Lungenödem

Zusammenfassung

  • Definition:Flüssigkeitsansammlung in Interstitium und Alveolen mit konsekutiver Gasaustauschstörung. Pathophysiologisch wichtigste Mechanismen sind ein erhöhter hydrostatischer Druck in den Lungenkapillaren (kardiales Lungenödem) oder eine erhöhte Permeabilität der alveolokapillären Membran für Flüssigkeit und Protein (nichtkardiales Lungenödem).
  • Häufigkeit:Die Mehrheit der Lungenödeme sind kardial bedingt. Andere Ursachen sind ARDS, neurogenes Lungenödem, Höhenlungenödem u. a.
  • Symptome:Ruhedyspnoe, Husten, schaumiges Sekret, Angst.
  • Befunde:Tachypnoe, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, brodelnde Atmung. Auskultatorisch grobblasige Rasselgeräusche, evtl. vitientypische Geräusche am Herzen. Blutdruck kann normal/erhöht, aber auch erniedrigt bis zum Schock sein.
  • Diagnostik:Röntgenthorax zur Bildgebung des Lungenödems, Echokardiografie zum Nachweis/Ausschluss einer kardialen Ursache, Pulsoxymetrie, Labor (BGA, Troponin, BNP/NT-proBNP). Herzkatheteruntersuchung bei akutem Koronarsyndrom als Ursache.
  • Therapie:Beim kardialen Ödem medikamentöse Therapie in 1. Linie mit Diuretika und Nitraten; Sauerstoffgabe, frühzeitige nichtinvasive Beatmung (CPAP, BiPAP), bei Versagen invasive Beatmung. Behandlung der Ursache (z. B. PCI bei akutem Herzinfarkt, Blutdrucksenkung bei hypertensivem Notfall).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Pathologische Flüssigkeitsansammlung in Interstitium und Alveolen
  • Unterscheidung von 2 Hauptformen des Lungenödems:1
    1. kardiales Lungenödem (mit erhöhtem hydrostatischem Druck) und
    2. nichtkardiales Lungenödem (mit erhöhter Permeabilität).
  • Beide Formen des Lungenödems resultieren in einer Gasaustauschstörung mit initial ähnlicher klinischer Manifestation.2

Häufigkeit

  • Keine genauen Daten zur Inzidenz des Lungenödems
  • Im klinischen Alltag am häufigsten bei Patienten mit akutem Herzversagen:
    • Häufigkeit 75–83 % in Studien an Patienten mit Herzversagen bei reduzierter EF3

Ätiologie

  • Ätiologisch kardiales Lungenödem häufiger als nichtkardiale Lungenödeme

Kardiales Lungenödem

Nichtkardiales Lungenödem

  • ARDS
    • Schädigung der alveolo-kapillären Membran durch:
      • direkte Lungenschädigung, z. B. durch Pneumonie, Inhalationsschäden, Aspiration u. a.
      • indirekte Lungenschädigung, z. B. durch Sepsis, Polytrauma u. a. 
  • Neurogenes Lungenödem
    • Erhöhung des intrazerebralen Drucks mit Aktivierung des sympathischen Nervensystems4-5
  • TRALI = Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (Transfusionsreaktion)
    • früher als „transfusionsassoziiertes nichtkardiogenes Lungenödem“ bezeichnet
    • Schädigung der Endothelzellen mit erhöhter Kapillarpermeabilität durch aktivierte Granulozyten6
    • Kriterien für Diagnose TRALI6
      • plötzliche Atemnot
      • Auftreten innerhalb von 6 Stunden nach der Bluttransfusion
      • bilaterale Lungeninfiltrate
      • kein Anhalt für kardiales Lungenödem oder Volumenüberlastung
  • Höhenlungenödem (HAPE = High-Altitude Pulmonary Edema)
    • Hypoxie führt zu überschießender und inhomogener pulmonal-arterieller Vasokonstriktion, wahrscheinlich genetische Disposition.7
    • Entwicklung meist nach sehr raschem Aufstieg in Höhen > 4.000 m in einem Zeitraum von 48–72 Stunden7
        • Bei Auftreten in geringer Höhe < 3.000 m sollte nach vorbestehenden Herzerkrankungen gesucht werden.7
  • Postexpansionslungenödem
    • erniedrigter Alveolardruck nach Reexpansion einer kollabierten Lunge5
  • Süßwasserertrinken
    • hypotone Hyperhydratation, zusätzlich direkte Surfactant-, Alveolar- und Gefäßendothelschädigung5
  • Salzwasserertrinken
    • Hoher osmotischer Druck des Salzwassers in Alveole führt zu zusätzlichem Wassereinstrom.5

