Zusammenfassung
- Definition:Man unterscheidet zwischen angeborener Penisverkrümmung und erworbener Penisverkümmung, meist Folge einer Induratio penis plastica. Die erworbenen Variante ist häufiger und durch Fibrosebildung verursacht.
- Häufigkeit:Die angeborene Penisverkrümmung hat eine Inzidenz von ca. 0,6 %. Die Induratio penis plastica tritt je nach untersuchter Population bei bis zu 20 % aller Männer auf. Die Inzidenz steigt mit dem Lebensalter.
- Symptome:In der Akutphase der Induratio penis plastica Schmerzen, Schwellungen, evtl. Ecchymosen.
- Befunde:Bei der Induratio penis plastica lassen sich in der Regel schmerzempfindliche Knoten/Plaques an der Seite der Kurvatur palpieren.
- Diagnostik:Urologische/andrologische Untersuchung evtl. mit Injektion eines vasoaktiven Medikaments. Mit einer Duplex-Doppler-Ultraschall-Untersuchung lässt sich das Plaque lokalisieren.
- Therapie:Bei Induratio penis plastica NSAR zur Schmerzreduktion in der Akutphase. Eine lokale Injektionsbehandlung mit Kollagenase, Interferon alfa-2b oder Verapamil kann versuchsweise vorgenommen werden. Bei komplexen Krümmungen oder wesentlichen Erektionsproblemen kommt in der Regel eine Operation infrage.
Allgemeine Informationen
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-3
Definition
- Krümmung (Deviation) des Penis, die meist nur während der Erektion sichtbar wird.
- Man unterscheidet zwischen angeborener Penisverkrümmung und erworbener Penisverkrümmung (meist aufgrund einer Induratio penis plastica).
- klinisch relevant: Deviationsgrad > 30 Grad
- Angeborene Verkrümmung des Penis
- Eigentliche Beschwerden treten oft erst in der Pubertät auf.
- Bei Patienten ohne andere Fehlbildungen ist die Deviation in den meisten Fällen das Ergebnis einer relativen Schwäche der Tunica albuginea an der Oberseite der Corpora cavernosa.
- Erworbene Penisverkrümmung
- Induratio penis plastica
- Morbus Peyronie
- Entzündliche Erkrankung, die in ihrer aktiven Phase zu Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Penis führt und die sexuelle Aktivität sehr beeinträchtigt.
- Erworbene, gutartige Bindegewebserkrankung, die auch die Tunica albuginea miteinbezieht mit der Entwicklung einer dichten Masse aus fibrösem Gewebe, dem „Plaque“.
- Die Bildung von fibrösem Plaque verändert die Anatomie und führt zu unterschiedlichen Graden von Verbiegungen, Verengungen und Verkürzungen des Penis.
- Vernarbung nach Penistrauma oder OP
- Induratio penis plastica
Häufigkeit
Angeborene Penisverkrümmung
- Inzidenz ca. 0,6 %
- Meist mit anderen urogenitalen Fehlbildungen assoziiert
Induratio penis plastica
- Prävalenz je nach Population 0,5–20,3 %
- Da viele Betroffene keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, ist von einer erheblichen Untererfassung auszugehen.
- Alle Altersgruppen können betroffen sein. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei 55 Jahren. Eine geringere Häufigkeit bei Männern unter 40 Jahren.
Deviationsformen
- 48 % ventral (meist mit Hypospadie)
- 24 % lateral
- 23 % kombiniert ventral und lateral
- 5 % dorsal (evtl. mit Epispadie, Blasenekstrophie, Kloakenekstrophie)
Ätiologie und Pathogenese
Angeborene Verkrümmung des Penis
- Asymmetrie der Schwellkörper aufgrund eines lokalen Wachstumsstopps während der Embryonalentwicklung
- Es kommt zu kleinen palpablen Bindegewebsknoten in den Corpora cavernosa.
- Eine ventrale Verkrümmung ist auch im Zusammenhang mit einer Hypospadie zu beobachten, wo Verwachsungen an der Penisunterseite (Chorda) die Verkrümmung bedingen.
- Bei Patienten ohne andere Fehlbildungen ist die Deviation in den meisten Fällen das Ergebnis einer relativen Schwäche der Tunica albuginea an der Oberseite der Corpora cavernosa.
