Aortenklappenstenose (Aortenstenose)

Zusammenfassung

  • Definition:Einengung der Aortenklappe mit Ausbildung eines Druckgradienten und Flussbeschleunigung über der Klappe. Es resultiert eine chronische Druckbelastung des linken Ventrikels.
  • Häufigkeit:Kalzifizierende Aortenklappenstenose (AS) in Industrieländern mit Abstand am häufigsten, rheumatische und angeborene Formen seltener. Häufigkeit steigt dementsprechend mit dem Lebensalter, Prävalenz bei über 65-Jährigen ca. 2–9 %.
  • Symptome:Belastungsangina, Schwindel und Synkope, Leistungsintoleranz, Herzinsuffizienz.
  • Befunde:Bei der körperlichen Untersuchung Pulsus parvus et tardus, auskultatorisch rauhes Crescendo-Decrescendo-Systolikum. Im EKG häufig Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie. Laborchemisch evtl. Erhöhung des BNP.
  • Diagnostik:Echokardiografie entscheidendes diagnostisches Verfahren. Der Schweregrad wird bestimmt durch Messung des mittleren Druckgradienten und der maximalen Flussgeschwindigkeit über der Klappe sowie Berechnung der Klappenöffnungsfläche.
  • Therapie:Prognoseverbesserung nur durch Klappenersatz. Die Indikation besteht durchweg bei symptomatischer AS. Bei asymptomatischen hochgradigen AS besteht die Indikation bei Risikoprädiktoren (u. a. linksventrikuläre Dysfunktion, positiver Belastungstest), ansonsten „Watchful Waiting“ bis zur Entwicklung von Symptomen. Der kathetergestützte Klappenersatz (TAVI) wird mittlerweile deutlich häufiger durchgeführt als die konventionelle Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Einengung der Aortenklappe mit Ausbildung eines Druckgradienten und Flussbeschleunigung über der Klappe
  • Durch die Nachlasterhöhung resultiert eine chronische Druckbelastung des linken Ventrikels.

Häufigkeit

  • Die Aortenklappenstenose (AS) ist die häufigste klinisch signifikante Klappenerkrankung.
    • 43 % der Patient*innen mit isolierter Klappenerkrankung1
  • Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung ca. 0,3–0,5 %2
  • Zunahme der Häufigkeit mit dem Alter3-4
    • bei > 65-Jährigen Prävalenz der kalzifizierten AS 2–9 %5
    • bei > 75-Jährigen Prävalenz der AS 12,4 %, der hochgradigen AS 3,4 %6
  • Vorkommen von AS aber auch bereits im Kindes- und Jugendalter möglich7
    • angeborene Verengungen von mono-, bi-, tri- oder quadrikuspiden Klappen
    • bikuspide Aortenklappe am häufigsten 

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • In Industrieländern überwiegend degenerative Aortenklappenstenosen3
  • Angeborene Veränderungen der Klappe mit häufig konsekutiver Entwicklung einer AS umfassen vor allem bikuspide Aortenklappen8-9
    • Häufigkeit der bikuspiden Aortenklappe ca. 1 % in der allgemeinen Bevölkerung, Männer zu Frauen ca. 2:18
  • Verteilung der Kuspidie bei Patient*innen mit AS stark altersabhängig10
    • bei Patient*innen > 75 Jahre ganz überwiegend trikuspide Aortenklappen
    • bikuspide Klappen häufig bei Patient*innen < 65 Jahre

