Ascariasis

Zusammenfassung

  • Definition:Infektion mit Spulwürmern.
  • Häufigkeit:Weltweit ca. 0,7–1,2 Mrd. Infektionen; besonders häufig in feucht-warmen Gebieten.
  • Symptome:Oft asymptomatisch, ggf. abdominelle Beschwerden, Husten.
  • Befunde:Keine spezifischen klinischen Befunde; die häufigste Erscheinungsform sind Würmer im Stuhl.
  • Diagnostik:Evtl. mikroskopische Nachweis von Wurmeiern.
  • Therapie:Anthelminthika (z. B. Mebendazol).

Allgemeine Informationen

Definition

Spulwurm
Spulwurm
  • Der adulte Spulwurm (Ascaris lumbricoides) erreicht eine Länge von 10–30 cm.1
  • Eine Infektion kommt nur beim Menschen vor und tritt in allen Altersklassen auf.
  • Schätzungsweise 0,7–1,2 Mrd. Menschen weltweit sind infiziert.2-3

Allgemeines zu Wurminfektionen

  • Etwa 1,5 Mrd. Menschen weltweit sind mit sog. „Soil Transmitted Helminths“, also durch das Erdreich übertragenen Würmern infiziert. Eine simultane Infektion mit mehreren Wurmarten ist nicht selten.4
  • Weltweites Vorkommen. Die meisten Infektionen treten allerdings in den feuchtwarmen Tropen und Subtropen auf.1-2
  • Die drei häufigsten Wurmerkrankungen sind Ascariasis, Trichuriasis und Ankylostomiasis

Folgen einer Wurminfektion

  • Infizierte Kinder können an Unterernährung, Wachstums- und Entwicklungsstörungen sowie kognitiven Störungen leiden und Lernschwierigkeiten haben.4
  • Wurminfektionen, die über das Erdreich übertragen werden, zählen zu den weltweit wichtigsten Verursachern körperlicher und mentaler Retardierung; sie wurden jedoch bisher von der medizinischen und internationalen Gemeinschaft vernachlässigt.
  • Diese Infektionen können die Anfälligkeit für andere Infektionen wie z. B. Malaria, Tuberkulose und HIV erhöhen.
  • Die Verbesserung der sanitären Bedingungen ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Reduktion der Infektionshäufigkeit.

Häufigkeit

  • Der Spulwurm ist weltweit verbreitet; warmes Klima erhöht die Übertragungshäufigkeit.
  • Häufigste Wurminfektion, insbesondere in Gebieten mit schlechten hygienischen und sanitären Bedingungen1
  • Meist sind Kinder und Jugendliche betroffen.5

Ätiologie und Pathogenese

  • Menschen stecken sich durch den Verzehr von mit Kot kontaminierten Nahrungsmitteln oder Wasser an.
    • Die Ansteckung erfolgt auch über ungewaschene Hände; eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.5
  • Im Dünndarm schlüpfen die Larven aus den Eiern, penetrieren die Dünndarmwand und erreichen über den Blutkreislauf die Lunge. Hier durchbrechen sie die Alveolarwand, werden abgehustet und schließlich wieder geschluckt, wodurch sie erneut den Gastronintestinaltrakt erreichen. Hier reifen sie zu adulten Würmern heran.1
  • Die durchschnittliche Lebenszeit innerhalb des menschlichen Wirts beträgt 1 Jahr.1
  • Nach der Befruchtung legen die Würmer täglich bis zu 200.000 Eier.2
  • Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich, da die Eier erst nach 2–3 Wochen im Boden infektiös werden.
  • Im Boden können die gereiften Eier mehrere Jahre infektiös bleiben.5

Prädisponierende Faktoren

  • Einsatz menschlicher Exkremente als Düngemittel1,5
  • Schlechte hygienische Bedingungen3-4

ICPC-2

  • D96 Würmer/andere Parasiten

ICD-10

  • B77 Askaridose
    • B77.0 Askaridose mit intestinalen Komplikationen
    • B77.8 Askaridose mit sonstigen Komplikationen
    • B77.9 Askaridose, nicht näher bezeichnet.

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Makroskopischer Nachweis von Spulwürmern oder deren Eier im Stuhl oder in der Unterwäsche, meist erst 2–3 Monate nach Infektion5
  • Selten gelingt der Nachweis im Sputum

Anamnese

  • Die klinischen Erscheinungsformen sind:
    • akute Manifestationen aufgrund der wandernden Larven und Würmer
    • akute und chronische Manifestationen aufgrund der adulten Spulwürmer im Magen-Darm-Trakt.
  • Leichte Fälle verlaufen asymptomatisch. Die häufigste Erscheinungsform sind makroskopisch sichtbare Würmer im Stuhl.
  • Große Mengen an Spulwürmern können zu akuten Bauchschmerzen führen.
  • Symptome wie Urtikaria, leichtes Fieber, trockener Husten, blutiger Schleim, Niesen, Atemnot und retrosternale Schmerzen können während der Lungenpassage auftreten.5

Diagnostik

  • Mikroskopischer Nachweis der charakteristischen Eier in Stuhl oder Sputum5
    Ascaris lumbricoides
    Ascaris lumbricoides
  • Die Würmer oder Eier sind erst 2–3 Monate nach der Infektion im Darm nachweisbar, nachdem die Würmer ausgewachsen sind.
  • Ggf. Eosinophilie5
  • Ggf. unspezifische Infiltrate im Röntgen-Thorax bei der Lungenpassage5
  • Ultraschall und Endoskopie: nützlich bei der Diagnostik gastrointestinaler Komplikationen bei Ascariasis

Therapie

Therapieziele

  • Den Parasiten eliminieren.
  • Komplikationen verhindern.

