Streptokokken-Infektionen (S. pyogenes/GAS)

Zusammenfassung

  • Definition:Der wichtigste Vertreter der Gruppe-A-Streptokokken ist Streptococcus pyogenes. Er kann Schleimhaut-, Haut- und Weichteilinfektionen sowie eine Sepsis auslösen. Toxinvermittelte Reaktionen sind Scharlach und das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom (STSS).
  • Häufigkeit:Streptokokken-Infektionen von Hals und Haut sind häufig, schwerwiegendere Erkrankungen der (tiefen) Weichteile oder eine Sepsis sind seltener. Bei den toxinvermittelten Erkrankungen ist Scharlach relativ häufig, das STSS selten. Scharlach-Folgeerkrankungen, als autoimmunologische Phänomene, sind in Europa selten geworden.
  • Symptome:Die Ausprägung der Symptome richtet sich nach der von der Infektion betroffenen Körperregion.
  • Befunde:Hals- und oberflächliche Hautentzündungen sind sehr häufig und meist harmlos verlaufend, während nekrotisierende Fasziitis und Sepsis lebensbedrohlich werden können.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose. Bakteriologische Untersuchungen, CRP und Blutbild.
  • Therapie:Mittel der Wahl ist Penicillin. Unkomplizierte Verläufe werden ambulant behandelt, bei tieferen Gewebeinfektionen Kombination mit anderen Antibiotika, insbesondere Clindamycin. Intensivmedizinische Behandlung von Sepsis und STSS.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Streptokokken gehören zum physiologischen Mikrobiom der Schleimhäute des Menschen.1-2
    • Sie sind grampositive Kokken, die sich in Ketten oder Paaren lagern und meist keine negativen Auswirkungen haben.
    • Die Gruppe der beta-hämolysierenden Streptokokken kann jedoch humanpathogene Arten enthalten.
    • Beta-hämolysierende Streptokokken werden aufgrund unterschiedlicher Antigene des Zellwand-C-Polysaccharids in verschiedene Serogruppen (A–T) eingeteilt.
  • Streptococcus pyogenes (S. pyogenes) ist die medizinisch bedeutendste Art der beta-hämolysierenden Streptokokken und wird aufgrund des C-Polysaccharid-Antigens der Gruppe A auch als Gruppe-A-Streptococcus (GAS) bezeichnet.
  • Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, vor allem Streptococcus pyogenes, sind eine häufige Ursache von Infektionen beim Menschen.
    • Die Infektionen können in allen Gewebetypen auftreten, am häufigsten sind jedoch Haut oder Rachen betroffen.
  • Am häufigsten löst S. pyogenes Pharyngitiden und Pyodermien aus, folgende Erkrankungen können jedoch alle verursacht werden:
  • Neben den Erkrankungen aufgrund des lokalen Bakterienwachstums, können toxinvermittelte Reaktionen auftreten (Scharlachexanthem).
  • Zudem sind Infektionen durch Gruppe A-Streptokokken mit nichteitrigen, immunologisch-vermittelten Folgeerkrankungen assoziiert:2
  • Für diese Folgeerkrankungen sind Virulenzgene verantwortlich, die verschiedene S.-pyogenes-Stämme in unterschiedlichen Kombinationen in ihrem Genom tragen.2

Häufigkeit und Vorkommen

  • S. pyogenes ist ein fast ausschließlich humanpathogenes Bakterium.
  • Meist sind Menschen asymptomatisch durch S. pyogenes/GAS besiedelt.2
    • Prävalenz von asymptomatischen GAS-Träger*innen in OECD-Ländern über alle Altersgruppen verteilt liegt bei etwa 7,5 %.3
    • Kinder sind häufiger betroffen.
    • In den kalten Monaten tritt S. pyogenes häufiger auf.
  • Pharyngitiden durch S. pyogenes2
    • weltweit verbreitet
    • eine häufige bakterielle Erkrankung im Kindesalter
    • Gipfel in der Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen
    • Die Mehrzahl der Streptokokken-Pharyngitiden tritt im Winter und im Frühjahr auf.
  • Streptokokken-Pyodermien2
    • Kommen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimazonen vor.
    • Treten vor allem im Kleinkindesalter auf.
    • Die Prävalenz dieser Erkrankungen ist sehr stark von der persönlichen Hygiene abhängig und mit dem sozioökonomischen Status assoziiert.