Pathogenese

  • Balancierung der pulmonalen Flüssigkeitsverteilung durch folgende Parameter:8-9
    • hydrostatischer Druck in den Kapillaren
    • kolloidosmotischer Druck
    • Permeabilität zwischen Kapillaren und Interstitium bzw. Interstitium und Alveolen
    • Drainagekapazität der interstitiellen Lymphkanäle.

Pathophysiologie bei kardialem Lungenödem

  • Die Erhöhung des hydrostatischen Drucks in den Lungenkapillaren führt zu erhöhter transvaskulärer Flüssigkeitsfiltration.1
  • Ein Anstieg des hydrostatischen Drucks in den Lungenkapillaren ist bedingt durch einen erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck mit konsekutiv erhöhtem linksatrialem und pulmonalvenösem Druck.
  • Bei leichter Erhöhung des enddiastolischen Drucks (ca. 18–25 mmHg) zunächst das Ödem im perivaskulären Interstitialraum.10
  • Bei weiterer Steigerung des enddiastolischen Drucks (ca. > 25 mmHg) zunehmende Füllung der Alveolen mit proteinarmer Flüssigkeit

Pathophysiologie bei nichtkardialem Lungenödem

  • Meistens verursacht durch Erhöhung der Permeabilität zwischen Kapillaren und Interstitium bzw. Interstitium und Alveolen1
  • Einstrom von Flüssigkeit und Proteinen in Lungeninterstitium und Alveolen8
  • Dadurch erhöhter Proteingehalt eines nichtkardialen Lungenödems

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • J81 Lungenödem

ICD-10

  • I50.1 Akutes Lungenödem mit Angaben über Herzinsuffizienz oder Herzkrankheit
  • J68.1 Akutes Lungenödem, verursacht durch Chemikalien, Gasen, Rauch oder Dampf
  • J81 Unspezifisches Lungenödem n.n.b.

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose beruht auf:
    • Anamnese
    • klinischem Befund
    • Bildgebung.
      • Rö-Thorax (oder CT) zum Nachweis des Ödems
      • evtl. Echokardiografie zum Nachweis/Ausschluss einer kardialen Ursache

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Aktuelle Symptome
  • Sonstige aktuelle Anamnese
    • Fieber; aktuelle/kurz zurückliegende Infekte?
    • Inhalation toxischer Substanz?
    • Aspiration?
    • St. n. OP/Trauma?
    • Hat die Patientin/der Patient Blutdruck/Puls bereits gemessen?
  • Vorgeschichte

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
    • Dyspnoe
    • Tachypnoe
    • Zyanose
    • Brodeln (hörbar ohne Auskultation)
    • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • Kaltschweißigkeit
    • gestaute Halsvenen, periphere Ödeme bei gleichzeitiger Rechtsherzinsuffizienz 
  • Auskultation der Lungen
    • grobe Rasselgeräusche
    • evtl. Giemen/verlängertes Exspirium durch Bronchialwandödem/Bronchokonstriktion
  • Auskultation des Herzens: häufig schwierig, da durch pulmonale Geräusche überlagert
    • S3
    • Geräusche durch Vitien 
  • Blutdruck/Puls
    • Tachykardie, evtl. Arrhythmie
    • sowohl Hypertonie als auch Hypotonie/Schock möglich
    • Unterscheidung zwischen:11
      • „feuchtem und warmem“ Patienten (bei normalem/erhöhtem Blutdruck)
      • „feuchtem und kaltem“ Patienten (Hypotonie/Schock).
  • Körpertemperatur
  • Mentale Funktionen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • EKG
    • Hinweise für akuten Infarkt?
    • Hinweise für myokardiale Schädigung?
    • Hypertrophiezeichen?
    • P-mitrale?
    • Rhythmusstörung?
  • Pulsoxymetrie
    • Hypoxämie?
  • Labor

