Zytomegalie

Zusammenfassung

  • Definition:Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV), auch als humanes Herpesvirus 5 (HHV-5) bezeichnet.
  • Häufigkeit:Seroprävalenz ca. 46–48 %. Serokonversionsrate pro Jahr ca. 0,5 %.
  • Symptome:Bei Immunkompetenten verläuft die Infektion in etwa 3/4 der Fälle asymptomatisch. Evtl. unspezifische Symptome eines viralen Atemwegsinfekts. Die Erkrankung kann bei immunkompromittierten Patient*innen zu lebensbedrohlichen Organschäden führen. Bei Erstinfektion Schwangerer hohes Risiko für schwere Schädigungen des Fetus.
  • Befunde:Evtl. Exanthem, Mononukleose, häufig erhöhte Transaminasen, evtl. Lymphozytose und/oder Thrombozytopenie, evtl. erhöhte Kälteagglutinine. Seltener Tonsillitis, Splenomegalie, Lymphadenopathie oder Anämie.
  • Diagnostik:Diagnosesicherung in der CMV-Serologie. Bei positivem CMV-IgM: Bestimmung der CMV-IgG-Avidität und anti-gB-IgG zur Eingrenzung des Zeitpunkts der Primärinfektion. Ggf. CMV-PCR zur Bestätigung einer aktiven Infektion und Quantifizierung der Viruslast.
  • Therapie:Bei Immunkomprimittierten virostatische Behandlung zur Hemmung der Virusreplikation. Bei Immunkompetenten nicht erforderlich. In der Schwangerschaft und Stillzeit keine antivirale Therapie empfohlen. Präventive Maßnahmen umfassen Expositionsvermeidung und Händehygiene. Vor allem seronegative Schwangere und Immunkomprimittierte sollten den Kontakt mit Infizierten, besonders mit den Körperflüssigkeiten von Säuglingen und Kleinkindern, meiden.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Artikel auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV), das auch als humanes Herpesvirus 5 (HHV-5) bezeichnet wird.
    • Verläuft in den meisten Fällen asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen wie:
      • Husten und andere unspezifische Symptome eines Atemwegsinfekts
      • Abgeschlagenheit
      • Fieber.
    • Kann bei immunkompromittierten Patient*innen zu lebensbedrohlichen Organschäden führen.
    • Kann bei Erstinfektion Schwangerer zu schweren Schädigungen des Fetus führen.

Häufigkeit

  • Häufigste kongenitale Virusinfektion
    • in 1–2 von 1.000 Schwangerschaften bleibende Behinderungen durch CMV-bedingte kongenitale Fehlbildungen3
  • Die Seroprävalenz ist vom Alter und sozioökonomischen Faktoren der untersuchten Population abhängig, z. B.:
    • Anzahl der Sexualpartner*innen
    • Umgang mit Kleinkindern
    • Hygienebedingungen.
  • Zur allgemeinen Seroprävalenz in Deutschland können derzeit keine genauen Angaben gemacht werden (Stand Juli 2022).
    • Seroprävalenz im Einzugsgebiet der Uniklinik Frankfurt nach Zeiträumen:4
      • 1988–1997: 64 %
      • 1998–2008: 57 %
      • 2009–2018: 56 %.
  • Seroprävalenz bei Menschen mit HIV-Infektion:4
    • 1998–2008: 87 %
    • 2009–2018: 93 %.
  • Seroprävalenz bei Personen mit onkologischen Erkrankungen (2009–2018): 61 %4
  • Seroprävalenz bei Schwangeren: 42–60 %4-5
  • Serokonversionsraten bei Schwangeren in Deutschland: 0,5 %, in europäischen Studien bis zu 2,3 %