- Eine solche Verkrümmung kann sehr ausgeprägt sein, oft bis zu 90 Grad.
Induratio penis plastica
- Diese Erkrankung tritt hauptsächlich zusammen mit einer Fibrose auf. Traumata können auslösende Faktoren sein. Allerdings ist eine genetische Prädisposition für unzureichende Wundheilungen offenbar auch eine notwendige Voraussetzung.
- Mit der Erkrankung ist eine Desorganisation der elastischen Fasern zu beobachten.
- Pathophysiologische Ähnlichkeiten zu anderen Wundheilungsstörungen (z. B. Bildung von Keloidgewebe)
- pathologisch erhöhte Kollagensynthese, Myofibroblast-Zellen und dysfunktionale Kollagenase-Enzyme
- Wiederholtes Abknicken des teilweise oder vollständig erigierten Penis beim Sex führt zu mikrovaskulären Traumata der Schwellkörper. Das scheint die Bildung von Kollagenablagerungen (Plaques) innerhalb der Tunica albuginea zu begünstigen.
- Die Erkrankung ist durch zwei Phasen gekennzeichnet: eine entzündliche Phase und eine Phase mit stabilisierter Deformität.
- Die entzündliche Phase endet meistens spontan innerhalb eines Jahres, kann aber narbenähnliche Verdickungen in der Tunica albuginea hinterlassen, zuweilen über den Penisschaft und in die Corpora verbreitet.
- Als funktionelle Folgen können eine reduzierte Erektionsfähigkeit, vor allem distal zur Plaque, Sanduhr-Deformationen und ein Scharnier-Effekt aufgrund der Verdickung und Verkrümmung auftreten.
- Häufig mit Induratio penis plastica assoziiert:
- Penistrauma, z. B. Penisfraktur
- Dupuytren-Kontraktur
- Plantarfibromatose
- Diabetes mellitus
- Atherosklerose
- erektile Dysfunktion
- niedriger Testosteronspiegel.
ICPC-2
- Y80 Verletzung männliches Genitale
- Y84 Angeborene Anomalie männlichen Genitale
ICD-10
- Nach ICD-10-GM Version 20224
- Q55 Sonstige angeborene Fehlbildungen der männlichen Genitalorgane
- Q55.6 Sonstige angeborene Fehlbildungen des Penis
- N48 Sonstige Krankheiten des Penis
- N48.6 Induratio penis plastica (Peyronie-Krankheit)
Diagnostik
Konsultationsgründe
- Kosmetische Aspekte
- Sorge vor Verschlimmerung
- Seltener Schmerzen oder sexuelle Dysfunktion
- Erektionsstörungen bei bis zu 60 % der Patienten
- bei ausgeprägter Penisdeviation (> 60 Grad) erschwerter oder unmöglicher Geschlechtsverkehr
- Die Induratio penis plastica verläuft in zwei Phasen:
- Anfangs ist die Erkrankung geprägt von Schmerzen bei der Erektion und zunehmende Deformität des Penis. Bei fast allen Männern hören die Schmerzen innerhalb von 12–18 Monaten auf.
- In der nächsten Phase stabilisiert sich die Deformität, die Schmerzen sind weniger ausgeprägt. Die meisten Patienten suchen ärztliche Hilfe, wenn Sie bereits wieder schmerzfrei sind.
Anamnese
- Besteht die Deformität seit Geburt?
- Weitere Fehlbildungen bekannt?
- Früheres Penistrauma, z. B. Penisruptur?
- Schmerzen? Erektionsabhängig?
- Hautblutungen (Ecchymosen)?
- Schwellung, Rötung?
- Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr? Erektionsstörungen?
Klinische Untersuchung (in der Regel bei Spezialist*innen)
- Verkrümmter oder fehlgebildeter Penis, zuweilen verkürzter Penis
- Bei Induratio penis plastica palpable schmerzempfindliche Knoten/Plaques in den Corpora cavernosa, am häufigsten auf der Oberseite der Kurvatur
- Laterale und ventrale Plaques kommen seltener vor, bedeuten aber größere Probleme für den Geschlechtsverkehr (der Penis weicht bei einer Erektion viel mehr von der normalen Anatomie ab).