Pathogenese

  • Früher Annahme einer Degeneration der Klappe mit Kalziumablagerungen überwiegend duch mechanisch bedingten Stress
  • Es gibt mittlerweile Hinweise für einen komplexen pathophysiologischen Prozess.11
    • Frühphase mit Lipidablagerung/Entzündung ähnlich wie bei Atherosklerose
    • Ausbreitungsphase mit Progression durch Kalzifikationen
  • Neue pathophysiologischer Erkenntnisse geben möglicherweise Ansatzpunkte für neue Therapieansätze, sind derzeit aber noch im Forschungsstadium.11
  • Aortenklappensklerose als Ausgangspunkt einer möglichen Stenosierung ist ein häufiger, altersabhängiger Befund.12
    • 9 % bei mittlerem Alter der Studienteilnehmer*innen von 54 Jahren
    • 42 % bei mittlerem Alter der Studienteilnehmer*innen von 81 Jahren
  • Progression von Aortenklappensklerose zu -stenose bei knapp 2 % pro Jahr12-13
  • Schnellere Progression des Schweregrades der AS bei Patient*innen mit schweren Kalzifikationen14
  • Aortenklappensklerose und -kalzifikationen sind Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.12,15-16
  • Entwicklung der pathogenetisch bedeutsamen Veränderungen während längerer Latenzperiode17-18
    • Druckbelastung führt zu Hypertrophie des linken Ventrikels.
    • zunächst normale bis erhöhte systolische Funktion
    • zunehmende diastolische Funktionsstörung, diastolische Herzinsuffizienz 
    • erhöhter Beitrag der atrialen Kontraktion zur diastolischen Füllung, Belastung des linken Vorhofs
    • verminderte koronare Flussreserve und erhöhter myokardialer O2-Bedarf 
    • Herzminutenvolumen kann unter Belastung nicht mehr gesteigert werden.
    • neben der diastolischen schließlich auch zunehmende systolische Herzinsuffizienz
    • Neues Vorhofflimmern führt meist zu einer deutlichen hämodynamischen Verschlechterung durch den dann fehlenden „atrialen Kick“.
  • Nach langer asymptomatischer Phase mit guter Prognose bedeutet das Auftreten von Symptomen eine rasche Verschlechterung der Prognose.19
  • Mortalität > 50 % in 2–3 Jahren nach Symptombeginn20 

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • K83 Herzklappenerkrankung NNB
  • K71 Rheumatisches Fieber/Herzerkrankung

ICD-10

  • I06 Rheumatische Aortenklappenkrankheiten
    • I06.0 Rheumatische Aortenklappenstenose
    • I06.2 Rheumatische Aortenklappenstenose mit Insuffizienz
  • I35 Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten
    • I35.0 Aortenklappenstenose
    • I35.2 Aortenklappenstenose mit Insuffizienz
  • Q25.3 Stenose der Aorta

Diagnostik

Diagnostische Kriterien und Klassifikation

Diagnostische Kriterien

  • Hinweise für Verkalkungen/Obstruktion im Bereich der Aortenklappe durch:
    • klinische Untersuchung: Auskultationsbefund, Palpationsbefund
    • Bildgebung: Rö-Thorax, Echokardiografie, CT.
  • Objektivierung einer Obstruktion üblicherweise durch Echokardiografie:
    • Nachweis einer Flussbeschleunigung/eines Druckgradienten über der Klappe
    • Bestimmung einer verkleinerten Klappenöffnungsfläche.

Klassifikation der Aortenklappenstenose/-sklerose

  • Die Veränderungen der Aortenklappe von der hämodynamisch unbedeutenden Sklerose bis zur schwerstgradigen Einengung stellt ein Kontinuum dar.10
  • Im Alltag üblich und auch in den Leitlinien vorgenommen ist die Einteilung in Aortenklappensklerose sowie leicht-, mittel- und hochgradige AS.

Leitlinie: Klassifikation der Aortenklappenstenose10

  • Hochgradige AS
    • Klappenöffnungsfläche < 1,0 cm2  
    • mittlerer Gradient ≥ 40 mmHg
    • max. Geschwindigkeit ≥ 4,0 m/s
  • Mittelgradige AS
    • Klappenöffnungsfläche 1,0–1,5 cm2
    • mittlerer Gradient 20–40 mmHg
    • max. Geschwindigkeit 3,0–4,0 m/s
  • Leichtgradige AS
    • Klappenöffnungsfläche > 1,5 cm2
    • mittlerer Gradient < 20 mmHg
    • max. Geschwindigkeit 2,6–2,9 m/s
  • Aortenklappensklerose
    • max. Geschwindigkeit ≤ 2,5 m/s

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Meistens asymptomatisch über einen längeren Zeitraum18
  • Auftreten von Symptomen in der Spätphase der Erkrankung, klassische Trias:
    • Angina
    • Synkope (Schwindel)
      • bei ca. 10 % der symptomatischen Patient*innen21
    • Dyspnoe
      • häufigstes Symptom, bei über 2/3 der symptomatischen Fälle.21
  • Gerade bei älteren Patient*innen nicht selten nur verminderte Belastungstoleranz als Erstmanifestation17

Klinische Untersuchung

Auskultation

  • Systolisches Crescendo-Decrescendo-Geräusch
    • Punctum maximum links parasternal (Erb) oder 2. ICR rechts parasternal
    • Fortleitung des Geräusches in die Karotiden
    • Lautstärke des Geräuschs korreliert nicht mit dem Schweregrad22
  • Abgeschwächter 2. Herzton
    • paradox gespaltener 2. Herzton durch verzögerten Aortenklappenschluss
  • 4. Herzton: betonter enddiastolischer Einstroms durch starke atriale Kontraktion
  • Siehe auch Artikel Herzgeräusche bei Erwachsenen.

