Lebensmittelvergiftung/Gastroenteritis

Zusammenfassung

  • Definition:Erkrankung, die durch den Verzehr von Lebensmitteln ausgelöst wird, die mit Bakterien, Toxinen, Parasiten oder Viren kontaminiert sind.
  • Häufigkeit:Durchfall gehört zu den 20 häufigsten Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis. Ein großer Teil davon ist infektiöser Genese.
  • Symptome:In der Regel Durchfall. Auch Erbrechen, Bauchschmerzen und Fieber können auftreten. Der Verlauf ist meist blande und selbstlimitierend, kann aber in seltenen Fällen auch vital-bedrohlich sein.
  • Befunde:Die klinische Untersuchung ergibt meist keine speziellen Befunde. Bei schwerem Verlauf Dehydratation, reduzierter Allgemeinzustand, Fieber.
  • Diagnostik:Untersuchungen sind in der Regel nicht erforderlich; abhängig von Verlauf und Klinik ggf. Stuhlprobe zur Bestimmung des Erregers.
  • Therapie:Symptomatische Therapie, Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes. Nur selten ist eine antibiotische Therapie notwendig. Präventiv sollte auf gute Hygiene bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln geachtet werden.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3

Definition

  • Eine Lebensmittelvergiftung ist eine Erkrankung, die durch den Verzehr von Nahrung oder Wasser verursacht wird, die mit Bakterien, deren Toxine, Viren oder Parasiten kontaminiert sind.
    • In der Regel beruht die Kontamination auf unsachgemäßer Verwendung, Zubereitung oder Lagerung von Lebensmitteln (siehe auch Abschnitt Gute Küchenhygiene).
  • Die klinischen Symptome hängen u. a. vom Ernährungs- und Immunstatus der erkrankten Person ab.
    • in der Regel akute Gastroenteritis mit Durchfall und Übelkeit, häufig auch mit Erbrechen und Bauchschmerzen, seltener mit Fieber

Häufigkeit

Akute erregerbedingte Gastroenteritis

  • Akute gastrointestinale Infektionen sind häufig. Durchfall gehört zu den 20 häufigsten Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis.4
  • Im Rahmen einer epidemiologischen Studie wurde für Deutschland eine Inzidenz von 0,95 Episoden/Personenjahr ermittelt. Hochgerechnet bedeutet dies für Deutschland rund 65 Mio. Episoden einer akuten gastrointestinalen Erkrankung pro Jahr, von denen die überwiegende Mehrzahl infektiöser Genese ist.5

Gemeldete lebensmittelbedingte Ausbrüche6

Häufigste Erkrankungsfälle durch meldepflichtige Erreger7

  • Die häufigsten Gastroenteritisfälle durch meldepflichtige Erreger im Jahr 2020 waren Infektionen mit:
  • Vermutlich hohe Dunkelziffer

Ätiologie und Pathogenese

Inkubationszeiten

Pathogenese

  • Nicht-entzündlich
    • Bakterientoxine aktivieren die Elektrolyt- und Wassersekretion der Dünndarmschleimhaut, keine Schädigung der Mukosa.
    • wässrige Diarrhö ohne Beimengung von Blut und Schleim, keine starken Bauchschmerzen
    • Toxine können entweder mit der Nahrung aufgenommen werden oder sich nach dem Verzehr im Darm bilden.
    • Beispiele: Enterotoxine von Vibrio cholerae, enterotoxische (ETEC) Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Clostridium perfringens. Auch Protozoen wie Giardia lamblia und Kryptosporidien sowie das Norovirus können eine nicht-entzündliche Diarrhö auslösen, wobei die Virulenzmechanismen in diesen Fällen weniger erforscht sind.
  • Entzündlich
    • Die Mikroorganismen schädigen die Schleimhaut.
    • kleinvolumige Diarrhö mit Blut, Schleim oder Eiter, begleitend Bauchkrämpfe und ggf. Fieber
    • Die Erreger können invasiv in das lokale Lymphsystem eindringen, was eine systemische Ausbreitung zur Folge hat. Dies ist vor allem bei Infektionen mit Salmonellen der Fall.
    • Häufig betroffen sind der Dickdarm oder der distal gelegene Abschnitt des Dünndarms.
    • Beispiele: Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien, enterohämorrhagische (EHEC) und enteroinvasive (EIEC) Escherichia coli, Clostridium difficile (nach Antibiotikatherapie), Amöben

