Subduralhämatom

Zusammenfassung

  • Definition:Ein subdurales Hämatom (SDH) tritt in der Regel im Bereich der Schädelkonvexität auf und bezeichnet eine akute oder chronische Blutansammlung zwischen der Dura mater und der Arachnoidea infolge eines Traumas.
  • Häufigkeit:Die Inzidenz liegt schätzungsweise bei 5,3 pro 100.000 Personen und Jahr.
  • Symptome:Bewusstseinsstörungen, vor allem beim akuten SDH. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis, Verwirrtheit, kognitive Defizite, sensorische oder motorische Ausfälle, Störungen der Pupillenreaktionen, Anisokorie, Augenmuskelparesen.
  • Diagnostik:Eine kranielle CT bestätigt die Diagnose.
  • Therapie:Primärtherapie ist die Operation mit Hämatomausräumung. Eine konservative Therapie kommt bei kleinen und asymptomatischen Hämatomen infrage.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, beruht dieser Artikel auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Ein Subduralhämatom kann auftreten:
    1. akut: innerhalb von 72 Stunden (oft nach Schädel-Hirn-Trauma)
    2. subakut: 3–7 Tage nach der Verletzung
    3. Chronisch: Entwickelt sich über mehrere Wochen (oft bei älteren Patient*innen durch Bagatelltraumata, z. B. unter Antikoagulation).
  • Akutes Subduralhämatom
    • oft in Verbindung mit einem schweren Hirntrauma
    • häufigste Form eines traumatischen intrakraniellen Hämatoms
    • Wird bei 1 von 4 Patient*innen nachgewiesen, die komatös wegen einer Kopfverletzung eingewiesen werden.
  • Chronisches Subduralhämatom
    • Blutansammlung im Bereich der Schädelkonvexität zwischen der Dura Mater und der Arachnoidea
    • Entwickelt sich nach einem Trauma oft erst allmählich über Wochen mit einer langsam zunehmenden Symptomatik.
    • Führt häufig zu lateralisierten Symptomen, kann aber – insbesondere bei Älteren – auch diffuse zerebrale Symptome hervorrufen.
  • Das subdurale Hämatom stellt die häufigste Art von traumatischen intrakraniellen Blutungen dar.
  • Traumatische intrakranielle Blutungen wie das Subduralhämatom stellen bei begleitenden neurologischen Defiziten eine dringliche Operationsindikation dar.

Häufigkeit

  • Zumeist bei älteren und bei alkoholkranken Menschen
  • Die Inzidenz liegt schätzungsweise bei 5,3 pro 100.000 Personen und Jahr.
  • In der Altersgruppe von 70–79 Jahren ist die Inzidenz 5-mal so hoch.
  • Die Wahrscheinlichkeit, eine posttraumatische intrakranielle Blutung zu entwickeln, ist bei Kindern geringer als bei Erwachsenen.
    • Eine Besonderheit im Kindesalter sind SHT im Rahmen von Kindesmisshandlungen (z. B. nichtakzidentelles Schädel-Hirn-Trauma), von denen vor allem Kinder in den ersten 3 Lebensjahren betroffen sind und die oft aus mehrzeitigen, schweren, kombinierten intrakraniellen Verletzungen bestehen und häufig mit massiven diffusen Hirngewebsverletzungen einhergehen.
    • Bei Subduralblutungen im Kindesalter immer auch an Kindesmisshandlung denken!

Ätiologie und Pathogenese

  • Subdurale Blutungen und Hämatome entstehen nicht nur bei schweren Traumata gegen den Schädel, sondern auch durch kleinere Kopfverletzungen oder Stürze (Bagatelltraumata), vor allem bei älteren Menschen sowie Personen, die Antikoagulanzien einnehmen.
  • Pathogenese
    • Subdurale Blutungen entstehen in der Regel durch rupturierte Brückenvenen infolge des heftigen Bewegungsimpulses bei einem Trauma.
    • Eine Schädigung des Gehirns tritt als Folge unmittelbaren Drucks ein: entweder durch insgesamt erhöhten intrakraniellen Druck oder durch einen intraparenchymalen Insult.
  • Rezidivblutungen
    • Diese führen zum Wachstum des Hämatoms und allmählich zu einer symptomatischen Kompression der Hemisphären.
    • In der Hämatomflüssigkeit gibt es eine markant erhöhte fibrinolytische Aktivität, was das Risiko erneuter Blutungen erhöht.
  • Akutes Subduralhämatom
    • Ist häufig mit erheblichen Schädigungen des Gehirns verbunden.
  • Herniation
    • Subdurale Hämatome können lebensbedrohlich werden, da sie den Hirndruck steigern und zu einer Verdrängung von Hirngewebe mit anschließender zerebraler Ischämie (obere/untere Einklemmung) führen können.
  • Chronisches Subduralhämatom
    • Kleine Subduralhämatome werden meist spontan resorbiert.
    • Ältere Menschen sind für den chronischen Verlauf anfälliger, wenn eine Hirnatrophie (z. B. bei Alkoholkonsumstörung oder Demenz) vorliegt, die zu einem erhöhten Zug auf die Brückenvenen führt, und damit zu dem Risiko, dass selbst kleinere Traumata in einer Brückenvenenruptur resultieren.