Diagnostik in der Klinik

Intensivmedizinisches Monitoring

  • Kontinuierliche EKG-Ableitung
  • Monitoring von Blutdruck/Puls
  • Pulsoxymetrie
  • Messung der Urinausscheidung

Labor

Röntgenthorax18-20

  • Bilaterale Verschattungen
  • Kerley-B-Linien
  • Verbreiterte zentrale Gefäße
  • Kardiomegalie
  • Evtl. zusätzlich Pleuraerguss
  • Ausschluss/Nachweis von Differenzialdiagnosen

CT Thorax

  • Zur initialen Diagnostik meist nicht notwendig
  • Sensitiver in der Erfassung von Flüssigkeitsansammlung/Infiltraten
  • Bessere Differenzierung zwischen kardialem Lungenödem und ARDS
  • Ausschluss/Nachweis von Differenzialdiagnosen

MRT

  • Im Allgemeinen kein wesentliches Bildgebungsverfahren in der Initialphase bei Lungenödem
  • Kann im weiteren Verlauf eine Rolle spielen bei der weiteren Abklärung einer linksventrikulären Störung (Myokarditis, Kardiomyopathien, Vitalitätsnachweis bei ischämischer Herzerkrankung).

Echokardiografie

  • Wichtig zur Differenzierung zwischen kardialem und nichtkardialem Lungenödem21
  • Die transthorakale Echokardiografie ist die wichtigste und gleichzeitig breit verfügbare Untersuchung zur Bestätigung der Diagnose bei V. a. Herzinsuffizienz.11,22
    • Größe der Herzkammern
    • systolische und diastolische Ventrikelfunktion
    • Wanddicke
    • Klappenfunktion
    • Quantifizierung des systolischen pulmonal-arteriellen Drucks
    • Nachweis Perikarderguss
    • evtl. Nachweis einer Aortendissektion (transthorakales Echo weniger sensitiv als CT)
  • TTE (transthorakale Echokardiografie) ist die Methode der Wahl für die Abklärung der hämodynamischen Kompromittierung bei kritisch kranken Patienten.23
  • Im Einzelfall (v. a. intubierte und beatmete Patienten mit schlechten transthorakalen Schallbedingungen) kann TEE (transösophageale Echokardiografie) indiziert sein.24-25

Herzkatheteruntersuchung

  • Rechtsherzkatheteruntersuchung
    • Die hämodynamische Messung mit Pulmonalarterienkatheter ist der Goldstandard bei der Differenzierung zwischen kardialem und nichtkardialem Lungenödem.1,26
      • PCWP (Pulmonary Capillary Wedge Pressure) > 18 mmHg zeigt Linksherzinsuffizienz (oder Volumenüberladung) an.
      • zusätzlich Bestimmung von Herzzeitvolumen, systemarteriellem Widerstand
    • Eine Rechtsherzkatheteruntersuchung ist heutzutage nur im Einzelfall notwendig, aufgrund möglicher Komplikationen ist eine strenge Indikationsstellung sinnvoll.27-28
  • Linksherzkatheteruntersuchung
    • bei ACS (akutes Koronarsyndrom) invasive Abklärung des Koronarstatus und ggf. nachfolgend Revaskularisierung durch PCI (perkutane Koronarintervention)

Andere Untersuchungen

  • Evtl. Schädel-CT bei Verdacht auf ein neurogenes Lungenödem

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei Lungenödem schnellstmöglicher Transport ins Krankenhaus
  • Bei Patienten in der Hausarztpraxis können Erstmaßnahmen ergriffen werden (s. u.).

