Stuhlinkontinenz (Analinkontinenz)

Zusammenfassung

  • Definition:Stuhlinkontinenz ist das unfreiwillige Austreten von Stuhl, meist durch altersbedingtes Nachlassen der Sphinkterfunktion. Bei Frauen häufig Folge einer Verletzung der Schließmuskulatur bei der Entbindung.
  • Häufigkeit:Tritt bei bis zu 10 % der älteren Menschen auf.
  • Symptome:Die Symptome können von Flatusinkontinenz, minimalem Austreten von Stuhl und Schwierigkeiten bei der Reinigung bis zur wiederholten Enkopresis reichen.
  • Befunde:Evtl. verminderter Sphinktertonus, herabgesetzter oder fehlender Analreflex, anale Erkrankungen wie Hämorrhoiden, Analekzem, Z. n. Dammriss.
  • Diagnostik:Anamnese, Inspektion und digitale Untersuchung von Anus und Rektum, anorektale Endosonografie, ggf. weiterführende Bildgebung.
  • Therapie:An erster Stelle steht die Behandlung der Inkontinenzursache, z. B. die chirurgische Versorgung eines Dammrisses. Zur symptomorientierten Behandlung chronischer Inkontinenz genügen dagegen meist allgemeine Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Toilettentraining, Analpflege und Physiotherapie, ggf. ergänzt durch Biofeedback und anale Elektrostimulation. Seltener sind invasive Verfahren angezeigt, wie Neurostimulation oder Implantation von Füllstoffen.

Allgemeine Informationen

  • Dieser Artikel umfasst Informationen zur Stuhlinkontinenz im Erwachsenenalter. Zur Stuhlinkontinenz im Kindesalter siehe Artikel Enkopresis.
  • Dier gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-7

Definition

  • Stuhlkontinenz (Definition nach WHO): Fähigkeit, Stuhlgang willentlich ort- und zeitgerecht abzusetzen.
  • Stuhlinkontinenz: unwillkürliches Austreten von flüssigem oder festem Stuhl aus dem Anus
  • Analinkontinenz: Umfasst zusätzlich den Abgang von Schleim oder Gas (Flatusinkontinenz).
  • Die Begriffe Stuhlinkontinenz und Analinkontinenz werden oft synonym verwendet.
  • Weitere Synonyme: Mastdarminkontinenz, rektale Inkontinenz
  • Überlaufinkontinenz: Inkontinenz als Folge einer unzureichenden Entleerung des Rektums. Dabei kann es zu Stuhlausmauerung (Fecal Impaction) oder auch zu paradoxer Diarrhö kommen.

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Schwierig zu ermitteln, mangels standardisierter Diagnosekriterien und Erhebungsmethoden.
    • 2–5 % der erwachsenen Bevölkerung
      • bis zu 10 % aller Frauen über 20 Jahren jeden Monat mindestens einmal
    • bis zu 10 % der älteren Bevölkerung
    • Da es sich um ein tabubelegtes Thema handelt, kann die Prävalenz noch höher liegen.
    • Nur ein kleiner Teil aller Betroffenen nimmt ärztliche Hilfe in Anspruch.
    • Verhältnis Frauen zu Männer: 4/1–5/1. Mögliche Gründe dafür:
      • anatomisch: kürzerer Analkanal bei Frauen
      • Geburtstraumen (s. u.)
      • Frauen begeben sich eher in Behandlung.
  • Verletzungen nach vaginaler Geburt3-4
    • Mit jeder vaginalen Entbindung steigt das Risiko für eine anale Inkontinenz.
      • Flatusinkontinenz ≤ 50 %
      • erhöhter Stuhldrang 26 %
      • Inkontinenz für flüssigen Stuhl 8 %
      • Inkontinenz für festen Stuhl 4 %.
    • Bei 0,4–7 % der vaginalen Entbindungen tritt eine Ruptur des analen Schließmuskels auf.
      • Bei 30–60 % der Betroffenen geht diese mit einer Stuhlinkontinenz einher.
    • Auch nach der primären chirurgischen Versorgung von Rupturen des Grades 3–4 besteht bei mindestens 50 % dieser Frauen weiterhin Stuhlinkontinenz unterschiedlicher Ausprägungen.