Prädisponierende Faktoren

  • Zerebrale Atrophie
  • Alkoholkonsumstörung
  • Hohes Alter
  • Erhöhtes Sturzrisiko
  • Antikoagulation
    • Laut internationalen Daten OR 3,68 für Warfarin, OR 1,73 für NOAK3
    • Allerdings ist die Vergleichbarkeit bisheriger Studien mit der Situation in Deutschland stark eingeschränkt, u. a. wegen des hier bevorzugt als VKA eingesetzten Phenprocoumon und der im Vergleich zu den USA sehr viel konsequenter durchgeführten INR-Überwachung.
  • Thrombozytenaggregationshemmer
    • OR 1,24 für Acetylsalicylsäure, OR 1,87 für Clopidogrel3
    • OR 4,0 für Acetylsalicylsäure und Warfarin, OR 7,93 für Clopidogrel und Warfarin3 
  • Epilepsie
  • Langzeithämodialyse

ICPC-2

  • N80 Kopfverletzung, andere

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20224
    • S06 Intrakranielle Verletzung
      • S06.5 Traumatische subdurale Blutung
    • I62 Sonstige nichttraumatische intrakranielle Blutung
      • I62.0 Subdurale Blutung (akut) (nichttraumatisch)
        • I62.00 akut
        • I62.01 subakut
        • I62.02 chronisch
        • I62.09 nicht näher bezeichnet
      • I62.9 Intrakranielle Blutung (nichttraumatisch), nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Anamnese gibt erste Hinweise auf das Vorliegen eines subduralen Hämatoms, wobei in der Akutphase nicht zwischen epiduralem und subduralem Hämatom unterschieden werden kann.
  • Bestätigt wird die Diagnose in der kraniellen CT.1-2

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Gerinnungshemmer?

  • NSAR, Plättchenhemmer? Antikoagulanzien?
  • Ggf. ist diese Therapie umgehend zu beenden.

Akutes Subduralhämatom

  • Wird oft durch einen Sturz, die Einwirkung von Gewalt oder durch einen Verkehrsunfall verursacht.

Subakutes Subduralhämatom

  • Symptome treten typischerweise zwischen dem 4. und dem 7. Tag nach dem Trauma auf.

Chronisches Subduralhämatom

  • Häufig asymptomatisch oder mit nur milden, oft fluktuierenden Symptomen, die erst Wochen bis Monate nach dem Trauma auftreten.
  • 30–50 % der Betroffenen erinnern sich an kein Trauma (meist Bagatelltrauma).
  • Kopfschmerzen?
  • Oft diffuse Symptome, z. B.:
    • Müdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis
    • Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
    • Verwirrtheit
    • Gedächtnisstörungen und andere kognitive Defizite.

Klinische Untersuchung

Bewusstsein? Orientierung?

Fokale neurologische Ausfälle?

  • Pupillenreaktion? Licht, Konvergenz? Anisokorie und verlangsamte Reaktion können auf Hirndruck hinweisen.
  • Augenmuskelparesen? Doppelbilder? Nystagmus?
  • Paresen? Muskeltonus? Reflexe?
  • Sensibilitätsstörungen?
  • Gangstörung, neu aufgetretene oder verstärkte Sturzneigung?
  • Sprachstörung, z. B. Aphasie?
  • Sprech- oder Schluckstörungen?

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bestätigt wird die Diagnose mittels einer kraniellen CT.1-2
    • Mit der Zeit verändert das chronische Subduralhämatom sein Erscheinungsbild in der CT von hyperdens (frisches Blut und Blutgerinnsel) zu isodens und anschließend zu hypodens (flüssig ohne Gerinnselbildung). Insgesamt vollzieht sich dieser Prozess über 2–4 Wochen.5
    • Ein Rezidivblutung innerhalb des bestehenden Hämatoms erscheint in der CT in Form von abwechselnd hypodensen und hyperdensen Bereichen.6
  • Eine MRT empfiehlt sich evtl. im späteren Verlauf zur Beurteilung der Prognose oder zur Beurteilung bei bestehenden neurologischen Störungen ohne pathologischen CT-Befund.1

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Patient*innen sollten stets in die Neurologie/Neurochirurgie eingewiesen werden, um abzuklären, ob eine Indikation für eine operative Behandlung vorliegt.

Therapie

Therapieziele

  • Neurologische Spätschäden vermeiden und lebensbedrohliche Verläufe durch eine obere/untere Einklemmung abwenden.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Primärtherapie ist der operative Eingriff (bei stark raumfordernden Blutungen, ausgeprägter Mittellinienverlagerung, Hirndruckzeichen oder instabilem neurologischem Status).1
  • Ggf. Gerinnungsstörung normalisieren, um eine Progression zu verhindern.
    • Das betrifft vor allem die akute Phase.
    • Die Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien sollte umgehend beendet oder ggf. sogar antagonisiert werden.
    • Überwachung von PTT, Thrombozyten, Fibrinogen und ggf. INR 
  • Eine konservative Therapie kommt bei kleinen und asymptomatischen Hämatomen infrage (nicht oder nur wenig raumfordernde Blutung, stabiler neurologischer Befund).