Palpation

  • „Pulsus parvus et tardus“: verminderte Pulsamplitide, verzögerter Pulsanstieg
    • Einfache, aber diagnostisch wertvolle Methode: Ein normaler Pulsanstieg mit normaler Amplitude schließt eine hochgradige AS weitgehend aus.
  • Bei einzelnen Patient*innen Schwirren am rechten oberen Sternalrand palpabel

Blutdruck

  • Der Blutdruck kann normal, erniedrigt oder erhöht sein.
  • Entgegen einer immer noch verbreiteten Annahme schließt ein hoher Blutdruck eine schwergradige Aortenklappenstenose nicht aus!18

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

EKG

Rö-Thorax

  • Nachweis von Kalzifikationen im Bereich von Aortenklappenring/-klappe
  • Evtl. Nachweis von Stauungszeichen
  • In fortgeschrittenen Stadien evtl. Zeichen der pulmonalen Hypertonie
  • Ausschluss/Nachweis primär pulmonaler Ursachen bei Dyspnoe als Leitsymptom  

Labor

  • NT-proBNP
    • erhöhte NT-proBNP-Spiegel bei AS mit schlechterer Prognose verbunden25
    • Teil der Risikostratifizierung bei asymptomatischen Patient*innen26

Diagnostik bei Spezialist*innen

Echokardiografie

  • Die Echokardiografie ist das wichtigste Bildgebungsverfahren.26
    • Quantifizierung des Schweregrades der AS, Erfassung von Kalzifikationen
    • Quantifizierung von LV-Funktion und LV-Hypertrophie
    • Beurteilung der Aorta ascendens
    • Erfassung anderer Klappenvitien
  • Wichtigste echokardiografische Parameter zur Beurteilung des Schweregrades:26
    • max. Flussgeschwindigkeit im Bereich der Stenose
    • mittlerer transvalvulärer Druckgradient
    • Aortenklappenöffnungsfläche (Berechnung mit der Kontinuitätsgleichung).
  • Routineverfahren ist die transthorakale Echokardiografie (TTE).
  • Transösophageale Echokardiografie (TEE) inkl. 3D-TEE evtl. im Rahmen der Planung eines katheterinterventionellen Klappenersatzes (TAVI).
  • Low-dose-Dobutamin-Stressechokardiografie im Einzelfall sinnvoll bei Patient*innen mit V. a. hochgradige AS und reduzierter LV-Funktion zur Unterscheidung zwischen tatsächlicher und Pseudo-AS

CT

  • Im Rahmen der Planung operativer und vor allem auch katheterinterventioneller (TAVI = Transcatheter Aortic Valve Implantation) Eingriffe:
    • Ausmaß und Verteilung der Kalzifikationen von Klappe, Annulus und Aorta
    • Bestimmung von Größe und Form des Annulus und der Aortenwurzel
    • Messung des Abstands von Annulus und Koronararterien
    • Beurteilung der Gefäßverhältnisse von Aorta, Iliacal- und Femoralarterien
  • CT Calcium Score möglicherweise prädiktiv für die Erkrankungsprogression11

MRT

  • Kein Routineverfahren bei Aortenklappenstenose
  • Ermöglicht Bestimmung von Klappenöffnungsfläche und Flussgeschwindigkeit im Bereich der Stenose.27-28 

Belastungstest

  • Sinnvoll bei körperlich aktiven Patient*innen zur Symptomdemaskierung26,29
  • Teil der Risikostratifizierung bei asymptomatischen Patient*innen10,26  

Koronarangiografie/Herzkatheteruntersuchung

  • Koronarangiografie zum Ausschluss/Nachweis einer KHK vor OP/TAVI
  • Angiografische Beurteilung der supravalvulären Abschnitte vor TAVI
  • Invasive Quantifizierung der AS heutzutage nur noch nötig, falls mit nichtinvasiven Verfahren nicht möglich oder nicht eindeutig

Leitlinie: Koronarangiografie vor Klappenchirurgie26

  • Koronarangiografie ist empfohlen vor Klappenchirurgie, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
    • Vorgeschichte einer KHK
    • V. a. Myokardischämie
    • systolische LV-Dysfunktion
    • Männer > 40 Jahre, postmenopausale Frauen
    • 1 oder mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren.

