Zusammenfassung
- Definition:Extrapulmonale Manifestation der Tuberkulose mit Befall der Lymphknoten (Lymphknotentuberkulose).
- Häufigkeit:In Deutschland Inzidenz der Tuberkulose von 5 pro 100.000 Einw. pro Jahr. Die Lymphknoten sind mit etwa 15 % der Fälle die häufigste extrapulmonale Manifestation.
- Symptome:Schwellung der Lymphknoten, meist am Hals mit weiteren Symptomen einer Tuberkulose (Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß).
- Befunde:Meist submandibuläre und zervikale Lymphadenopathie mit livider Verfärbung und kaum Druckdolenz.
- Diagnostik:Labordiagnostik, bildgebende Untersuchungen, Histologie und Erregerdiagnostik (Mikroskopie, Kultur).
- Therapie:Die Standardtherapie der Tuberkulose ist Therapie der 1. Wahl.
Allgemeine Informationen
Definition
- Aktive Tuberkulose mit Befall der Lymphknoten (Lymphknotentuberkulose)1-3
- Manifestation meist als zervikale Lymphadenopathie2,4
- seltener mediastinal, abdominal, axillär, inguinal oder multilokulär
Häufigkeit
- Inzidenz der Tuberkulose in Deutschland von 5 pro 100.000 Einw. pro Jahr5
- insgesamt 4.127 Fälle im Jahr 2020 in Deutschland
- Häufigkeitsgipfel bei jungen Erwachsenen (20–40 Jahre)4-6
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen (ca. 2:1).5,7
- Tuberkulöse Lymphadenitis ist mit ca. 15 % die häufigste extrapulmonale Manifestation.3,5
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Erreger
- Tuberkulose wird durch Bakterien der Familie Mycobacteriaceae (M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti) verursacht.1
- obligat aerobe, stäbchenförmige, säurefeste Bakterium
- Der Wirt für M. tuberculosis, M. africanum und M. canetti ist der Mensch.
- M. tuberculosis ist der häufigste Erreger einer tuberkulösen Lymphadenitis.8
- M. bovis war ein historisch häufiger Erreger, der jedoch durch Pasteurisierung und Impfungen unter Rindern nahezu eliminiert wurde.8
- Ansteckung
- Ansteckung in der Regel aerogen als Tröpfcheninfektion
- Ausstoß der Bakterien v. a. beim Husten und Niesen und offener Lungentuberkulose (= Krankheitsherd hat Anschluss an die Luftwege)1
- Bei extrapulmonaler Manifestation der Tuberkulose (z. B. Lymphknoten) besteht kein Infektionsrisiko (Ausnahme: Fistelbildung).1
Manifestation der tuberkulösen Lymphadenitis
- Durch hämatogene oder lymphogene Streuung ist prinzipiell ein Befall jedes Organs (mit oder ohne Lungenbefund) durch Tuberkulose möglich.1,7
- Pulmonale Manifestation (Lungentuberkulose) in rund 71 % der Fälle5
- davon 86 % als offene (infektiöse) Form
- Extrapulmonale Manifestationen der Tuberkulose insgesamt in etwa 29 %5
- Lymphknotenbefall (Lymphadenitis) in ca. 15 %3,5,8
ICPC-2
- A70 Tuberkulose (inkl. aller Lokalisationen)
ICD-10
- A18 Tuberkulose sonstiger Organe
- A18.2 Tuberkulöse Erkrankung in den peripheren Lymphknoten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinischer Befund einer Lymphadenopathie
- Erregerdiagnostik zum Nachweis der Tuberkulose
- z. B. mittels Histologie, Mikrobiologie, Kultur2
Differenzialdiagnosen
- Infektiöse Mononukleose
- Syphilis
- Toxoplasmose
- Katzenkratzkrankheit
- HIV-Infektion
- Maligne Lymphome
- Metastasen
- Sarkoidose
- Unspezifische reaktive Hyperplasie
- Castleman-Krankheit8
- Hypertrophie der Lymphknoten mit angiofollikulärer Lymphhyperplasie
- Siehe auch Lymphadenopathie bei Erwachsenen.