ICPC-2

  • D70 Darminfektion
  • D73 Gastroenteritis vermutlich infektiös

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20238
  • A05 Sonstige bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen, anderenorts nicht klassifiziert
    • A05.0 Lebensmittelvergiftung durch Staphylokokken
    • A05.1 Botulismus
    • A05.2 Lebensmittelvergiftung durch Clostridium perfringens [Clostridium welchii]
    • A05.3 Lebensmittelvergiftung durch Vibrio parahaemolyticus
    • A05.4 Lebensmittelvergiftung durch Bacillus cereus
    • A05.8 Sonstige näher bezeichnete bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen
    • A05.9 Bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftung, nicht näher bezeichnet
  • T62 Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese mit akutem Auftreten von Erbrechen, Durchfall und ggf. weiteren Begleitsymptomen, bei der klassischen Lebensmittelvergiftung Symptombeginn kurz nach dem Verzehr kontaminierter Speisen.

Leitlinie: Erregerdiagnostik5

  • Eine routinemäßige Erregerdiagnostik bei allen Patient*innen, d. h. unabhängig von der Symptomatik, evtl. vorhandenen Komorbiditäten oder dem Umfeld, soll nicht erfolgen.
  • Folgende Gesichtspunkte sind für die Beurteilung der Indikation zur diagnostischen Abklärung wichtig:
    • Die meisten Episoden sind selbstlimitierend, eine Diagnostik hat keine therapeutische Konsequenz.
    • Nur in einer Minderheit der Fälle lässt sich der Erreger mittels Stuhl- oder serologischer Untersuchung sichern.
    • Das Erregerspektrum ist umfangreich, die Untersuchung aller Patient*innen auf jeden potenziellen Erreger ist medizinisch und ökonomisch von eingeschränktem Nutzen.
  • Bei Verdacht auf eine infektiöse Gastroenteritis sollte insbesondere in folgenden Situationen eine Abklärung erfolgen:
    • relevante Komorbiditäten
    • Patient*innen mit Immunsuppression
    • blutige Diarrhö
    • schweres Krankheitsbild (z. B. Fieber, Dehydrierung, Sepsis)
    • Diarrhö-bedingte Hospitalisierung
    • Patient*innen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder Lebensmittel-verarbeitenden Institutionen arbeiten.
    • Antibiotikaeinnahme innerhalb der letzten 3 Monate
    • Verdacht auf eine Häufung mit vermutetem epidemiologischem Zusammenhang
    • nosokomiale Diarrhö
    • vor Einleitung einer antibiotischen Therapie.
  • Die Basisdiagnostik bei ambulant erworbener Gastroenteritis sollte mikrobiologische Untersuchungen auf Campylobacter, Salmonellen, Shigellen und Noroviren umfassen.
  • Eine EHEC-Infektion und eine Darminfektion mit Clostridioides difficile sollten bei Verdacht bei Patient*innen mit typischer/entsprechender Symptomatik ausgeschlossen werden.
  • Bei Verdacht auf Parasiten sollten mindestens 3 Proben untersucht werden.
  • Eine mikrobiologische Diagnostik sollte bei Reiserückkehrer*innen erfolgen:
    • bei fieberhafter Diarrhö, blutiger Diarrhö, Diarrhödauer länger als 5 Tage, schweren klinischen Verläufen (Exsikkose, Hypotonie, Tenesmen) – oder –
    • bei Gruppenerkrankungen/Ausbruchssituationen (dann aus epidemiologischen Gründen).
    • Die initiale Stuhldiagnostik sollte auf bakterielle Erreger (Shigellen, Campylobacter, Salmonellen) und Amöben erfolgen, bei persistierender Diarrhö auch auf Lamblien, je nach Verlauf ggf. weitere.
  • Bei Patient*innen mit Immundefizienz sollten ggf. auch auf folgende Erreger untersucht werden:
    • Protozoen (Isospora belli, Cyclospora sp., Mikrosporidien, Kryptosporidien, Dientamoeba fragilis, Strongyloides stercoralis)
    • Viren (Adenoviren)
    • Bakterien (Mykobakterium-avium-Komplex und andere nichttuberkulöse Mykobakterien)
    • Pilze (Histoplasmose, Kokzidioidomykose).