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

Zur Spezialist*in

  • Bei V. a. Aortenklappenstenose
  • Bei neuer/progredienter Symptomatik bei bekannter AS

In die Klinik

  • Bei Dekompensation

Therapie

Therapieziele

  • Prognose verbessern.
  • Symptome lindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Die einzige prognoseverbessernde Behandlung ist ein Klappenersatz durch Chirurgie oder Katheterintervention (TAVI).
  • Medikamentöse Therapie symptomorientiert
    • Symptome der Herzinsuffizienz sollten gemäß der entsprechenden Richtlinien behandelt werden.30
    • Begleitende Hypertonie nicht selten, antihypertensive Therapie kann bei asymptomatischer AS erforderlich sein.18
      • ACE-Hemmer können bei AS verabreicht werden.26
    • Statine haben keinen Einfluss auf die Progression einer AS.31-32

Vorgehen bei symptomatischen bzw. asymptomatischen Patient*innen

  • Bei Patient*innen mit symptomatischer AS sollte möglichst frühzeitig ein Eingriff durchgeführt werden aufgrund der ansonsten sehr schlechten Prognose.26
    • Davon ausgenommen sind nur Patient*innen, bei denen keine relevante Verbesserung von Überleben oder Lebensqualität zu erwarten ist.26
  • Bei asymptomatischen Patient*innen mit hochgradiger AS ist der Entscheidungsprozess schwieriger:26
    • Empfohlen wird ein Eingriff bei LV-Dysfunktion sowie beim Auftreten von Symptomen während eines Belastungstests.
    • Erwogen soll ein Eingriff bei sehr hochgradiger Stenose, schneller Progression oder deutlich erhöhten Werten des NT-proBNP.
    • Ohne solche Prädiktoren eines erhöhten Risikos ist „Watchful Waiting“ bis zum Auftreten von Symptomen eine gute und sichere Strategie.

Chirurgischer Klappenersatz vs. TAVI (Transcatheter Aortic Valve Implantation)

  • Chirurgischer Herzklappenersatz war über Jahrzehnte das Standardverfahren.
    • Allerdings wurden insbesondere ältere Patient*innen aufgrund des erhöhten Risikos häufig nicht operiert.33
  • 2002 erste TAVI34
    • Im Folgenden konnte die Wirksamkeit von TAVI im Vergleich zu medikamentöser bzw. operativer Therapie in zahlreichen Studien belegt werden.35-40
  • Aufgrund der guten Ergebnisse ist TAVI in den vergangenen Jahren Standard bei Patient*innen mit erhöhtem OP-Risiko sowie in höherem Lebensalter geworden.41
  • Die Anzahl der TAVI-Prozeduren übertrifft daher zunehmend die Anzahl der konventionellen Operationen.
    • 2019 wurden in Deutschland 24.386 TAVI gegenüber 7905 Operationen durchgeführt.42
  • Für die Entscheidung über die Art des Eingriffs ist das „Herz-Team“ von zentraler Bedeutung.43
    • Berücksichtigung von klinischen, anatomischen und prozeduralen Kriterien für eine gemeinsame Entscheidungsfindung von Kardiolog*innen und Kardiochirurg*innen43

Kriterien zugunsten von chirurgischem Klappenersatz26

Klinische Kriterien
  • Jüngeres Alter (< 75 Jahre)
  • Niedriges OP-Risiko
  • Endokarditis
Anatomische und prozedurale Kriterien
  • Schwieriger transfemoraler Zugang für TAVI
  • Aortenringdimensionen nicht mit verfügbaren TAVI-Klappen vereinbar
  • Klappenmorphologie ungünstig für TAVI
  • Bikuspide Aortenklappe
  • Begleitende Herzerkrankung, die eine OP erfordert (z. B. KHK).

Kriterien zugunsten von TAVI26

Klinische Kriterien
  • Höheres Alter (≥ 75 Jahre)
  • Erhöhtes OP-Risiko 
  • Gebrechlichkeit
  • Frühere Herz-OP (z. B. erhöhtes Risiko durch wiederholte Sternotomie)
Anatomische und prozedurale Kriterien
  • TAVI transfemoral durchführbar
  • St. n. Bestrahlung
  • Porzellanaorta
  • Thoraxdeformation/Skoliose

Indikation zum Klappenersatz und Wahl des Verfahrens26

Symptomatische Aortenklappenstenose

  • Intervention (OP oder TAVI) empfohlen bei symptomatischen Patient*innen mit hochgradiger AS (I/B)
  • Intervention ist nicht empfohlen bei Patient*innen mit schweren Komorbiditäten, wenn die Intervention wahrscheinlich keine Verbesserung der Lebensqualität oder Verlängerung der Lebenserwartung > 1 Jahr bewirkt (III/C).

