Budd-Chiari-Syndrom

Als Budd-Chiari-Syndrom werden Beschwerden und Komplikationen bezeichnet, die sich ergeben, wenn der Blutstrom durch die Venen von der Leber weg beeinträchtigt ist. Oft sind durch Blutgerinnsel verstopfte Venen die Ursache. Typische Symptome sind Bauchschmerzen, ein vergrößerter Bauchumfang aufgrund einer Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle (Aszites) sowie Gelbsucht.

Was ist das Budd-Chiari-Syndrom?

Definition

Das Budd-Chiari-Syndrom entsteht infolge einer Verstopfung der Lebervenen (Lebervenenobstruktion), durch die normalerweise das Blut aus dem Lebergewebe in Richtung Herz abfließt. Die Gefäßverengung kann auch die große Lebervene betreffen (Vena cava inferior), durch die neben dem Blut aus der Leber auch das Blut aus den anderen Bauchorganen zurück ins Herz transportiert wird.

Symptome

Die Patient*innen können das Beschwerdebild einer akuten, subakuten oder chronischen Lebererkrankung zeigen. Typische Symptome sind plötzliche Bauchschmerzen, ein vergrößerter Bauchumfang aufgrund einer Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle (Aszites) und eine vergrößerte Leber. Dazu kommen Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, verringerte Belastbarkeit, Appetitlosigkeit/Völlegefühl, Übelkeit und (blutiges) Erbrechen sowie eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus). Auch die Milz kann vergrößert sein.

Liegt ein chronisches Budd-Chiari-Syndrom bereits längere Zeit vor, dann zeigen sich als Folge des Blutrückstaus möglicherweise vergrößerte oberflächliche Venen in der Bauchhaut. Bis zu 25 % der Patient*innen haben keine Beschwerden, bei einer genauen Untersuchung lässt sich jedoch oft eine vergrößerte Leber feststellen.

Ursachen

Bei etwa 80 % der Patient*innen mit Budd-Chiari-Syndrom lässt sich eine auslösende Krankheit feststellen; die übrigen 20 % haben keine erkennbare Ursache (idiopathisch). Die häufigste zugrunde liegende Krankheit ist in der westlichen Welt eine Blutgerinnungsstörung mit vermehrter Gerinnungsneigung. Dies bedeutet, dass das Blut leichter als bei Gesunden Blutgerinnsel (Thrombosen) ausbildet, und zwar hauptsächlich in verschiedenen Venen im Körper, z. B. den Lebervenen. Bekannt sind mehrere verschiedene angeborene Formen einer solchen Blutgerinnungsstörung (Thrombophilie). Dazu gehören z. B. Faktor-V-Leiden-Mutation, Protein-C- oder -S-Mangel oder Antithrombin-III-Mangel. Weitere Faktoren, die mit einer zu starken Blutgerinnung einhergehen können, sind z. B. die Einnahme der „Pille“, eine Schwangerschaft, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) oder Krebserkrankungen. Diese Krankheiten gehen mit einer sog. erworbenen Thrombophilie einher.

Weniger häufig liegt die Ursache der verengten Lebervenen bei dem Budd-Chiari-Syndrom darin begründet, dass eine oder mehrere Lebervenen von außen zusammengedrückt werden. Dazu kann es z. B. bei einem Lebertumor direkt neben einer Vene, bei einer Pilzinfektion, bei einer angeborenen Verengung der Vene oder einer Verletzung nach einem Unfall kommen.

Durch den Rückstau des Blutes in der Leber wird diese druckempfindlich und vergrößert sich. Infolge des erhöhten Blutdrucks in den Blutgefäßen der Leber wird Flüssigkeit aus den Gefäßen sozusagen ausgepresst und sammelt sich in der Bauchhöhle (Aszites). Die verlangsamte Durchblutung der Leber führt zu Sauerstoffmangel in den Leberzellen und zum Absterben der Zellen.

Häufigkeit

Die Erkrankung ist in westlichen Ländern sehr selten, aber in Asien etwas häufiger. Es zeigt sich ein gehäuftes Auftreten in der 3.–5. Lebensdekade, sie kann aber in jedem Alter auftreten. Frauen in der westlichen Welt sind etwas häufiger betroffen als Männer. Schätzungen zufolge tritt pro Jahr 1 neuer Fall je 2,5 Millionen Einw. auf.