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Allgemeines

  • Hinweise sind:
    1. identische Erkrankung bei mindestens 2 Personen
    2. Hinweise auf bestimmte Lebensmittel als Ansteckungsquelle.
  • Typische Symptome sind:
    • Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen, ggf. Blut oder Schleim im Stuhl.
  • Folgende Aspekte sollten erfragt werden:4
    • Beginn, Dauer, Verlauf der Symptomatik
    • Stuhlbeschaffenheit: Weisen die Symptome eher auf eine nicht-entzündliche oder auf eine entzündliche Pathogenese hin (wichtig zur Einschätzung des Schweregrades und einer ggf. notwendigen Diagnostik und Therapie)?
    • Liegen Warnsymptome vor: Fieber, reduzierter Allgemeinzustand, Blut oder Schleim im Stuhl?
    • Begleiterkrankungen
    • Medikamenteneinnahme (Laxanzien, Antibiotika, weitere)
    • Allergien
    • Auslandsaufenthalt (ETEC ist der häufigste Erreger einer Reisediarrhö).
    • Vermuteter Zusammenhang zu Lebensmitteln, bei denen bei der Lagerung oder Zubereitung nicht genügend auf die erforderliche Hygiene geachtet wurde.
    • weitere Erkrankte im Umfeld oder Kontakt zu anderen Erkrankten mit Durchfall
    • Beruf (Notwendigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).
  • Falls der Verdacht besteht, dass ein bestimmtes Nahrungsmittel die Ursache der Gastroenteritis sein könnte, kann der Zeitraum zwischen Nahrungsaufnahme und Beginn der Symptomatik einen Hinweis auf den verursachenden Erreger geben.
  • Bestimmte Symptome oder Aspekte können einen Hinweis geben für den ursächlichen Erreger.
    • Hauptsymptom Erbrechen
      • typischerweise assoziiert mit Infektion durch Staphylococcus aureus, Bacillus cereus oder Norovirus
      • Kommt auch vor bei Infektion durch Clostridium botulinum und Vibrio cholerae.1
    • Hauptsymptom Fieber
    • begleitende neurologische Symptome (Sehstörungen, Akkomodationsstörungen, anticholinerge Symptome, Paresen) bei Botulismus
    • Pseudoappendizitis
    • bei Reiserückkehrer*innen mit Diarrhö häufig
    • bei blutiger Diarrhö bei Reiserückkehrer*innen
      • Shigellen, Campylobacter, Salmonellen und Amöben