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursache: Infektion mit dem Zytomegalievirus
    • Gehört zur Gruppe der Herpesviren.
  • Virus kann in allen Körperflüssigkeiten enthalten sein, wie:
    • Tränenflüssigkeit
    • Speichel
    • Harn
    • Genitalsekrete
    • Muttermilch
    • Blut.
  • Das Virus kann bei Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten übertragen werden  z. B. durch:
    • Küssen
    • Sexualkontakte
      • häufige Neu- oder Reinfektionen mit dem Beginn sexueller Aktivität in Pubertät oder Adoleszenz
    • Stillen
      • Bei fast allen seropositiven Frauen ist die Muttermilch infektiös. Mehr als 1/3 der damit gestillten Säuglinge stecken sich an.
    • Bluttransfusionen
    • Organ- und Knochenmarktransplantionen.
  • Mutter-Kind-Übertragung während der Schwangerschaft
    • Besonders hohes Risiko für den Fetus bei Primärinfektion der Mutter im ersten Trimenon
      • In 1 von 5 Fällen wird dann das Virus auf den Fetus übertragen.
      • Bei etwa der Hälfte der neu infizierten Feten kommt es zu schweren bleibenden Fehlbildungen.
      • Im 3. Trimenon beträgt die Übertragungsrate 80 %. In dieser Phase verursacht die Infektion aber vermutlich keine fetalen Schädigungen mehr.
    • Auch Zweitinfektionen mit einem anderen CMV-Typ sind möglich.
      • Die klinische Bedeutung ist noch weitgehend ungeklärt.
      • Vermutlich bietet die transplazentare Übertragung mütterlicher IgG-Ak dabei einen partiellen Schutz für den Fetus.
  • Latente Infektion und Reaktivierung
    • Nach einer Primärinfektion persistieren die CMV latent in hämatopoetischen und anderen Zellen, z. B. Monozyten.
    • Nach einer Reaktivierung kann das Virus wieder im Körper replizieren.
    • Eine Ansteckung durch einen seropositiven Träger ist somit intermittierend lebenslang möglich.
  • Virusreservoir
    • Konnatal oder postnatal infizierte Kinder können bis zum 3. Lebensjahr oft hohe Virusmengen ausscheiden.
      • Bei einigen hält die Virusausscheidung bis zum 8. Lebensjahr an.
      • hohes Risiko bei Kontakt zu Schwangeren oder Immunsupprimierten
  • Inkubationszeit
    • bei symptomatischer Erkrankung 4−6 Wochen nach Primärinfektion

Disponierende Faktoren

  • Enger Kontakt mit Infizierten, die eine hohe Viruslast aufweisen, z. B. Kleinkinder.
    • exponierte Berufsgruppen in Kinderbetreuungseinrichtungen
    • Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, scheinen durch den Kontakt mit infizierten Erwachsenen kein höheres Risiko zu haben als die Allgemeinbevölkerung.
  • Unzureichende Hygiene (Händewaschen), z. B. in Kinderbetreuungseinrichtungen
  • Immunsuppression
    • medikamentös, z. B. im Rahmen einer Transplantation
    • krankheitsbedingt, z. B. bei HIV/AIDS
  • Allgemeinärztlich Tätige kommen am ehesten bei der Behandlung von Patient*innen mit CMV-bedingter Mononukleose, akuter Hepatitis oder mit opportunistischer Infektion bei HIV/AIDS mit CMV in Kontakt.

ICPC-2

  • A75 Infektiöse Mononukleose
  • A77 Virale Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20226
    • B25.- Zytomegalie
      • B25.0 Pneumonie durch Zytomegalieviren
      • B25.1 Hepatitis durch Zytomegalieviren
      • B25.2 Pankreatitis durch Zytomegalieviren
      • B25.80 Infektion des Verdauungstraktes durch Zytomegalieviren
      • B25.88 Sonstige Zytomegalie
      • B25.9 Zytomegalie, nicht näher bezeichnet
    • P35.1 angeborene Zytomegalie
    • B27.1 Mononukleose durch Zytomegalieviren

Diagnostik

  • In diesem Abschnitt wird überwiegend auf die CMV-Diagnostik bei Erwachsenen eingegangen. Zur Diagnostik bei Neugeborenen siehe auch Artikel Untersuchung des Neugeborenen.