- Multiple Plaques auf der gegenüberliegenden Seite des Penis oder des Septums können eine Verkürzung des Penis ohne sonstige Fehlbildungen verursachen.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Ggf. Inspektion des erigierten Penis nach intrakavernosaler Injektion eines vasoaktiven Medikaments
- ggf. Messung des Deviationsgrads
- vor geplanter OP: fotografische Dokumentation aus verschiedenen Winkeln
- Mit einer Duplex-Doppler-Ultraschall-Untersuchung des Penis lassen sich Plaques, Verbreitung, Konsistenz und Blutdurchfluss ermitteln.
- Deutlich kalzifizierte Plaques sprechen für eine frühe chirurgische Intervention, da derartige Plaques nicht auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen.
Therapie
Therapieziele
- Schmerzen lindern.
- Fehlstellung korrigieren.
- Erektile Dysfunktion verbessern.
- Befriedigenden Geschlechtsverkehr ermöglichen.
- Psychosoziale Auswirkungen reduzieren.
Allgemeines zur Therapie
- Eine Induratio penis plastica entwickelt sich über zwei Phasen.
- Anfangs eine aktive Entzündung, Schmerzen bei der Erektion und zunehmende Deformität des Penis. In dieser Phase ist eine nichtchirurgische Behandlung angebracht.
- Die nächste Phase – nach ca. 1 Jahr – zeigt eine stabilisierte Deformität, die Schmerzen sind weniger ausgeprägt. In dieser Phase ist eine chirurgische Behandlung angezeigt.
Medikamentöse Therapie
Induratio penis plastica
- Akute entzündliche Phase
- ggf. NSAR zur Schmerzreduktion, evtl. auch prophylaktisch vor sexueller Aktivität
- z. B. Ibuprofen 400 mg/d
- Intraläsionale Injektionsbehandlung
- Kollagenase aus Clostridium histolyticum
- Interferon alfa-2b
- Kann erwogen werden.
- vorläufige Hinweise auf Wirksamkeit, schwache Datenlage
- Über mögliche Nebenwirkungen aufklären (z. B. Sinusitis, grippeähnliche Symptome, lokale Symptome wie Schwellungen).
- Verapamil
- Kann erwogen werden.
- vorläufige Hinweise auf Wirksamkeit, schwache Datenlage
- Über mögliche Nebenwirkungen aufklären (z. B. lokale Schmerzen und Schwellungen, Schwindel, Übelkeit).
- Kollagenase aus Clostridium histolyticum
Operative Therapie
Angeborene Penisverkrümmung
- Die Behandlung besteht aus einer korrektiv-plastischen Operation, häufig mit einer Plikatur der Tunica albuginea auf der Oberseite.
- Die Operation verursacht eine Schwächung der Tunica. Dies kann zu einer neuen Verkrümmung führen und damit eine Reoperation erforderlich machen.
Induratio penis plastica
- Eine Operation ist Goldstandard, wenn komplexe Kurvaturen oder wesentliche Erektionsprobleme vorliegen.
- Die Operation eignet sich am besten für Patienten mit stabiler Erkrankung und mit einer Deformität, die Geschlechtsverkehr erschwert oder verhindert.
- Bei einer rekonstruktiven Operation wird entweder die konvexe Seite der Tunica albuginea verkürzt (Nesbit-Verfahren, Yachia-Technik oder penile Plikatur) oder aber die konkave Seite durch eine Inzision oder Exzision der Plaque mit anschließender Transplantation verlängert.
- Das Verkürzungsverfahren ist sehr gut geeignet für Patienten mit guter Erektionsfähigkeit und mit einer Penisverkrümmung unter 60 Grad. Die zu erwartende postoperative Verkürzung des Penis beträgt weniger als 20 %.
- Das Tunica-Verlängerungsverfahren mit Transplantat ist indiziert bei Patienten mit schwerer Penisverkürzung, mit einer Kurvatur über 60 Grad und mit ausgeprägter Sanduhr-Deformität.