Lebensmittelvergiftung durch Toxine

  • Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Clostridium perfringens, sehr selten Botulinumtoxin
  • Hauptsymptom ist häufig Erbrechen, die Toxine von Staphylokokken und Bacillus cereus wirken direkt auf Rezeptoren im Zentralnervensystem.
  • Erbrechen tritt in der Regel zuerst auf, Diarrhö danach. Das Erbrechen klingt meist schnell ab, die Diarrhö kann mehrere Tage andauern.
  • Sehr häufig sind mehrere Personen betroffen, die die gleichen Lebensmittel verzehrt haben.
  • Die häufigste Ursache von Bakterienwachstum und Toxinproduktion ist eine unzureichende Hygiene bei der Zubereitung oder Aufbewahrung von Speisen und Getränken.
    • Warmhalten von Speisen bei zu niedrigen Temperaturen (< 60 °C)
    • unzureichendes oder zu langsames Herunterkühlen
    • Aufbewahrung bei Zimmertemperatur
    • unzureichendes Erhitzen übrig gebliebener Speisen
  • Wenn bereits Toxine produziert wurden, hat ein Erhitzen der Speise häufig keine Wirkung, die Toxine von Staphylocoocus aureus und ein Toxin von Bacillus cereus z. B. sind hitzestabil.
Toxine von Staphylococcus aureus
  • Bei Menschen kommen Staphylokokken hauptsächlich auf der Haut und in der Nase vor. 20–30 % aller gesunden Erwachsenen sind Träger*innen. Einige Staphylokokken können Enterotoxine bilden. Diese Toxine sind hitzestabil, werden also bei der Zubereitung nicht abgetötet.
  • Ein besonders großes Ansteckungsrisiko bergen Personen, die in Küchen arbeiten und eine Staphylokokken-Infektion der Haut aufweisen.
  • Häufig tritt das Bakterium in Graved Lachs, Schalentieren, Fleischprodukten, Sandwiches und kalten Speisen (Milchprodukten) auf, die von gesunden Träger*innen des Bakteriums kontaminiert wurden.
Toxine von Bacillus cereus
  • Das Bakterium kommt überall im Erdreich und in der Umwelt vor. Bacillus cereus bildet zwei Arten von Toxinen: Eines ist hitzestabil und verursacht Erbrechen, das andere ist hitzelabil und verursacht Diarrhö.
  • Die Bakterien haften an Pflanzen, die geerntet oder gefressen werden, sodass auch in späteren Produkten, wie z. B. Reis oder Milchprodukten, Sporen des Bakteriums enthalten sein können. Grundsätzlich kann das Bakterium aber in allen Arten von Lebensmitteln vorhanden sein.
  • Diarrhö wird in der Regel durch den Verzehr von infiziertem Fleisch, Gemüse, Milchprodukten oder Desserts verursacht, Erbrechen eher durch Reisgerichte, vor allem, wenn sie lange warmgehalten werden.
Toxine von Clostridium perfringens
  • Das Bakterium kommt überall im Erdreich und in der Umwelt vor. Es bildet verschiedene Toxine, die unterschiedliche Erkrankungen auslösen (u. a. auch Gasbrand).
  • Die Lebensmittelvergiftung wird überwiegend vom Toxin Typ A ausgelöst, der klinische Verlauf ist eher milde.
  • Vorkommen in Fleischprodukten, die lange warm gehalten werden, Meeresfrüchten.
Botulismus
  • Erkrankung durch neurotoxische Toxine, die von dem anaeroben Bakterium Clostridium botulinum gebildet werden, sehr seltene Erkrankung.
  • Neben gastrointestinalen Symptomen auch Sehstörungen, insbes. Diplopie und Verlust der Akkommodationsfähigkeit, Mundtrockenheit und andere anticholinerge Symptome; später schlaffe, symmetrische, absteigende Paresen
  • Ursache in der Regel nicht adäquat zubereitete Konserven (Gemüse, Fleisch, Räucherfisch), aber z. B. auch mit Clostridiumsporen kontaminierter Honig (vor allem beim Säuglingsbotulismus9)
Clostridium difficile
  • Auftreten nach Antibiotikatherapie, Häufigkeit nimmt zu, einer der häufigsten Erreger von Nosokomialinfektionen
  • Kann bei schweren Verläufen zu einer pseudomembranösen Kolitis führen.
Weitere Toxine

Mögliche ursächliche Lebensmittel

  • Unzureichend gegarte Speisen
  • Selbst eingemachte Lebensmittel
    • evtl. Clostridium botulinum
  • Nicht pasteurisierte Milch oder aus dieser hergestellter Weichkäse
  • Fleischprodukte, rohes Fleisch, Graved oder kalt geräucherter Lachs, roher Fisch
  • Geflügel
    • Campylobacter, Salmonellen
  • (Rohes) Schweinefleisch
    • Yersinien
  • Rohe Eier
    • Salmonellen
  • Gemüse
    • Durch Düngemittel oder Bewässerung kontaminiertes Gemüse ist häufige Ursache einer Infektion mit Bakterien, Viren oder Protozoen.