Medikamentöse Therapie

  • Einmalige Gabe von Mebendazol, Albendazol und Ivermectin zeigten sich in Studien gleich effektiv. Auch die Arzneimittelsicherheit ist vergleichbar.6
  • Mebendazol
    • Empfehlung in Deutschland: 1 x tgl. 100 mg p. o. für 3 Tage, Wiederholung nach 2 und 4 Wochen
    • 500 mg als Einzeldosis ist ebenfalls möglich.6
    • Darf laut embryotox auch in der gesamten Schwangerschaft und während der Stillzeit gegeben werden.
  • Albendazol
    • 400 mg als Einzeldosis5
    • Laut Fachinfo für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen, wird aber von der CDC empfohlen.7
  • Ivermectin
    • 150–200 µg/kg als Einzeldosis5
    • Laut Fachinfo für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen, wird aber von der CDC empfohlen.7
  • Pyrantel: 250 mg Kautablette, Körpergewicht adaptiert
    • z. B. einmalig 11 mg Pyrantel pro kg Körpergewicht (max. Dosis 1 g)8
    • Für Kinder ab dem 6. Monat bis unter 2 Jahren und unter 12 kg Körpergewicht gibt es eine Suspension.
    • keine Alterseinschränkung8
    • Pyrantel sollte laut embryotox in der Schwangerschaft gemieden werden. Auch in der Stillzeit ist Mebendazol vorzuziehen.
  • Evtl. Ansteckungsherde in der näheren Umgebung sollen ebenfalls saniert werden.
  • In Endemiegebieten wird insbesondere bei Schulkindern die Durchführung regelmäßiger Wurmkuren (Entwurmung) empfohlen, um einen Krankheitsausbruch zu verhindern.4,9

Weitere therapeutische Maßnahmen

  • Bei Komplikationen kann ggf. auch eine chirurgische Intervention notwendig werden.5

Prävention

  • Gemeinschaftseinrichtungen dürfen besucht werden. Auf eine normale Basishygiene (Händewaschen nach Toilettenbenutzung) sollte geachtet werden.
  • Gesundheitsaufklärung
  • Kein Einsatz von menschlichen Exkrementen als Düngemittel
  • Verbesserungen der Wasserqualität und der hygienischen Bedingungen10

Meldepflicht

  • Derzeit besteht in Deutschland keine Meldepflicht bei Ascariasis.11

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In Endemiegebieten handelt es sich zumeist um chronische Infektionen.
  • Eine Re-Infektion nach Therapie ist häufig.10

Komplikationen

  • Selten kommt es bei Kindern zu intestinaler Obstruktion, Perforation, Invagination oder Volvulus bei großen Mengen verknäuelter Würmern.5,12
  • Ebenfalls sehr selten ist eine Gallengangverschluss durch Migration eines Wurms in die Gallenwege.5,13

Prognose

  • In endemischen Gebieten besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen chronischen Helminthen-Infektionen einerseits und Wachstums- und Entwicklungsstörungen bei Kindern andererseits.
  • Die Elimination der Würmer beim Einzelnen und auf gesellschaftlicher Ebene hat vermutlich großen Einfluss auf die Volksgesundheit in diesen Ländern.4

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Spulwurm
Spulwurm
Ascaris lumbricoides
Ascaris lumbricoides

Quellen

Literatur

  1. 1. de Lima Corvino DF, Horrall S. Ascariasis. [Updated 2022 Jul 18]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Center for Disease Control and prevention. Ascariasis, 2020 Online abgerufen 02.01.2023. www.cdc.gov
  3. Holland C, Sepidarkish M, Deslyper G, et al. Global prevalence of Ascaris infection in humans (2010-2021): a systematic review and meta-analysis. Infect Dis Poverty. 2022 Nov 18;11(1):113. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. WHO. Soil transmitted helminth infections, 2022, online abgerufen am 03.12.2023. www.who.int
  5. Kurth F, Suttorp N. Ascariasis. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B, Dietel M, Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2020. eref.thieme.de
  6. Conterno LO, Turchi MD, Corrêa I, et al. Anthelmintic drugs for treating ascariasis. Cochrane Database Syst Rev. 2020 Apr 14;4(4). www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. CDC. Ascariasis, 2020, online abgerufen am 01.12.2022. www.cdc.gov
  8. Cappello M. Ascariasis. BMJ Best practice, April 11 2018, BMJ Publishing Group Ltd 2019. bestpractice.bmj.com
  9. Awasthi S, Peto R, Read S, et al. Population deworming every 6 months with albendazole in 1 million pre-school children in north India: DEVTA, a cluster-randomised trial. Lancet. 2013;381:1478-1486 PubMed
  10. Strunz EC, Addiss DG, Stocks ME, et al. Water, sanitation, hygiene, and soil-transmitted helminth infection: a systematic review and meta-analysis. PLoS Med. 2014;11:e1001620. PMID: 24667810 www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Bundesminesterium für Justiz und Verbraucherschutz, Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern, abgerufen Oktober 2019 www.gesetze-im-internet.de
  12. Darlington C, Anitha G. Ascaridial Volvulus: An Uncommon Cause of Ileal Perforation. Iran J Med Sci. 2018 Jul;43(4):432-435. www.ncbi.nlm.nih.gov
  13. Sharma M, Somani P, Prasad R, et al. Biliary ascariasis: mimicker of biliary stent. VideoGIE. 2017 May 6;2(7):179-181. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Bonnie Stahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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