Ätiologie und Pathogenese

Bedingungen für Kontinenz

  • Physiologisch
    • funktionsfähige Sphinktermuskulatur einschließlich Innervation
    • elastisches Rektumreservoir
    • ausreichende kräftige Kontraktionen des Rektosigmoids 
    • feste Konsistenz des Stuhls
    • funktionierende Bauchpresse (Entleerungsfunktion)
  • Mental
    • erhaltene kognitive Funktionen, z. B.:
      • Wahrnehmung des rektosigmoidalen Füllungszustandes
      • selbständiges Aufsuchen der Toilette und Initiieren der Defäkation.
  • Ernährungsbezogen
    • feste oder halbfeste Nahrung
  • Institutionell, pflegerisch
    • Möglichkeit, die Toilette rechtzeitig zu erreichen.

Mögliche Ursachen

  • Schwacher Analsphinkter
    • altersbedingt (vermutlich die häufigste Ursache)
    • Verletzung durch schwierige vaginale Entbindung (häufigste Ursache bei jüngeren Frauen)
    • anorektale Chirurgie einschließlich Analdilatation
  • Veränderungen des Beckenbodens
    • Rektumprolaps
    • Fistel
    • Beckenfraktur oder andere Traumata
  • Neurologische Erkrankungen
  • Diarrhö
    • Malabsorption oder -digestion
    • entzündliche Darmerkrankung
    • Strahlenproktitis
    • arzneimittelinduziert
  • Funktionelle Bedingungen
    • psychische Erkrankung
    • Obstipationsdiarrhö
    • körperliche Behinderung
    • IBS (Reizdarmsyndrom, RDS)
  • Angeborene Fehlbildungen

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • D17 Stuhlinkontinenz

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20218
    • F98.1 Nichtorganische Enkopresis
    • R15 Stuhlinkontinenz
    • K62.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Anus und des Rektums

Diagnostik

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,5,7
  • Vor allem bei milder Ausprägung der Symptome, z. B. nur gelegentliche Flatusinkontinenz, können zunächst allgemeine Maßnahmen wie Änderung der Ernährungs- und Toilettengewohnheiten (s. u.) sowie der Hautpflege versucht werden. Eine weitergehende Diagnostik ist dann oft nicht notwendig.

Diagnostische Kriterien

  • Unwillkürlicher Austritt von Stuhl, evtl. begleitet von Schleim oder Gasen

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Schweregrad
    • Stuhlmenge?
    • Gasabgang?
    • Häufigkeit?
    • Verwendung von Hilfsmitteln, z. B. Vorlagen, Windeln? 
    • Schweregradbestimmung mit dem Jorge/Wexner-Inkontinenz-Score9
  • Siehe Tabelle Stuhlinkontinenz, Score-System nach Jorge-Wexner.
  • Komplikationen bei der Entbindung?
  • Erkrankungen des Anorektums?
  • Soziale Auswirkungen
    • Arbeit
    • Sexualleben
    • Freizeit
  • Evtl. Stuhl- und Ernährungstagebuch, besonders bei Hinweisen auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Klinische Untersuchung

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Ano-/Rektoskopie, um Tumor oder Entzündung im Darm auszuschließen.
  • Koloskopie bei Verdacht auf Krebserkrankung oder andere Erkrankungen des Dickdarms
    • ab dem Alter von 55 alle 10 Jahre im Rahmen der Darmkrebsfrüherkennung (siehe Artikel Kolorektales Karzinom)
  • Anorektale Endosonografie
    • schnelle und einfache Untersuchung des Sphinkters
    • Zeigt strukturelle Verletzungen und degenerative Erkrankungen der Sphinktermuskulatur.
    • nahezu 100 % Sensitivität und Spezifität für Sphinkterrupturen bei erfahrenen untersuchenden Ärzt*innen
  • Ggf. MRT
    • zur hoch aufgelösten Darstellung von Sphinkter und Beckenboden
    • ggf. MR-Angiografie zum Ausschluss einer Darmischämie (evtl. mit Angina abdominalis)
  • Ggf. Abdomen-CT
  • Bestimmung der Kolontransitzeit (orale Einnahme eines röntgendichten unlöslichen Markers)
  • Defäkografie
    • Entleerung im MRT oder nach Kontrasteinlauf unter Durchleuchtung (Cave: Strahlenbelastung!) Erkennung von internem Rektumprolaps oder Rektozele
  • Neurophysiologische Untersuchung
    • Nadelelektromyografie des äußeren Sphinkters ist ein gutes Maß für die Denervierung des Sphinkters.
    • in neurologischen Zentren verfügbar
  • Anal-Manometrie
    • Messen des Drucks im Ruhezustand und beim Pressen
    • Die Methode ist nicht standardisiert.
    • evtl. zur Therapieplanung und -kontrolle sinnvoll

