Kryptosporidiose

Zusammenfassung

  • Definition:Kryptosporidiose ist eine durch parasitische Protozoen hervorgerufene Infektion, die die Darmschleimhäute angreift und Diarrhö verursachen kann.
  • Häufigkeit:In Deutschland jährlich etwa 1.800 gemeldete Fälle. Weltweit häufige Ursache von Durchfallerkrankungen.
  • Symptome:Der Krankheitsbeginn ist von häufigem, wässrigem Durchfall gekennzeichnet, meist begleitet von Bauchschmerzen.
  • Befunde:Bauchschmerzen, evtl. Dehydrierung.
  • Diagnostik:Stuhlmikroskopie, ggf. PCR.
  • Therapie:Symptomatische Therapie, ggf. Flüssigkeitszufuhr.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Kryptosporidiose ist eine durch parasitische Protozoen hervorgerufene Infektion, die die Darmschleimhäute angreift und Diarrhö verursachen kann. Der Parasit ist mit Giardia lamblia verwandt.1
  • Die Infektion erfolgt in erster Linie durch kontaminiertes Trink - oder Badewasser, fäkal-orale Übertragung möglich.2
  • Seit 2001 Meldepflicht in Deutschland2
  • Besonders gefährdet, an einer klinisch manifesten Kryptosporidiose zu erkranken, sind:2
    • HIV-infizierten Personen
    • andere immunsupprimierte Personen, z. B. Organtransplantierte
    • Kinder im Alter von 6–24 Monaten.

Häufigkeit

  • Weltweit häufige Ursache von Durchfallerkrankungen
  • Zwischen 2016 und 2019 wurden jährlich zwischen 1.700 und 1.900 Erkrankungsfälle an das Robert Koch-Institut gemeldet.3
  • Kleinkinder2 und Personen mit einem geschwächten Immunsystem sind vermehrt betroffen, tritt aber auch bei ansonsten Gesunden und in allen Altersgruppen auf.
  • In Großbritannien die häufigste Ursache von Protozoeninfektionen des Darms; es werden dort 3.000 bis 6.000 Fälle jährlich gemeldet.4
  • In den USA gab es 1993 einen Ausbruch mit über 400.000 Erkrankungen, bei der der Erreger durch Wasser übertragen worden war.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursächlich für die Erkrankung ist ein Protozoon der Gattung Cryptosporidium. Das Protozoon ist verwandt mit Giardia lamblia.1
  • Es gibt zwei Arten, die von Bedeutung sind:2,5
    1. Cryptosporidium hominis, das vermutlich nur beim Menschen zu Infektionen führt.
    2. Cryptosporidium parvum, das oft beim Rind auftritt, aber auch humanpathogen ist.
  • Kryptosporidien sind einzellige Protozoen.1
  • Oozysten stellen die übertragbare Form dar und sind sehr widerstandfähig gegen Hitze, Kälte und Desinfektionsmittel (wie z. B. Chlor).5
    • Sie können über Monate (bis zu 2 Jahre) infektiös bleiben.
  • Ansteckung
    • Hauptinfektionsquelle für den Menschen ist Trinkwasser; aber auch kontaminierte Lebensmittel oder verschlucktes Badewasser.2
    • Kontaktinfektionen durch Exkremente oder sexuellen Kontakt sind möglich.5

Prädisponierende Faktoren

  • Bei einem geschwächten Immunsystem (z. B. HIV, AIDS) genügt bereits eine geringe Infektionsdosis.2

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • A07.2 Kryptosporidiose

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Gastroenteritis mit wässrigem Durchfall bei gleichzeitigem mikroskopischem Nachweis von Cryptosporidium im Stuhl

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Inkubationszeit von 1–12 Tagen, meist 7–10 Tage (wichtiges Unterscheidungskriterium zu anderen Infektiösen Darmerkrankungen)2
  • Lang anhaltende wässrige Diarrhö und ggf. Bauchschmerzen
  • Oft Ausbrüche mit zahlreichen Erkrankungsfällen, kann aber auch vereinzelt auftreten.