Leitlinie: Labordiagnostik Schwangere und Kinder7

Diagnose einer CMV-Primärinfektion

  • Bei Verdacht auf eine CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft soll die labordiagnostische Abklärung durch Bestimmung der CMV-spezifischen Antikörper im Sinne einer Stufendiagnostik mit Kombination verschiedener Testsysteme erfolgen:
    1. Nachweis einer CMV-IgG-Serokonversion
      • Dies erfordert idealerweise die Verfügbarkeit von sequentiell abgenommenen Blutproben, wovon die initiale Probe CMV-IgG negativ sein muss.
      • Liegt eine archivierte Serumprobe aus der Vorphase vor, so sollte diese für den Nachweis der Serokonversion eingesetzt werden.
    2. Nachweis von niederem CMV-IgG, niedrig avidem CMV-IgG in Kombination mit hoch positiven Werten für CMV-IgM oder erhöhten CMV-IgM-Indices
      • Um Fehlinterpretationen auszuschließen, sollte jeder positive Nachweis einer CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft mit niederem CMV-IgG, niederer CMV-IgG Avidität und IgM-Nachweis im Ligandenassay durch ein Immunblot-Verfahren bestätigt werden.
    3. fehlender Nachweis von Antikörpern gegen das CMV-Glykoprotein B (Anti-gB2-IgG mittels Immunblot) in Kombination mit niedrig avidem CMV-IgG und/oder hoch positivem CMV-IgM
    4. Es soll zusätzlich zur Bestimmung des CMV-Serostatus der Nachweis von CMV-DNA mittels PCR im EDTA-Gesamtblut/-Plasma der Schwangeren erfolgen.

Diagnose einer zurückliegenden CMV-Infektion

  • Die Labordiagnose einer länger zurückliegenden CMV-Primärinfektion (Zustand der CMV-Latenz) soll durch Nachweis von hoch avidem CMV-IgG, hochavidem CMV-IgG bei gleichzeitig negativen Werten für CMV-IgM und hochavidem anti gB2-IgG erfolgen.
  • CMV-Ausscheidung in Urin und Speichel ist in der Regel nicht nachweisbar.

Diagnose einer kongenitalen CMV-Infektion

  • Beim Neugeborenen
    • Die Diagnose soll durch Bestimmung der CMV-DNA-Last (quantitativer Nukleinsäurenachweis) im Urin (falls Urin nicht möglich/verfügbar: aus Speichel) und EDTA-Blut innerhalb der ersten 2 Lebenswochen erfolgen.
  • Retrospektiv zu einem späteren Zeitpunkt
    • Soll mittels Nachweis der CMV-DNA aus der Trockenblut-Filterkarte (Guthrietest-Karte vom 3. Lebenstag) diagnostiziert werden.
    • Um eine möglichst hohe diagnostische Sicherheit zu gewährleisten, soll für die DNA-Extraktion ein ausreichend großes Filterkartenstück mit Trockenblut eingesetzt werden, damit man auch geringe Genomkopien (< 1.000 Kopien/ml Plasma) nachweisen kann.
    • Ein negatives Testergebnis schließt eine kongenitale CMV-Infektion nicht mit Sicherheit aus.

CMV-Laboruntersuchung während der Schwangerschaft

  • Ein generelles Screening aller Schwangeren auf CMV ist in den Mutterschaftsrichtlinien nicht vorgesehen.8
  • Nur nach Beratung zur Hygieneprävention einer CMV-Infektion
  • Bei Schwangeren mit erhöhtem Risiko für eine CMV-Infektion, vor allem bei Schwangeren mit Kontakten zu Kindern unter 3 Jahren, soll zum Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft (Gestationswoche 6–7) die Bestimmung des CMV-Infektionsstatus (Testung von CMV-IgG, CMV-IgM, CMV-IgG-Avidität bei positivem CMV-IgM) zur Diagnose einer CMV-Primärinfektion oder CMV-Latenz durchgeführt werden.
  • Ist die Schwangere zum Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft (Gestationswoche 6–7) CMV-seronegativ, sollte in der 12.–14. Schwangerschaftswoche eine nochmalige CMV-IgG-Testung angeboten werden. Bei Serokonversion ist eine CMV-Primärinfektion in der Frühschwangerschaft bewiesen.
  • Eine CMV-Diagnostik gemäß den Empfehlungen im Abschnitt „Diagnose einer CMV-Primärinfektion“ soll erfolgen,
    • wenn die Schwangere klinische Symptome oder Laborbefunde zeigt, die auf eine CMV-Infektion hinweisen – oder –
    • wenn sich in der Ultraschalldiagnostik spezifische Auffälligkeiten (beispielsweise hyperechogener Darm der Feten) zeigen, die auf eine CMV-Primärinfektion hinweisen – oder –
    • bei drohender Frühgeburt (GA < 32+0) und geschätztem Geburtsgewicht unter 1.500 g, sofern der CMV-Infektionsstatus nicht bekannt ist.