Indikationen zur Überweisung

  • Je nach klinischen Hinweisen:
    • Viszeralchirurgie
    • Proktologie
    • Neurologie
    • Gynäkologie
    • Urologie
    • Gastroenterologie
    • Schmerztherapie/Psychosomatik/Psychotherapie.

Checkliste zur Überweisung

Stuhlinkontinenz

  • Zweck der Überweisung
    • Unterstützende Diagnostik? Behandlung? Operation?
  • Anamnese
    • Seit wann bestehen diese Beschwerden? Verlauf?
    • Grad der Unannehmlichkeiten: Ausmaß, Blähungen, Kot, Geruch, Hygiene? Mögliche Ursache: Altersschwäche, Entbindungsverletzung, Verletzung nach Operation, Verstopfung (sterkorale Diarrhö)? Hilfsmittel erforderlich?
    • Andere relevante Krankheiten? Derzeitige Medikamente?
    • Evtl. frühere Behandlung?
    • Konsequenzen: beruflich, Lebensqualität?
  • Klinische Untersuchungen
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Ano-/Rektoskopie, um Tumor auszuschließen.

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basieren die Aussagen im folgenden Abschnitt auf diesen Referenzen.1,3-5,7,10

Leitlinie: Behandlung der Analinkontinenz nach vaginaler Geburt3

Aufklärung nach Dammriss

  • Die Patientinnen sollen über das Ausmaß der Geburtsverletzung und deren Spätfolgen aufgeklärt werden, inkl. Informationen zu:
    • Nachsorge
    • Verhaltensmaßnahmen
    • Hilfsangeboten.
  • Es soll darüber aufgeklärt werden, dass Symptome einer analen Inkontinenz u. U. erst nach einer langen Latenzzeit auftreten.

Nachsorge nach Dammriss Grad III und IV

  • Eine gynäkologische oder koloproktologische Nachuntersuchung soll nach etwa 3 Monaten erfolgen.
  • Physiotherapie zur Kräftigung des Beckenbodens soll erfolgen.
  • Bei persistierenden Beschwerden trotz Ausschöpfung aller konservativen Therapieoptionen soll die Patientin an ein Zentrum mit entsprechender Expertise (Endoanalsonografie, konservative und operative Therapieoptionen) überwiesen werden.

Therapie

  • Bei analer Inkontinenz aufgrund eines Dammrisses Grad III oder IV ist die sog. Triple Target Therapy (Kombination aus amplitudenmodulierter Mittelfrequenzstimulation und Elektromyografie-Biofeedback) einer Standard-Stimulationstherapie mit Elektromyografie-Biofeedback überlegen.

Empfehlungen bei Folgegeburten

  • Allen Patientinnen mit Z. n. Dammriss Grad III/IV, insbesondere bei persistierenden Symptomen einer Stuhlinkontinenz oder reduzierter Sphinkterfunktion (...), sollte in Folgeschwangerschaften eine elektive Sectio caesarea angeboten werden.

Therapieziele

  • Linderung der Beschwerden, möglicherweise Heilung
  • Regelmäßige Darmentleerungen (mindestens jeden 2. Tag)
  • Normalisierung der Stuhlkonsistenz

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung ist in der Regel konservativ, operative Maßnahmen sind nur selten angezeigt.