Klinische Untersuchung

  • Oft asymptomatischer Verlauf
  • Der Parasit kann die Darmschleimhäute angreifen und Diarrhö, Bauchschmerzen, Gewichtsabnahme und Erbrechen verursachen.
  • Leichtes Fieber und Appetitlosigkeit sind häufig zusätzliche Symptome.
  • Wässrige Diarrhö kann für 1–2 Wochen anhalten, oft länger.
  • Ggf. Dehydrierung durch massive Flüssigkeits- und Elektrolytverluste2
  • Bei Immunschwäche können extraintestinale Manifestationen, wie z. B. sklerosierende Cholangitis oder Pankreatitis auftreten.2

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Erregernachweis durch mikroskopische Untersuchung des Stuhls mit Nachweis von Oozysten2
    • Probenahme und Versand der Fäzes zur parasitologischen Untersuchung erfordert eine spezielle Verpackung.
    • Ausschluss nur möglich, bei 3 negativen Proben an verschiedenen Tagen
    • indiziert bei protrahierter, schmerzhafter Diarrhö und gleichzeitig fehlendem Nachweis pathogener Darmbakterien
    • Evtl. frühzeitiger, wenn ein starker klinischer Verdacht besteht.
  • PCR-Diagnostik ist möglich, bleibt aber Spezial- bzw. Referenzinstituten vorbehalten.2
  • Untersuchung von engen Kontaktpersonen beim Auftreten von Symptomen2

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Notwendigkeit einer intravenösen Flüssigkeitstherapie
  • Patient*innen mit einem supprimierten Immunsystem sollten regelmäßig stationär überwacht werden.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Es gibt bisher keine spezifische Therapie, die die Parasiten zuverlässig eradiziert.2
  • Flüssigkeitssubstitution2
  • Eine intensivere Therapie kann bei Patient*innen mit Immunsuppression erforderlich sein, im Vordergrund steht auch hier der Flüssigkeitsersatz.2
  • Ein positiver Nutzen von Antibiotika ist bislang nicht hinreichend belegt.6

Empfehlungen für Patient*innen

  • Ausreichend trinken und Elektrolyte substituieren.
  • Auf gute Hygiene achten, besonders sorgfältiges Händewaschen nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Speisen.

Maßnahmen bei Ausbrüchen

  • Möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser abkochen.2
  • Gesundheitsamt gemäß Meldepflicht unverzüglich informieren.2
  • Mögliche Übertragungsfaktoren oder Infektionsquellen identifizieren.2

Medikamentöse Therapie

  • Ein positiver Nutzen von Medikamenten ist bislang nicht hinreichend belegt (Ia).6
  • Nitazoxanid6
    • Reduziert die Zahl der Parasiten und kann nützlich sein bei immunkompetenten Personen.
    • Die Möglichkeit für das Vorliegen einer schweren Erkrankung bei immungeschwächten Patient*innen sollte vor Verwendung dieses Medikamentes aber unbedingt berücksichtigt werden.
    • in Deutschland nicht zugelassen

Prävention

  • Bei Verdacht auf kontaminiertes Trinkwasser (z. B. im Falle einer Epidemie) nur abgekochtes Wasser verwenden.
  • Gute Hygiene, besonders sorgfältiges Händewaschen nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Speisen
  • Gute Handhygiene auch nach Kontakt mit Haustieren
  • Hygienische Vorsichtsmaßnahmen beim Schwimmen und Baden: Möglichst kein Wasser schlucken!
    • Oozysten können in Trinkwasseranlagen und Schwimmbädern überleben, da sie resistent gegen Chlor sind.
  • Patient*innen mit Diarrhö oder nachgewiesener Kryptosporidiose sollten frühestens 2 Wochen nach Abklingen der Symptome wieder öffentliche bzw. gemeinschaftlich genutzte Schwimmbecken oder Badeanstalten aufsuchen.
  • Bei Reisen ins Ausland in Gegenden mit schlechten oder unsicheren hygienischen Bedingungen
    • Nur Wasser verwenden, das in verschlossenen Flaschen verkauft wird.
  • Membranfilteranlagen, chemische Fällung in Sandfiltern und UV-Bestrahlung sind wirksame Mittel, um Oozysten aus dem Trinkwasser zu entfernen.