Weiteres Vorgehen bei CMV-IgM-Positivität

  • In der Schwangerschaft soll jeder positive Nachweis von CMV-IgM durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden:
    • bei positivem CMV-IgG: Bestimmung der CMV-IgG-Avidität
    • bei negativem CMV-IgG: Folgeuntersuchungen zum Nachweis einer möglichen Serokonversion oder Fehlbestimmung
  • Bei Nachweis einer CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft sollen anti-CMV-gB2-IgG Antikörper mittels Immunblot nachgewiesen werden.

Diagnostische Kriterien

  • In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung symptomlos.
    • So z. B. bei 3/4 aller Frauen, die sich in der Schwangerschaft infizieren.
  • Typisches Mononukleose-Syndrom
    • akute fieberhafte Erkrankung
    • Anstieg der Lymphozyten- oder Monozytenzahl um ≥ 50 % mit mindestens 10 % atypischen Lymphozyten
    • 5–7 % der immunkompetenten Patient*innen mit diesem Syndrom haben eine akute CMV-Infektion.
  • Unspezifische Symptome eines viralen Infekts
    • Fieber, Schüttelfrost
    • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
    • Halsschmerzen
    • Husten
  • Evtl. weitere unspezifische Symptome
    • Kopfschmerzen
    • Exanthem unter der Behandlung mit Antibiotika wie Ampicillin (sowohl unter EBM- als auch unter CMV-Infektion häufig)
  • Evtl. weitere auffällige Laborbefunde
    • erhöhte Lebertransaminasen (bis zu 92 % der Erkrankten)
    • Lymphozytose
    • Thrombozytopenie
    • erhöhte Kälteagglutinine

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Fieber, Schüttelfrost?
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit?
  • Halsschmerzen?
  • Husten?
  • Kopfschmerzen?
  • Ggf. Sexualanamnese
  • Häufiger und enger Kontakt zu Kleinkindern?
  • Medikamente?

Klinische Untersuchung

  • Allgemeinzustand?
  • Inspektion
  • Auskultation Herz und Lunge
  • Palpation und Perkussion Abdomen (incl. Leber, Milz), ggf. Sonografie
  • Inspektion Mund- und Rachenraum (incl. Pharynx/Tonsillen)
  • Palpation zervikale Lymphknoten
  • orientierende neurologische Untersuchung
    • grobe Kraft
    • Muskeleigenreflexe
    • Sensibilität
    • Vegetative Symptome?
    • Kognitive Defizite?

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Serologie

  • CMV-AK zur Diagnosesicherung
    • Erstmaliges Auftreten von CMV-IgG ist beweisend für eine Primärinfektion.
    • Zwei Serumproben im Abstand von 2 Wochen abgenommen: Wenn die erste negativ, die zweite positiv ist, beweist das eine Serokonversion im untersuchten Zeitraum.
    • Die Bestimmung der Avidität (Stärke der Bindung zwischen Antikörper und Antigen) ermöglicht es, den Zeitpunkt der Infektion einzugrenzen.
    • Die Bestimmung des IgM allein reicht für den Beweis einer kürzlich stattgehabten Primärinfektion nicht aus, da CMV-IgM auch im Zuge der Infektion mit einem anderen Virus oder bei Reaktivierung der CMV-Infektion auftreten kann.
    • Auch ein fehlender Nachweis von Glykoprotein-B-Antikörpern ist nicht beweisend für eine CMV-Primärinfektion, da die Bildung dieser Antikörper bei ca. 20 % aller CMV-Infizierten ausbleibt.
    • Eine Primärinfektion liegt sehr wahrscheinlich vor, wenn
      • die CMV-IgM-Antikörper (hoch)positiv sind und im weiteren Verlauf abfallen – und –
      • die CMV-IgG-Antikörper eine niedrige Avidität zeigen – und –
      • Antikörper gegen Glykoprotein B negativ sind.
  • Ggf. weitere Tests