Untersuchungen

  • Die Krankengeschichte und die Befunde der ärztlichen Untersuchung können den Verdacht auf das Syndrom wecken.
  • Wegen der häufig zugrunde liegenden anderen Erkrankungen ist es wichtig, weitere Untersuchungen durchzuführen, um Erkrankungen zu erkennen, die das Syndrom begünstigen.
  • Durch eine Blutuntersuchung lässt sich klären, ob und wie deutlich die Leberwerte verändert sind, ob auch die Niere Anzeichen für eine Funktionsstörung zeigt und ob es Hinweise für die Form der zugrunde liegenden Blutgerinnungsstörung gibt.
  • Durch eine Doppler-Ultraschalluntersuchung kann die Diagnose bestätigt werden. Hier lassen sich die Gewebestruktur der Leber, ihre Größe und die Durchblutungsverhältnisse in den Gefäßen erkennen. Auch die häufig ebenfalls vergrößerte Milz lässt sich beurteilen.
  • Häufig werden noch weitere bildgebende Untersuchungen wie eine CT oder eine MRT durchgeführt. Mithilfe dieser Untersuchungen lässt sich erkennen, ob evtl. ein Lebertumor vorliegt.
  • Manchmal kann auch eine Untersuchung von Gewebeproben der Leber (Biopsie) nötig sein.

Behandlung

  • Das Ziel der Behandlung besteht einerseits darin, zu verhindern, dass sich ein Teilstück des Thrombus in der Lebervene löst und ein Herz- oder Lungengefäß verstopft (Embolie). Andererseits sollen der Blutfluss durch die Leber möglichst wiederhergestellt und Komplikationen verhindert werden.
  • Die Behandlung erfolgt individuell in mehreren Stufen und beginnt so früh wie möglich mit einer Behandlung mit niedermolekularem Heparin als Gerinnungshemmer, bis die Diagnostik abgeschlossen und die Ursache ermittelt ist.
  • Parallel zur Gabe von Heparin wird eine Behandlung mit Phenprocoumon begonnen. Wenn diese Blutverdünner ausreichend wirken (INR-Wert zwischen 2 und 3), wird die Behandlung mit Heparin beendet. In der Regel ist eine dauerhafte Behandlung mit einem Gerinnungshemmer notwendig.
  • Der Aszites (Flüssigkeitsansammlung) wird durch eine Einschränkung der Flüssigkeits- und Salzzufuhr und durch harntreibende Mittel behandelt. Es kann auch mithilfe einer Aszitespunktion Flüssigkeit durch eine dünne Nadel abgesaugt werden.
  • Eine Operation kann helfen, den Blutfluss durch die Leber wiederherzustellen. Falls es sich nur um eine kurze Engstelle in einer oder wenigen Lebervenen handelt, kann ein Gefäßstent eingesetzt werden, der das Gefäß wieder eröffnet.
  • Sind mehrere Venen verstopft, kann der Blutfluss vom Lebergewebe Richtung Herz durch einen sog. Shunt wiederhergestellt werden. Dabei wird in einem chirurgischen Eingriff eine Verbindung direkt von dem vor der Leber ankommenden Blutgefäß zur großen Vene geschaffen, die das Blut aus der Leber wieder heraustransportiert. Dadurch muss ein Großteil des venösen Blutes nicht mehr durch das Lebergewebe strömen, sondern wird direkt umgeleitet auf dem Weg zum Herz.
  • In manchen Fällen ist eine Lebertransplantation nötig.

Prognose

  • Ohne Therapie sterben die Patient*innen im Allgemeinen innerhalb von 3 Monaten bis 3 Jahren.
  • Das Behandlungsergebnis hängt davon ab, ob dem Syndrom eine Ursache zugrunde liegt, die behandelt bzw. geheilt werden kann.
  • Patient*innen, bei denen früh eine Diagnose gestellt und dann gleich eine Therapie begonnen wird, haben eine bessere Prognose als bei später Therapie.
  • Aufgrund moderner Behandlungsmethoden sind nach 5 Jahren noch ca. 75 % bzw. nach 10 Jahren noch 55 % der Patient*innen am Leben.
  • Die Verlaufskontrollen sollten auch ein Screening auf Lebertumoren umfassen.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc, BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Budd-Chiari-Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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