Therapie

Therapieziele

  • Die respiratorische und ggf. hämodynamische Situation stabilisieren.
  • Symptome lindern.
  • Ursachen (z. B. Herzinfarkt, hypertensive Entgleisung) behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung umfasst:
    • symptomatische Behandlung des Lungenödems durch
      • Erstmaßnahmen ggf. bereits in der Hausarztpraxis
      • weitere intensivmedizinische Stabilisierung von Respiration und Kreislauf im Krankenhaus
    • Behandlung der Ursache
      • Häufigste Ursache eines Lungenödems ist die akute Linksherzinsuffizienz.
      • häufige kausal behandelbare Ursachen der akuten Linksherzinsuffizienz
        • ACS: Behandlung entsprechend der Guidelines für STEMI29 und NSTEMI30
        • hypertensive Entgleisung: schnelle und aggressive Blutdrucksenkung empfohlen (25 % in den ersten Stunden)22

Leitlinie: Behandlung spezifischer Ursachen31

  • Wurde bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz eine spezifische Ursache der Dekompensation festgestellt, soll diese umgehend behandelt werden (starke Positivempfehlung).

Therapie des akuten Lungenödems

  • Erstversorgung prästationär durch Notärztin/Notarzt bzw. – als Überbrückung bis zum Eintreffen – durch Hausärztin/Hausarzt oder kassenärztlichen Notdienst (z. B. beim Hausbesuch)31
  • Die Erstversorgung ist abhängig von der notfallmedizinischen Expertise der Ärztin/des Arztes sowie von der Ausstattung der Praxis bzw. der Ausstattung beim Hausbesuch.31

Erstmaßnahmen bei Patienten in der Hausarztpraxis (oder beim Hausbesuch)

  • Hochlagerung des Oberkörpers, Beine tief lagern.31
  • Sauerstoffgabe über Nasensonde oder Maske
  • Venöser Zugang31
  • Diuretikum
    • Furosemid 20–40 mg i. v.22
  • Nitrate (v. a. bei erhöhtem Blutdruck)
    • 1–2 Sprühstöße à 0,4 mg oder 1 Tablette 0,8 mg sublingual, ggf. wiederholte Gaben (Kontrolle des Blutdrucks)
  • Urapidil bei erhöhtem Blutdruck
    • Alpha-1-Antagonist mit vasodilatierender und sympatholytischer Wirkung
    • v. a. bei hypertensiver Entgleisung
    • i. v. Bolus 10 mg, ggf. wiederholte Gabe
  • Betablocker bei Hypertonie/Tachykardie und Hinweisen für kardiale Ischämie
    • z. B. Metoprolol 5 mg fraktioniert i. v. unter Kontrolle von Blutdruck/Puls
  • ASS bei akutem Koronarsyndrom
    • 250 mg i. v. oder 150–300 mg p. o.29-30
  • Opioide bei Angst, Unruhe, schwerer Dyspnoe31
    • Besserung von Dyspnoe und Angst22
      • Früher wurde ein vasodilatierender Effekt v. a. im venösen Bereich postuliert.
    • Bolus 2,5–5 mg i. v. in fraktionierter Gabe
    • In aktuellen ESC-Guidelines wird der Routinegebrauch nicht empfohlen, kann aber  bei Lungenödem erwogen werden.22
  • Antiemetika
    • evtl. gleichzeitige Gabe zu Morphin
    • z. B. Metoclopramid 10 mg i. v. 
  • Anxiolytika
    • Ein vorsichtiger Gebrauch von Benzodiazepinen (Diazepam, Lorazepam) ist wahrscheinlich die sicherste Variante.22

Leitlinie: Therapiemaßnahmen noch im hausärztlichen Versorgungsbereich31

  • Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und Zeichen der Volumenbelastung sollen initial Schleifendiuretika erhalten (starke Positivempfehlung).
  • Bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und Ruhedyspnoe sowie erhöhtem Blutdruck können zu den Diuretika Vasodilatatoren gegeben werden (z. B. Nitroglyzerin) (offene Empfehlung).
  • Bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz, bei denen schwere Dyspnoe mit Angst im Vordergrund steht, können niedrig dosierte Opiate eingesetzt werden (offene Empfehlung).
  • Patienten mit akuter Dekompensation und Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 90 %) und/oder mit Ruhedyspnoe und/oder klinischen Zeichen einer Hypoxie sollen Sauerstoff erhalten (starke Positivempfehlung).