Vorschlag für eine stufenweise Behandlungsstrategie

  1. Kausale Therapie der Inkontinenz-Ursache, z. B.:
  2. Ernährung, Bewegung, Entspannung, Toilettengewohnheiten und Analpflege
    • Stuhlkonsistenz und -frequenz anpassen, indem bestimmte Nahrungsmittel vermieden werden:
      • blähende Speisen
      • kohlensäurehaltige Getränke (z. B. Bier)
      • Kaffee (erhöht die Kolonmotilität)
      • ggf. unvollständig resorbierbare Kohlenhydrate wie Laktose oder Fruktose (Näheres siehe Artikel  Nahrungsmittelallergie/-intoleranz)
    • Zufuhr von Ballaststoffen und Flüssigkeit anpassen.
      • Ballaststoffe können durch Erhöhung der Stuhlfrequenz und Verminderung der Stuhlkonsistenz die Kontinenz beeinträchtigen.
      • Je nachdem, ob der Inkontinenz Obstipation oder Diarrhö zugrunde liegt, ist die Steigerung oder Reduktion der Ballaststoffzufuhr sinnvoll.
      • Besonders bei Obstipation ist zusätzlich eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr entscheidend.
    • Regelmäßige Bewegung, langes Sitzen vermeiden (besonders bei Überlaufinkontinenz).
    • Entspannung, Stressreduktion
    • Toilettentraining 
      • Starkes Pressen und lange Toilettensitzungen vermeiden.
    • Analpflege zur Vermeidung perianaler Hautläsionen
      • bei immobilen Personen besonders wichtig
      • regelmäßiges Waschen
      • Cremes, Salben oder Pasten nach Stuhlgang und Reinigung (Waschen, Duschen)
      • regelmäßiger Wechsel der Vorlage
  3. Abführen bei zugrunde liegender Verstopfung (Näheres siehe Artikel Obstipation), ggf.:
    • Abführmittel
      • bevorzugt Quellmittel und/oder osmotisch wirksame, langzeitverträgliche Laxanzien (Macrogol, Laktulose)
    • Einlauf
    • Kolonmassage
    • bei intaktem Entleerungsreflex:
      • digitale (Selbst-)Stimulation
      • Suppositorium CO2, Glycerin, Bisacodyl
      • Mikroklistier, Klysma.
    • Gastrokolischen Reflex ausnützen: Abführen nach einer Mahlzeit.
    • Für vollständige Entleerung der Ampulle sorgen (Ampullencheck 10 min nach Defäkation).
    • ggf. digitales Ausräumen.
  4. Ggf. Mittel gegen Durchfall: z. B. Loperamid (Näheres siehe Artikel Chronische Diarrhö)
  5. Physiotherapie nach fachlicher Anleitung
    • Beckenboden- und Sphinktertraining
    • evtl. Ergänzung durch:
      • rektale Ballontechniken
      • Biofeedback
      • anale Elektrostimulation.
  6. Analtampons: Können von Vorteil sein, werden aber von vielen Betroffenen nicht dauerhaft akzeptiert. Die Akzeptanz variiert u. a. mit der Form des Hilfsmittels.11
  7. Invasive Therapie, z. B.:
    • Sakralnervenstimulation
    • Einbringen nichtresorbierbarer Füllstoffe (Silikon, Hyaluronsäure) in den Sphinkter
    • Stomaanlage.

Medikamentöse Therapie

  • Ballaststoffe
    • angepasste Zufuhr von Nahrungsballaststoffen und Flüssigkeit (siehe auch Abschnitt Ernährung, Toilettengewohnheiten und Analpflege)
      • z. B. Bananen, Äpfel, Joghurt
    • als Ergänzung: Weizenkleie, Plantagosamen oder Psyllium
    • Behandlungsbeispiele: Flohsamenschalen: 10 g in Flüssigkeit gelöst, 2 x tgl. (nicht dokumentiert)
  • Loperamid
    • vor allem für Betroffene mit Stuhldrang und Austreten von weichem oder flüssigem Stuhl
    • Dosierung: 2−4 mg, 3- bis 4-mal tgl.
  • Lokale Therapie?
    • Ein Gel mit Phenylephrin (Alphamimetikum) wird derzeit geprüft. Der Wirkstoff erhöht den Tonus des inneren Sphinkters bei gesunden Proband*innen, aber die bisherigen randomisierten Studien sind mit methodischen Mängeln behaftet und die Ergebnisse widersprüchlich.10
  • Einläufe und Abführmittel?
    • Bei Überlaufinkontinenz ist es notwendig, den Darm vor dem Einsatz anderer Therapiemaßnahmen einmal vollständig zu entleeren.