Anamnese
Lymphadenopathie
- Zeitlicher Verlauf (Beginn, Progredienz)
- langsam progrediente Lymphadenopathie > 3 Wochen verdächtig3,8
- Ausbreitung der Lymphknotenschwellung
- Schmerzhaftigkeit (spontan, auf Druck)
Begleitsymptome
- Husten mit Auswurf (> 3 Wochen anhaltender)
- Gewichtsabnahme und Verschlechterung des Allgemeinzustands
- Fieber und Nachtschweiß
Grunderkrankungen und Risikofaktoren
- Kontakt zu Erkrankten mit Tuberkulose
- Grunderkrankungen und Medikamenteneinnahme
- Reise- bzw. Fluchtanamnese
- Tierkontakt
Klinische Untersuchung
Allgemeine körperliche Untersuchung
- Allgemeinzustand
- Vitalparameter
- Gewicht
- Kardiopulmonale Untersuchung
- Zeichen von Atemnot
- Auskultation der Lunge (Atemgeräusche)
Untersuchung der Lymphknoten
- Lokalisation
- Inspektion
- sichtbare Schwellung, Rötung
- typischerweise livide verfärbte Lymphknotenschwellung3
- Palpation
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Labordiagnostik
- Standardlabor2
- Serologie2
- HIV-Serologie nach Beratung und Einwilligung
- bei entsprechenden Hinweisen ggf. Hepatitis-Serologie
Immunologische Tests auf Tuberkulose
- Interferon-Gamma-Tests (Interferon-Gamma-Release-Assay, IGRA)1-3
- Blutprobe zum Nachweis des tuberkulosespezifischen Antigens
- zwei Bluttests verfügbar (Interferonnachweis mittels ELISA und ELISPOT-Verfahren)
- Spezifität wesentlich höher (98–99 %) als beim Tuberkulintest
- Unterscheidung zwischen einer Ansteckung durch M.-tuberculosis-Komplexe und einer Ansteckung mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien oder den Antigenen einer BCG-Impfung
- Sensitivität wird in Studien mit 70–97 % angegeben, je nach verwendetem Test und untersuchter Population (la).
- Tuberkulin-Hauttest (THT, Mendel-Mantoux-Test)1-3
- Der Test basiert auf intrakutaner Injektion von Tuberkulin.
- bei aktiver Erkrankung häufig stark positiv
- sowohl falsch positive (z. B. nach BCG-Impfung) als auch falsch negative (z. B. bei AIDS aufgrund der reduzierten zellulären Immunität) Ergebnisse
- Sensitivität ca. 80 %
- Spezifität ca. 70 %
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebende Diagnostik
- CT oder MRT3
- Sonografie3
- Lymphknoten hypertroph, meist echoarm, z. T. zentrale Einschmelzung, im Verlauf Verkalkungen
- Rö-Thorax in 2 Ebenen bei Hinweisen auf Lungentuberkulose
Probengewinnung
- Biopsie oder Exzision abhängig von Lokalisation und Ausmaß der Lymphadenopathie
- Feinnadelbiopsie bzw. -aspiration9
- unter CT- oder Ultraschallkontrolle (auch: endobronchialer oder ösophagealer Ultraschall)
- weniger invasiv als Exzision8
- Gefahr der Ausbreitung und Fistelbildung
- Lymphknoten-Exzision9
- hohe Sensitivität (ca. 80 %)8
Erregernachweis
- Nachweis von Mykobakterien mittels Mikroskopie, Kultur oder Molekularbiologie in Punktions- bzw. Biopsieproben1-3
- Mikroskopie
- Nachweis säurefester Stäbchen
- nicht-respiratorische Proben häufig bakterienarm und daher falsch-negativ1
- Kultur
- Bakterienkulturen in Flüssig- und auf Festmedien
- Kultivierungszeit in der Regel 1–3 Wochen1
- notwendig zur Resistenzbestimmung
- Molekularbiologischer Nachweis
Umgebungsuntersuchung
- Untersuchung der Kontaktpersonen einer an Tuberkulose erkrankten Person zur Verhinderung einer weiteren Tuberkulose-Ausbreitung
- Umgebungsuntersuchungen erfolgen immer nach Maßgaben des zuständigen Gesundheitsamtes.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
- Kurative Therapie der Tuberkulose-Infektion
- Vermeidung von Komplikationen
- Verhinderung von Ansteckung bei infektiöser (offener) Lungentuberkulose
Allgemeines zur Therapie
- Therapie der Wahl ist die Standardtherapie der Tuberkulose.2-3
- auch nach chirurgischer Exzision betroffener Lymphknoten
- Abhängig vom Verlauf ggf. zusätzlich chirurgische Interventionen notwendig2
- z. B. Inzision, Abszessdrainage, Exzisionen
Medikamentöse Therapie
Standardtherapie
- Zur Vermeidung von Resistenzentwicklung grundsätzlich Kombinationsbehandlung1-3,7,10
- Standardbehandlung bei Erwachsenen1-3
- Viererkombination aus:
- Isoniazid (INH)
- Rifampicin (RMP)
- Pyrazinamid (PZA)
- Ethambutol (EMB).