- Operationsrisiken
- Verkürzung des Penis um durchschnittlich 2,5 cm, Taubheitsgefühl der Glans penis, neurovaskuläre Schäden, Infektion und erektile Dysfunktion
- Mit einer neueren Operationstechnik, der Schwellkörperrotation zur Korrektur ventraler Deviationen, können Penisverkürzung und erektile Dysfunktion ggf. verhindert werden.8
- Die Implantation einer Penisprothese ist das Standardverfahren bei Patienten mit erektiler Dysfunktion, die nicht auf eine konservative Behandlung ansprechen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Induratio penis plastica
- Die Erkrankung entwickelt sich nicht bei allen Patienten gleichartig. Sie reicht von einer spontanen Rückbildung sämtlicher Symptome bis zur schweren penilen Deviation und erektilen Dysfunktion, die einen Geschlechtsverkehr unmöglich machen.
- Die Deviation bildet sich von selbst nur bei ca. 10 % der Patienten nach Abschluss der akut entzündlichen Phase zurück.
- Die penilen Schmerzen hören bei den meisten Patienten innerhalb von 12–18 Monaten spontan auf.
- Die Plaquebildung verursacht eine Kalzifikation oder Knochenbildung bei 15–25 % der Patienten.
Komplikationen
- Sexuelle Dysfunktion
- schmerzhafte Erektion
- Ein Deviationsgrad > 60 % stellt ein erhebliches Hindernis für den Geschlechtsverkehr dar.9
- Psychosoziale Symptome
- Eine Penisdeviation kann für die Betroffenen auf verschiedenen Ebenen psychisch belastend sein. Dazu beitragen können u. a.:
- Aspekte der Ästhetik und des Körperbilds
- sexuelle Dysfunktion
- Schmerzen, Beschwerden bei der Erektion.
- Daraus können Sorgen, Depressionen und Paarkonflikte erwachsen.
- Eine Penisdeviation kann für die Betroffenen auf verschiedenen Ebenen psychisch belastend sein. Dazu beitragen können u. a.:
Prognose
- Kongenitale Deviationen
- Ergebnis der operativen Behandlung in 3 von 4 Fällen zufriedenstellend
- Peyronie-Krankheit
- Schreitet unbehandelt bei 30–50 % der Patienten fort.
- Tunica-Verkürzungsverfahren
- Follow-ups über längere Zeiträume zeigen ungefähr 80 % zufriedene Patienten.
- Prothesenchirurgie
- Implantation aufblasbarer Prothesen: nach 49 Monaten rund 80 % zufriedene Patienten
- Mechanisches Versagen mit erforderlicher Reoperation kommt in ca. 8 % der Fälle vor.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- European Association of Urology. EAU Guidelines on Pediatric Urology. Stand 2022. uroweb.org
- American Urological Association. Peyronie's Disease. Stand 2015. auanet.org
Literatur
- American Urological Association. Peyronie's Disease. Stand 2015. www.auanet.org
- European Association of Urology. EAU Guidelines on Pediatric Urology. Stand 2022. uroweb.org
- Chung PH, Han TM, Rudnik B, Das AK. Peyronie's disease: what do we know and how do we treat it?. Can J Urol 2020; 27(S3):11-9. PMID: 32875997 PubMed
- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 07.07.2022 www.dimdi.de
- Gelbard M, Goldstein I, Hellstrom WJ, et al. Clinical efficacy, safety and tolerability of collagenase clostridium histolyticum for the treatment of peyronie disease in 2 large double-blind, randomized, placebo controlled phase 3 studies. J Urol 2013; 190: 199-207. pmid:23376148 PubMed
- European Medicines Agency. Summary of opinion: Xiapex - collagenase clostridium histolyticum. 18 December 2014. www.ema.europa.eu
- Ralph DJ, Abdel Raheem A, Liu G. Treatment of Peyronie's Disease With Collagenase Clostridium histolyticum and Vacuum Therapy: A Randomized, Open-Label Pilot Study. J Sex Med. 2017; 14:1430-37. PMID: 28974406 PubMed
- Shaeer O, Shaeer K. Shaeer's Corporal Rotation III: Shortening-Free Correction of Congenital Penile Curvature-The Noncorporotomy Technique. Eur Urol 2016; 69:129-34. PMID: 26298209 PubMed
- Bißwanger-Heim T. Wann ist der Penis zu krumm für Sex? Forensische Andrologie. CME 2013; 10: 33. doi:10.1007/s11298-013-0241-x DOI
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).