Konservative Therapie

  • Abwartender Therapieansatz, vorzugsweise bei kleinen und asymptomatischen Hämatomen
    • begleitende neurologische Kontrolluntersuchungen und ggf. CT-Kontrollen

Operation

  • Die operative Therapie besteht in der Ausräumung des Hämatoms entweder durch ein Bohrloch (Trepanation) oder über eine Kraniotomie (selten).
  • Verringert den intrakraniellen Druck.
  • Reduziert sowohl das Risiko von Rezidiven als auch die Mortalität, ohne das Risiko für Komplikationen zu erhöhen.
  • Ein therapiebedürftiges Rezidiv entsteht in etwa 10 % der Fälle.
    • Eine erste Interimsanalyse einer randomisiert kontrollierten Studie weist auf einen möglichen protektiven Effekt von adjuvanten Dexamethasongaben hin.7

Kraniotomie

  • Nur in Einzelfällen bei multilokulären Hämatomen

Bohrlochtrepanation

  • Kann in Lokalanästhesie erfolgen.
  • Die Bohrlochtrepanation kann in Verbindung mit unterschiedlichen Techniken eingesetzt werden:
    • mit oder ohne Anwendung intraoperativer Spülung
    • mit oder ohne Drainageanlage
      • Die subperiostale Drainage ist der subduralen vorzuziehen.8
    • mit Anlage mehrerer Bohrlöcher in Kombination mit Spülung und Drainage
    • mit Anlage mehrerer Bohrlöcher und kontinuierlicher postoperativer Spülung des Hohlraums.
  • Nutzen
    • Rezidivfrequenz 2–22 %
    • in 75–90 % der Fälle gutes postoperatives Resultat

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Akut, subakut oder chronisch (siehe Abschnitt Definition)

Komplikationen

  • Dauerhafte zentralnervöse Schädigungen und lebensbedrohliche Zustände durch einen erhöhten Hirndruck, ggf. mit einhergehender oberer/unterer Einklemmung

Prognose

Chronisches Subduralhämatom

  • Kleinere Hämatome können spontan wieder resorbiert werden.
  • Erfolgt eine therapeutische Intervention, bevor das Hämatom zu erhöhtem Hirndruck und Mittellinienverlagerung führt, ist die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Restitution groß.
  • Große Hämatome können bleibende Schäden verursachen. Das Risiko ist bei Älteren am größten.
  • Unbehandelt kann ein großes Hämatom zum Tode führen.
  • Therapie
    • Erbringt in 80–90 % der Fälle gute Ergebnisse.
    • Ca. 10 % rezidivieren.
    • Eine Infektion mit einem subduralen Empyem tritt in weniger als 1 % der Fälle auf.

Akutes Subduralhämatom

  • Die Mortalität liegt unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 35 % und 80 %.
  • Viele Überlebende bleiben in ihren Hirnfunktionen eingeschränkt.
  • Jüngere Patient*innen haben eine deutlich bessere Prognose als ältere.

Verlaufskontrolle

  • Nach dem therapeutischen Eingriff ist eine engmaschige neurologische Überwachung mit häufigen CT-Untersuchungen dringend empfohlen.
  • Dabei ist insbesondere auf Krampfanfälle zu achten. Diese erhöhen das Risiko für anhaltende funktionelle Defizite.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Subdurales Hämatom nach Trauma (Quelle: Wikipedia)
Subdurales Hämatom
Subdurales Hämatom

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2022. www.awmf.org 

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001. S2e, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
  2. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2022. www.awmf.org
  3. Gaist D, Rodríguez LAG, Hellfritzsch M, et al. Association of antithrombotic drug use with subdural hematoma risk. JAMA 2017; 317: 836-46. doi:10.1001/jama.2017.0639 DOI
  4. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 07.07.2022 www.dimdi.de
  5. Scotti G, Terbrugge K, Melancon D et al. Evaluation of the age of subdural hematomas by computerized tomography. J Neurosurg 1977; 47: 311-5. PubMed
  6. Kostanian V, Choi JC, Liker MA et al. Computed tomographic characteristics of chronic subdural hematomas. Neurosurg Clin N Am 2000; 11: 479-89. PubMed
  7. Mebberson K, Colditz M, Marshman LAG, Thomas PAW, Mitchell PS, Robertson K. Prospective randomized placebo-controlled double-blind clinical study of adjuvant dexamethasone with surgery for chronic subdural haematoma with post-operative subdural drainage: Interim analysis. J Clin Neurosci 2020;71:153-7. PMID: 31492485 PubMed
  8. Soleman J, Lutz K, Schaedelin S, et al. Subperiosteal vs Subdural Drain After Burr-Hole Drainage of Chronic Subdural Hematoma: A Randomized Clinical Trial (cSDH-Drain-Trial). Neurosurgery. 2019; 85: E825-E834. PMID: 31194877 PubMed

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Johannes Kühn, Arzt, Doktorand der Inneren Medizin, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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