Zusammenfassung
- Definition:Hinter die Glans penis retrahiertes Praeputium, das sich nicht in die normale Position über die Glans reponieren lässt.
- Häufigkeit:Kann bei unbeschnittenen Jungen und Männern auftreten.
- Symptome:Engegefühl an Penisspitze. Mit zunehmender Schwellung Schmerzen.
- Befunde:Freiliegende, geschwollene und gerötete Glans. Direkt proximal davon ödematöser Schnürring aus Präputium.
- Diagnostik:Blickdiagnose.
- Therapie:Notfallmäßige Reposition nach manueller Kompression der Glans. Bei frustraner Reposition Inzision der Vorhaut; ggf. Zirkumzision zur Rezidivprophylaxe.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonym „Spanischer Kragen“1
- Hinter die Glans penis retrahiertes Praeputium, das sich nicht in die normale Position über die Glans reponieren lässt.2-3
- Urologischer Notfall, der unmittelbar behandelt werden soll.4
Häufigkeit
- Es gibt keine verlässlichen Angaben zur Häufigkeit.4
- Tritt in der Regel nur bei unbeschnittenen Jungen und Männern auf.
Ätiologie und Pathogenese
- Bei einer Paraphimose liegt in der Regel eine Phimose vor (Vorhautverengung).
- bei (Klein)Kindern physiologisch
- bei Erwachsenen z. B. durch chronische Balanoposthitis
- Nach Zurückstreifen der Vorhaut hinter die Eichel resultiert eine Minderdurchblutung des distal gelegenen Vorhautblattes mit Behinderung des Lymphabstroms und Ausbildung eines dementsprechenden Ödems.4
- Dadurch wird eine zunehmende Schwellung des Präputiums bedingt, das die problemlose Reposition schließlich unmöglich macht.4
- Bei längerer Dauer sind Entzündung, Ulzeration bis hin zur Glansnekrose möglich.4
- Cave: Für transurethrale Katheteranlage beim Mann wird die Vorhaut zurückgeschoben. Erfolgt nach der Anlage keine Reposition der Vorhaut, kann eine ärztlich/pflegerisch induzierte Paraphimose auftreten.
Prädisponierende Faktoren
- Phimose
- Chronische Balanoposthitis
- Transurethraler Katheter
- Piercing an der Vorhaut/durch die Glans
- Lichen sclerosus
- Peniskarzinom
ICPC-2
- Y81 Phimose/überschüssige Vorhaut
ICD-10
- N47 Vorhauthypertrophie, Phimose und Paraphimose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klassische Blickdiagnose1
- Laborchemische oder bildgebende Diagnostik sind nicht notwendig.
Anamnese
- Meist vorbekannte Phimose
- Patienten berichten oft von Episoden mit erschwertem Vorschieben der Vorhaut nach Erektion.1
- Schmerzen und Schwellung an der Penisspitze1
- Initial beschreiben die Patienten ein Engegefühl, ohne eigentlichen Schmerz.
- Mit zunehmender Schwellung entwickelt sich oft Spannungsschmerz, teilweise gefolgt von Parästhesie im Bereich der Penisspitze.
- Prädisponierende Faktoren?
- Sexualanamnese
- häufig wechselnde Partner*innen
- Hinweis auf sexuell übertragbare Erkrankungen?
- autoerotische Praktiken mit Manipulationen am Penis
- häufig wechselnde Partner*innen
Klinische Untersuchung
- Freiliegende Glans, die rot und geschwollen ist; im späteren Verlauf auch Nekrose möglich.
- Direkt proximal der Glans zirkuläre, ödematöse, gerötete, druckempfindliche Schwellung, die dem retrahierten Präputium entspricht.1
- Proximal der Paraphimose gelegener Penisschaft ist in der Regel weich.
Indikationen zur Überweisung
- Bei frustraner Reposition in Hausarztpraxis notfallmäßige Überweisung an Urolog*in
Therapie
Therapieziele
- Zeitnahe Reposition
- Komplikationen durch verminderte Durchblutung und Stauung der Eichel vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
- Urologischer Notfall, der sofortige Behandlung erfordert.
- Bei frustraner Reposition operative Therapie mit Inzision des Schnürrings1
Konservative Therapie
- Empfehlungen gemäß der deutschen Leitlinie4
- Die Reposition kann in vielen Fällen nach adäquater Applikation eines Lokalanästhetikums ohne Narkose durchgeführt werden.
- Auspressen des Ödems mittels umschließendem Fingerdruck und vorsichtigem Zurückschieben der Glans durch den engen Vorhautring
- Alternativ kann schmerzarme Reposition mittels einer mit physiologischer Kochsalzlösung getränkten Kompresse nach manuellem Auspressen des Ödems über 5–10 min erzielt werden.
- Lokale Kühlung der Schwellung kann unterstützend wirken, um weitere Progression des Ödems zu verhindern.1
Operative Therapie
- Nur in länger bestehenden und seltenen Fällen ist die dorsale Inzision des Präputiums erforderlich.4
- Zur Rezidivprophylaxe ggf. spätere Zirkumzision4
Prävention
- Regelhafte Reposition der Vorhaut über Glans nach Urinieren oder Geschlechtsverkehr
- Gute Hygiene von Penis und Vorhaut
Verlauf, Komplikationen, Prognose
Verlauf
- Bei Paraphimosen besteht Rezidivneigung, solange keine Zirkumzision vorgenommen wird.
Komplikationen
- Entzündungen oder Ulzeration bis hin zu Nekrosen der Eichel1
Prognose
- In den meisten Fällen ist eine Reposition ohne Komplikationen möglich.
- Nach Zirkumzision ist kein Rezidiv mehr zu erwarten.
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Phimose und Paraphimose bei Kindern und Jugendichen. AWMF-Leitlinie Nr. 006-052. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
- Naiem A, Trachsel Y, John H. Blickdiagnose Urologie. Urol Prax 2020; 22: 119-20. link.springer.com
- Brooks NA. Paraphimosis. Medscape, last updated Mar 15, 2021. emedicine.medscape.com
- Dubin J, Davis JE. Penile emergencies. Emerg Med Clin North Am. 2011 Aug. 29(3):485-99. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V. (DGKCH). Phimose und Paraphimose bei Kindern und Jugendlichen. S2k, AWMF-Leitlinie 006-052. Stand 2021. www.awmf.org
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).