HIV-Infektion und AIDS

Zusammenfassung

  • Definition:HIV ist eine chronische Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus. AIDS ist eine HIV-Infektion, die schwere klinische Symptome einer zellulären Immunschwäche zeigt. Sie wird durch sexuellen Kontakt oder über Blut, Blutprodukte, Gewebs- und Organtransplantationen sowie perinatal von der Mutter auf ihr Kind übertragen.
  • Häufigkeit:In Deutschland lebten 2019 ca. 90.700 Menschen mit HIV oder AIDS. Die Zahl der Neuinfektionen im selben Jahr wurde auf 2.600 geschätzt.
  • Symptome:Bei 50–70 % löst eine akute Infektion etwa 2–6 Wochen nach der Ansteckung Symptome wie Fieber, Halsentzündung, geschwollene Lymphknoten am Hals, Hautausschlag aus. Der akute Zustand geht von selbst vorüber.
  • Befunde:Die Immunschwäche entwickelt sich schrittweise und führt zu einem erhöhten Risiko für Infektionen und maligne Erkrankungen.
  • Diagnostik:Diagnosesicherung durch Nachweis von HIV-Antikörpern und Antigen sowie ggf. im Nukleinsäurenamplifikationstest; ggf. Serologie zur Subtypisierung. Quantifizierung von HIV-RNA und CD4-positiven T-Helferzellen für Verlaufsdiagnostik und Therapiemonitoring.
  • Therapie:Antiretrovirale Therapie (ART), d. h. Kombinationsbehandlung mit mindestens 3 Medikamenten. Behandlungsbeginn bei Zeichen einer Immuninsuffizienz oder früher zum Niedrighalten der Viruslast, z. B. bei serodiskordanten Paaren. In der Regel lebenslange Behandlung.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Artikel auf diesen Referenzen.1-5

Definition

  • HIV-Infektion
    • chronische Infektion verursacht durch das humane Immundefizienz-Virus (HIV, Human Immunodeficiency Virus)
  • AIDS
    • Aquired Immunodeficiency Syndrome (erworbenes Immundefizienzsyndrom)
    • klinische Symptome einer schweren zellulären Immunschwäche, verursacht durch eine HIV-Infektion
    • In den USA und einzelnen anderen Ländern umfasst die AIDS-Definition auch HIV-Infizierte mit einer CD4-Zellzahl (CD4-positive T-Helferzellen) < 200/µl ohne klinische Manifestation einer zellulären Immunschwäche.
  • AIDS-definierende Erkrankungen
    • opportunistische Infektionen
    • bestimmte maligne Erkrankungen
    • Andere schwere klinische Manifestationen, die wahrscheinlich auf eine weit fortgeschrittene HIV-Infektion zurückgeführt werden, deren Pathogenese aber unsicher ist.
  • Paradigmenwechsel
    • In Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen kam es nach Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART, kurz ART) 1996 zu einer erheblichen Reduktion der durch HIV-Infektion verursachten Erkrankungen und Todesfälle.
    • Die Erkrankung wird heute als eine chronische Infektion betrachtet.
      • Die Lebenserwartung ist bei Patient*innen, die eine adäquate Behandlung erhalten, nahezu normal.
    • Das Vorkommen pulmonaler, kardialer, gastrointestinaler und renaler Erkrankungen, die nicht direkt mit der zugrunde liegenden HIV-Infektion verbunden sind, ist angestiegen.

Häufigkeit

Deutschland6-8

  • Laut Modellrechnungen lebten im Jahr 2019 in Deutschland rund 90.700 Menschen mit HIV oder AIDS (95-%-KI: 84.900–97.200). Daraus errechnet sich ein Zuwachs von 7 % gegenüber 2015.
    • davon noch nicht diagnostiziert: ca. 10.800
    • unter antiretroviraler Therapie: ca. 96 % der Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion (80 % im Jahr 2006)
    • Infektionswege
      • Sex zwischen Männern: ca. 73 %
      • heterosexuelle Kontakte: Frauen ca. 10 %, Männer ca. 5 %
      • i. v. Drogengebrauch: ca. 11 %
      • Bluttransfusionen oder Blutprodukte (überwiegend in den 1980er Jahren): 0,6 %
      • prä-, peri- oder postnatale Transmission: 1 %
  • Jährlich versterben etwa 500 HIV-Infizierte an den Folgen der Infektion.
  • Gesamtzahl der AIDS-Toten seit Beginn der Epidemie: in Deutschland ca. 29.000
  • Es kam in 2019 geschätzt zu 2.600 Neuinfektionen, in 2018 waren es 2.500.
  • In Deutschland starben in 2019 geschätzt 380 Menschen an AIDS.

International2

  • AIDS/HIV-Infektion wurde 1981 entdeckt.
  • Weltweit ist HIV/AIDS die Krankheit, die die meisten jungen Erwachsenen tötet.
  • Die Epidemie ist in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen stagniert, wächst aber weiterhin in den meisten Entwicklungsländern.
  • Prävalenz9 
    • Laut UNAIDS (gemeinsames Programm der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS) hatten 2019 etwa 38 Mio. Menschen eine HIV-Infektion.
      • Darunter waren ca. 1,8 Mio. Kinder unter 15 Jahren.
    • Ungefähr 70 % der HIV-Infizierten leben in einem Land südlich der Sahara. Dort sind fast 60 % aller Betroffenen weiblich.
  • Inzidenz
    • Jedes Jahr stecken sich mehr als 2 Mio. Personen an.
  • Übertragung von HIV von der Mutter auf ihr Kind
    • Das Risiko variiert von 15–35 %, wenn keine antivirale Behandlung erfolgt.
    • ART (antiretrovirale Therapie) während der Schwangerschaft reduziert das Übertragungsrisiko für das Kind auf ca. 1 %.
    • Falls während der Schwangerschaft keine Behandlung erfolgte, verringern ART bei der Mutter (nach der Geburt) und/oder eine vorbeugende Behandlung des Neugeborenen das Erkrankungsrisiko deutlich.
  • Sterblichkeit
    • 2019 lag die geschätzte Zahl der Todesfälle aufgrund von AIDS weltweit bei 690.000.

Ursache und Krankheitsentwicklung

  • Infektion mit HIV, dem humanen Immundefizienz-Virus
    • HIV ist ein Retrovirus.
    • Es gibt 2 Haupttypen: HIV-1 und -2.
      • Fast alle HIV-Infektionen in Deutschland werden durch HIV-1 verursacht.
      • HIV-2 ist überwiegend in Westafrika verbreitet.
      • In Deutschland machen HIV-2-Infektionen nur ca. 0,5 % aller Neudiagnosen aus.1
      • Ein Großteil aller verfügbaren Leitlinien und Studien zur HIV-Infektion betreffen HIV-1 und sind nicht ohne Weiteres auf HIV-2-Infektionen übertragbar.
    • Subtypen1
      • Beim Menschen werden mittlerweile 9 Subtypen von HIV-1 in der Gruppe M und mindestens 15 breiter zirkulierende rekombinante Formen (CRF) unterschieden.
      • Darüber hinaus gibt es von HIV-1 noch eine Gruppe O (Outlier), weitgehend beschränkt auf Westafrika (Kamerun).
      • Zuletzt wurden die sehr selten vorkommenden Gruppen N- und P-Viren beschrieben.
  • CD4
    • CD4-Antigene auf der Oberfläche der T-Lymphozyten fungieren als Rezeptoren, an denen das HI-Virus andockt.
  • Virustranskription
    • Erfolgt in den T-Lymphozyten.
    • Das Genmaterial des Virus wird vom Genmaterial der Zellen inkorporiert, wo es lange Zeit inaktiv verbleiben kann.
    • In immunologisch inaktiven Zellen kann eine kontinuierliche Reproduktion des Virus stattfinden.
      • Von dort wird das Virus freigesetzt und infiziert neue Zellen.
  • Akute HIV-Infektion
    • meist nach 4–6 Wochen
    • massenhafte Freisetzung von Viruskopien
    • kurzfristige, vorübergehende Verminderung der CD4-Zellzahl
    • erstmalig messbare spezifische Immunantwort gegen HIV (Serokonversion)
  • Die Latenzzeit von der Ansteckung bis zur Entwicklung von Symptomen aufgrund einer geschwächten Immunabwehr kann weniger als 1–2 Jahre betragen. Der Durchschnitt liegt aber bei 7–12 Jahren.
  • Selten können HIV-Infektionen dauerhaft asymptomatisch verlaufen.
  • Nach einer Serokonversion bleiben HIV-Antikörper bis zum Lebensende nachweisbar.
  • Progression: nachlassende Immunität durch kontinuierliche Reduktion von T-Helferzellen
    • Da die T-Helferzellen eine Schlüsselfunktion bei der Aktivierung anderer Immunzellen haben, kommt es zu einer Beeinträchtigung der gesamten Immunfunktion.
    • Klinisch führt dies zu einer erhöhten Infektionsneigung.
    • Bei einer fortgeschrittenen Immunschwäche (AIDS) entwickeln sich lebensbedrohliche opportunistische Infektionen, und es erhöht sich das Risiko, an Krebs zu erkranken.

Übertragung von HIV

Übertragungswege

  • Sexueller Kontakt
  • Infiziertes Blut oder Blutprodukte, die in den Blutkreislauf gelangen.
  • Gewebs- und Organtransplantationen
    • perinatale Übertragung von der Mutter auf ihr Kind

Alle Körperflüssigkeiten

  • In Blut, Samenflüssigkeit, Vaginalsekret und auf der Oberfläche der Darmschleimhaut finden sich in der Regel die höchsten Viruskonzentrationen bei HIV-Infizierten.
  • In anderen Körperflüssigkeiten ist HIV in deutlich niedrigeren Konzentrationen vorhanden, sodass Übertragungen zwar theoretisch denkbar, bisher aber nicht beschrieben sind.
  • Akzidentelle, berufsbedingte HIV-Übertragungen sind bisher nur durch Kontakt mit Blut oder Viruskulturflüssigkeit dokumentiert.
  • HIV wird nicht durch Tröpfcheninfektion übertragen.

Ansteckungsrisiko

  • Ist während der ersten 3 Monate nach der Ansteckung und während der AIDS-Phase am größten.
  • Korreliert mit der Viruslast und der Dauer der Exposition.
  • Das Ansteckungsrisiko bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit HIV-infizierten Partner*innen kann nicht im Einzelfall bestimmt werden. Das Risiko ist aber grundsätzlich niedrig.
  • Das Risiko ist höher, wenn HIV-Infizierte eine hohe Viruslast haben, wenn die Partner*innen eine venerische Erkrankung haben und wenn die nichtinfizierte Person die empfangende ist.
  • Wenn die infizierten Partner*innen nicht medikamentös behandelt werden, ist das Ansteckungsrisiko pro ungeschütztem Geschlechtsverkehr wahrscheinlich nicht größer als 0,1 % oder geringer (weniger als 1 pro 1.000).
    • Wenn die infizierte Person behandelt wird, ist das Risiko noch geringer.
    • Bei stabiler Senkung der Viruslast unter 50 Kopien/ml ist eine HIV-Übertragung unwahrscheinlich.3
  • Das Ansteckungsrisiko ist erheblich höher bei Schleimhautläsionen und bei einer begleitenden sexuell übertragbaren Krankheit.
  • Die Transmissionsrate ist bei empfangendem analem Geschlechtsverkehr größer als bei insertivem Analsex.
  • Siehe Tabelle Ansteckungsrisiko unbehandelter HIV-positiver Personen.
  • Es wird angenommen, dass bei vaginalem Geschlechtsverkehr das Ansteckungsrisiko vom Mann auf die Frau größer ist als von der Frau auf den Mann.
  • Das Verwenden derselben Injektionsnadel zum i. v. Gebrauch illegaler Drogen geht mit einem sehr hohen Risiko für eine HIV-Übertragung einher.
  • Stichverletzung unbeteiligter Personen durch herumliegendes, gebrauchtes Injektionsbesteck
    • Das HIV-Übertragungsrisiko ist dabei vermutlich gering, weil an den Kanülen nach dem Gebrauch nur geringe Blutmengen anhaften, die zudem meistens getrocknet sind.
    • Trotz zahlreicher Expositionen, vor allem von Kleinkindern, die sich an Kanülen im Sandkasten verletzen oder mit Klinikabfall, gibt es bislang noch keinen einzigen dokumentierten Fall einer HIV-Transmission.

