Zusammenfassung
- Definition:Zu einem Abszess im Psoasmuskel kommt es durch lymphogene oder hämatogene Streuung eines Infektes (primär) oder durch Ausbreitung einer Infektion des benachbarten Organs (sekundär).
- Häufigkeit:Bei Erwachsenen ca. 0,4 Fälle pro 100.000 Einw. und Jahr.
- Symptome:Unspezifische, wie z. B. Rückenschmerzen, Flankenschmerzen, unklares Fieber, Leistenschmerzen (dadurch ggf. Verdacht auf Hüftgelenkserkrankung), Störung der Blasenfunktion oder Bauchschmerzen.
- Befunde:Im Liegen machen die Patient*innen ein Hohlkreuz; die Hüfte ist gebeugt und nach außen gedreht. Die isometrische Flexion des Psoasmuskels verursacht Schmerzen.
- Diagnostik:CRP, BSG, Leukozytenzahl erhöht. Bildgebung: vorzugsweise CT.
- Therapie:In erster Linie durch perkutane Drainage und Antibiotikagabe.
Allgemeine Informationen
Definition
- Ein Psoasabszess tritt im Psoasmuskel auf und kann primär oder sekundär sein.
- primär: durch hämatogene oder lymphogene Streuung eines entfernten Fokus
- sekundär: Ausbreitung per continuitatem von einem benachbarten Organ.1
Häufigkeit
- Sehr seltene Erkrankung, Inzidenz im Vereinigten Königreich 0,4/100.000 Einw.1
- Für Deutschland gibt es keine Daten.
- Geografische Verteilung
- in Asien und Afrika bei mehr als 90 % der Fälle primäre Ursache, in Europa nur 19 % der Fälle1
Klinische Anatomie
- Der Psoasmuskel liegt im Retroperitonealraum. Er entspringt an den Seitenflächen von Th12 bis L5 und setzt am Trochanter minor an.
- Die Innervation des Muskels erfolgt aus L2, L3 und L4.
- Mündet mit dem Musculus iliacus in eine gemeinsame Sehne, die am Trochanter minor ansetzt. Zusammen bilden sie den Musculus iliopsoas.
- Nachbargorgane, von denen eine direkte Ausbreitung einer Infektion in den Muskel möglich ist:
- Colon sigmoideum
- Jejunum
- Appendix
- Harnleiter
- Aorta
- Nieren
- Pankreas
- iliakale Lymphknoten
- Wirbelsäule
- Hüftgelenk.
- Nachbargorgane, von denen eine direkte Ausbreitung einer Infektion in den Muskel möglich ist:
Ätiologie und Pathogenese
- Mikrobiologie
- Früher wurden Psoasabszesse meistens von einer Tuberkulose der Wirbelsäule (Pott-Krankheit) verursacht. Da die Tuberkulose mittlerweile weit weniger verbreitet ist, wird ein Psoasabszess heute in der Regel von Erkrankungen des Verdauungstrakts ausgelöst.1-2
- Primärursachen
- Sekundärursachen
- direkte Ausbreitung einer bestehenden Infektion
- verbreitete Sekundärursachen:1
- Morbus Crohn
- Appendizitis
- Colitis ulcerosa
- Divertikulitis
- kolorektales Karzinom
- Spondylodiszitis
- Infektionen des Urogenitaltraktes oder iatrogen nach Eingriffen am Urogenitaltrakt
- septische Hüftarthritiden, auch nach Hüftgelenksimplantationen.
- häufigste Erreger:
- Staphylokokkus aureus
- Escherichia coli
- Bacteroides und andere Darmkeime
- sowie Mykobakterium tuberkulosis.5
Prädiktoren
- Immunsupression
- HIV-Infektion
- Diabetes mellitus
ICPC-2
- A70 Tuberkulose
- A78 Q-Fieber
- L70 Infektion des muskuloskelet. Systems
ICD-10
- K65.0 Akute Peritonitis
- M60.05 Infektiöse Myositis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose stellt eine Herausforderung dar und muss mittels CT oder MRT verifiziert werden.
