Polyarteriitis nodosa

Zusammenfassung

  • Definition:Polyarteriitis nodosa (PAN) ist eine nekrotisierende Arteriitis mittelgroßer oder kleiner Arterien ohne Glomerulonephritis, ohne Vaskulitis von Arteriolen/Kapillaren/Venolen und ohne antizytoplasmatische Antikörper (ANCA).
  • Häufigkeit:Seltene Erkrankung, Prävalenz ca. 2–30/1.000.000 Einw.
  • Symptome:Allgemeinsymptome sind Fieber, Fatigue, Gewichtsverlust, Myalgien und Arthralgien. Weitere Symptome abhängig vom Organbefall, häufiger sind Hautveränderungen, abdominelle Beschwerden, motorische und sensorische Ausfälle peripherer Nerven, Hämaturie. Es gibt neben der systemischen auch eine rein kutane Form der PAN.
  • Befunde:Hautveränderungen (Livedo reticularis, Purpura, Knötchen, Ulzerationen, akrale Nekrosen). Motorische und sensorische Ausfälle durch Mononeuritis multiplex (vor allem N. peronaeus, N. tibialis, N. ulnaris). Arterielle Hypertonie bei Nierenbeteiligung. Laborchemisch erhöhte Entzündungsparameter (BSG, CRP). Evtl. serologischer Nachweis einer Hepatitis B bei HBV-assoziierter PAN.
  • Diagnostik:Sicherung der Diagnose durch Angiografie (charakteristische Mikroaneurysmen vor allem renaler, mesenterialer und hepatischer Arterien) und Biopsie betroffener Organe.
  • Therapie:Medikamentöse Therapie mit Glukokortikoiden und Immunsuppressiva.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Definition der Chapel Hill Consensus Conference 20121-3
    • nekrotisierende Arteriitis mittelgroßer oder kleiner Arterien
    • nicht mit ANCA assoziiert
  • Früher gebräuchliche Begriffe wie Panarteriitis nodosa oder Periarteriitis nodosa sind nicht mehr gültig.4

Häufigkeit

  • Seltene Erkrankung, auch innerhalb der Gruppe der Vaskulitiden5-6
  • Prävalenz ca. 2–30/1.000.000 Einw.6
  • Auftreten typischerweise zwischen 40. und 50. Lebensjahr7
  • Männer sind häufiger betroffen als Frauen (ca. 2:1).4,7
  • Kommt in allen ethnischen Gruppen vor.8

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ätiologie der PAN ist unbekannt.9
  • Die idiopathische (früher „klassische") PAN ist sehr selten.2
  • Bei der HBV-assoziierten PAN bestehen Hinweise für eine immunkomplexinduzierte Erkrankung, ansonsten ist die Rolle von Immunkomplexen für die Krankheitsentstehung noch unklar.7,9
  • Im Gegensatz zu anderen Vaskulitiden gibt es bei der PAN mehrere identifizierte Trigger für die Erkrankung:10
  • Die PAN kann aber auch als Einzelorganerkrankung auftreten, z. B. kutane PAN oder muskuläre PAN.11-16
    • Die kutane PAN tritt bevorzugt an der unteren Extremität auf.17
  • Histologisch fibrinoide Nekrose der Media kleiner und mittelgroßer Arterien7
  • Segmentaler Befall häufig im Bereich von Bifurkationen und Seitenästen7
  • Medianekrose und nachfolgend Schädigung der Intima führt zu:7
    • lokalen Thrombosen
    • Intimaproliferation mit evtl. Stenose/Verschluss des Gefäßes
    • Ausbildung von Aneurysmen mit Gefahr der Ruptur.
  • Das klinische Bild ist unterschiedlich je nach betroffener Gefäßregion.
  • Bei der systemischen PAN ist die Niere das am meisten betroffene Organ (bis 75 %), die auch am häufigsten für eine schlechte Prognose verantwortlich ist.7

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • K99 Herz-/Gefäßerkrankung, andere

ICD-10

  • M30 Panarteriitis nodosa und verwandte Zustände
    • M30.0 Panarteriitis nodosa

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdacht auf die Erkrankung durch Anamnese und klinischen Befund
    • Aufgrund der meist unspezifischen Kombination aus Allgemein- und Organsymptomen ergibt sich der Verdacht häufig erst mit Zeitverzögerung und nach Ausschluss anderer Diagnosen.
  • Angiografische Gefäßdarstellung mit charakteristischem Bild aus Stenosen und Mikroaneurysmen
  • Biopsie im Bereich betroffener Organe mit histologischer Untersuchung
  • Die früher häufig verwendeten ACR-Kriterien von 1990 finden heute im klinischen Alltag kaum noch Anwendung.6

Differenzialdiagnosen

  • Andere Vaskulitiden
  • Infektionen
  • Systemerkrankungen
  • Malignome
  • Cholesterinembolien

Anamnese

  • Die Erkrankung kann zu einem breiten Spektrum klinischer Manifestationen führen.
  • Das klinische Bild kann sich schleichend entwickeln, aber es kann auch zur plötzlichen Manifestation durch schwere Komplikationen kommen.10
  • Damit die Zeit bis zu Diagnosestellung und Therapiebeginn möglichst kurz bleibt, kommt den Hausärzt*innen als Erstkontakt eine übergeordnete Rolle im Rahmen der interdisziplinären Abklärung zu.18