Mutter-Kind-Übertragung

  • Das Übertragungsrisiko korreliert mit der Viruslast im Blut der Mutter, dem Krankheitsstadium und dem Geburtsmodus.
  • Die Übertragung von der infizierten Mutter auf ihr Kind geschieht in den meisten Fällen kurz vor oder bei der Geburt oder über die Muttermilch.
  • Die Behandlung mit einer antiretroviralen Therapie verringert die Ansteckungsgefahr.
    • Wenn die Viruslast bei der Mutter auf < 50 Viruskopien pro ml Plasma gesenkt wurde, liegt das Risiko bei einer vaginalen Geburt unter 1 %.
    • Bei höherer Viruslast führt die elektive Sectio zu weniger vertikalen Übertragungen als die vaginale Geburt.
  • Das Stillen ist nachweislich ein Risikofaktor für die HIV-Übertragung, der aber durch die antiretrovirale Behandlung verringert werden kann.10

Bluttransfusion

  • HIV-Übertragungsrisiko bei infizierter Transfusion: 90–100 %
  • Nach Einführung des direkten Genomnachweises für HIV im Jahr 2004 sind nur noch 2 HIV-Über­tra­gun­gen (2007 und 2010) bekannt geworden, bei mehr als 4 Mio. Trans­fu­sio­nen/Jahr.11

Medizinisches Personal und HIV

  • Der Stich mit einer infizierten Nadel hat ein Übertragungsrisiko von 0,3 %. In den meisten Fällen ist das Risiko sogar geringer.
  • Serokonversionen nach Schleimhaut- oder Hautkontakt mit HIV-positivem Blut sind beschrieben, jedoch insgesamt bei intakter Haut sehr unwahrscheinlich.12
    • Für die Übertragung scheinen dabei die Blutmenge, der lang andauernde Blutkontakt sowie die nichtintakte Hautbarriere entscheidend gewesen zu sein.
  • Die Behandlung mit antiretroviralen Mitteln unmittelbar nach der Exposition kann das Übertragungsrisiko um wahrscheinlich über 80 % reduzieren.

ICPC-2

  • B90 HIV-Infektion/AIDS

ICD-10

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.13
  • B20 Infektiöse und parasitäre Krankheiten infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
  • B21 Bösartige Neubildungen infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
  • B22 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]; inkl.:
    • Demenz
    • Enzephalopathie
    • Interstitielle lymphoide Pneumonie
    • Kachexie-Syndrom
    • Slim disease
    • Wasting-Syndrom
  • B23 Sonstige Krankheitszustände infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
    • B23.0 Akutes HIV-Infektionssyndrom
    • B23.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheitszustände infolge HIV-Krankheit; (Persistierende) generalisierte Lymphadenopathie
  • B24 Nicht näher bezeichnete HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]; incl.:
    • AIDS-related complex [ARC] o.n.A.
    • Erworbenes Immundefektsyndrom [AIDS] o.n.A.
  • Z21 Asymptomatische HIV-Infektion [Humane Immundefizienz-Virusinfektion]; incl. HIV-positiv o.n.A.
  • O98.7 HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit], die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
  • Z20.6 Kontakt mit und Exposition gegenüber HIV [Humanes Immundefizienz-Virus]
  • R75 Laborhinweis auf Humanes Immundefizienz-Virus [HIV]; incl.: Nicht eindeutiger Befund des HIV-Tests beim Kleinkind

Diagnostik 

Diagnostik der HIV-Infektion

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,14
  • Die Diagnostik der HIV-Infektion stützt sich auf den Nachweis spezifischer Antikörper in Kombination mit dem Nachweis von Virusantigen oder viralen Nukleinsäuren (Zweistufendiagnostik mit Such- und Bestätigungstest).
    • Spezifische Antikörper sind im Durchschnitt nach 22 Tagen bei einer infizierten Person nachweisbar und Virusantigen bereits nach 16–18 Tagen.
    • Schnelltests sind weniger empfindlich als moderne Labortests, sie reagieren 1–2 Wochen später.15
    • Virale Nukle­in­säu­ren können im Durchschnitt schon nach 11 Tagen diagnostiziert werden.
    • Ein sicherer Ausschluss erfordert jedoch deutlich längere Zeiträume als die ge­nann­ten Mittelwerte.
      • Bei Verwendung einer Zweistufendiagnostik, die im Such­test allein auf dem Nachweis von HIV-Antikörpern beruht (ELISA 3. Gene­ra­tion), ist daher noch immer ein 12-Wochen-Zeitfenster festgelegt, um eine HIV-Infektion sicher zu diagnostizieren oder auszuschließen.
      • Werden moderne Suchtests der 4. Gene­ra­tion verwendet, die neben Antikörpern auch HIV-Antigene nachweisen, ist ein sicherer Nachweis in der Regel schon nach max. 6 Wochen möglich.
      • Damit gilt auch, dass 6 Wochen nach möglicher Exposition durch ein negatives Ergebnis im HIV-Antikörper-/Antigen-Suchtest der 4. Generation eine Infektion mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden kann (keine spezifischen Antikörper oder p24-Antigen nachweisbar).

HIV-Test als Kassenleistung?16

  • Bei konkretem Verdacht auf eine HIV-Exposition (Näheres siehe Abschnitt Therapie nach HIV-Exposition – Sofortmaßnahmen) oder -Infektion, z. B.:
    • geplatztes Kondom
    • Verletzung mit einer potenziell infizierten Kanüle
    • risikoreiches Sexualverhalten
    • Patient*innen gehören einer Risikogruppe an.
    • potenzielle Frühsymptome einer HIV-Infektion, z. B. Hautveränderungen.
  • Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge
  • Ein breites HIV-Screening der Bevölkerung auf Kassenkosten ist derzeit nicht möglich (Stand November 2020).
    • Zugunsten der Früherkennung von HIV-Infektionen werden aber Grenzfälle in der Regel großzügig gehandhabt und ein Regress ist nicht zu befürchten.
  • Patientenaufklärung
    • Wenn der Test über die Krankenversicherung abgerechnet wird, werden personenbezogene Daten an die Versicherung weitergegeben.
    • Wünschen die Patient*innen eine anonyme Testung, dann tragen sie die dabei anfallenden Kosten (ca. 20–30 €) in der Regel selbst.
    • Für Menschen, die die Kosten für einen anonymen HIV-Test nicht selbst aufbringen können, bieten die AIDS-Hilfe und viele Gesundheitsämter kostenlose Tests an.
    • Selbsttests17
      • Seit 2018 bieten Apotheken und manchen Drogerien frei verkäufliche Selbsttests an. Die Sensitivität der empfohlenen Tests ist nahe 100 % und ähnlich hoch wie bei laborgestützten ELISA-Tests.
      • Vorteil: Anonymität schafft Niederschwelligkeit und erhöht damit möglicherweise die Erkennungsrate.
      • Nachteil: Es fehlt die fachliche und menschliche Begleitung, einschließlich einer kompetenten ärztlichen Beratung vor dem Test, bei der Vermittlung eines – evtl. auch falsch – positiven Testergebnisses und bei der Aufklärung über das weitere Vorgehen.
      • Cave: Qualitätsmängel bei manchen Tests! Von der Deutschen AIDS-Hilfe empfohlene Selbsttest-Kits (Stand November 2020):
        • Autotest-VIH, Hersteller: AAZ/Ratiopharm
        • INSTI HIV Self Test, Hersteller: biolytica
        • Exacto, Hersteller: BioSynex.

Zweistufendiagnostik

  • 1. Schritt: hochsensitiver Antikörper-Suchtest
    •  z. B. ELISA, auf Antikörper gegen virale Antigene (HIV-1 und -2) und/oder virales p24-Antigen
  • 2. Schritt: hochspezifischer Bestätigungstest
    • In seltenen Fällen kann es im Suchtest zu un­spe­zi­fi­schen Reaktionen kommen. Daher wird mit einem zweiten, hoch­spe­zi­fi­schen Test, dem Immuno­blot, die Spezifität der Bindung der Antikörper an die viralen Proteine (Antigene) geprüft.
      • Zur Bestätigung eines reaktiven ELISA durch den Immunoblot genügt nicht der Nachweis eines einzigen viralen Proteins, son­dern es ist immer ein definiertes Reaktionsmuster erforderlich, anhand dessen erst die Diagnose einer HIV-Infektion gestellt werden kann.

HIV-Nuklein­säure­ampli­fi­ka­tions­test (NAT)

  • Nachweis viraler Nukleinsäuren, z. B. via PCR
  • Alternative zur Bestätigung eines positiven Suchtestes im Immunoblot
    • Voraussetzung: Viruslast ≥ 1.000 Kopien/ml
    • 2. Probe zum Ausschluss einer Proben­ver­wechs­lung empfohlen
  • Auch wenn das Ergebnis im Immunoblot nicht eindeutig ist, kann zur weiteren Abklärung ein NAT durch­ge­führt werden.

Zweite Blutprobe

  • Generell sollte zum Ausschluss einer Probenverwechslung immer eine 2. Blutprobe getestet werden.
  • Zur end­gül­ti­gen Abklärung der Diagnose, wenn durch den NAT eine Infektion nicht zu bestätigen ist.
    • Blutabnahme nach 1–3 Wochen
    • Frische Infektion: Ein noch unvollständig aus­ge­bil­de­tes Bandenmuster im Immu­no­blot zeigt bei Wiederholung der Untersuchung 1 bis mehrere Wochen später ein eindeutiges Bandenmuster und damit eine abgeschlossene Serokonversion.
  • Bei begründetem Verdacht auf eine kürzlich erworbene HIV-Infektion mit noch negativem oder unklarem Ergebnis im ELISA der 4. Generation, aber mit positivem NAT-Ergebnis (in der Regel > 100.000 Kopien/ml) sollte vor Beginn einer ART das positive NAT-Ergebnis in einer 2. Blutentnahme bestätigt werden.
  • HIV-Diag­nose bei einem Neugeborenen

    • Der Antikörpertest ist wegen mütterlicher Antikörper nicht aus­sa­ge­kräftig.
    • vor Therapiebeginn: Bestätigung eines positiven NAT-Ergebnisses anhand einer 2. Blut­ent­nahme bei Neugeborenen

Differenzierung HIV-1 und -2

  • Typspezifische Immunoblots
  • Kreuzreaktivitäten können die Differenzialdiagnose erschweren.
    • evtl. typspezifische PCR zur weiteren Abklärung

Negativer Test oder niedriges Signal 

  • Die verfügbaren kommer­ziel­len NAT haben nicht dieselbe Sensitivität für alle bekannten HIV-1-Gruppen und -Subtypen. Dies kann zu erniedrigten oder falsch-negativen Testergebnissen führen.
  • Bei niedriger oder nicht nachweisbarer Viruslast im reaktivem Suchtest:
    • HIV-2?
    • Andere, noch seltenere Virusvarianten?
  • Bislang ist noch kein kommerzieller NAT-Test für HIV-2 verfügbar. 
  • Negative NAT-Ergebnisse: Absicherung durch serologische Untersuchungen
    • Falls serologisch der Verdacht auf eine HIV-2-Infektion besteht, kann in virolo­gi­schen Speziallaboren eine HIV-2-NAT zur Diagnose einer HIV-2-Infektion zusätzlich zur serologischen Untersuchung herangezogen werden.

Diagnostik von AIDS

  • Die AIDS-Diagnose wird in den meisten Ländern außerhalb Nordamerikas klinisch aufgrund des Auftretens opportunistischer Infektionen, bestimmter Malignomtypen oder anderer klinischer Manifestationen bei fortgeschrittener HIV-Infektion gestellt.

Diagnostik opportunistischer Infektionen

  • Evtl. seltene Keimspezies
  • Oft Reaktivierung latenter Infektionen
  • Antikörperuntersuchungen sind wenig aussagekräftig, weil die Patient*innen Antikörper einer früheren Infektion tragen könnten und die Fähigkeit, neue Antikörper zu bilden, vermindert ist.
  • Zur Diagnosestellung muss der Erreger in einer Biopsie oder anderen Materialien direkt nachgewiesen werden, evtl. mithilfe von Spezialfärbung oder PCR-Technik.