Weitere Pharmakotherapie in der Klinik

  • Pathophysiologische Grundlagen der Pharmakotherapie
    • erhöhter linksventrikulärer enddiastolischer Druck (LVEDP) bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz
  • Die medikamentöse Behandlung zielt vor allem auf Vorlastsenkung ab, hierdurch letztlich auch Senkung des LVEDP.
    • bei gleichzeitig Hypotonie/kardiogenem Schock Indikation für Behandlung mit inotropen Medikamenten (Dobutamin, Dopamin, Phosphodiesterase-III-Hemmer, Levosimendan) und/oder Vasopressoren (Noradrenalin) 
  • Schleifendiuretika
    • Boli oder Dauerinfusion
    • sowohl diuretische als auch initial venendilatierende Wirkung
  • Vasodilatoren
    • Nitrate
      • i. v. als Dauerinfusion (sofern Patient nicht hypoton)
      • vorwiegend Vorlastsenkung durch Dilatation der Venen
      • in geringerem Maße auch Nachlastsenkung (v. a. bei hohen Dosen)
    • Nitroprussid
      • starke Nachlastsenkung
      • nur als Dauerinfusion
      • indiziert bei kardiogenem Schock mit hohem peripheren Widerstand 
        • Nebenwirkung: Zyanidintoxikation bei längerer Gabe
  • Inotropika
    • Dobutamin
    • Dopamin
    • Phosphodiesterase-III-Hemmer
    • Levosimendan (Kalzium-Sensitizer)
  • Vasopressoren
    • Noradrenalin

Leitlinie: Pharmakotherapie bei Patienten mit akutem Herzversagen22

  • Diuretika
    • intravenöse Schleifendiuretika bei allen Patienten mit Zeichen/Symptomen der Volumenüberladung empfohlen (I/C)
    • Gabe von 20–40 mg Furosemid (oder Äquivalent) i. v. empfohlen bei neu aufgetretenem akutem Herzversagen oder dekompensiertem chronischem Herzversagen ohne bisherige Diuretika; bei Patienten mit chronischer Diuretikaeinnahme initiale Gabe zumindest äquivalent zur Dauerdosis (I/B)
    • Gabe von Diuretika entweder als Boli oder als Dauerinfusion (I/B)
  • Vasodilatoren
    • I. v. Vasodilatoren sollten zur symptomatischen Besserung bei systolischem Blutdruck > 90 mmHg (und ohne symptomatische Hypotonie) erwogen werden (IIa/B).
    • Bei Patienten mit hypertensivem akutem Herzversagen sollten Vasodilatoren als initiale Therapie erwogen werden (IIa/B).
  • Inotrope Medikamente (Dobutamin, Dopamin, Levosimendan, Phosphodiesterase-III-Hemmer)
    • I. v. Gabe inotroper Medikamente kann bei Patienten mit Hypotonie (<90mmHg) und Zeichen der Minderperfusion erwogen werden (IIb/C).
  • Vasopressoren
    • Vasopressoren (bevorzugt Noradrenalin) können bei Patienten erwogen werden mit kardiogenem Schock trotz Behandlung mit anderen inotropen Substanzen (IIb/B).