Klinische Untersuchung

  • Häufig keine ausgeprägten pathologischen Befunde
  • Einschätzen des Allgemeinzustandes, Messen von Blutdruck und Puls, liegen Zeichen von Dehydratation vor, Fieber?
  • Bei starken Bauchschmerzen abdominelle Untersuchung (DD Appendizitis, CED, gynäkologische Ursachen, weitere)

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • In der Regel sind keine weiterführenden Untersuchungen, z. B. ausführliche Labordiagnostik, erforderlich.
  • Eine gezielte Erregerdiagnostik ist in einigen Fällen sinnvoll.
  • Bei Verdacht auf Ausbruch der Erkrankung bei mehreren Personen aus einer gemeinsamen Quelle ist diese in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt zu melden und zu ermitteln.
    • Proben der infrage kommenden Lebensmittel
    • Stuhlproben erkrankter Personen
    • bei Patient*innen mit Fieber ggf. Blutkultur

Weitere Untersuchungen

  • Sind in aller Regel nicht erforderlich.

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3

Therapieziele

  • Aufklärung, Linderung
  • Selten erforderlich: Erregerbestimmung und gezielte Therapie
  • Schutz von Kontaktpersonen vor Ansteckung

Symptomatische Behandlung

  • Die meisten Fälle verlaufen selbstlimitierend und bedürfen keiner spezifischen Therapie.
  • Bei wässriger Diarrhö ist der Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes die wichtigste Maßnahme.
    • Dies gilt insbesondere für ältere Personen, Menschen mit schweren Grunderkrankungen, für Kinder und für Schwangere.
    • Wasser, Tee evtl. mit Glukose, Apfelsaftschorle, Brühe, Reis, Bananen, Zwieback, evtl. orale Elektrolytlösungen als Fertigpräparate aus der Apotheke
    • Bei starkem Erbrechen ist ggf. eine Infusionstherapie mit Elektrolytlösung erforderlich.
    • Bei reduziertem Allgemeinzustand ist eine stationäre Aufnahme zu erwägen.
  • Weitere symptomatische Therapie (siehe auch Artikel Virale Gastroenteritis)

Antibiotika und Antitoxine

  • In der Regel sollte eine antibiotische Therapie nur bei Nachweis bestimmter Erreger erfolgen.
  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.10
  • Bei Botulismus ist die Gabe von Clostridium-botulinum-Antitoxin lebensrettend.

Empirische Therapie

  • Eine empirische antimikrobielle Therapie kann bei folgenden Konstellationen durchgeführt werden:
    • Immunsuppression (medikamentös oder durch Grunderkrankung bedingt)
    • Zeichen einer systemischen Infektion (z. B. Fieber > 38,5 °C)
    • blutiger Diarrhö.
  • Verdacht auf Shigellen-Infektion?
    • Mögliche Hinweise: Fieber über mehr als 3 Tage mit Bauchschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Myalgien. Behandlung bei Shigelleninfektion s. u.
  • Verdacht auf Clostridioides-difficile-assoziierte Diarrhö (s. u.) oder intraabdominelle Sepsis (Sepsis aufgrund eines intraabdominellen Infektionsherds)11?
    • Therapie, die anaerobe Keime abdeckt, z. B. Metronidazol.
  • Verdacht auf ETEC-Infektion oder Amöbenruhr?
  • Auswahl des Antibiotikums
    • 1. Wahl gemäß abgelaufener Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Stand 20155, übereinstimmend u. a. mit den „Practice guidelines for the diagnosis and management of infectious diarrhea“ der Infectious Diseases Society of America (IDSA), Stand 2017:12
      • Azithromycin (500 mg/d p. o.) für 3 Tage
      • Ciprofloxacin (2 x 500 mg/d p. o. oder 800 mg/d i. v.) für 3–5 Tage
      • Ceftriaxon (2 g/d i. v.) für 3–5 Tage.
    • Gemäß BMJ Best Practice3 unter Berücksichtigung internationaler Leitlinien, u. a. der IDSA-Leitlinien (s.o.)12neben Ciprofloxacin ebenfalls 1. Wahl:
      • Erythromycin (2 x 500 mg/d p. o.) ≥ 5 Tage
      • Metronidazol (3 x 500 mg/d p. o.) ≥ 5 Tage
      • Amoxicillin/Clavulansäure (3 x 500 mg/d p. o.) ≥ 5 Tage.
    • Alternativoption:3
      • Clarithromycin (2 x 250 mg/d p. o.) ≥ 5 Tage.
  • Immunkompromittierte Patient*innen
    • Diese können eine höher dosierte, spezifischere und länger anhaltende Antibiose benötigen.