Infektionsweg/Ansteckungsdauer

  • Die Streptokokken-Pharyngitis wird durch direkten bzw. indirekten Kontakt, weniger häufig durch erregerhaltige Tröpfchen bzw. Aerosole von Mensch zu Mensch übertragen, selten durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser.
  • Pyodermien durch S. pyogenes entstehen nach Kontaktübertragung.
  • Enges Zusammenleben begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers.
  • Ansteckungsdauer: ohne antibiotische Therapie bis zu 3 Wochen Kontagiosität, mit adäquater Antibiose 24 Stunden2

Symptomatik

  • Die Erkrankungen, die auf S. pyogenes zurückzuführen sind, lassen sich einteilen in:2
    • lokale eitrige Infektionen des Rachens oder der Haut
    • generalisierte bzw. toxinvermittelte Krankheitsbilder
    • immunologisch bedingte Folgeerkrankungen.
  • Pathogenetisch liegt eine Wechselwirkung zwischen den Virulenzfaktoren des Bakteriums und den Abwehrmechanismen des Wirts vor.
    • GAS produzieren verschiedene Toxine.
    • Exotoxine können eine superantigene Wirkung entfalten und die Immunabwehr überstimulieren, dies betrifft besonders das Zytokinsystem.4
    • M-Proteine begünstigen die Virulenz, indem sie der Phagozytose entgegenwirken.
  • Der Immunstatus in der Bevölkerung spielt beim Vorkommen von durch GAS verursachten Krankheiten wahrscheinlich eine Rolle.

 Pharyngitis/Tonsillitis

Haut- und Weichgewebeinfektionen

  • Betroffen können die Haut, das Unterhautgewebe, Muskeln und Faszien sein.
    Impetigo contagiosa
    Impetigo contagiosa
  • Eine Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte) ist eine oberflächliche Hautinfektion.
    • häufig im Gesicht (insbesondere um Mund und Nase) und an den Beinen
    • Pustulöse Effloreszenzen, die verkrusten.
    • Bei Auftreten perianal spricht man auch von der perianalen Dermatitis, meist sind Kleinkinder betroffen.
    • Kein Fieber, guter Allgemeinzustand; bei Fieber sollte an eine Beteiligung tieferer Gewebsschichten gedacht werden!
    • Sekundär- bzw. Koinfektionen mit Staphylococcus aureus sind bei Impetigo nicht selten.
  • Weitere Streptokokken-Infektionen der Haut und Weichteile sind:
  • Nekrotisierende Fasziitis (Fasciitis necroticans, „Flesh Eating Disease"), die die oberflächlichen und/oder tiefer gelegenen Muskelfaszien sowie die Muskeln (Myositis) zerstören kann.
    • Meist ist ein rasches Fortschreiten der Erkrankung entlang der Muskelfaszie zu beobachten mit nachfolgender Nekrose der Faszie und des Subkutangewebes.
      Nekrotisierende Weichteilinfektion
      Nekrotisierende Weichteilinfektion
    • Ein Übergreifen auf die Muskulatur ist selten, aber mit einer hohen Letalität verknüpft.

Generalisierte Infektionen

  • Können sich aus jeder oberflächlichen Infektion heraus entwickeln.
  • Eine hämatogene Aussaat führt zur Streptokokken-Sepsis, meist bei Vorliegen von immunsupprimierenden Grunderkrankungen.

Scharlach

  • Scharlach ist, wie das Toxic Shock Syndrome, eine toxinvermittelte Erkrankung.
  • Tritt meist im Rahmen einer Streptokokken-Pharyngitis auf.
  • Das Exanthem entsteht durch die Einwirkung eines der pyogenen Streptokokken-Exotoxine (Superantigene).2
  • Das Scharlachexanthem
    • Beginnt etwa 1–2 Tage nach den ersten Krankheitsanzeichen (Pharyngitis) am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aussparung der Handinnenflächen und Fußsohlen aus.
    • Exanthem aus kleinfleckigen Papeln (sandpapierartig)
    • periorale Blässe und Himbeerzunge (vergrößerte Papillen auf einer belegten Zunge)
      Scharlach, Exanthem
      Scharlach, Exanthem
    • Nach etwa 1 Woche verschwindet das Exanthem, danach kommt es zur groblamellären Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen, aber auch der Zunge. Eine Immunität wird immer nur gegen das bei der abgelaufenen Infektion vorherrschende Toxin erzeugt; das bedeutet, dass mehrfache Erkrankungen an Scharlach möglich sind.
  • Eine Impfung ist aufgrund der Heterogenität der Toxine nicht verfügbar.

Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom (STSS)

  • Toxin(mit-)vermittelt
  • Meist im Rahmen einer Sepsis oder einer nekrotisierenden Fasziitis auftretend
  • Streptokokken-Toxine wirken als Superantigene.
    • Diese bewirken eine polyklonale unkontrollierte Stimulierung von bis zu 20 % der zirkulierenden T-Zellen.
  • Es resultiert ein Schock und Multiorganversagen.
  • Hohe Letalitätsrate trotz intensivmedizinischer Behandlung

Folgeerkrankungen

  • Akutes rheumatisches Fieber (ARF)
    • Tritt nur nach Racheninfektionen auf.
    • Nach ca. 3 Wochen, in denen der Racheninfekt bereits ausgeheilt ist.
    • Altersgipfel bei den 3- bis 15-Jährigen
    • Ist in Europa vermutlich aufgrund adäquater zeitgerechter Antibiotikatherapie und Verschiebung des zirkulierenden Erregerspektrums heute sehr selten geworden.
  • Akute Glomerulonephritis (AGN)
    • Tritt einige Wochen nach Racheninfekten oder Hautinfektionen auf.
    • ebenfalls selten
  • PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections)
    • neurologische Auffälligkeiten wie Athetosen und Chorea minor
    • Gelten als ein Kriterium für das akute rheumatische Fieber, können aber auch isoliert auftreten.
    • einige Wochen bis Monate nach Haut- oder Racheninfektionen
    • sehr selten
  • Folgeerkrankungen sind autoimmunologisch vermittelt (postinfektiöse Autoimmunreaktion).

ICPC-2

  • R72 Streptokokkeninfekt Hals
  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere
  • S76 Hautinfektion, andere

ICD-10

  • A49.1 Streptokokkeninfektion o.n.A
  • J03.0 Streptokokken-Tonsillitis
  • J02.0 Streptokokken-Pharyngitis
  • L01.0 Impetigo contagiosa [jeder Erreger] [jede Lokalisation]
  • L03.8 Phlegmone
  • L30.3 perianale Streptokokkendermatitis
  • A46 Erysipel [Wundrose]
  • M72.6 Nekrotisierende Fasziitis
  • A40.0 Sepsis durch Streptokokken, Gruppe A
  • A48.3 Syndrom des toxischen Schocks
  • R57.8 Endotoxinschock o.n.A. 

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Das klinische Erscheinungsbild ist wegweisend bei Infektionen von Hals und Haut sowie bei Scharlach.
    • Die immunologisch vermittelten Folgeerkrankungen sind heute selten, können jedoch mit einigen Wochen Latenz auftreten.
  • Generalisierte Infektionen wie Sepsisnekrotisierende Fasziitis oder Myositis sind selten, sollten bei schweren Verlaufsformen aber bedacht werden.
  • Für die Diagnosestellung des STSS wurden eigene Diagnosekriterien vorgeschlagen5, im Wesentlichen gelten jedoch die Kriterien einer Sepsis.

Differenzialdiagnose

  • Die Streptokokken-Pharyngotonsillitis sollte nicht mit einer EBV-Pharynitis verwechselt werden, bei der die Beläge meist flächiger sind.
  • Haut- und Weichteilinfektionen durch andere Erreger
  • Insbesondere bei Erysipel und Phlegmone gestaltet sich in der Anfangsphase die Abgrenzung gegen eine nekrotisierende Fasziitis schwierig.
  • Andere septische Erkrankungen

Anamnese und klinische Untersuchung

Pharyngitis/Tonsilitis/Scharlach

  • Kinder und Jugendliche
  • Halsschmerzen, Fieber, reduzierter Allgemeinzustand
    • Der Ausprägungsgrad des Krankheitsgefühls ist individuell jedoch sehr unterschiedlich, teils fast asymptomatische Verläufe.
  • Tonsillen mit Eiterstippchen
  • Bei Scharlach zudem typisches Exanthem