Biofeedback und Elektrostimulation

Biofeedback12

  • Das Verfahren ist relativ einfach, kostengünstig und nichtinvasiv.
  • Dabei wird eine Analsonde mit einem Elektromyometer verbunden, das Veränderungen der elektrischen Muskelaktivität im Sphinkter in Ruhe und unter Anspannung misst.
  • Die betroffene Person kann damit üben, die Schließmuskulatur willentlich zu kontrahieren und zu entspannen.
  • Es nicht sicher, ob die Methode anderen konservativen Behandlungen überlegen ist. Langzeitdaten gibt es nur wenige und lückenhafte.
  • Kontraindikationen: entzündliche oder vernarbende Erkrankungen des Rektums
  • Bei reduziertem Ruhedruck aufgrund einer Schwäche des M. sphinkter ani internus besteht vermutlich nur geringe Aussicht auf einen Behandlungserfolg.

Elektrostimulation12

  • Bei diesen nichtinvasiven Verfahren werden über eine intra- oder perianale Sonde elektrische Impulse an die Schließmuskulatur abgegeben.
  • Durch die passiv ausgelösten Muskelkontraktionen wird die Sphinktermuskulatur gestärkt und deren Innervation gebahnt.
  • Bei der EMG-gesteuerten Variante löst die willkürliche Anspannung der Sphinktermuskulatur die elektrischen Impulse aus.
    • Die Sphinkterkontraktion wird dadurch unterstützt und die Propriozeptoren senden einen stärkeren Reiz an das Zentralnervensystem.
    • Dadurch werden neurophysiologische Bahnungs- und psychologische Lernprozesse angestoßen, die es der betroffenen Person nach und nach ermöglichen, auch ohne technische Unterstützung kräftige Kontraktionen des Schließmuskels zu generieren.
  • Ein Effekt kann vermutet werden, ist mit den bisherigen Studien aber nicht zweifelsfrei belegt.

Triple Target Therapy13

  • Die Triple Target Therapy (Drei-Ziele-Therapie) kombiniert EMG-Biofeedback und Elektrostimulation.
  • Drei Ziele:
    1. Koordinationstraining durch EMG-Biofeedback
    2. Konditionierung des Musculus puborectalis
    3. Stimulation des Musculus sphincter ani internus.
  • Die Methode hat sich in ersten randomisiert kontrollierten Studien sowohl im Vergleich mit alleinigem Biofeedback als auch mit alleiniger Elektrostimulation als wirksamer erwiesen.

Analtampons

  • Bevor eine Stomaoperation in Erwägung gezogen wird, kann die Verwendung eines Analtampons (Anal Plug) versucht werden.
  • Der Tampon aus Watte oder Polyurethanschaum wird in komprimiertem Zustand eingeführt und dehnt sich dort aus. Vor Gebrauch ist der Tampon so groß wie ein Zäpfchen. Der Tampon wird mithilfe eines 10 cm langen Rückholbändchens entfernt, das hinten fixiert wird.
  • Verhindert den Abgang von Stuhl und Gasen.
    • Viele Betroffene beenden die Verwendung des Analtampons, da sie sich mit einem Fremdkörper im Analkanal unwohl fühlen.
    • Die Methode erfordert Motivation und Geduld seitens der betroffenen Person sowie eine einfühlsame, fachgerechte Anleitung.

Operative Therapie

Implantation von Füllstoffen in den Sphinkter

  • Der Füllstoff wird unter die Mukosa injiziert.
  • Das Verfahren wird als einfach durchzuführen und gut verträglich beschrieben.
  • Eine große randomisierte Studie belegt die Wirksamkeit eines Füllstoffs aus dextranomeren Mikrosphären in stabilisierter Hyaluronsäure.14
    • Bei 52 % der Behandlungs- und 31 % der Placebo-Gruppe ging die Zahl der Inkontinenzepisoden um mindestens die Hälfte zurück.

