnwegsinfektionen

  • Gesunde Frauen mit häufigen Harnwegsinfektionen (> 3 pro Jahr oder ≥ 2 in den letzten 6 Monaten)
    • Prophylaktische Maßnahmen erwägen.
    • Akute Zystitis-Fälle sind als Neuinfektion zu behandeln.
    • Folgendes Vorgehen wird empfohlen:2-3
  • Einnahme von Mannose kann zur Prophylaxe empfohlen werden.2-3
    • Der Wirkmechanismus besteht in der Verhinderung der bakteriellen Adhärenz an Urothelzellen.
    • Aktuelle Metaanalysen zeigen, dass Mannose, ggf. auch in Kombination mit Lactobacillus oder Polyphenolen, eine Rolle bei der Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten haben könnte, die Datenlage ist aber nach wie vor nicht ausreichend, um die Wirksamkeit zu belegen.19-20
  • Phytopharmaka
    • z. B. Präparate aus Bärentraubenblättern (max. 1 Monat), Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel2-3
    • Moosbeeren (Cranberries)
      • aktuell keine Empfehlung aufgrund widersprüchlicher Studien2-3,21
      • In mehreren Studien konnte ein positiver Effekt auf die Rezidivrate festgestellt werden, aufgrund der Heterogenität der Studien ist die Evidenz nicht ausreichend, um Aussagen über die Wirksamkeit treffen zu können.22
  • Selbstbehandlung bei Infekt mit antibiotischer Stand-by-Medikation2-3
  • Postkoitale Einmalprophylaxe (falls Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr besteht)
    • z. B. 50 mg Nitrofurantoin2 oder 100 mg Trimethoprim3
  • Die Leitlinie der DGU empfiehlt vor Beginn einer antibiotischen Prophylaxe:
    • orale Immunstimulation mit OM-89 über 3 Monate2
      • Enthält Zellwandbestandteile von 18 uropathogenen E.-coli-Stämmen.
      • Auch parenterale Immunprophylaxe kann versucht werden.
    • bei älteren Frauen eine vaginale Östrogentherapie (0,5 mg Estriol/d).2
  • Antibiotische Langzeitprophylaxe2-3
    • Lokale Resistenzlage beachten.
    • Vorteile der prophylaktischen Anwendung gegen mögliche Nebenwirkungen abwägen.
    • Die Leitlinie der DEGAM empfiehlt eine Langzeittherapie mit Nitrofurantoin oder Trimethoprim für 6 Monate.3
      • 100 mg Nitrofurantoin wirksamer als 100 mg Trimethoprim in der Rezidivprophylaxe
      • Nitrofurantoin sollte nicht länger als 6 Monate verordnet werden.
  • Verhaltensempfehlungen zur Prävention3
    • ausreichende Trinkmenge
      • In einer Studie von 2018 an 140 prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten führte eine Erhöhung der täglichen Trinkmenge um 1,7 l im Verlauf von 12 Monaten zu einer Halbierung der Anzahl der Zystitiden und des Antibiotikaverbrauchs.23
    • vollständige, regelmäßige Entleerung der Blase
    • Miktion nach Geschlechtsverkehr
    • Keine übertriebene Genital-„Hygiene“, die die körpereigene Vaginalflora zerstört (keine „Intimsprays“ u. Ä.).
    • ggf. Wechsel der Verhütungsmethode (Vermeiden von Spermiziden [Kondom, Diaphragma])
    • Abwischtechnik nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Eine akute unkomplizierte Zystitis ist in den meisten Fällen selbstlimitierend.
    • Spontanheilungsrate von 30–50 % nach 1 Woche3
  • Bei den meisten Patientinnen kommt es im Laufe der ersten 24 Stunden zu einer Linderung der Symptome.

Komplikationen

Prognose

  • Die Prognose für einen akuten unkomplizierten Harnwegsinfekt ist gut.
  • Einige Frauen haben rezidivierende Harnwegsinfektionen.3
    • nach einer ersten Harnwegsinfektion 20–36 % junger Frauen innerhalb eines halben Jahres
    • bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen sogar mehr als jede zweite Frau innerhalb eines Jahres
    • Auch bei rezidivierenden Episoden ist nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen.3

Verlaufskontrolle

Unkomplizierte Zystitis bei Frauen

  • Eine Nachkontrolle ist nicht routinemäßig nötig.2
  • Eine Kontrolle sollte erfolgen, wenn die Diagnose ursprünglich unklar war.
  • Wiedervorstellung und evtl. erweiterte Diagnostik bei fehlender Besserung im Verlauf von 4–5 Tagen oder bei frühem Rezidiv.

Rezidivierende unkomplizierte Zystitis

  • Wenn kein Verdacht auf komplizierende Umstände besteht, kann nach erfolgreicher klinischer Behandlung auf eine Kontrolle verzichtet werden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?

  • Akute untere Harnwegsinfekte sind in der Regel selbstheilend.
  • Antibiotika können den Verlauf abkürzen und Symptome lindern, es können aber Nebenwirkungen auftreten.
  • Selbstverabreichung von Antibiotika bei wiederholten Infektionen erwägen.
  • Empfehlungen zur Prävention und Verhaltensweisen bei Harnwegsinfektion
  • Wiedervorstellung, wenn die Symptome länger als 1 Woche andauern.
  • Zur Beratung der Patientinnen bezüglich Therapieoptionen: Siehe Anhang „Antibiotische oder symptomatische Behandlung bei einem Harnwegsinfekt“ der DEGAM-LL.3

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU). Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044. S3, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) Harnwegsinfektionen. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044, S3, Stand 2017 www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. Stand 2018. www.awmf.org
  4. Colgan R, Williams M. Diagnosis and treatment of acute uncomplicated cystitis. Am Fam Physician 2011; 84: 771-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Geerlings SE. Clinical Presentations and Epidemiology of Urinary Tract Infections. Microbiol Spectr. 2016 Oct;4(5). journals.asm.org
  6. Wagenlehner FM, Wagenlehner C, Savov O, Gualco L, Schito G, Naber KG.. Clinical aspects and epidemiology of uncomplicated cystitis in women. German results of the ARESC Study. Urologe A. 2010; 49(2): 253-61. doi:10.1007/s00120-009-2145-7 DOI
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Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
  • Dietrich August, Arzt, Freiburg im Breisgau
  • Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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