Impetigo

  • (Klein-)Kinder
  • Typische honiggelbe Krusten mit Ausbreitungstendenz
  • Allgemeinzustand nicht eingeschränkt, kein Fieber

Perianale Streptokokkendermatitis6

  • Bei Kleinkindern
  • Schmerzhafte, abgegrenzte intensive Rötung
  • Bei Mädchen ist häufig zusätzlich die Vulva betroffen, außerdem kann Ausfluss auftreten.
  • Das Kind leidet aufgrund von Schmerzen bei der Darmentleerung häufig unter Obstipation.
  • Der Allgemeinzustand ist gut, kein Fieber.

Erysipel

  • In der Regel bei (älteren) Erwachsenen
  • Infektion der Haut, Unterhaut und dort lokalisierter Lymphgefäße
  • Umschriebene, stark gerötete Hautoberfläche
  • Ausbreitungstendenz
  • Eintrittspforte nicht immer eruierbar
  • Häufig mit Fieber und reduziertem Allgemeinzustand

Nekrotisierende Fasziitis

  • Häufig akute (1 Tag) oder hyperakute (einige Stunden) Krankheitsentwicklung, gelegentlich auch über mehrere Tage7
  • Charakteristisch sind lokal starke Schmerzen, Schüttelfrost und Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes.
  • Eine nekrotisierende Fasziitis lässt sich in der Anfangsphase schwer gegen ein Erysipel abgrenzen. 
    • Bei nekrotisierender Fasziitis fällt häufig ein blassrosa Hautausschlag mit unscharfer Abgrenzung zur gesunden Haut auf, während bei Erysipel in der Regel ein hochroter Ausschlag mit scharfer Abgrenzung gegen die gesunde Haut zu beobachten ist.
  • Der Ausgangspunkt liegt meist in kleinen Verletzungen an den Extremitäten, häufig interdigital.
  • Gesicht, Bauchwand und Perineum können ebenfalls beteiligt sein.
  • Hautveränderungen können erst im späteren Verlauf in Erscheinung treten.
  • Oft Entstehung einer Sepsis mit systemischen Komplikationen, gelegentlich in Form eines Streptokokken-induzierten toxischen Schocksyndroms (STSS).

Primäre Myositis

  • Ist sehr selten.
  • Typisch sind junge, zuvor gesunde Personen, die mit Fieber, Schüttelfrost, beeinträchtigtem Allgemeinzustand und starken Schmerzen in der Tiefe einer Extremität ohne sichtbare äußere Anzeichen einer Infektion vorstellig werden.
  • Die Erkrankung kann auch im Anschluss an eine intramuskuläre Injektion auftreten.
  • Intramuskuläre Injektionen, insbesondere von Glukokortikoiden, gelten daher heute als obsolet!

Sepsis

  • Die Symptome bei Sepsis reichen von leichten Symptomen bei leichten Verläufen bis hin zu einem sehr schwerwiegenden Krankheitsbild mit Entwicklung von Schock, Multiorganversagen und Tod.

Ergänzende Untersuchungen

  • Meist ist die Klinik schon wegweisend und weitere Untersuchungen sind nicht notwendig.
  • Bei Hautinfektionen
    • ggf. Abstrich 
  • Bei Pharyngitis/Tonsilitis/Scharlach 
    • Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Genese mittels validierter Scores (Centor-Score , McIsaac-Score oder FeverPAIN-Score)8
      • bei Kindern < 15 Jahren ggf. A-Streptokokken-Schnelltest
  • Bei generalisierten Infektionen
    • Wenn der CRP-Wert trotz Antibiotikatherapie rasch ansteigt, besteht der Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis.
  • Weitere Laborparameter
    • Häufig ist ein Anstieg der Leukozyten zu verzeichnen, die Werte können aber selbst bei gravierenden Infektionen normal oder erniedrigt sein.
    • Bei einem ausgeprägten Krankheitsbild, Sepsis oder STSS können Verbrauchskoagulopathie oder eine Beeinträchtigung der Nieren- und Leberfunktion auftreten.
    • ein Anstieg der Kreatinkinase bei Muskelbeteiligung