Sakralnervenstimulation bei morphologisch intaktem Sphinkter15

  • Möglicherweise geeignet bei Stuhlinkontinenz aufgrund einer Sphinkterschwäche
    • Das Verfahren kann auch bei Harninkontinenz angewendet werden (Näheres siehe Artikel Harninkontinenz bei Männern und Harninkontinenz bei Frauen).
    • Die Sakralnerven, die die Beckenbodenmuskulatur innervieren, werden über einen Schrittmacher stimuliert.
      • Eine Probeelektrode wird dazu in einem Foramen sacrale, in der Regel S3, angebracht.
      • Sind nach einer Testphase die Ergebnisse positiv, werden permanente Elektroden implantiert.
  • Bisherige Wirksamkeitsbelege stammen aus begrenzt aussagekräftigen Studien.
  • Mögliche Komplikationen: Elektrodendislokation, Infektionen, chronische Schmerzen

Sekundäre Sphinkterplastik

  • Sekundäre Wiederherstellung des Ringmuskels nach Trauma infolge einer vaginalen Geburt
    • auch noch lange Zeit nach dem Trauma möglich
  • Chance auf einen Heilungserfolg ist bei isolierter Ruptur des Sphinkter ani höher als bei kombinierten Sphinkter- und Nervenläsionen.
    • Bei Patientinnen ohne Nervenläsionen erfahren 63–100 % eine Verbesserung, verglichen mit 10–67 % der Patientinnen mit Nervenläsionen.
  • Bei unter 35-Jährigen ist die Erfolgsquote höher als bei älteren Patientinnen.

Prävention

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Beratung und Selbsthilfe

Video

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt. AWMF-Leitlinie Nr. 015-079. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie. Neurogene Darmfunktionsstörung bei Querschnittlähmung. AWMF-Leitlinie Nr. 179-004. S2k, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

  1. Van Koughnett JA, Wexner SD. Current management of fecal incontinence: choosing amongst treatmentoptions to optimize outcomes. World J Gastroenterol 2013; 19: 9216-30. PubMed
  2. Milsom I, Altman D, Cartwright R, et al. Epidemiology of Urinary Incontinence (UI) and other Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS), Pelvic Organ Prolapse (POP) and Anal Incontinence (AI). In: Abrams P, Cardozo L, Khoury S, Wein A ( Hrsg.). Incontinence 5 th Edition 2013, 5th International Consultation on Incontinence, Paris 2012: 17-107.
  3. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt. AWMF-Leitlinie Nr. 015-079. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
  4. LaCross A, Groff M, Smaldone A. Obstetric anal sphincter injury and anal incontinence following vaginal birth: a systematic review and meta-analysis. J Midwifery Womens Health. 2015; 60: 37-47. PubMed
  5. American College of Gastroenterology. ACG Clinical Guideline: Management of Benign Anorectal Disorders. Am J Gastroenterol 2014; 109: 1141-57. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Chassagne P, Landrin I, Neveu C, et al: Fecal incontonence in the institutionalized elderly: incidence, risk factors, and prognosis: Am J Med 1999 Feb;106(2):185-90. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie. Neurogene Darmfunktionsstörung bei Querschnittlähmung. AWMF-Leitlinie Nr. 179-004. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  8. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020. www.dimdi.de
  9. Jorge JMN, Wexner SD. Etiology and managementof fecal incontinence. Dis Colon Rectum 1993; 36:77–97. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Omar MI, Alexander CE. Drug treatment for faecal incontinence in adults. Cochrane Database Syst Rev 2013; 6: CD002116. cochranelibrary-wiley.com
  11. Deutekom M, Dobben AC. Plugs for containing faecal incontinence. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 7. Art. No. CD005086. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Norton CC, Cody JD. Biofeedback and/or sphincter exercises for the treatment of faecal incontinence in adults. Cochrane Database Syst Rev 2012; 7, CD002111. www.cochranelibrary.com
  13. Schwandner T et al. Drei-Ziele-Behandlung vs. niederfrequente Elektrostimulation bei analer Inkontinenz. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 653-60. www.aerzteblatt.de
  14. Graf W, Mellgren A, Matzel KE, et al. Efficacy of dextranomer in stabilised hyaluronic acid for treatment of faecal incontinence: a randomised, sham-controlled trial. Lancet 2011; 377: 997-1003. PubMed
  15. Thaha MA, Abukar AA, Thin NN et al. Sacral nerve stimulation for faecal incontinence and constipation in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015; 8: CD004464. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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