Klinische Stadien einer HIV-Infektion

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.3,18
  • Er bezieht sich auf die 1993 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) vorgestellte Stadieneinteilung.

Klinisches Stadium CDC-A

  • Asymptomatische Infektion
    • Umfasst sowohl Patient*innen, die eine symptomatische Primärinfektion hatten, als auch Erkrankte, bei denen die Infektion zu Beginn subklinisch ist.
    • Kann 10–20 Jahre andauern, gelegentlich sogar länger.
  • Persistierende, generalisierte Lymphadenopathie
    • Besteht bei Lymphknoten > 1 cm Durchmesser an 2 oder mehreren extrainguinalen Stellen, für einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten.
    • Kann bei ca. 30 % der Betroffenen festgestellt werden.
    • Hat keine Bedeutung für die Prognose.
  • Akute HIV-Infektion15
    • Symptome treten 2–6 Wochen nach der Übertragung auf und dauern meist 1–2 Wochen an.
    • Die Infektion ist bei ca. 50 % symptomatisch.
    • 80–90 % dieser Patient*innen haben Fieber, meist 2–4 Wochen nach der Übertragung.
    • Bei ca. 40 % tritt ein unspezifisches makulopapulöses Hauterythem auf.
    • häufig Halsschmerzen mit zervikaler Lymphadenopathie
    • evtl. Ulzera der Mundschleimhaut
    • Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit
    • Gelenk- und Muskelschmerzen
    • Appetit- und Gewichtsverlust
    • Das Krankheitsbild ähnelt klinisch einer schwachen Mononukleose.

Klinisches Stadium CDC-B

Bazilläre Angiomatose (Quelle: P. Altmeyer)
Bazilläre Angiomatose (Quelle: P. Altmeyer)

Klinisches Stadium CDC-C (AIDS-definierende Erkrankungen)

Laborstadien einer HIV-Infektion

  • Nach CDC-Klassifikation von 199318
    • CDC-1: CD4-Lymphozyten ≥500/µl
    • CDC-2: CD4-Lymphozyten 200–499/µl
    • CDC-3: CD4-Lymphozyten <200/µl

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Fieber?
  • Halsschmerzen?
  • Aphthen der Mundschleimhaut?
  • Zervikale Lymphadenitis?
  • Evtl. makulopapulöses Exanthem?
  • Persistierende Lymphknotenschwellung?
  • Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit?
  • Kopfschmerzen?
  • Gelenk- und Muskelschmerzen?
  • Appetit- und Gewichtsverlust?
  • Im weiteren Verlauf: Allgemeinsymptome und Symptome aus verschiedenen Organsystemen als Folge der Immunschwäche
  • Ungeschützter Sex?
    • Partner*innen mit unbekanntem HIV-Status?
    • Häufig wechselnde Partner*innen?
    • Fernreisen?
    • Risikoverhalten unter Drogeneinfluss?
    • Partner*in HIV-positiv: ART? Virämie? CD4-Zellzahl?
  • Medizinischer Beruf: Potenzielle Exposition in der Vergangenheit?
    • Nadelstichverletzung?
    • Kontakt der Schleimhaut oder einer Hautläsion mit potenziell infiziertem Material?
  • Transfusion von Blut oder Blutprodukten?
    • Vor 2004?
  • Chirurgische Eingriffe unter unzureichenden hygienischen Bedingungen?
  • Zeitlicher Abstand zu möglicher Exposition?
  • Letzter HIV-Test: Bei Patient*innen und Partner*innen?

Klinische Untersuchung

Akute HIV-Infektion

  • Symptome der akuten Infektion treten in der Regel 2–4 Wochen nach der Übertragung auf.
  • Fieber?
  • Halsentzündung und zervikale Lymphadenopathie?
  • Läsionen der Mundschleimhaut?
  • Hautveränderungen?
  • Hinweise auf Drogenkonsum?

Latenzphase

  • Kann sich über 10–30 Jahre oder länger erstrecken.
    • In der ganzen Zeit besteht eine aktive Virusreplikation mit schrittweiser Reduktion von CD4-Zellen (T-Helfer-Zellen).
  • Persistierende Lymphknotenschwellung?
  • Häufige Zufallsbefunde: Neutropenie, Thrombozytopenie, Hypergammaglobulinämie (bes. IgG und IgA) und erhöhte BSG oder CRP
  • Hautveränderungen wie bei einer seborrhoischen Dermatitis, Psoriasis und Follikulitis?
  • Die Latenzphase kann auch ganz ohne klinische Symptomatik oder auffällige Laborbefunde verlaufen.

Entwicklung der Immunschwäche

Orale Manifestationen

  • Symptome einer HIV-Infektion treten häufig in der Mundhöhle auf.
  • Orale Symptome können frühe Zeichen einer HIV-Infektion, aber auch einer Verschlechterung der HIV-Infektion sein.

Nicht AIDS-definierende Erkrankungen

  • Bei HIV-Positiven mit einer CD4-Zahl über 350/µl besteht eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit gegenüber nicht-AIDS-definierenden Erkrankungen.
  • Es wird angenommen, dass die hohe Frequenz der Virusreplikationen die lokale Immunität schwächt und die Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöht. Dies gilt für:
  • Es wird empfohlen, das Risiko für diese Krankheiten bei der Indikationsstellung zur antiviralen Behandlung zu berücksichtigen.19

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • HIV-Test anbieten bei:
    • sexuellem Risikoverhalten
    • i. v. Drogenkonsum
    • anderen sexuell übertragbaren Krankheiten
    • HIV-positiven Partner*innen
    • Herkunft aus Ländern mit hoher HIV-Prävalenz
      • Auch den Partner*innen HIV-Tests anbieten.
      • besonders nach chirurgischen Eingriffen unter unzureichender Asepsis
    • Schwangerschaft
    • Mutter, die bei der Geburt HIV-positiv ist.
  • Ein HIV-Test erfordert immer eine vorherige Aufklärung und Einverständniserklärung der Patient*innen.
  • Ablauf der HIV-Testung siehe Abschnitt Blutprobennahme nach HIV-Exposition
  • Lymphozytenuntersuchung mit Zählung der T-Lymphozyten (CD4-Zellen)
  • HIV-RNA quantitativ
  • Ggf. Untersuchung von Genitale und Rektum
  • Drogenscreening?
  • Gewicht
  • Körpergröße
  • Blutdruck

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Der Nachweis von opportunistischen Mikroorganismen kann häufig direkt aus der Biopsie oder aus anderem Material erfolgen.
  • Häufig bedarf es Spezialuntersuchungen, die nur von wenigen Labors durchgeführt werden.

Probennahme

Weitere Tests

  • Genital- und Anal-Abstriche1
      • Vorsorgeuntersuchung auf rektale Dysplasien (siehe Artikel Analkarzinom)
  • Tuberkulose-Abklärung1
    • IGRA ist spezifischer als THT.
    • HIV-Infektion erschwert die TB-Erkennung.
      • Eine HIV-Infektion kann die Sensitivität und Spezifität beider Tests beeinträchtigen, besonders bei geringer CD4-Zellzahl (Anergie). Ein negatives Testergebnis schließt daher eine tuberkulöse Infektion nicht sicher aus.
      • häufig extrapulmonale Formen der TB, besonders bei niedrigen CD4-Zellzahlen
      • Auch bei pulmonaler TB sind Symptombild und radio­lo­gische Befunde oft untypisch oder sogar unauffällig.
    • positives Testergebnis
      • Nach Ausschluss einer aktiven Organtuberkulose sollte eine präventive medikamentöse Therapie, in der Regel mit Isoniazid (INH) angeboten werden.
    • aktive TB
      • antituberkulöse Kombinationstherapie in Abhängigkeit von der Medikamentensensibilität der Erreger
    • Nach Initiierung einer ART kann es bei gleichzeitiger Erkrankung an TB zu einem Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome (IRIS) und damit zu einer klinischen Verschlechterung der TB kommen.
  • EKG
    • Eine Basisuntersuchung ist wünschenswert, weil mit der antiretroviralen Behandlung kardiovaskuläre Risiken verbunden sind.
  • Atazanavir kann das PR-Intervall verlängern.
  • Röntgen-Thorax
    • Ist wünschenswert aufgrund des Risikos für zahlreiche HIV-bedingte Komplikationen, die sich als Lungenerkrankung manifestieren können.

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Personen mit einem positiven HIV-Test sollten schnellstmöglich an eine infektionsmedizinische Abteilung überwiesen werden, die Erfahrung mit der Diagnostik und Behandlung von HIV-Patient*innen hat.

Therapie

  • Die folgenden Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf die Behandlung von Infektionen mit HIV-1. Einige Medikamente sind bei HIV-2-Infektionen weniger wirksam. Eine HIV-2-Infektion sollte immer an einem spezialisierten Zentrum behandelt werden.3

Therapieziele

  • Das primäre Ziel ist, das krankheitsfreie Überleben zu erhöhen bei maximaler Hemmung der Virusreplikation und Bewahrung der immunologischen Funktion.
  • Das biochemische Ziel der Behandlung ist, den Virus-RNA-Spiegel unter die Nachweisgrenze (ca. 20 Viruskopien/ml) zu bringen.
  • Der Entwicklung von komplizierenden opportunistischen Infektionen vorbeugen.
  • Komplizierende Erkrankungen behandeln.
  • Ansteckung anderer Personen vermeiden.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung ist anspruchsvoll und sollte von entsprechend spezialisierten Ärzt*innen durchgeführt werden.
  • Zusätzlich zur antiviralen Therapie umfasst die Behandlung auch psychische Begleitung und soziale Unterstützung sowie die Behandlung komorbider Erkrankungen.
  • Es ist eine kontinuierliche Kombinationsbehandlung mit mindestens 3 wirksamen Medikamenten notwendig.
    • HAART (Highly Active Antiretroviral Treatment)
    • Ein gutes Behandlungsergebnis erfordert Motivation und ein hohes Maß an Therapietreue.
    • Das Virus liegt weiterhin latent als DNS in den Zellkernen der infizierten T-Lymphozyten und wird wieder anfangen, sich zu replizieren, wenn die Behandlung aussetzt.

Leitlinie: Indikation zur antiretroviralen Therapie (ART)3

  • Indikation
    • Eine HIV-Infektion soll grundsätzlich – unabhängig von Immunstatus und Plasmaviruslast – dauerhaft antiretroviral behandelt werden.
  • Therapieeinleitung so rasch wie möglich (binnen weniger Tage bis Wochen) bei:
    • symptomatischer HIV-Infektion
    • Beeinträchtigung der T-Zell-Immunität (Labor-Kategorien CDC-2 und CDC-3)
    • asymptomatisch Infizierten mit erhöhten Risiken, insbesondere bei:
      • HIV-assoziierter Nephropathie
      • HIV-assoziiertem neurokognitiven Defizit
      • Hepatitis-B-Koinfektion
      • chronische Hepatitis-C-Koinfektion
      • Lebensalter > 50 Jahre
      • systemische Immunsuppression oder zytostatische Chemotherapie oder Bestrahlung im Rahmen von onkologischen oder autoimmunen Erkrankungen oder nach Transplantation
      • Schwangerschaft (vertikale Transmissionsprophylaxe)
      • Gründe für eine horizontale Transmissionsprophylaxe („Treatment as Prevention/TasP“)
  • Die Therapieeinleitung soll verzögert werden bei opportunistischen Infektionen:
    • zerebrale Kryptokokkose
    • einzelne Krankheitskonstellationen bei einer Tuberkulose.
  • Die Therapieeinleitung kann verzögert werden bei:
    • asymptomatischer HIV-Infektion ohne beeinträchtigten Immunstatus
    • Elite Controllern = Personen mit asymptomatischer HIV-Infektion, die über viele Jahre keinen CD4-T-Zell-Verlust erleiden.