Asymptomatische Patient*innen mit hochgradiger Aortenklappenstenose

  • Intervention (OP oder TAVI) empfohlen bei asymptomatischen Patient*innen mit LV-Dysfunktion (EF < 50 %) ohne andere Ursache (I/B)
  • Intervention empfohlen bei asymptomatischen Patient*innen mit Symptomen beim Belastungstest (I/C)
  • Eine Intervention sollte erwogen werden bei asymptomatischen Patient*innen mit normaler LV-Funktion und normalem Belastungstest, wenn das Interventionsrisiko gering ist und eines der folgenden Kriterien erfüllt (IIa/B):
    • sehr hochgradige AS (mittlerer Gradient ≥ 60 mmHg oder Vmax > 5 m/s)
    • schwere Verkalkung der Klappen (bestimmt im CT) und Progression der Vmax ≥ 0,3 m/s
    • deutlich erhöhte Werte von NT-proBNP (> 3-facher oberer Normwert) bei wiederholter Messung ohne andere Erklärung

Wahl des Verfahrens (OP vs. TAVI)

  • OP ist empfohlen für Patient*innen < 75 Jahre mit niedrigem OP-Risko oder für operable Patient*innen, bei denen eine transfemorale TAVI nicht möglich ist (I/B).
  • TAVI ist empfohlen für Patient*innen > 75 Jahre oder für Patient*innen mit hohem OP-Risiko bzw. nichtoperable Patient*innen (I/A).
  • OP oder TAVI ist bei den übrigen Patient*innen empfohlen abhängig von klinischen, anatomischen und prozeduralen Kriterien (I/B).
  • Die Wahl des Verfahrens erfordert eine sorgfältige Evaluation durch das Herzteam, dessen Empfehlung soll für eine informierte Entscheidung mit den Patient*innen diskutiert werden (I/C).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

  • Entdeckung der Erkrankung häufig zufällig bei Auskultation des Herzens im noch asymptomatischen Stadium
  • Ansonsten Diagnosestellung nach längerer Latenzphase bei Symptombeginn
  • Symptomatische AS ohne Klappenersatz mit schlechter Prognose
    • Die Überlebensrate beträgt:
      • nach 2–3 Jahren ca. 50 %19
      • nach 1, 5 und 10 Jahren 62 %, 32 % und 18 %.44
    • Die Art der Symptome beeinflusst die Prognose.19,45
      • Patient*innen mit Angina mittleres Überleben ca. 5 Jahre
      • Patient*innen mit Synkope mittleres Überleben ca. 3 Jahre
      • Patient*innen mit Herzinsuffizienz mittleres Überleben ca. 2 Jahre
  • Asymptomatische Patient*innen mit deutlich besserer Prognose
    • Risiko des plötzlichen Herztodes ca. 1 % pro Jahr bei asymptomatischer hochgradiger AS46
    • Eine Unterscheidung gerade bei Älteren ist nicht einfach zwischen tatsächlich asymptomatischen Patient*innen und scheinbar asymptomatischen mit maskierter Belastungsintoleranz durch reduzierte Aktivität.
  • Kurzfristig kommt es nach OP häufiger zu Schlaganfall, Nierenersatztherapie und Erythrozytentransfusionen, während nach TAVI Gefäßkomplikationen und die Notwendigkeit zur Herzschrittmacherimplantation häufiger sind.42,47
  • Nach chirurgischen Klappenersatz oder TAVI Prognose ähnlich zu vergleichbarer Population der Allgemeinbevölkerung48-49
  • In einer Studie an Patient*innen mit intermediärem OP-Risiko zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der 5-Jahres-Sterblichkeit zwischen TAVI (47,9 %) und OP (43,4 %).50

Verlaufskontrolle

  • Patient*innen mit asymptomatischer, schwergradiger AS sollten alle 6 Monate reevaluiert werden hinsichtlich Änderungen bei:26
    • Belastungstoleranz (evtl. mit Belastungstest)
    • echokardiografischen Parametern
    • NT-proBNP.
  • Bei ausgeprägter Kalzifikation jährliche Kontrollen auch bei leicht-mittelgradigen Stenosen26
  • Bei jüngeren Patient*innen mit leichter Stenose ohne signifikante Kalzifikation ist eine Kontrolle alle 2–3 Jahre ausreichend.26
  • Nach Klappenersatz erste Verlaufskontrollen nach Maßgabe des Zentrums, im weiteren Verlauf jährliche Kontrollen bei stabiler Situation, weitere Kontrollen bei klinischer Verschlechterung 

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Herzgeräusche

Aortenstenose

 Quellen

Leitlinien

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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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