Nichttyphoidale Salmonellen-Infektion5

  • Bei akuter nichttyphoidaler Salmonellen-Infektion ohne Hinweis auf eine systemische Infektion sollte in der Regel keine antimikrobielle Therapie durchgeführt werden.
  • Eine antimikrobielle Therapie soll in folgenden Fällen erfolgen:
    • bei Bakteriämie
    • bei Zeichen systemischer Infektion (z. B. Fieber > 38,5 °C).
  • Eine antimikrobielle Therapie sollte in folgenden Fällen erfolgen:
    • bei Immunsuppression (medikamentös oder durch Grunderkrankung bedingt)
    • bei Hämodialyse-Patient*innen.
  • Eine antimikrobielle Therapie kann in folgenden Fällen erfolgen:
    • bei Vorliegen von Gefäßprothesen
    • bei Vorliegen von Gefäßaneurysmen
    • bei Vorliegen von Fremdmaterial (z. B. Gelenkprothesen).
  • Empfohlene Antibiotika (unter Beachtung der Resistenztestung), Behandlungdauer 5–7 Tage:
    • 1. Wahl gemäß abgelaufener Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Stand 20155, übereinstimmend u. a. mit den „Practice guidelines for the diagnosis and management of infectious diarrhea“ der Infectious Diseases Society of America (IDSA), Stand 2017:12
      • Ciprofloxacin (1 g/d p. o. oder 800 mg/d i. v.)
        – oder –
      • Ceftriaxon (2 g/d i. v.).
    • mögliche Alternative gemäß BMJ Best Practice3 unter Berücksichtigung internationaler Leitlinien u. a. der IDSA-Leitlinien (s. o.):12
      • Trimethoprim/Sulfamethoxazol (2 x 160/800 mg/d p. o.).
  • Immunkompromittierte Patient*innen:
    • ggf. Antibiose über 14 Tage3
  • Dauerausscheider*innen:
    • Bei Nachweis von Salmonellen im Stuhl länger als 3 Monate kann ein Therapieversuch mit Ciprofloxacin für 4 Wochen durchgeführt werden.

Shigellen

  • Eine Shigellen-Infektion verläuft häufig mild. Bei schweren Verläufen stehen Rehydratationsmaßnahmen (s. o.) an erster Stelle.
  • Bei akuter Shigellen-Infektion soll eine antimikrobielle Therapie durchgeführt werden.
    • Die Antibiose kann Symptome lindern, die Erregerlast reduzieren und damit zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung beitragen.
  • Folgenden Substanzen kommen infrage (unter Beachtung der Resistenztestung):
    • Ciprofloxacin (2 x 500 mg/d p. o. – oder – 800 mg/d i. v.) für 3–5 Tage3,5
      – oder –
    • Azithromycin (1.000–1.500 mg/d p. o.) für 1–5 Tage3,5
      – oder –
    • Ceftriaxon (1 g/d i. m.) für 2–5 Tage.3