Meldepflicht gemäß IfSG

  • Der direkte und indirekte Nachweis von humanpathogenen Cryptosporidium sp. ist namentlich meldepflichtig, wenn er auf eine akute Infektion hinweist.2
  • Der Verdacht und die Erkrankung sind namentlich meldepflichtig bei:
    • Personen, die in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung arbeiten oder Kontakt mit Lebensmitteln haben.
    • 2 oder mehr gleichartigen Erkrankungen und ggf. einem epidemischen Zusammenhang.2

Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen/Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben

  • Ausscheidung von Kryptosporidien-Oozysten sind noch Wochen nach Abklingen der Symptome möglich.
  • Schwimmbäder und Badegewässer bis 14 Tage nach Symptomende meiden.
  • Bei stationärer Versorgung eigene Toilette und nicht in einem Zimmer mit immunsupprimierten Patient*innen
  • Personen, die an einer Kryptosporidiose erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 IfSG nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein.
  • Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen von Kindern, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 48 h nach Abklingen der Symptome.2
  • Bei asymptomatischer protrahierter Ausscheidung und Tätigkeit in der Lebensmittelbranche ggf. Einzelfallentscheidung2

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Der Verlauf kann sich mit wässriger Diarrhö über mehrere Wochen erstrecken. Die durchschnittliche Dauer beträgt etwa 12 Tage.4
  • Die Inkubationszeit liegt oft bei 1 Woche oder mehr.
    • Dies unterscheidet den typischen Verlauf von z. B. Norovirus-Ausbrüchen, die nur eine kurze Inkubationszeit haben.

Komplikationen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Dehydratation
  • Die Spätfolgen einer Infektion sind bislang kaum erforscht.
    • Eine Studie beschreibt einen Zusammenhang mit vermehrten Berichten über Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit 2 Monate nach der Infektion.7

Prognose

  • Selbstlimitierende Erkrankung mit guter Prognose bei ansonsten gesunden Personen
  • Bei geschwächtem Immunsystem, vor allem bei T-Zellen-Immundefekten (maligne Bluterkrankungen und HIV) kann die Infektion chronisch werden.
    • Bei Immundefizienz besteht ferner die Gefahr, dass sich der Erreger über den Darmtrakt hinaus ausbreitet, u. a. in Leber und Gallenwege.2

Verlaufskontrolle

  • Ein spezifisches Follow-up ist in der Regel nicht erforderlich.
  • Ein Infektionsrisiko besteht, solange Symptome vorhanden sind.
  • Kontrolluntersuchungen des Stuhls sind nicht erforderlich.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Es handelt sich um eine selbstlimitierende Erkrankung mit guter Prognose.
  • Eine gute Handhygiene ist wichtig, um eine weitere Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
  • Das Trinkwasser sollte abgekocht werden, bis die Quelle der Infektion gefunden und beseitigt ist.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Chen XM, Keithly JS, Paya CV, LaRusso NF. Cryptosporidiosis. N Engl J Med 2002; 346:1723. New England Journal of Medicine
  2. RKI-Ratgeber Kryptosporidiose (22.08.2021). www.rki.de
  3. RKI. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahrgänge 2016 bis 2019 (23.08.2021). www.rki.de
  4. Davies AP, Chalmers RM. Cryptosporidiosis. Clinical review. BMJ 2009; 339: b4168. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. European Center for Disease Prevention and Control; Cryptosporidiosis (23.08.2021). www.ecdc.europa.eu
  6. Abubakar II, Aliyu SH, Arumugam C, Hunter PR, Usman N. Prevention and treatment of cryptosporidiosis in immunocompromised patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 1. Art. No.: CD004932. DOI: 10.1002/14651858.CD004932.pub2. DOI
  7. Hunter PR, Hughes S, Woodhouse S, et al. Health sequele of human cryptosporidiosis in immunecompetent patients. Clin Infect Dis 2004; 39: 504-10. PubMed

Autor*innen

  • Linda Mandel, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Eggenstein
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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