Diagnostik bei Spezialist*innen

Amplifizierung viraler DNA mittels CMV-PCR 

  • In einem Speziallabor
  • Damit kann auch die Viruslast quantifiziert werden.
  • Zur Bestätigung einer aktiven Virusinfektion, z. B. bei Immunsupprimierten
  • Spielt in der Schwangerschaftsdiagnostik eine untergeordnete Rolle, da das Zeitfenster der viralen DNAämie sehr kurz ist und der Virusnachweis zwar eine aktive Infektion, aber nicht die Primärinfektion beweist.

Ggf. weitere virologische Untersuchungen

  • Nachweis des viralen Antigens Tegumentprotein pp65 in Leukozyten, z. B. via Immunfluoreszenzmikroskopie oder Immunhistochemie
  • Viruskultur
    • zur phänotypischen Resistenztestung
    • zur Frage der Infektiosität von Fruchtwasser, Muttermilch oder Urin

Indikationen zur Überweisung

  • Verdacht auf eine akute CMV-Infektion oder eine vor kurzem eingetretene Primärinfektion
    • während Schwangerschaft oder Stillperiode (Gynäkologie und Geburtshilfe)
    • bei Z. n. Organ- oder Knochenmarktransplantation (Transplantationszentrum bzw. Hämatologie/Onkologie)
    • bei immunkomprimittierenden Erkrankungen (z. B. Spezialist*innen für HIV-Infektion/AIDS)

Therapie

Therapieziel

  • Bei Risikogruppen Vermeidung von Komplikationen

Allgemeines zur Therapie

  • Bei immunkompetenten Personen ist keine Behandlung nötig.
  • Bei immunkomprimittierten Personen sowie ggf. bei kongenital infizierten Neugeborenen und Frühgeborenen wird eine akute CMV-Infektion virostatisch behandelt.
  • Die virostatische Behandlung von Schwangeren und Stillenden wird nicht empfohlen.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Prävention einer Primärinfektion Schwangerer oder Immunkompromittierter durch Expositionsprophylaxe einschließlich allgemeiner Hygienemaßnahmen (siehe Abschnitt Prävention)

Medikamentöse Therapie

  • Zur Therapie einer aktiven CMV-Infektion bei Immunsupprimierten oder Immungeschwächten, z. B. AIDS-Patient*innen, wird primär das Virostatikum Ganciclovir (i.v.) eingesetzt.
    • Bei Resistenz gegen Ganciclovir können andere Virostatika wie Foscarnet, Cidofovir, hoch dosiertes Ganciclovir eingesetzt werden.
      • Die EU-Zulassung von Maribavir ist beantragt (Stand Juli 2022).
    • Als Erhaltungstherapie kommt Valganciclovir (oral), Ganciclovir, Foscarnet oder Cidofovir infrage.
    • Alle Medikamente gehen mit teilweise erheblichen Nebenwirkungen wie Myelo- bzw. Nephrotoxizität einher.
    • Da CMV (wie alle Herpesviren) in die Latenz übergehen, ist mit keinem Medikament eine Elimination zu erreichen, sondern nur eine Hemmung der Virusvermehrung möglich.

  • Therapie von kongenital infizierten Neugeborenen nur in Absprache mit einem neonatologischen Zentrum
    • Alle genannten Medikamente dürfen bei Kindern unter 12 Jahren nur im Rahmen des Off-Label-Use eingesetzt werden.
    • Virostatikum der 1. Wahl ist Valganciclovir.