Medikamentöse Therapie

Primärtherapie

  • Die Behandlung besteht aus einer Kombination von mindestens 3 Medikamenten, deren Dosierung sich nach den Ergebnissen der Resistenzbestimmung sowie nach der Bewertung der Nebenwirkungen, Komorbidität und Interaktionen richtet.
  • Nach heutigem Wissensstand ist es in aller Regel notwendig, eine ART lebenslang ohne Unterbrechungen einzunehmen.3
  • Vorteile eines früheren Therapiebeginns3
    • weniger klinische Komplikationen (z. B. HIV-assoziierte Lymphome)
    • weniger Nebenwirkungen
    • Immunkontrolle zusätzlich erworbener und prävalenter Infektionen mit hohem Reaktivierungsrisiko (z. B. Tuberkulose) wird verbessert.
    • niedriges Risiko für ein Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome (IRIS)

Antivirale Wirkstoffklassen

  • Integrasehemmer (INI) wie:
    • BIC = Bictegravir
    • DTG = Dolutegravir
    • EVG = Elvitegravir
    • RAL = Raltegravir.
  • Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) wie:
    • ABC = Abacavir
    • FTC = Emtricitabin
    • 3TC = Lamivudin
    • TAF = Tenofoviralafenamid
    • TDF = Tenofovirdiproxil.
  • Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) wie:
    • DOR = Doravirin.
  • Proteaseinhibitoren (PI) wie:
    • DRV = Darunavir.
  • Boostersubstanzen wie:
    • c = Cobicistat
    • r = Ritonavir.

Leitlinie: Primärtherapie der HIV-Infektion3

  • Eintablettenregime
    • INI-basiert:
      • BIC/TAF/FTC
      • DTG/ABC/3TC
      • DTG/3TC
      • EVG/c/TAF/FTC
    • NNRTI-basiert:
      • DOR/TDF/3TC
      • RPV/TAF/FTC ODER RPV/TDF/FTC
    • PI-basiert:
      • DRV/c/TAF/FTC
  • Mehrtablettenregime
    • INI-basiert:
      • DTG + TAF/FTC ODER DTG + TDF/FTC
      • RAL + ABC/3TC ODER RAL + TAF/FTC ODER RAL + TDF/FTC
    • NNRTI-basiert:
      • DOR + TDF/FTC ODER DOR + TAF/FTC ODER DOR + ABC/3TC
    • PI-basiert:
      • DRV/r + ABC/3TC ODER DRV/r + TAF/FTC

Nebenwirkungen

  • Die Behandlung hat anfangs häufig teilweise erhebliche Nebenwirkungen, selbst wenn das Nebenwirkungsprofil bei den neuesten Medikamenten deutlich verbessert ist.
  • Die Nebenwirkungen sind häufig vorübergehend oder nehmen nach 1–12 Wochen ab. In den meisten Fällen ist es möglich, die Medikamentenkombination zu verändern, damit die Patient*innen die Behandlung tolerieren.
  • Lipodystrophie, die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sekundär zu den Veränderungen der Blutlipide und andere Nebenwirkungen, die dazu führen können, dass die Patient*innen die Behandlung abbrechen, sind Unsicherheitsfaktoren, die für die Langzeitprognose Bedeutung haben können.

Arzneimittelinteraktionen3

  • Vielzahl an Interaktionsmöglichkeiten zwischen antiretroviralen Substanzen und Begleitmedikation, Nahrungsergänzungsmitteln, Komplementär- und Alternativmedizin, legalen und illegalen Drogen
  • Hohe interindividuelle Variabilität, z. B. durch genetische Polymorphismen
  • Dabei sind u. a. folgende Wirkstoffgruppen von besonderer Bedeutung:
    • Antikonvulsiva
    • Antidepressiva
    • vasoaktive Substanzen
    • Antihistaminika
    • Antiarrhythmika
    • Antiinfektiva
    • Kontrazeptiva
    • Statine (erhöhtes Risiko für Rhabdomyolyse bei der Kombination von Proteasehemmern)
    • Steroide, topisch oder systemisch.
  • Wegen möglicher neuer Erkenntnisse wird dringend empfohlen, konkrete Interaktionspotenziale der verordneten Medikamente zu überprüfen (z. B. auf Interaktionsdatenbanken wie HIV Drug Interaction Checker oder über die Interaktion-Hotline des Instituts für interdisziplinäre Medizin: Tel. 0160-90244100, E-Mail: interaktion@ifi-infektiologie.de).

Unzureichender Therapieeffekt

  • Kann auf eine Resistenzentwicklung zurückgeführt werden.
  • Unzureichende Therapietreue fördert die Bildung von Resistenzen.
  • Bei Therapieversagen kann die Kombination von mehr als 3 Medikamenten indiziert sein.
  • Genotypische Resistenzbestimmungen des Virus gelten als Anhaltspunkt für die Wahl der Behandlung.

Schwangerschaft und Stillzeit

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.20

HIV-Test

  • Jeder Schwangeren soll entsprechend den geltenden Mutterschaftsrichtlinien ein HIV-Antikörpertest empfohlen werden.
    • Dieser sollte möglichst früh in der Schwangerschaft erfolgen und kann bei erhöhtem Risiko (z. B. HIV-positive Partner*innen) auch im Verlauf der Schwangerschaft wiederholt werden.
    • Die Durchführung des HIV-Tests sollte von einem Beratungsangebot und einer Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten begleitet sein.
      • Im Rahmen der Beratung sollen u. a. die positiven Auswirkungen einer gegen HIV gerichteten Therapie auf die Gesundheit und Lebenserwartung von infizierten Menschen und auf das Übertragungsrisiko von der Mutter auf ein Kind sowie auf die Sexualpartner*innen hervorgehoben werden.
      • Bei Bedarf sind der Schwangeren Adressen und Telefonnummern weiterer Beratungsangebote zur Verfügung zu stellen.
    • Sofern die werdende Mutter einem Test nicht widerspricht, wird im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge routinemäßig ein Such- und ggf. ein Bestätigungstest zum Ausschluss einer HIV-Infektion durchgeführt.
      • Die Schwangere soll in verständlicher Form über das Testergebnis informiert werden – auch wenn keine Infektion nachweisbar ist – damit sie auf Nachfrage auskunftsfähig ist.
      • Die erfolgte Durchführung des Tests ist laut den geltenden Mutterschaftsrichtlinien im Mutterpass zu dokumentieren, das Ergebnis jedoch nicht. Bei positivem Testergebnis sollte die Schwangere an ein auf HIV-spezialisiertes Zentrum zur interdisziplinären Beratung überwiesen werden.

Therapieindikation

  • Bei HIV-positiven Schwangeren gelten die gleichen Indikationen für eine antiretrovirale Kombinationstherapie (cART) wie bei nicht-schwangeren Frauen.
    • Jede HIV-Infektion in der Schwangerschaft stellt eine Behandlungsindikation dar.
    • Die Kombinationstherapie oder -prophylaxe mit antiretroviralen Substanzen reduziert das Risiko einer Mutter-Kind-Übertragung (Ia).
    • Bei einer in der Schwangerschaft neu diagnostizierten HIV-Infektion soll eine Behandlung so rasch wie möglich, spätestens aber zu Beginn des 2. Trimenons begonnen werden.
    • Eine wirksame ART soll weitergeführt werden. Eine bestehende ART sollte geändert werden, wenn ihre Sicherheit nur unzureichend belegt ist.
    • Ziele einer cART in der Schwangerschaft sind eine wirksame Prophylaxe der HIV-Transmission durch maximale Hemmung der Virusreplikation bei der Mutter bei möglichst guter Verträglichkeit für die Schwangere und den Feten.
    • Frauen im gebärfähigen Alter sollen möglichst mit einer cART behandelt werden, die im Fall einer Schwangerschaft unverändert beibehalten werden kann.
      • Dolutegravir kann zu Neuralrohrdefekten beim Ungeborenen führen. Deshalb sollte es bei Schwangeren nicht und bei Frauen im gebärfähigen Alter nur unter sicherer Verhütung angewendet werden. Bei Eintritt einer Schwangerschaft sollte auf eine alternative Behandlung gewechselt werden.21
  • Die Entscheidung über ein Absetzen der Therapie nach Geburt soll nur von in der Behandlung HIV-infizierter Patientinnen erfahrenen Ärzt*innen gemeinsam mit den Patientinnen getroffen werden.

Therapieregime

  • Prinzipiell stehen für die cART in der Schwangerschaft Medikamente aus allen Substanzklassen zur Verfügung.
    • Allerdings sind die meisten antiretroviralen Medikamente für den Einsatz in der Schwangerschaft nicht zugelassen, und die begrenzten klinischen Erfahrungen lassen noch keine abschließende Nutzen-Risiko-Abschätzung zu.
    • Hat eine Frau beim Eintritt der Schwangerschaft bereits eine erfolgreiche cART, wird diese weitergeführt.
    • Es ist allerdings zu prüfen, ob im Hinblick auf das exponierte Kind eine Therapiemodifikation möglich und sinnvoll ist.

Empfohlene Therapiekomponenten

  • Kombinationspartner 1
    • NRTI
      • TDF/FTC (Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin)
      • Abacavir/Lamivudin
      • alternativ: Zidovudin/Lamivudin
    • bei begleitender chronischer Hepatitis-B-Infektion
      • TDF/FTC
      • Tenofovirdisoproxil/Lamivudin
  • Kombinationspartner 2
    • NNRTI
      • Rilpivirin
      • alternativ: Nevirapin
    • PI
      • Darunavir + Ritonavir-Booster
      • alternativ: Atazanavir + Ritonavir
      • alternativ: Lopinavir + Ritonavir

Labormonitoring

  • Monatliche Kontrollen des Blutbilds (mögliche medikamentenassoziierte Anämien oder Thrombozytopenien)
  • Resistenztestung
    • Vor Beginn einer cART in der Schwangerschaft soll ein Resistenztest erfolgen.
  • Medikamentenspiegel
    • Die Pharmakokinetik antiretroviraler Substanzen kann durch eine Schwangerschaft verändert werden.
    • Medikamentenspiegelmessungen in der Schwangerschaft können deshalb bei Nebenwirkungen oder bei unzureichender Viruslastsenkung sinnvoll sein.
    • Wegen eines geringen Plasmaspiegels und eines damit verbundenen erhöhten Risikos für ein Therapieversagen und für eine Mutter-Kind-Übertragung, soll eine Kombination aus Elvitegravir/Cobicistat22 oder Darunavir/Cobicistat in der Schwangerschaft nicht verabreicht werden.23

Entbindungsmodus und Expositionsprophylaxe

  • Eine vaginale Entbindung ist unter folgenden Voraussetzungen eine empfehlenswerte Option:
    • Die Schwangere nimmt eine antiretrovirale Kombinationstherapie ein.
    • Die HIV-RNA-Last liegt am Ende der Schwangerschaft (mindestens 4 Wochen bis zum Entbindungstermin) < 50 Kopien/ml.
      • Dann ist keine intrapartale, aber ggf. eine postnatale Expositionsprophylaxe (s. u.) nötig.
    • Beurteilung geburtshilflicher Risiken durch erfahrene Geburtshelfer*innen 
    • Klärung logistischer Probleme (z. B. Entfernung zu geeigneter Geburtsklinik).
  • HIV-infizierte Schwangere mit einer HIV-RNA-Last > 50 Kopien/ml in der 36. SSW, sollten eine elektive Sectio frühestens ab der 37. SSW durch ein erfahrenes Team erhalten.
    • Es soll dabei eine intra- und postnatale Expositionsprophylaxe mit Zidovudin erfolgen, bei > 1.000 Kopien/ml in der 36. SSW eine intrapartale und eine erweiterte postnatale Expositionsprophylaxe (s. u.).