Campylobacter

  • Eine antibiotische Therapie ist nur bei schwerem Krankheitsbild notwendig.
  • Eine Antibiose wirkt nur innerhalb der ersten 72 Stunden.
  • Infrage kommen (unter Beachtung der Resistenztestung):
    • Azithromycin (500 mg/d p. o. für 3 Tage oder 1.000 mg p. o. einmalig)5
      – oder –
    • Ciprofloxacin (2 x 500 mg/d p. o. – oder – 800 mg/d i. v.) für 3 Tage3,5
      – oder –
    • Erythromycin (2 x 500 mg/d p. o.) für 5 Tage.3

Yersinien

  • Bei akuter Yersinien-Infektion sollte in der Regel keine antimikrobielle Therapie durchgeführt werden.
  • Bei schwerem Krankheitsbild oder fehlender klinischer Besserung sollte, abhängig vom Krankheitsbild, eine antimikrobielle Therapie mit folgenden Substanzen durchgeführt werden (unter Beachtung der Resistenztestung):
    • Enterokolitis
      • Ciprofloxacin (1 g/d p. o. oder 800 mg/d i. v. für 3–7 Tage)3,5
        – oder –
      • Trimethoprim/Sulfamethoxazol (2 x 160/800 mg/d p. o. oder i. v. für 5–7 Tage)5
    • Bakteriämie
      • Ciprofloxacin (1 g/d p. o. oder 800 mg/d i. v. für 7–14 Tage)3,5
        – oder –
      • Ceftriaxon (2 g/d i. v. für 7–14 Tage)5
    • mögliche Alternativen3
      • Doxycyclin (Initialdosis: 200 mg p. o. oder i. v., danach 2 x 100–200 mg/d p. o. oder i. v.) für 3–14 Tage
        – oder –
      • Paromomycin (3 x 500 mg/d p. o.) für 5–10 Tage.

EHEC

Clostridioides-difficile-Infektion3,5,13

  • Bei leichtem Krankheitsbild kann bei Patient*innen ohne Risikofaktoren nach Absetzen des auslösenden Antibiotikums und unter engmaschiger klinischer Beobachtung der Spontanverlauf abgewartet und auf eine spezifische Therapie verzichtet werden.
  • In allen anderen Fällen sollte frühzeitig eine spezifische Therapie initiiert werden.
  • Bei schwerem Krankheitsbild und hochgradigem Verdacht auf eine CDI sollte eine spezifische Therapie bereits parallel zur Diagnostik eingeleitet werden.
  • Bei leichtem bis moderatem Verlauf:
    • Metronidazol 3 x 400–500 mg/d p. o. für 10–14 Tage.
  • Bei schwerem Verlauf:
    • Vancomycin 4 x 125 mg/d p. o. für 10 Tage.

 Reisediarrhö

  • Eine empirische Antibiotikatherapie sollte bei Diarrhö mit Fieber und/oder Blutabgängen oder bei Risikopatient*innen eingesetzt werden.
  • Bei Verdacht auf bakterielle Erreger (z. B. ETEC, siehe Artikel E.-coli-Enteritis) ohne Fieber und Blutabgänge kann eine empirische Antibiotikatherapie (s. o.) eingesetzt werden. Das ist in der Regel nur bei schwereren Verläufen notwendig.
  • In beiden Fällen sollte, unter Beachtung der Resistenzsituation im Reiseland, Folgendes verordnet werden:
    • Azithromycin (500 mg/d p. o. für 3 Tage oder 1.000 mg einmalig p. o.)
      – oder –
    • Ciprofloxacin (2 x 500 g/d p. o. oder 800 mg/d i. v.).
  • Bei Verdacht auf eine Infektion mit Entamoeba histolytica bei schwerem Krankheitsbild, nach Probenasservation:
    • Primärbehandlung
      • Metronidazol 3 x 250–750 mg/d p. o. (3 x 10 mg/kg KG/d p. o. oder i. v., max. 3 x 800 mg/d) über 10 Tage
    • Gefolgt von:
      • Paromomycin 3 x 500 mg/d p. o. über 7–10 Tage.

