Morbus Meulengracht

Morbus Meulengracht, auch als Gilbert-Syndrom bezeichnet, ist eine vererbte Störung des Bilirubinstoffwechsels. Es handelt sich um eine harmlose Normvariante, bei der der Bilirubinspiegel im Blut etwas erhöht ist.

Was ist Morbus Meulengracht?

Morbus Meulengracht, auch als Gilbert-Syndrom bezeichnet, ist eine vererbte Störung des Bilirubinstoffwechsels und gilt nicht als Krankheit. Es handelt sich um eine harmlose Normvariante, bei der der Bilirubinspiegel im Blut etwas erhöht ist. Um das Syndrom nachzuweisen, sind Blutuntersuchungen nötig. Wenn ein leicht erhöhter Bilirubinspiegel festgestellt wird, die anderen Leberwerte aber normal sind und Sie keine Anzeichen einer Krankheit haben, sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von Morbus Meulengracht betroffen. Betroffene können lediglich eine ab und zu auftretende leichte Gelbfärbung der Haut (Ikterus) und des Weißen im Auge feststellen.

Morbus Meulengracht kommt relativ häufig vor. Etwa 9–17 % der europäischen Bevölkerung tragen die genetische Anlage, bei 3–10 % der Betroffenen entwickelt sich auch eine Gelbsucht. Diese tritt meist zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr erstmalig auf. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Ursachen

Morbus Meulengracht ist erblich und wird rezessiv vererbt, was bedeutet, dass die entsprechende Erbanlage von beiden Elternteilen vererbt werden muss, damit sich das Syndrom ausbildet. Die entsprechende genetische Variante führt dazu, dass ein Enzym (ein Hilfsstoff für die chemischen Prozesse im Körper), die sogenannte Glucuronyltransferase, nicht so effektiv arbeitet wie sie sollte, wodurch der Bilirubinspiegel im Blut steigt. Das Bilirubin ist ein Abbauprodukt von Hämoglobin, dem sauerstofftransportierenden Protein in den roten Blutkörperchen.

Meist ist der Bilirubinspiegel nur gering erhöht und bewirkt keine sichtbare Gelbsucht. Bei Infektionen, Stress, Schlafmangel, Austrocknung oder beim Fasten steigt der Bilirubinspiegel an. Auch bestimmte Medikamente können die Enzymaktivität weiter hemmen.

Diagnostik

Typisch ist eine phasenweise auftretende, leichte Gelbsucht. Diese wird häufig durch Infektionen, Fasten oder Stress ausgelöst. Gleichzeitig können leichte Bauchschmerzen und Übelkeit auftreten.

Der erhöhte Bilirubinspiegel wird über Blutuntersuchungen festgestellt. Die übrigen Leberwerte sind unauffällig. Eine genetische Untersuchung ist möglich, jedoch in der Regel nicht notwendig.

Behandlung

Morbus Meulengracht wird nicht als Krankheit betrachtet, daher ist auch keine Behandlung erforderlich. Die Leberfunktion ist in der Regel nicht eingeschränkt.

Die Einnahme von Medikamenten, die über die Leber verstoffwechselt werden, ist in der Regel bis auf wenige Ausnahmen problemlos möglich. Medikamente gegen HIV (Atazanavir) und das Krebsmedikament Irinotecan sollten nur mit Vorsicht verwendet werden. Laut einer aktuellen Studie darf Paracetamol von Patienten mit Morbus Meulengracht in normalen Dosen eingenommen werden.

Verlauf und Prognose

Morbus Meulengracht ist ungefährlich und nicht ansteckend. Die Erkrankung hat keinerlei Auswirkungen auf die Lebensqualität oder die Länge des Lebens.

Oft wird das Syndrom erst im Laufe der Pubertät entdeckt. Die Neigung zu erhöhten Bilirubinwerten im Blut bleibt aber das gesamte Leben bestehen. Falls Sie diese Diagnose erhalten, sollten Sie bei späterer Gelegenheit, z. B. bei einem Krankenhausaufenthalt, das medizinische Personal darüber informieren, damit keine neuerliche Untersuchung erfolgt.

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  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Gilbert-Meulengracht-Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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