Risikosituationen

  • Erhöhte Viruslast kurz vor der Geburt
    • Wenn die Viruslast bis zum Zeitpunkt der Geburt nicht unter 50 Kopien/ml gesenkt werden kann oder wenn es kurz vor der Geburt zu einem Viruslastanstieg kommt:
      • Umstellung oder Intensivierung der mütterlichen Medikation durch erfahrene HIV-Behandler*innen
      • Ist eine baldige Entbindung erforderlich oder bereits im Gang, dann sollte bei einer Viruslast > 50 Kopien/ml – soweit zeitlich möglich – der Mutter Zidovudin i. v. peripartal gegeben werden. Die zeitnahe Entbindung hat jedoch die höchste Priorität.
      • Eine weitere präpartale medikamentöse Eskalation an die Mutter kann im Einzelfall erwogen werden.
  • Keine antiretrovirale Therapie der Mutter vor der Geburt
    • Wenn trotz bekannter HIV-Infektion bis zur Geburt keine Transmissionsprophylaxe durchgeführt wurde, sollte diese spätestens intrapartal und postnatal als eskalierte Prophylaxe durchgeführt werden.
      • Auch bei unvollständiger intrapartaler Transmissionsprophylaxe kann mit einem Vorteil gerechnet werden, wenn die postnatale Expositionsprophylaxe bis spätestens 72 Stunden nach Geburt begonnen wird.
    • Falls in Abhängigkeit von der Geburtsphase bei klinischer Erstvorstellung ein Kaiserschnitt noch infrage kommt, sollte dieser angestrebt werden.
    • Ist eine Entbindung rasch erforderlich oder bereits im Gang, dann sollte – soweit zeitlich möglich – Zidovudin i. v. peripartal gegeben werden. Die zeitnahe Entbindung hat jedoch die höchste Priorität.
    • Die antivirale Therapie der Mutter sollte präpartal in der Regel nicht intensiviert werden; im Einzelfall kann das jedoch erwogen werden.

Nach der Entbindung

  • Behandlungsindikation bei der Mutter überprüfen und – je nach Situation – ART fortsetzen oder beenden.
  • Bei niedrigem Übertragungsrisiko
    • Erfolgreiche ART wurde bereits vor der Schwangerschaft begonnen und HIV-RNA lag während der gesamten Schwangerschaft unter 50 Kopien/ml: Auf eine postnatale Expositionsprophylaxe kann verzichtet werden.
    • Bei einer mütterlichen HI-Viruslast < 1.000 Kopien/ml zum Zeitpunkt der Entbindung erfolgt eine postnatale orale Zidovudin-Gabe an das Neugeborene innerhalb 6 Stunden nach Geburt für 4 Wochen.
  • Erweitere (eskalierte) postnatale Transmissionsprophylaxe
    • Ein hohes Übertragungsrisiko, z. B. bei fehlender mütterlicher Therapie vor Entbindung oder erhöhter Viruslast der Mutter kurz vor Geburt, kann durch die Kombination von 2–3 antiviralen Substanzen u. U. wirksamer gesenkt werden als mit Zidovudin allein.
    • Bei präpartal fehlender mütterlicher Therapie wird eine eskalierte postnatale Prophylaxe des Neugeborenen mit einer Kombination aus einer Nevirapin-Kurzprophylaxe (1. Dosis so früh wie möglich postpartal, zumindest innerhalb von 48 Stunden, 2. Dosis 48 Stunden nach der 1. Gabe und 3. Dosis 96 Stunden nach der 2. Gabe) und einer 4- bis 6-wöchigen Zidovudin-Gabe empfohlen.
    • Zur Vermeidung von Nevirapinresistenzen kann die Kombination dieses Regimes (3 Gaben Nevirapin + 6 Wochen Zidovudin) mit einer 14-tägigen Lamivudin-Gabe beim Neugeborenen erwogen werden.
    • Bei bestehender oder wahrscheinlicher NNRTI-Resistenz, kann auf Raltegravir ausgewichen werden.
  • Eine ausführliche kontrazeptive Beratung im Rahmen der gynäkologischen Routineuntersuchung 6–8 Wochen postpartal sollte auf jeden Fall erfolgen.
  • Stillen?
    • an HIV-RNA-Last orientiert
      • > 50 Kopien/ml: Stillverzicht empfehlen.
      • < 50 Kopien/ml: partizipative Entscheidungsfindung nach Aufklärung über Vorteile und Risiken des Stillens.
    • Die antiretrovirale Behandlung von Mutter und Kind reduziert zwar drastisch das Übertragungsrisiko (Ia)19, das Stillen geht jedoch dann – neben dem Restrisiko einer Virusübertragung – mit einer erheblichen Arzneimittelexposition des Säuglings einher.
    • Voraussetzungen für ein sicheres Stillen
      • wirksame ART mit Nachweis einer HIV-RNA-Last < 50 Kopien/ml über mehrere Monate
      • zuverlässige ART-Einnahme, belegt u. a. durch eine bislang sehr hohe und kontinuierliche Therapietreue
      • Die Patientin ist bereit, während der Stillzeit an einem zusätzlichen HIV-RNA-Monitoring teilzunehmen.

Telefon-Hotlines

  • Beratung zu Problemen im Zusammenhang mit HIV-Infektionen in der Schwangerschaft
    • bei gynäkologischen Fragestellungen: 0178-282 0282
    • bei Fragestellungen zur antiretroviralen Therapie in der Schwangerschaft: 069-63017680
    • bei neonatologischen/pädiatrischen Fragestellungen: 0178-4121313
    • bei Fragen zur Versorgung durch Hebammen: Deutscher Hebammenverband (DHV): 0721-9818927

HIV bei Kindern und Jugendlichen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.24

Leitlinie: Indikation zur ART24

  • Säuglinge sollen unverzüglich eine ART erhalten.
  • Kinder > 12–36 Monate sollen eine ART erhalten.
  • Kinder 37 Monate bis 12 Jahre
    • Asymptomatisch ohne Immundefekt: Sollten eine ART erhalten.
    • Symptomatisch und/oder mit Immundefekt: Sollen eine ART erhalten.
  • Jugendliche > 12 Jahre sollen wie Erwachsene therapiert werden.
  • Die Zahl der Neuinfektionen mit HIV bei Kindern ist durch die Transmissionsprophylaxe deutlich zurückgegangen und liegt mittlerweile in Deutschland bei 10–20/Jahr.25
    • Prävalenz: ca. 300–40026-27
  • Die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit HIV sollte in enger Zusammenarbeit mit einem pädiatrischen HIV-Schwerpunktzentrum erfolgen.
  • Empfohlene Arzneimittelkombinationen für die Initialtherapie:
    • 2 NRTI + geboosterter PI – oder –
    • 2 NRTI + 1 NNRTI – oder –
    • 2 NRTI + 1 INI.
  • Näheres zum Thema Kinder mit HIV-Infektion in Kindergarten und anderen öffentlichen Einrichtungen finden Sie im Abschnitt Prävention.

Sexuell übertragbare Krankheiten bei HIV-positiven Patient*innen

  • Alle HIV-positiven Personen, die sexuell aktiv sind, sollten jährlich auf Syphilis, Chlamydien (Frauen, Männer) und Gonokokken1 getestet werden sowie beim Partnerwechsel, bei einer Schwangerschaft oder beim Auftreten von Symptomen.
    • In Abhängigkeit von den Partnerzahlen können kürzere Kontrollintervalle sinnvoll sein.
      • > 5 Partner*innen: halbjährliche Kontrollen auf HCV, Syphilis, rektale Chlamydien- und Gonokokken-Infektionen
      • > 10 Partner*innen: vierteljährliche Untersuchungen auf Syphilis, Gonokokken und Chlamydien
  • Untersuchungen bei Männern
    • Erststrahlurin auf Chlamydien und Gonorrhö (Nukleinsäureamplifikation NAAT)
    • evtl. Anus: Chlamydien und Gonorrhö-Abstrich (NAAT)
    • evtl. Hals: Gonorrhö-Abstrich (NAAT)
    • Blut: Syphilis-Serologie (evtl. Hepatitis B/C)
    • Nachweis einer Chlamydien-Infektion bei Männern, die Sex mit Männern haben.
      • Weitere Sub­ty­pi­sie­rung, um Lymphogranuloma venereum auslösende Erregervarianten zu erkennen und entsprechend zu behandeln.1
  • Untersuchungen bei Frauen
    • Vaginalabstrich für Chlamydien und Gonorrhö (NAAT)
    • evtl. Anus: Chlamydien und Gonorrhö-Abstrich (NAAT)
    • evtl. Hals: Gonorrhö-Abstrich (NAAT)
    • Blut: Syphilis-Serologie (evtl. Hepatitis B/C)

Therapie

  • Klärung der Ansteckungsquelle, Information
  • Kein Sex während der Behandlung
  • Gebrauch von Kondomen, in jedem Fall bis das Ergebnis der Kontrollprobe vorliegt.
  • Behandlung der Chlamydien-Infektion
    • unkomplizierte urogenitale oder rektale Chlamydien-Infektion: Doxycyclin 200 mg tgl. über 7 Tage
      • Kontrolle 5 Wochen nach der Behandlung
      • evtl. auch Kontrolle bei Verdacht auf Therapieversagen oder erneuter Ansteckung
    • in der Schwangerschaft: Azythromycin 1 g als Einmaldosis
      • Kontrolle 5 Wochen nach der Behandlung
    • weitere Informationen in den Artikeln Genitale Chlamydien-Infektion bei Frauen und Genitale Chlamydien-Infektion bei Männern
  • Behandlung der Gonorrhö
    • Bei positivem NAAT: Kultur anlegen und Behandlung beginnen.
    • unkomplizierte urogenitale/anale/Hals Gonorrhö: Einmaldosis 1 g Ceftriaxon (i. m. oder i. v.) und 1,5 g Azithromycin peroral
      • Kontroll-NAAT 2 Wochen nach der Behandlung
    • Näheres siehe Artikel Gonorrhö.
  • Behandlung einer genitalen Herpes-simplex(HSV)-Episode (Näheres in den Artikeln Herpes genitalis bei Männern und Herpes genitalis bei Frauen) bei HIV-positiven Patient*innen28
    • Primärerkrankung
      • Aciclovir 5 x tgl. 400 mg über 7–10 Tage
      • Valaciclovir 2 x tgl. 500–1.000 mg über 10 Tage
      • Famciclovir 3 x tgl. 250–500 mg über 10 Tage
    • fulminanter Herpes genitalis
      • Aciclovir 5–10 mg/kg KG i. v. alle 8 Stunden über 2–7 Tage
      • bei klinischer Besserung Umstellung auf orale Medikation
      • Insgesamt über mindestens 10 Tage behandeln.
    • Rezidiv
      • Die meisten Patient*innen kommen mit einer 5-tägigen Behandlung aus.
      • Bei Patient*innen mit ausreichenden CD4-Zahlen (> 500 Zellen/µl) reichen möglicherweise auch kürzere Regimes aus.
      • Für HIV-Positive ohne Hinweise auf Immunschwäche scheinen Standarddosierungen (siehe Artikel Herpes genitalis bei Männern und Herpes genitalis bei Frauen) auszureichen (Ib/A).
      • Bei Patient*innen mit fortgeschrittenem AIDS kann es erforderlich sein, die Standarddosis zu verdoppeln und länger als 5 Tage zu behandeln (Ib/B).
      • Ultrakurzzeittherapien sollten nur mit Vorbehalt eingesetzt werden, denn sie wurden bislang nicht ausreichend in der Behandlung immunkompromittierter Patient*innen erprobt.
    • bei Schwangeren 
      • Suppressionsbehandlung ab 32. SSW bei Patientinnen mit früherem Genitalherpes (und HIV): Aciclovir 3 x tgl. 400 mg
      • Näheres zur Behandlung des Herpes genitalis in der Schwangerschaft im Artikel Herpes genitalis bei Frauen
  • Behandlung von Syphilis
    • frühe Syphilis, Dauer kürzer als 1 Jahr und ohne Komplikationen: Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. IE i. m. als Einmaldosis
    • latente oder späte Infektion, Ansteckung > 1 Jahr und ohne Komplikationen: Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio IE i. m. wöchentlich über 3 Wochen
      • Kontroll-Serologie nach 3, 6 und 12 Monaten, danach jährlich
    • Näheres im Artikel Syphilis

Immunrekonstitutionssyndrom4

  • Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome (IRIS oder IRD)
    • Eine paradoxe Reaktion auf eine latente (evtl. manifeste) opportunistische Infektion, die einige Wochen nach dem Beginn der ART auftreten kann.
    • Inzidenz: 5–10 % aller mit ART Behandelten
  • Unter ART kommt es zu einer überschießenden Immunantwort und damit zu einer klinischen Verschlechterung opportunistischer Erkrankungen.1
  • Differenzialdiagnosen
    • Medikamentennebenwirkungen
    • Adhärenzprobleme
    • neue Infektion
  • Therapie
    • Behandlung der opportunistischen Infektion nach den üblichen Leitlinien
    • bei leichten Symptomen evtl. NSAR
    • Kortikosteroide
      • Können bei Läsionen im Zentralnervensystem, bei obstruierenden Lymphknoten oder zunehmenden respiratorischen Problemen wirksam sein.
      • Haben vor allem bei Tuberkulose-IRIS einen Nutzen gezeigt.
      • bei Kryptokokken-IRIS (Erhöhung des intrazerbralen Drucks): Kortikosteroide für mindestens 2–6 Wochen
  • ART nur in schwersten Fällen pausieren.
  • Die Prognose ist bei einer aktiven Diagnostik und frühzeitiger Behandlung gut.