- Therapiedauer bei Erwachsenen von 6 Monaten
- Viererkombination aus:
- Im Falle von Resistenzen oder Unverträglichkeiten Einsatz von Medikamenten der Nicht-Standardtherapie (früher: Zweitrangmedikamente)1
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Unbehandelt verläuft die Lymphadenitis langsam progredient.8
- Unter Therapie initial Vergrößerung der Lymphknoten in den ersten Wochen und Monaten möglich (ca. 20%)2,8
- Risiko für Ansteckung
- extrapulmonale Tuberkulose (z. B. Lymphknoten, Harnwege, Knochen, Gelenke, Verdauungsorgane) stellt kein Infektionsrisiko dar.2
- Ausnahme: Freisetzung von Erregern durch Fistelbildung
Komplikationen
- Fistelbildung (erhöhtes Risiko nach Biopsie)2
- Progress trotz antituberkulöser Therapie2
- Weitere Organmanifestationen der Tuberkulose (z. B. Lunge, ZNS)
- Tuberkulose mit Poly- oder Multiresistenz2,8
Prognose
- Gute Prognose bei frühzeitiger und adäquater Behandlung
- Therapieerfolg in 84,3 % der Fälle in einer retrospektiven dänischen Studie9
- Prognose abhängig von der Lokalisation2
- bei mediastinaler Lymphadenitis in der Regel adäquate Rückbildung
- bei zervikaler Lymphadenitis z. T. protrahierte Verläufe und Komplikationen (Fistelbildung, Progress)
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Lymphknotentuberkulose
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI). Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 048-016. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
- Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber zu Tuberkulose. Stand: 03.03.2022 (abgerufen am 10.06.2022). www.rki.de
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Tuberkulose im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 020-019. S2k, Stand 2017 (abgelaufen). www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektologie (DGPI). Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 048-016. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
- Geldmacher H, Taube C, Kroeger C, et al. Assessment of lymph node tuberculosis in northern Germany: a clinical review. Chest 2002; 121:1177. PubMed
- Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020, Berlin 2021 (abgerufen am 10.06.2022). www.rki.de
- Perlman DC, D'Amico R, Salomon N. Mycobacterial Infections of the Head and Neck. Curr Infect Dis Rep 2001; 3:233. PubMed
- WHO Global Tuberculosis Programme. Global tuberculosis report 2021. 14.10.2021 (abgerufen am 10.06.2022). www.who.int
- Fontanilla JM, Barnes A, von Reyn CF. Current diagnosis and management of peripheral tuberculous lymphadenitis. Clin Infect Dis. 2011;53(6):555-562. doi:10.1093/cid/cir454 doi.org
- Mathiasen VD, Andersen PH, Johansen IS, Lillebaek T, Wejse C. Clinical features of tuberculous lymphadenitis in a low-incidence country. Int J Infect Dis. 2020;98:366-371. doi:10.1016/j.ijid.2020.07.011 doi.org
- World Health Organization. Global tuberculosis control: epidemiology, strategy, financing. Report No.WHO/HTM/TB/2009.426. Geneva: WHO; 2009. reliefweb.int
Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).