Differenzialdiagnosen
- Coxitis
- Calvé-Legg-Perthes-Krankheit
- Nierenbeckenentzündung
- Osteomyelitis
- Neoplasma
- Divertikulitis
- Retrozökale Appendizitis
- Lumboischialgie
- Aortenaneurysma
Anamnese
- Meist unspezifische Symptomatik, schleichender Beginn
- Rückenschmerzen/Flankenschmerzen
- Fieber ohne ersichtlichen Grund
- Leistenschmerzen (dadurch ggf. Verdacht auf Hüftgelenkserkrankung)
- Störung der Blasenfunktion
- unspezifische Bauchschmerzen
- Gewichtsverlust
- Abgeschlagenheit.1
- Bei Kindern
- häufig Fieber, Hinken und Hüftschmerzen
- wichtigste Differenzialdiagnose Hüftgelenkserkrankungen
Klinische Untersuchung
- In Rückenlage unwillkürliche Haltung im Hohlkreuz und mit gebeugter, leicht außenrotierter Hüfte
- Selten tastbarer Widerstand in der Leistengegend
- Ggf. eingeschränkte Beweglichkeit des Hüftgelenks
- Isomerischer Psoastest (Psoas-Zeichen)
- Das Beugen und Strecken des entzündeten Psoasmuskels gegen Widerstand löst Schmerzen aus.
- Druckschmerzhaftes Abdomen
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Die Entzündungswerte CRP, BSG und Leukozytenzahl sind erhöht.
- Abdomensonografie: Ausschluss von Differenzialdiagnosen, ggf. Darstellung des Abszesses, jedoch häufig eingeschränkte Beurteilbarkeit
Diagnostik bei Spezialist*innen
- CT oder MRT
- MRT hat höhere Sensitivität als CT
- Vorteil der CT: gleichzeitige CT-gesteuerte perkutane Abszessdrainage möglich1
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung in eine chirurgische Abteilung
Therapie
Therapieziele
- Beseitigung der Infektion und vollständige Entleerung der Abszesshöhle1
Allgemeines zur Therapie
- Behandlung in erster Linie durch perkutane Drainage und Antibiotikagabe
- Bei kleinen Abszessen kann die alleinigen Antibiotikatherapie ausreichend sein.5
Medikamentöse Therapie
- Antibiotika1,5
- zunächst empirische Therapie mit einem Breitspektrum-Antibiotikum mit Wirksamkeit gegen Staphylokokkus aureus
- nach Ermittlung des Erregers gezielte Therapieanpassung
Interventionelle/operative Therapie
- Meist CT-gesteuerte Punktion und Drainage möglich
- weniger invasiv als operative Therapie
- Erfolgsrate bis zu 87 %6
- Offen chirurgische Drainage, wenn
- ein intraabdomineller Prozess zugrunde liegt, der eine Operation erfordert (Divertikulitis, M. Crohn etc.).
- der Abszess CT-gesteuert nicht erreicht oder ausreichend drainiert werden kann (kleine oder gekammerte Abszesse).1
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Rezidive möglich
Prognose
- Mortalität bis zu 20 %, abhängig von der Ursache und den Komorbiditäten7
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Shields D, Robinson P, Crowley TP. Iliopsoas abscess--a review and update on the literature. Int J Surg. 2012;10(9):466-9. www.sciencedirect.com
- van den Berge M, de Marie S, Kuipers T, Jansz AR, Bravenboer B. Psoas abscess: report of a series and review of the literature. Neth J Med 2005; 63: 413-6. PubMed
- Diaco ND, Strohdach B, Falkowski AL, Hainc N, Brunner P, Rutishauser J, Jost L, Tarr PE. Psoas Abscess Due to Mycobacterium avium in A Patient with Chronic Lymphocytic Leukemia-Case Report and Review. J Clin Med. 2019 Feb 7;8(2):216. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Vajdić ID, Štimac G, Pezelj I, Mustapić M, Grazio S. Psoas abscess during treatment with intravenous tocilizumab in a patient with rheumatoid arthritis: a case-based review. Rheumatol Int. 2021 Apr;41(4):819-825. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Navarro López V, Ramos JM, Meseguer V, Arellano JLP, Serrano R, Ordonez MAG, et al. Microbiology and outcome of iliopsoas abscess in 124 patients. Medicine (Baltimore) 2009;88:120–130. doi: 10.1097/MD.0b013e31819d2748. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Aboobakar R, Cheddie S, Singh B: Surgical management of psoas abscess in the Human Immunodeficiency Virus era. Asian J Surg 2016; pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Garner J, Meiring PD, Ravi K, Gupta R. Psoas abscess-not as rare as we think? Colorectal Dis 2007; 9: 269-74. PubMed
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).