Prävention

  • Schwangere (besonders CMV-negative) und Immunkompromittierte sollten den Kontakt mit Urin, Speichel und anderen Körperflüssigkeiten – besonders von Kleinkindern – vermeiden.7
    • gründliches Händewaschen nach möglicher Exposition wie:
      • Windelwechsel
      • Waschen
      • Füttern
      • Tränen abwischen.
      • Nase putzen.
      • Kontakt mit Spielzeug, das in den Mund genommen wurde.
    • Zu vermeiden:
      • Küssen auf den Mund
      • gemeinsame Benutzung von Geschirr, Besteck, Zahnbürsten, Handtüchern und Waschlappen.
  • Exponierte in Einrichtungen des Gesundheitswesens
    • Zusätzliche Verwendung alkoholischer Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener begrenzt viruzider Wirksamkeit.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei Immunkompetenten in den meisten Fällen symptomlos oder mit unspezifischen Symptomen eines viralen Atemwegsinfekts (s. o.)
  • Unbehandelt persistiert die Infektion lebenslang.
    • latente Infektion in hämatopoetischen Stammzellen und Monozyten ohne nachweisbare Virusreplikation
    • Eine vorübergehende Reaktivierung der Infektion ist jederzeit möglich und verläuft ebenfalls meist symptomlos.
      • Bei Reaktivierung besteht erneut ein Ansteckungsrisiko für Kontaktpersonen.

Komplikationen

  • Bei Personen mit erworbenem Immundefizit, z. B. AIDS, bei angeborenem Immundefekt oder unter immunsuppressiver Therapie sowie bei Neugeborenen kann die Infektion Komplikationen hervorrufen und zahlreiche Organsysteme schädigen, z. B.:
  • Bei Neugeborenen, die in utero infiziert wurden:
    • Wachstumsverzögerungen
    • Hepatomegalie
    • Mikrozephalie
    • mentale Retardierung
    • Hörschäden
    • Sehstörungen.

Prognose

  • Ohne virostatische Therapie: lebenslange Persistenz der Infektion
  • Bei Primärinfektion und Virusübertragung auf den Fetus im 1. Trimenon kommt es bei mehr als der Hälfte der betroffenen Kinder zu dauerhaften Schäden.
  • Bei HIV/AIDS
    • Vor Einführung der hoch aktiven antiretroviralen Therapie war CMV die häufigste virale opportunistische Infektion HIV-positiver Menschen.
    • Die Prognose korreliert mit der CD4-Zahl. Bei Betroffenen mit einer CD4-Zahl unter 50/mm3 kommt es in 21–45 % der Fälle zu CMV-induzierten Endorganschäden, meist Retinitis.

Verlaufskontrolle

  • Nach kongenitaler CMV-Infektion: regelmäßige apparative Hörtestkontrollen
    • Gehörschädigungen können noch Jahre nach der Primärinfektion auftreten.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisationen

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Virologie (GfV). Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 093-001. S2k, Stand 2021. www.awmf.org

Literatur

  1. Robert Koch Institut. RKI Ratgeber Zytomegalievirus-Infektion. Stand: 20.01.2014 www.rki.de
  2. Mombelli M, Manuel O. Cytomegalovirus infection. BMJ Best Practice. Last reviewed: 14 Jun 2022; last updated: 16 Feb 2022. bestpractice.bmj.com
  3. Buxmann H, Hamprecht K, Meyer-Wittkopf M, Friese K. Zytomegalievirus-Primärinfektion in der Schwangerschaft. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 45-52. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0045 DOI
  4. Hoehl S, Berger A, Ciesek S, Rabenau HF. Thirty years of CMV seroprevalence-a longitudinal analysis in a German university hospital. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2020; 39: 1095-1102. PMID: 31989374 PubMed
  5. Enders G, Daiminger A, Lindemann L, et al. Cytomegalovirus (CMV) seroprevalence in pregnant women, bone marrow donors and adolescents in Germany, 1996-2010. Med Microbiol Immunol 2012; 201: 303-9. PMID: 22398714 PubMed
  6. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 14.07.2022 www.dimdi.de
  7. Gesellschaft für Virologie (GfV). Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 093-001. Klasse S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  8. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“). Zuletzt geändert am 16. September 2021; in Kraft getreten am 1. Januar 2022. www.g-ba.de

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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