Häufigere Symptome

Seltenere Symptome

Klinische Untersuchung

  • Kreislauf
  • Haut
    • Livedo reticularis
    • Petechien, Purpura
    • Noduli
    • Ulzerationen
    • akrale Nekrosen
  • Nerven
    • periphere motorische und sensorische Ausfälle, häufig asymmetrisch (Mononeuritis multiplex v. a. im Bereich von N. peronaeus, N. tibialis, N. ulnaris)
  • Magen-Darm-Trakt
    • abdomineller Druckschmerz

Ergänzende Untersuchungen – Labor

  • Es gibt keine spezifischen Labormarker für PAN

Blut

  • Entzündungsparameter
    • BSG (bei 80 % >30 mm/h6)
    • CRP (im Schnitt 20-fach erhöht6)
  • Blutbild
    • normochrome Anämie, Leukozytose, Thrombozytose9
  • Eiweißelektrophorese
    • Hypergammaglobulinämie bei 30 %9
  • Nierenretentionswerte
    • Abnahme der eGFR, Anstieg des Kreatinins bei Nierenbeteiligung
  • Transaminasen
    • Erhöhung bei Leberbeteiligung, viraler Hepatitis
  • CK
    • Kann bei muskulärer Beteiligung erhöht sein, es gibt aber auch Fälle einer muskulären PAN ohne CK-Erhöhung.16
  • Serologie
    • Hepatitis B und C 
    • Marker rheumatologischer Erkrankungen
      • ANCA negativ (definitionsgemäß)
      • Rheumafaktor bei 1/3 positiv, v. a. bei Hepatitis B-assoziierter PAN7
      • ANA können im Einzelfall leicht erhöht sein.9

Urin

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebung

  • Nachweis charakteristischer Gefäßveränderungen (Stenosierungen und Mikroaneurysmen) vor allem in Mesenterial-, Leber- und Nierenarterien, Gold Standard ist die invasive Angiografie.4
    • Nichtinvasive Alternativen sind MR-Angiografie, CT-Angiografie und Sonografie.
  • Erfassung von Organschäden durch MRT oder CT mit Kontrastmittel21-22

Biopsie

  • Zur Sicherung der Diagnose sollte eine Biopsie aus betroffenen Organsystemen angestrebt werden.4,23

Elektrophysiologische Untersuchung

  • Elektromyografie und Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit bei Nervenbeteiligung

Indikationen zur Überweisung

  • Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Ziele der Vaskulitistherapie sind:24
    • Unterdrückung der Entzündung
    • Vermeidung von Komplikationen (Gefäßverschlüsse, Blutungen durch rupturierende Aneurysmen)

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie hängt ab von:
    1. Schweregrad der Erkrankung (isoliert kutan, mild, schwer)
    2. Assoziation mit HBV (seltener HCV).
  • Immunsuppressiva werden z. T. „off label" angewendet, sodass hier eine erweiterte Aufklärungsnotwendigkeit besteht.25
  • Die Behandlung sollte in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum erfolgen.23

Spezielle Therapie

Kutane PAN24

  • NSAR
  • Glukokortikoide
  • Colchizin
  • Dapson
  • Ggf. Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycophenolat

HBV-assoziierte PAN24

  • Antivirale Medikamente
  • Evtl. Glukokortikoide
  • Evtl. Plasmapherese

Idiopathische, generalisierte PAN (milde Erkrankung)24

  • Glukokortikoide
  • Evtl. Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat

Idiopathische, generalisierte PAN (schwere Erkrankung)24

  • Glukokortikoide
  • Cyclophosphamid (i. v.)
    • gefolgt von Azathioprin oder Methotrexat 

Weitere Therapieoptionen– Biologika

  • Es gibt bislang nur wenige Daten zum Einsatz von Biologika wie Rituximab, Infliximab oder Etanercept.4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Mögliche Komplikationen9
    • Ruptur von Aneurysmen mit Einblutung in Organe (Nieren, Leber, Pankreas, Herz)
    • gastrointestinale Blutung
    • Organinfarkte (Darm, Nieren, Herz, Hirn)
    • Gangrän der Extremitäten
    • Nierenversagen
    • Komplikationen der immunsuppressiven Therapie (Infektionen, u. a.)

Verlauf und Prognose

  • Unbehandelt ist die Prognose sehr schlecht; die 5-Jahres-Überlebensrate der systemischen PAN liegt in älteren Studien nur ca. 10–15 %.6-7,9
    • unbehandelt rasche Progression mit Nierenversagen, gastrointestinalen und kardiovaskulären Komplikationen7
  • Mit Behandlung liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei 50–80 %.7
  • Hohe Rezidivrate (ca. 80 %), daher ist eine glukokortikoidsparende Therapie wichtig.6
  • Ein Befall der Nieren, des Gastrointestinaltraktes, des Nervensystems oder Herzens ist prognostisch ungünstig.7,26
  • Ein Nachweis von HBV erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Mononeuritis multiplex und verschlechtert die Prognose.27
  • Die Prognose der isolierten kutanen PAN hinsichtlich des Überlebens ist dagegen gut.6
    • allerdings schlechteres therapeutisches Ansprechen mit häufig langwierigen, schmerzhaften Verläufen (Ulzerationen, akrale Ischämien)6
    • Ein Übergang einer isoliert kutanen PAN in eine systemische Form kommt praktisch nie vor.15

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-085. S1, Stand 2018. www.awmf.org
  • European League Against Rheumatism (EULAR). Recommendations for the management of primary small and medium vessel vasculitis. Stand 2009. www.ard.bmj.com

Literatur

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  2. Holl-Ulrich K. Vaskulitis - Neue Nomenklatur der Chapel-Hill- Konsensuskonferenz 2012. Pathologe 2013; 34: 569–581. doi:10.1007/s00292-013-1796-8 DOI
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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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