Therapie nach HIV-Exposition

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.29

Sofortmaßnahmen nach beruflicher HIV-Exposition

  • Stich- oder Schnittverletzung
    • Spontanen Blutfluss nicht sofort unterbinden, da potenziell infektiöses Material dadurch ausgespült wird.
      • Mindestens 1 min lang bluten lassen.
    • Sonstige Manipulationen an der Wunde nach Möglichkeit vermeiden, insbesondere Quetschen und Ausdrücken direkt im Einstichbereich, um keine Erregerverschleppung in tiefere Gewebsschichten zu begünstigen.
    • nach der spontanen Blutung: Ggf. Stichkanal spreizen und gründliches Spülen mit Wasser/Seife oder Antiseptikum (ethanolbasiertes Händedesinfektionsmittel oder Hautantiseptikum) anwenden.
  • Kontamination des Auges
    • unverzüglich Spülung mit 0,9 % NaCl oder Wasser
  • Aufnahme in die Mundhöhle
    • Das aufgenommene Material sofort, möglichst vollständig ausspucken.
    • Danach die Mundhöhle mehrfach mit 0,9 % NaCl oder Wasser spülen (ca. 4- bis 5-mal)
      • Jede Portion nach etwa 15 sec intensiven Hin- und Herbewegens in der Mundhöhle ausspucken.
  • Kontamination geschädigter oder entzündlich veränderter Haut
    • gründliches Waschen mit Wasser und Seife
    • Danach, falls verfügbar, Abreiben der Hautoberfläche mit großzügiger Einbeziehung des Umfelds um das kontaminierte Areal mit einem mit Hautantiseptikum satt getränkten Tupfer.
  • Im Anschluss an die Sofortmaßnahmen
    • Entscheid über systemische, medikamentöse Postexpositionsprophylaxe
    • Unfalldokumentation (D-Ärzt*in/ Betriebsärzt*in)
    • erster HIV-Antikörper-Test
    • Hepatitis-Serologie

Sofortmaßnahmen nach sexueller HIV-Exposition30

  • Nach einer Exposition bei eindringendem Geschlechtsverkehr
    • Penis unter fließendem Wasser mit Seife waschen.
      • Dazu sollte die Vorhaut zurückgezogen und die Eichel sowie die Innenseite der Vorhaut vorsichtig (ohne Druck auf die Schleimhaut auszuüben) gereinigt werden.
  • Nach der Aufnahme von Sperma in den Mund
    • Dieses möglichst umgehend und vollständig ausspucken.
    • Danach sollte die Mundhöhle 4- bis 5-mal kurz (etwa 15 sec) mit Wasser gespült werden.
    • Es ist unklar, ob das Schlucken aufgenommener Samenflüssigkeit ungünstiger ist als das Ausspucken.
    • Bei Ejakulation im hinteren Rachenbereich gelingt das Entfernen des Ejakulates aus der Mundhöhle durch Schlucken ggf. effektiver als durch Spucken.
  • Wenn Ejakulat ins Auge gelangt, sollte dieses sofort mit Wasser ausgespült werden.

Blutprobennahme nach HIV-Exposition

  • Blutproben vom Exponierten
    • HIV Ag/Ab-Test (evtl. Schnelltest)
    • Anti-HCV
    • HBsAg und Anti-HBs
    • Syphilis-Serologie
    • Differenzialblutbild
    • Kreatinin
    • Bilirubin, GPT, AP
    • Blutzucker, Lipide
    • evtl. Schwangerschaftstest
    • evtl. Drogenscreening
    • Test auf andere sexuell übertragbare Krankheiten nach Ermessen, ggf. Kontrolluntersuchungen nach 2 und 6 Wochen
    • Wiederholung des HIV-Antikörpertests und der Hepatitis-Serologie nach 6 Wochen sowie nach 3 und 6 Monaten
    • zusätzlich bei Einleitung einer HIV-PEP sowie nach 2 Wochen
    • Sollte ein akutes, fieberhaftes Krankheitsbild innerhalb von 3 Monaten nach der Exposition oder nach dem Ende der medikamentösen Prophylaxe auftreten, ist die diagnostische Abklärung einer primären HIV-Infektion erforderlich, bei negativem Antikörpernachweis ggf. auch durch Nachweis viraler Nukleinsäuren (NAT, HIV-PCR).
      • Besonders verdächtig ist ein akutes Krankheitsbild innerhalb der ersten 4 Wochen nach Exposition oder Ende der PEP.
      • Ein positiver PCR-Befund bedarf der Bestätigung mittels einer 2. Probe.
    • Der routinemäßige Einsatz eines Nukleinsäureamplifikationsverfahrens bei asymptomatischen HIV-exponierten Personen ist wegen des niedrigen positiven Vorhersagewertes nicht angezeigt.
  • Blutprobe von der Indexperson
    • HIV-Antikörper-/-Antigen-Kombinationstest (HIV Ag/Ab-Test)
    • HIV-RNA
    • Anti-HCV und Hepatitis C-RNA
    • HBsAg und Anti-HBs
    • evtl. Drogenscreening
    • Wenn die HIV-Infektion der Indexperson gesichert ist und keine aktuellen Kontrollwerte vorliegen, sollte eine neue Bestimmung der CD4-Zellen/µl und der aktuellen Viruslast angestrebt werden, entweder in der behandelnden Klinik oder in der Hausarztpraxis.
    • Sollten HIV-Resistenzanalysen der Indexperson vorliegen, sollten diese in den Entscheidungsprozess zur Empfehlung einer PEP einfließen.
    • Vor Durchführung des HIV-Testes und der Hepatitis-Serologie Einverständnis der untersuchten Person einholen.
      • Eine Ablehnung des HIV-Testes durch die Indexperson ist zu respektieren.
      • In einigen Bundesländern gibt es weitergehende Regelungen, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Testung der Indexperson (z. B. nach Vergewaltigung oder Angriff mit einer gebrauchten Spritze) auch ohne deren Einverständnis erlauben. In der Regel ist dafür eine richterliche Anordnung erforderlich.

Postexpositionsprophylaxe (PEP)29

Leitlinie: Indikationen für eine PEP29

Bei beruflicher HIV-Exposition (Indexperson HIV-positiv)

  • HIV-PEP soll bei erhöhtem Infektionsrisiko erfolgen:
    • (blutende) perkutane Stichverletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel und Viruslast der Indexperson > 50 Kopien/ml oder unbekannt
    • Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell, Messer o. Ä. und Viruslast der Indexperson > 50 Kopien/ml oder unbekannt.
  • Eine HIV-PEP kann erfolgen bei:
    • (blutender) perkutaner Stichverletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel und Viruslast der Indexperson < 50 Kopien/ml
    • Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell, Messer o. Ä. und Viruslast der Indexperson < 50 Kopien/ml
    • Schleimhautkontakt oder Kontakt nichtintakter Haut (Hautekzem, frischer Wunde etc.) mit Flüssigkeiten potenziell hoher Viruslast bei der Indexperson (> 50 Kopien/ml oder unbekannt)
    • sichtbaren, oberflächlichen Verletzungen ohne Blutfluss z. B. mit einer blutig tingierten chirurgischen Nadel und potenziell hoher Viruslast bei der Indexperson (> 50 Kopien/ml oder unbekannt)
    • Spritzer von Blut oder anderen Körperflüssigkeiten ins Auge und potenziell hoher Viruslast bei der Indexperson (> 50 Kopien/ml oder unbekannt)
    • massiver Inokulation (> 1 ml) von Blut oder anderer (Körper-)Flüssigkeit, z. B. in ein offenes Operationsfeld, und potenziell hohe Viruslast bei der Indexperson (> 50 Kopien/ml oder unbekannt).
  • Eine HIV-PEP ist nicht indiziert bei allen fraglichen HIV-Expositionen ohne oder mit geringem Risiko, z. B.:
    • Haut- oder Schleimhautkontakt Kontakt zu Flüssigkeiten niedrigen Risikos wie Urin oder Speichel
    • Kontakt von infektiösem Material jeden Risikos zu intakter Haut
    • Schleimhautkontakt oder Kontakt nichtintakter Haut (Hautekzem, frischer Wunde etc.) mit Körperflüssigkeiten einer Indexperson mit Viruslast < 50 Kopien/ml
    • bei sichtbaren, oberflächlichen Verletzungen ohne Blutfluss z. B. mit einer blutig tingierten chirurgischen Nadel und Viruslast der Indexperson < 50 Kopien/ml.

Biss- und Schnittverletzungen

  • HIV-PEP soll erfolgen nach:
    • tiefen blutigen Bissverletzungen durch eine nicht oder nicht
      ausreichend antiretroviral behandelte HIV-positive Person, die zum Zeitpunkt des Bisses selbst blutende Verletzungen im Mund aufweist (z. B. Zungenbiss bei epileptischem Anfall).
  • PEP empfehlen bei:
    • seriellen blutenden Verletzungen durch das gleiche Instrument, z. B. bei seriellen Verletzungen mit einem Messer und unbekanntem oder nur zeitverzögert ermittelbarem HIV-Status der Verletzten.

I. v. Drogengebrauch und Verletzung an Kanülen

  • PEP soll erfolgen nach:
    • gemeinsamer Nutzung eines HIV-kontaminierten Injektionsbestecks.
  • PEP kann erfolgen nach:
    • gemeinsamer Nutzung eines Injektionsbestecks ohne Kenntnis des HIV-Status der anderen Drogen-Konsumierenden.
  • PEP soll nicht erfolgen nach:
    • Stichverletzungen Unbeteiligter durch herumliegendes Drogen-Injektionsbesteck (Kanülen).

Sex mit HIV-infizierter Person

  • Ungeschützter (z. B. infolge eines geplatzten Kondoms) insertiver oder rezeptiver vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr mit einer bekannt HIV-infizierten Person
    • PEP empfehlen, wenn die Indexperson unbehandelt oder die Viruslast > 1.000 Kopien/ml oder der Behandlungsstatus nicht eruierbar ist.
    • PEP anbieten, wenn Viruslast der Indexperson 50–1.000 Kopien/ml.
    • Keine PEP-Indikation, wenn Indexperson wirksam behandelt (Viruslast < 50 Kopien/ml) ist.

Bei unbekanntem HIV-Status der Sexpartner*innen

  • PEP anbieten:
    • nach ungeschütztem Anal- oder Vaginalverkehr*, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass bei den Sexualpartner*innen eine unbekannte oder nicht behandelte HIV-Infektion vorliegen könnte, erhöht ist, z. B.:
      • bei Sex zwischen Männern – oder –
      • bei Heterosexuellen, wenn die Sexualpartner*innen aktiv i. v. Drogen konsumieren, aus einer HIV-Hochprävalenzregion (z. B. Subsahara-Afrika) kommen oder bisexuell sind.
  • Keine PEP-Indikation bei:
    • Oralverkehr*
      • Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der bei den
        Sexualpartner*innen eine unbehandelte HIV-Infektion vorliegen könnte und unabhängig von der Art des Oralverkehrs (aktiv, passiv, Sperma aufnehmend).
    • Küssen
    • Kontakt von HIV mit Haut.
*einschließlich Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt

Behandlungszeitpunkt29

  • PEP unverzüglich nach Feststellung der Indikation beginnen!
    • Die besten Ergebnisse sind bei einem Prophylaxebeginn innerhalb von 24 Stunden, besser noch innerhalb von 2 Stunden zu erwarten.
    • Liegen bereits mehr als 72 Stunden zwischen der Exposition und dem möglichen Prophylaxebeginn, so kommt eine Prophylaxe in der Regel nicht mehr infrage.