Oxygenierung und Beatmung

  • Initial Sauerstoffgabe über Maske/Nasensonde
  • Nichtinvasive Beatmung (NIV)
    • Umfasst CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) und BiPAP-Beatmung (Biphasic Positive Airway Pressure).
    • Bei Patienten mit akutem kardialem Lungenödem reduzieren CPAP und BiPAP Intubationsraten und Mortalität.32-33
    • Nichtinvasive Beatmung soll frühzeitig eingesetzt werden31,34
    • Anteil an Sauerstoff (FiO2) kann in Abhängigkeit von der Blutoxygenierung bis 100 % gesteigert werden.22
      • Überoxygenierung sollte aber vermieden werden.22
  • Invasive Beatmung
    • Bei unzureichender Effektivität der NIV wird Intubation und invasive Beatmung erforderlich.
  • Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)
    • Option bei Patienten, die mit konventioneller Beatmungstherapie nicht mehr ausreichend oxygeniert werden können.35

Leitlinie: Oxygenierung und Beatmung bei akuter Herzinsuffizienz31

  • Patienten mit akuter Dekompensation und Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 90 %) und/oder mit Ruhedyspnoe und/oder klinischen Zeichen einer Hypoxie sollen Sauerstoff erhalten (starke Positivempfehlung).
  • Wenn bei respiratorischer Insuffizienz durch Sauerstoffgabe keine Sauerstoffsättigung > 90 % erzielt werden kann und/oder bei fortbestehender Tachypnoe, sollte nichtinvasiv druckgesteuert beatmet werden (abgeschwächte Positivempfehlung).
  • Wenn bei respiratorischer Insuffizienz eine nichtinvasive Beatmung nicht ausreicht oder kontraindiziert ist (z. B. komatöse Patienten), soll invasiv beatmet werden (starke Positivempfehlung).

Nierenersatzverfahren

  • Kein Hinweis auf Überlegenheit von Hämofiltration gegenüber Schleifendiuretika als Erstlinientherapie22

Leitlinie: Nierenersatzverfahren22

  • Eine Nierenersatztherapie sollte bei Patienten mit refraktärer Volumenüberladung und akutem Nierenschaden erwogen werden (IIa/C).
  • Ultrafiltration kann bei Patienten mit fehlendem Ansprechen auf Diuretikatherapie erwogen werden (IIb/B).

Mechanische Kreislaufunterstützung

  • Mechanische Unterstützung (z. B. durch IABP, Ventricular Assist Device) kann indiziert sein bei Patienten im kardiogenen Schock.22
    • mit kardialer Ischämie oder Infarkt vor/während/nach katheterinterventioneller oder chirurgischer Revaskularisation
    • mit schwerer Myokarditis 
    • mit spezifischen mechanischen Problemen wie z. B. akute Mitralklappeninsuffizienz bei Papillarmuskelabriss

Leitlinie: Mechanische Kreislaufunterstützung31

  • Die Indikation für Kurzzeitunterstützungssysteme sollte multidisziplinär gestellt werden. Die Fortführung sollte in Kooperation mit einem spezialisierten überregionalen Herzinsuffizienzzentrum erfolgen (abgeschwächte Positivempfehlung).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Komplikationen im Rahmen der Grunderkrankungen (z. B. Rhythmusstörungen bei Myokardinfarkt)
  • Infektionen (z. B. Pneumonien, v. a. auch bei längerer invasiver Beatmung)
  • Entwicklung eines Multiorganversagens

Verlauf und Prognose

  • Wesentlich abhängig von der Grunderkrankung
    • Restitutio ad integrum bis Tod
  • Europäische Daten zu Patienten mit akutem Herzversagen
    • Hospitalisationsdauer 11 Tage
    • Krankenhausmortalität 6,9 %
    • Rehospitalisierung innert 12 Wochen bei 24 %
    • 12-Wochen-Mortalität 13,5 %36

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

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  • European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Stand 2016. www.escardio.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Kommentar zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur Diagnostik und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz. Stand 2017. www.leitlinien.dgk.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Stand 2015. www.escardio.org 
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Stand 2017. www.escardio.org

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Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Bjørnar Grenne, PhD, kommissarischer Oberarzt, Klinik für Herzmedizin, St. Olavs-Hospital, Trondheim
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim

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