Prävention

Infektionsschutzgesetz14

  • Seit Inkrafttreten am 1. Januar 2001 werden dort u. a. Hygieneschutzmaßnahmen, Tätigkeitsverbote und die Meldepflicht geregelt.
  • Bei der Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln sind hohe hygienische Standards einzuhalten, auch seitens der Verbraucher*innen.

Gute Küchenhygiene15

  • Küchenpersonal ist über die Ausbreitungsmechanismen bei ansteckenden Erkrankungen zu informieren.
  • Nur einwandfreie Ware verwenden, deren Verpackung nicht beschädigt ist. Das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln ist zu beachten.
  • Die Kühlung der Ware muss durchgehend sichergestellt sein.
  • Rohe tierische Produkte im Kühlschrank getrennt von Frischwaren aufbewahren.
  • Gegarte Lebensmittel schnell verarbeiten und ggf. schnell und in kleinen Mengen zwischenkühlen.
  • Die Kühlschranktemperatur muss ausreichend niedrig sein (nicht über 6 °C).
  • Speisen zur Lagerung immer abdecken.
  • Auftauflüssigkeit von Fleisch und Geflügel wegschütten, Flächen anschließend desinfizieren.
  • Essensreste vor dem Verzehr ausreichend erhitzen.
  • Warme Speisen bis zum Servieren bei ausreichend hohen Temperaturen (> 65 °C) aufbewahren. Warmhaltedauer max. 3 Stunden.
  • Schneidbretter und Gefäße vor und nach der Zubereitung frischer Lebensmittel reinigen.

Bestimmte Berufsgruppen

  • Folgende Personen dürfen nicht tätig sein in der Lebensmittelindustrie, in Restaurants, Großküchen oder wenn sie im Handel mit Lebensmitteln in Berührung kommen:14
    • Personen, die an einer infektiösen Gastroenteritis oder Virushepatitis A oder E erkrankt oder dessen verdächtig sind.
    • Personen, die an infizierten Wunden oder an Hautkrankheiten leiden, bei denen die Möglichkeit einer Übertragung auf Lebensmittel besteht.
    • Personen, die Shigellen, Salmonellen, enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) oder Choleravibrionen ausscheiden.
  • Infizierte Wunden und Hautbesiedlung sind mit entsprechender Wundversorgung und ggf. Anwendung lokal wirkender antibakterieller Medikamente zu behandeln.
  • Für Küchenpersonal gelten strenge Hygienevorschriften (Arbeitskleidung, Kopfbedeckung, Händedesinfektion).

Meldepflicht

  • Für bestimmte Erreger besteht in Deutschland eine Arzt- bzw. Labor-Meldepflicht an das Gesundheitsamt.2,5
  • Von den Ärzt*innen namentlich zu melden ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an:
  • Eine namentliche Meldung durch die Ärzt*innen muss auch erfolgen bei Verdacht auf und bei Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
    • eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausübt.
    • zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
  • Bei Nachweis von weiteren Krankheitserregern besteht eine Labormeldepflicht:
  • Bei der Meldepflicht sind zusätzlich bundeslandspezifische Verordnungen zu beachten.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3

Verlauf

  • Der Verlauf ist meist blande und selbstlimitierend, kann aber in seltenen Fällen auch vital-bedrohlich sein.
  • Die größte Gruppe der Patient*innen wird ambulant betreut.
  • Je nach Erreger variieren Inkubationszeit und Dauer der Erkrankung.

Komplikationen

Prognose

  • Die meisten Fälle einer Lebensmittelvergiftung verlaufen selbstlimitierend.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Switaj TL, Winter KJ, Christensen SR. Diagnosis and Management of Foodborne Illness. Am Fam Physician 2015. pmid:26371569 PubMed
  2. Robert Koch-Institut. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger. Stand 16.11.2020. www.rki.de
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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Katrin Metz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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