Therapieschema PEP29

  • Standardkombination mit 2 NRTI und einem PI 
    • Die infrage kommenden Medikamente haben keine formelle Zulassung für eine PEP. Die Kostenträger übernehmen aber die Behandlungskosten, wenn ein hohes HIV-Übertragungsrisiko besteht und die Behandlung leitlinienkonform erfolgt.
  • Empfohlene Therapieschemata
    • TDF/FTC (Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin) 245/200 mg 1 x 1 + RAL (Raltegravir) 400 mg 2 x 1 – oder –
    • RAL 600 mg 1 x 2 – oder –
    • TDF/FTC (wie oben) + DTG (Dolutegravir) 50 mg 1 x 1 (ggf. Schwangerschaftstest vor Behandlungsbeginn; Näheres siehe Abschnitt Schwangerschaft und Stillzeit) – oder –
    • TAF (Tenofoviralafenamid) + FTC + BIC (Bictegravir)
  • Die Behandlungszeit beträgt in aller Regel 28–30 Tage.

Expert*innen konsultieren

  • Die Deutsche Aidshilfe bietet eine Liste der Kliniken, die 24 Stunden am Tag eine Beratung zur HIV-PEP durchführen können.

Sekundärbehandlung

Prävention

Empfehlungen

  • Über die Verbreitungsweise informieren.
  • Schutz durch Kondom beim Geschlechtsverkehr
    • Bringt mindestens 80 % Reduktion der HIV-Inzidenz beim konsequenten Gebrauch unter Heterosexuellen.
  • Das Teilen von Spritzen vermeiden.
  • Die Anzahl der Sexualpartner*innen reduzieren.
  • Die Ansteckungsquelle finden.
  • Mütter mit HIV-Infektion sollten nicht stillen.

Vorbeugende Behandlung – Medikamente/Impfstoffe

  • Schwangere werden mit ART behandelt, um die Übertragung auf das Kind zu vermeiden.
  • In hochendemischen Gebieten hat sich die Instillation von Tenofovir Gel in die Scheide bei Geschlechtsverkehr als eine Methode erwiesen, die Ansteckungsgefahr um ca. 50 % zu verringern, wenn Frauen das Gel regelmäßig anwendeten (bei mehr als 80 % der sexuellen Begegnungen).
  • Primärprophylaxe gegen opportunistische Infektionen mit Trimetoprim/Sulfamethoxazole bei CD4-Zellzahl geringer als 200/µl
  • Bei fehlenden HAV- und/oder HBV-Antikörpern ist eine entsprechende Impfung indiziert, die Indikation für eine HPV-Impfung ist zu prüfen.1
  • Die Anwendung von Lebendimpfstoffen, inkl. BCG ist kontraindiziert.
  • Eine vorbeugende Behandlung gegen Tuberkulose bei HIV-Infizierten wird empfohlen bei:
    • positiver Tuberkulinprobe (Mantoux > 5 mm) und längerem Aufenthalt in einem Land mit hoher Prävalenz für Tuberkulose
    • Personen, bei denen die Tuberkulinprobe umgeschlagen ist, unabhängig von Alter und früheren BCG-Impfungen.
      • Ausnahme sind früher BCG-Geimpfte, bei denen der Umschlag auf die Verbesserung der zellulären Immunität aufgrund der antiviralen Behandlung zurückgeführt wird.
    • enger Kontakt (bei CD4-Zellzahl < 2000/µl) zu Personen mit ansteckender Tuberkulose

Präexpositionsprophylaxe (PrEP)31

Leitlinie: PrEP31

Indikation zur oralen PrEP

  • Soll als prophylaktische Maßnahme Menschen mit substanziellem HIV-Infektionsrisiko angeboten werden.
  • Ein substanzielles HIV-Infektionsrisiko besteht bei einer HIV-Inzidenz von mehr als 3 pro 100 Personenjahren ohne Zugang zur PrEP. Insbesondere gehören hierzu folgende HIV-negative Personen:
    • Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), oder Transgender-Personen mit der Angabe von analem Sex ohne Kondom innerhalb der letzten 3–6 Monate und/oder voraussichtlich in den nächsten Monaten bzw. einer sexuell übertragbaren Infektion (STI) in den letzten 12 Monaten.
    • serodiskordante Konstellationen mit virämischen HIV-positiven Partner*innen ohne ART, einer nicht suppressiven ART oder in der Anfangsphase einer ART (also einer HIV-RNA, die nicht schon 6 Monate bei mindestens < 200 RNA-Kopien/ml liegt)
      • Erhalten die HIV-positiven Partner*innen eine nichtsuppressive ART, sollte vor Verschreibung einer PrEP nach Möglichkeit eine Resistenzanalyse erfolgen, um eine Unwirksamkeit von TDF und/oder FTC auszuschließen.
  • Darüber hinaus kann individuell ein substanzielles Risiko bestehen, insbesondere bei:
    • Menschen mit Sex ohne Kondom mit Personen, bei denen eine undiagnostizierte HIV-Infektion wahrscheinlich ist.
    • drogeninjizierenden Personen ohne Gebrauch steriler Injektionsmaterialien.

Empfohlene Medikamente

  • Zur PrEP soll das orale Kombinationspräparat Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (TDF/FTC) eingesetzt werden.
  • Die PrEP soll als kontinuierliche einmal tägliche Einnahme von TDF/FTC erfolgen.
  • Eine intermittierende, anlassbezogene Einnahme der PrEP kann als Gebrauch außerhalb der Zulassung (Off-Label-Use) im individuellen Fall erwogen werden.

Nur zusammen mit anderen Präventionsmaßnahmen

  • Die HIV-PrEP soll nur in Kombination mit einer Beratung zu anderen Schutzmaßnahmen vor einer HIV-Infektion, STI einschließlich viraler Hepatitiden verordnet werden.
  • Hierbei ist zu betonen, dass die HIV-PrEP das Risiko einer HIV-Transmission, nicht jedoch das Risiko für andere sexuell übertragbare Infektionen reduziert.

Ausschluss von Kontraindikationen

  • Neben dem Ausmaß des HIV-Infektionsrisikos sind potenzielle Kontraindikationen sowie mindestens die folgenden Voraussetzungen zu prüfen:
    • aktuelle, negative HIV-Serologie (4. Generations-ELISA mit p24-Ag), keinesfalls älter als 14 Tage; Wiederholung 4 Wochen nach Beginn der PrEP
    • Ausschluss einer replikativen Hepatitis-B-Infektion mittels Serologie (HBs-Antigen, anti-HBc-Antikörper) oder Prüfung der HBV-Immunität (HBs-Antikörper, ggf. Impfung gegen HBV)
    • Ausschluss einer Nierenfunktionsstörung mittels Kreatinin-Bestimmung im Serum (eGFR muss mindestens 60 und sollte > 80 ml/min sein).
  • Erfordert regelmäßige Medikamenteneinnahme.
  • Die Schutzwirkung setzt ab dem Beginn der PrEP verzögert ein.31
    • In der Kolorektalschleimhaut besteht ab Tag 2 der Einnahme eine ausreichende Medikamentenkonzentration, im weiblichen Genitale ab Tag 7.
  • Risikosenkung um 75 % unter Emtricitabin/Tenofovir
    • Seit 2016 ist Emtricitabin/Tenofovir für die PrEP zugelassen.
    • Seit 1. September 2019 werden die Kosten für eine PrEP bei Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko von der GKV übernommen.32
    • Die monatlichen Therapiekosten für Emtricitabin/Tenofovir (Generikum) liegen bei ca. 40–50 € (Stand September 2019).
    • Weiterführende Informationen hierzu finden Sie bei der Deutschen Aidshilfe.

HIV-Expositionsprophylaxe in diskordanten Partnerschaften29 

  • Neben der konsequenten Verwendung von Kondomen gibt es 2 Möglichkeiten der medikamentösen Intervention:
    1. ART der HIV-infizierten Partner*innen
      • Reduktion des Übertragungsrisikos auf nichtinfizierte Partner*innen um mehr als 95 %
    2. Chemoprophylaxe bei nichtinfizierten Partner*innen
      • anlassbezogene Expositionsprophylaxe (z. B. nach einem „Kondomunfall“)
      • anlassunabhängige Dauerprophylaxe (Präexpositionsprophylaxe).
  • Präexpositionsprophylaxe (PrEP) (s. o.)
  • HIV-diskordante Paare sollten mit den bestehenden medikamentösen Optionen vertraut gemacht werden, sodass sie eine informierte Entscheidung darüber treffen können, ob sie eine der Möglichkeiten in Anspruch nehmen wollen und damit sie sich entsprechend vorbereiten können.
    • Bei Entscheidung zur PrEP: Untersuchungsintervalle vereinbaren.
    • Ist für evtl. zukünftige Expositionsnotfälle eine PEP vorgesehen: Vorstellungs- und Konsultationsmodalitäten klären, z. B. Telefonnummer für Rückfragen.

Kinder in öffentlichen Einrichtungen

  • Die aktuellen Erkenntnisse geben keine Hinweise darauf, dass Kinder mit HIV-Infektion in der Praxis ein Ansteckungsrisiko für andere Kinder oder Erwachsene in der näheren Umgebung darstellen. HIV-positive Kinder können deshalb ohne Einschränkung Kinderbetreuungseinrichtungen und andere öffentliche Einrichtungen aufsuchen.
  • Es besteht keine Informationspflicht gegenüber betroffenen Einrichtungen, wie z. B. der Schule, dem Hort oder dem Kindergarten. Da HIV im Alltagskontakt nicht ansteckend ist, schätzt der Gesetzgeber die Gefahr der Stigmatisierung der betroffenen Personen höher ein als eine Gefährdung Dritter.33
  • Wenn das HIV-positive Kind besondere Verhaltensprobleme hat, die für andere Kinder zu einem erhöhten Risiko führen, in Kontakt mit infiziertem Blut zu kommen (Beißen/Kratzen), oder besondere Hautprobleme, die zu einem erhöhten Risiko für das Personal werden könnten, ist es ratsam, die Situation vor Aufnahme in Kindergarten und Schule nach medizinischen und pädagogischen Maßstäben zu bewerten. Dies gilt auch für Kinder, bei denen sich AIDS entwickelt hat.

HIV und Arbeit

  • Berufliche HIV-Übertragungen sind bisher nur durch Blut oder Viruskonzentrat (Viruskultur) erfolgt, und zwar bei:
    • Stich- und Schnittverletzungen
    • Kontakt infektiöser Körperflüssigkeiten mit einer offenen Wunde oder nichtintakter (geschädigter) Haut des Exponierten – oder –
    • Schleimhautexposition (inkl. Blutspritzern ins Auge).
  • Aus diesem Grund bestehen keine allgemeinen Restriktionen für die Ausübung des Berufs.
  • Die Arbeitnehmer*innen sind nicht dazu verpflichtet, ihren Infektionsstatus den Arbeitgeber*innen mitzuteilen.
    • Ausnahme: Medizinisches Personal, das Operationen mit erhöhter HIV-Übertragungsgefahr ausführt.
  • Auch Berufe, bei denen der Betroffene mit Lebensmitteln in Berührung kommt, wie Schlachten, Fischveredelung, Gastronomie, können von einer Person mit HIV-Infektion ohne Einschränkung ausgeübt werden.
    • Es keine Hinweise darauf, dass sich das Virus durch Nahrungsmittel überträgt.
    • In Berufen, in denen man mit Lebensmitteln zu tun hat, gelten – unabhängig von HIV – allgemeine Regeln, dass Personen mit offenen oder infizierten Wunden, Hautinfektionen, Hautschäden oder Diarrhö nicht mit Lebensmitteln in Kontakt kommen dürfen.

Anerkennung als Berufskrankheit

  • Tritt eine HIV-Infektion im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auf, kann diese Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden.34
  • Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
  • Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen35).
  • Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
  • Dann können bestimmte Maßnahmen auf Kosten der GUV durchgeführt werden:
    • spezielle therapeutische Maßnahmen
    • Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.36

Meldepflicht gemäß IfSG

  • Gemäß § 7 Abs. 3 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis von HIV nichtnamentlich direkt an das Robert Koch-Institut (RKI) zu melden.1
    • Primär meldepflichtig ist das diagnostizierende Labor, das den einsendenden Ärzt*innen einen Durchschlag des Meldebogens schickt.
    • Die einsendenden Ärzt*innen sind verpflichtet, dem Labor nicht zur Verfügung stehende demografische, anamnestische und klinische Angaben auf dem Meldebogen zu ergänzen und den so ergänzten Meldebogen direkt an das RKI zu senden.
    • Meldebögen und Freiumschläge für die Rücksendung an das RKI können im RKI angefordert werden: www.rki.de.
    • Um Mehrfachmeldungen ein- und derselben Person zu erkennen, wird eine die Anonymität wahrende fallbezogene Verschlüsselung verwendet (§ 10 Abs. 2 IfSG), die aus Elementen des Vor- und Zunamens generiert wird.

Das AIDS-Fallregister

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Seit 1982 werden die freiwilligen und anonymen Fallberichte der behandelnden Ärzt*innen über AIDS-Erkrankungs- und Todesfälle in der Bundesrepublik Deutschland in einem zentralen Fallregister erfasst.
  • Grundlage der Meldungen ist die jeweils geltende AIDS-Falldefinition zur epidemiologischen Erfassung. Die europaweit angewendete „AIDS-Falldefinition für die epidemiologische Überwachung“ von 1993 ist deckungsgleich mit dem Stadium „C“ der CDC-Stadieneinteilung von 1993.
  • Die freiwilligen und anonymisierten Meldungen an das AIDS-Fallregister erfolgen auf einem gesonderten Meldebogen, der als vertraulicher Arztbericht gekennzeichnet ist und den standesrechtlichen Regelungen unterliegt.
  • Berichte über HIV-Neudiagnosen, AIDS-Fallberichte sowie Todesfallmeldungen (von allen HIV-Patient*innen) an:
    • Robert Koch-Institut, Abteilung Infektionsepidemiologie/FG 34, Postfach 650261, 13302 Berlin, Tel.: +49 (0)30 - 18754-3424, Fax: +49 (0)30 - 18754-3533, Kontakt: E-Mail
  • Unter dieser Adresse sind AIDS-Fallberichtsbögen und -Falldefinitionen sowie HIV-Meldebögen kostenlos zu beziehen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • HIV-Infektionen verlaufen gewöhnlich langsam mit einer schrittweisen Progression über mehrere Jahre.
  • Mit moderner ART, gutem Kontrollprogramm und guter Therapietreue können die meisten Patient*innen ein normales Leben führen, ohne wesentliche Verkürzung der Lebensaussichten.

Komplikationen

  • Psychische Störungen und Suizid
  • Infektionen mit opportunistischen Mikroorganismen
  • Im Nervensystem
    • Infektionen
    • neurokognitive Störungen
    • Neuropathien, z. B. Radikulopathien
  • Im Herz-Kreislauf-System
    • erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
    • Achtung: Erhöhtes Risiko für Rhabdomyolyse bei der Kombination von Proteasehemmern und Statinen!
  • In den Atmungsorganen
  • Im Verdauungssystem
  • Im Urogenitalsystem
  • Im Muskel-Skelett-System
  • Metabolische und endokrine Komplikationen
  • Malignomentwicklung
    • Seit der Einführung einer hochwirksamen ART treten HIV-bedingte Krebsarten viel seltener auf.

Beobachtung der CD4-Zellzahl

  • Manifestationen HIV-bezogener opportunistischer Infektionen können auf allen Niveaus von CD4 vorkommen, aber die Inzidenz von schweren und potenziell lebensbedrohlichen Infektionen erhöht sich dramatisch, wenn die CD4-Zellzahl auf unter 200/µl fällt.
  • CD4-Werte bei 200, 100 und 50/µl markieren ein Risiko für Pneumocystis-jiroveci-, Toxoplasma-gondii- und Mycobacterium-avium-Infektionen und sind eine Indikation für antibiotische Prophylaxe.

Prognose

  • Die HIV-Infektion hat sich von einer fast 100 % tödlichen zu einer chronischen Krankheit mit lebenslanger Notwendigkeit zur Behandlung gewandelt.
  • Unbehandelt
    • Die durchschnittliche Zeit von der Infektion bis zur Entwicklung von AIDS bei Patient*innen ohne antivirale Behandlung liegt bei 8–10 Jahren.
    • Die Sterblichkeit bei vollständig entwickeltem AIDS ohne ART beträgt 80 % nach 2 Jahren und 100 % nach 5 Jahren.
  • Optimale Behandlung
    • Bei moderner Kombinationsbehandlung kann die HIV-Infektion lange Zeit unterdrückt werden.
    • Bei Patient*innen, die schon AIDS entwickelt haben, verbessert sich unter der Therapie die geschwächte Immunfunktion.
    • Bei Patient*innen, die die Behandlung zuverlässig einnehmen und gut vertragen, ist die Lebenserwartung in einem ähnlich moderaten Ausmaß reduziert wie bei anderen chronischen Erkrankungen, z. B. Diabetes.

Kinder mit HIV-Infektion1,37

  • Eine HIV-Infektion verläuft bei Kindern deutlich aggressiver als bei Erwachsenen.
    • Bei Säuglingen und Kleinkindern stehen Entwicklungsstörungen und schwere bakterielle Infektionen im Vordergrund.
    • 1/5 aller unbehandelten Säuglinge stirbt im ersten Lebensjahr oder erleidet neurologische Schäden durch HIV-Enzephalopathien.
    • Die ART ist daher bereits in den ersten Lebensmonaten zu beginnen.

Verlaufskontrolle

  • Die Koordination der Verlaufskontrolle sollte an einem auf HIV-Patient*innen spezialisierten Zentrum (Schwerpunktpraxis oder Klinik) erfolgen.
  • Die Zusammenarbeit und Beteiligung der Hausärzt*innen ist wichtig.
  • Im Gespräch bleiben – zu Themen wie Sexualität, Partner*innen, Prävention, Kinderwunsch.
  • Regelmäßig
    • Exploration der psychosozialen Situation
    • jährliche Grippeimpfung
    • allgemeine Vorsorgeuntersuchungen
    • jährliche Vorsorgeuntersuchungen auf Dysplasien1
      • bei Frauen: zervikale und rektale
      • Bei Männern, die Sex mit Männern haben: rektale.
    • evtl. Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheiten

Labor

Medikamentenspiegel (Therapeutic Drug Monitoring, TDM)3

  • Korrelation zwischen Plasmakonzentration und antiviraler Wirksamkeit
  • Mögliche Indikationen zur Plasmaspiegelbestimmung:
    • umfangreiche Komedikation/Verdacht auf pharmakokinetische Interaktionen
    • erheblich unter- oder übergewichtige Behandelte
    • Multiresistenz
    • Therapie von Schwangeren
    • Therapie von Kindern
    • intestinale Resorptionsstörungen
    • höhergradige Leberfunktionsstörungen
    • Wirkverlust der ART (DD Adhärenz-Problematik/Resistenz)
    • Verdacht auf Medikamententoxizität.

Zeichen für Progression?3

  • Steigende HIV-RNA-Zahl
  • Fallende CD4-Zellzahl
    • in der Regel erst nach dem virologischen Versagen
    • Beruht nicht immer auf Therapieversagen und Progression.
      • Ein signifikanter Abfall der CD4-Zellzahl ohne virologisches Versagen kann auch auf komplizierende Erkrankungen hindeuten (z. B. LeberzirrhoseTuberkulose, maligne Lymphome).
  • Neu aufgetretene oder verstärkte Symptome:
    • anhaltendes Fieber
    • Nachtschweiß
    • anhaltende Diarrhö
    • Husten
    • Dyspnoe
    • Gewichtsverlust
    • Wundheilungsstörungen
    • Belag im Rachen
    • Hauteffloreszenzen/-tumoren
    • Sehstörungen.
  • Opportunistische Erkrankungen können auch als Exazerbation subklinischer Infektionen unter antiretroviraler Therapie auftreten (Immunrekonstitutionssyndrom) und sind dann nicht als Therapieversagen zu interpretieren.

Anstieg der Virämie – mögliche Ursachen3

  • Die häufigste Ursache eines Anstiegs der Plasmavirämie ist ein Adhärenzproblem.
  • Weitere mögliche Ursachen:
    • verminderte Absorption oder beschleunigte Metabolisierung antiretroviraler Substanzen
    • Medikamenteninteraktionen
    • bestehende oder neue virale Resistenzen
    • unzureichende Dosierung.

Leitlinie: Verlaufskontrolle unter ART3,38

Kontrollintervalle

  • CD4-Zellzahl und HIV-RNA sollten bei Diagnosestellung und anschließend in 3- bis 6-monatigen Abständen bestimmt werden.
    • Therapieeinleitung und -umstellung erfordern evtl. kurzfristigere Kontrollen.
    • Patient*innen, die mit weniger als 200 CD4-Zellen/μl und vor allem mit einer gleichzeitig hohen HI-Viruslast eine ART beginnen, sollten in den ersten Wochen klinisch engmaschig beobachtet werden.38
    • Nach Reduktion der HIV-RNA durch die Therapie unter 50 Kopien/ml sind Kontrollen alle 2–4 Monate empfohlen.

Therapieerfolg und -versagen

  • Der Therapieerfolg spiegelt sich in einer klinischen Verbesserung und einem Anstieg der CD4-Zellzahl wider und wird von weiteren Faktoren mitbestimmt wie Patientenalter und mögliche Begleiterkrankungen.
  • Als Therapieerfolg gilt das nachhaltige Absinken der Plasmavirämie unter 50 HIV-RNA-Kopien pro ml.
  • Bei wiederholtem Nachweis einer HIV-RNA über 50 Kopien/ml sollte ein virologisches Therapieversagen ausgeschlossen werden.
  • Ein virologisches Therapieversagen ist bei einer HIV-RNA oberhalb von 200 Kopien/ml wahrscheinlich.

Resistenztestung bei Therapieversagen

  • Bei einer Viruslast von > 200 Kopien/ml soll eine Resistenztestung durchgeführt werden.
  • Bei einer bestätigten Viruslast von 50–200 Kopien/ml sollte eine Resistenztestung angestrebt werden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Über das Ansteckungsrisiko und vorbeugende Maßnahmen
  • Über die gute Prognose bei zuverlässiger Durchführung der ART
    • Therapieunterbrechungen erhöhen das Risiko der Resistenzentwicklung.
    • Risiken der medikamentösen Therapie einschl. potenziell lebensbedrohlicher Wechselwirkungen
  • Bei Symptomen und Beschwerden, die neu auftreten oder ungewöhnlich lange anhalten: Ärztlichen Rat suchen.
  • Regelmäßige Kontrolle der Immunabwehr und die Messung der Viruslast im Blut sind wichtig, um die Behandlung rechtzeitig beginnen oder ggf. umstellen zu können.
  • Über Patienten- und Arbeitnehmerrechte
  • Vorsorgemaßnahmen, z. B. Impfungen

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisationen

Illustrationen

orale Haarleukoplakie.jpg
Orale Haarleukoplakie (Quelle: P. Altmeyer, Online Enzyklopaedie Dermatologie, Venerologie und Umweltmedizin)
Bazilläre Angiomatose (Quelle: P. Altmeyer, Online Enzyklopaedie Dermatologie, Venerologie und Umweltmedizin)
Bazilläre Angiomatose (Quelle: P. Altmeyer, Online Enzyklopaedie Dermatologie, Venerologie und Umweltmedizin)
Kaposi-Sarkom
Kaposi-Sarkom

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion. AWMF-Leitlinie Nr. 055-001. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). Medikamentöse Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition. AWMF-Leitlinie Nr. 055-004. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). HIV-Präexpositionsprohphylaxe (PrEP). AWMF-Leitlinie Nr. 055-008. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 055-002. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). Antiretrovirale Therapie der HIV-Infektion bei Kindern und Jugendlichen. AWMF-Leitlinie Nr. 048-011. S2k, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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