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Normalerweise rasches Ansprechen auf adäquate Antibiotikatherapie und ambulante Therapie
  • Bei Verdacht auf generalisierte Infektionen oder schwerwiegende Verläufe, insbesondere bei fehlendem Ansprechen auf Antibiotika, Krankenhauseinweisung

Therapie

Therapieziele

  • Beschwerden lindern.
  • Die Infektion stoppen und sanieren.
  • Folgeerkrankungen vermeiden.
  • Gewebeschäden begrenzen.
  • Schwere Verlaufsformen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Lokale Infektionen von Hals und Haut werden ambulant behandelt.
  • Tiefgreifendere bzw. generalisierte Infektionen wie die nekrotisierende Fasziitis, Myositis, Sepsis und STSS erfordern eine stationäre Behandlung, eine rasche Diagnosestellung ist hier essenziell.
    • Häufig ist die Versorgung auf der Intensivstation erforderlich.
    • Bei nekrotisierender Fasziitis oder Myositis ist eine schnelle chirurgische Sanierung notwendig.

Medikamentöse Therapie

  • Streptokokken sind sensibel auf Penicillin, das Mittel der 1. Wahl ist.

Streptokokken-Pharyngitis/-Tonsilitis

  • Die DEGAM weist darauf hin, dass der Spontanverlauf der Tonsillitis meist selbstlimitierend ist und auf Antibiotika in den meisten Fällen verzichtet werden kann.8
    • Falls doch ein Antibiotikum rezeptiert wird, sollte dies in Form des „Delayed Prescribing“ erfolgen: Abwarten über 3–5 Tage und erst bei Beschwerdepersistenz Verschreibung eines Antibiotikums

Scharlach 

  • Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt eine frühzeitige Therapie mit Penicillin V für 10 Tage oder mit oralen Cephalosporinen für 5 Tage oder (bei Penicillin-Allergie) mit Makroliden für 5–10 Tage.1
  • Auch die DEGAM hält den Einsatz eines Antibiotikums bei Scharlach für indiziert.8
    • Die DEGAM betont jedoch, dass wenig Evidenz für eine antibiotische Therapie von Scharlach vorliegt und dringend mehr Daten zum Nutzen und Risiko von Antibiotika bei Scharlach nötig seien.

Leitlinie: Halsschmerzen8

  • Antibiotikatherapie bei klassischem Scharlach mit Penicillin V 
    • Patient*innen ab 16 Jahren
      • 0,8–1,0 Mio IE in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
    • Kinder 3–15 Jahre
      • 0,05–0,1 Mio. IE/kg KG/d in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
  • Bei Penicillinallergie
    • Patient*innen ab 16 Jahren
      • z. B. Clarithromycin 250–500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
    • Kinder 3–15 Jahre
      • z. B. Clarithromycin 15 mg/kg KG/d in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage

Impetigo

  • Lokal desinfizierende Maßnahmen
    • Für die topische antiseptische Therapie eignen sich Polyhexanid, Polyvidon, Octenidin, Chlorhexidin.
  • Lokale antibiotische Therapien (Fusidinsäure, Gentamycin, Mupirocin) bergen das Risiko von Resistenzentwicklungen und können zu Kontaktsensibilisierungen führen.
  • Nur bei schweren Verlaufsformen systemische antibiotische Therapie

Erysipel

  • Therapieempfehlungen gemäß Paul-Ehrlich-Gesellschaft9
    • Bei unkompliziertem Erysipel ansonsten gesunder Erwachsener ist eine orale Therapie ausreichend.
      • Penicillin V 3 x tgl. 1,2–1,5 Mio. IE p. o. für 7–14 Tage
    • Bei kompliziertem Erysipel (hämorrhagisches, nekrotisierendes oder blasiges Erysipel, Lokalisation im Gesicht) sowie bei sonstigen Indikationen für eine systemische Antibiotikagabe (z. B. venöse oder arterielle Durchblutungsstörungen, gastrointestinale Resorptionsstörungen) ist eine parenterale Antibiotikagabe indiziert.
      • relative Indikationen: Fieber, Leukozytose, Neutrophilie und CRP-Anstieg; hier evtl. rasche Umsetzung auf orale Therapie möglich
      • Penicillin G 3 x tgl. 10 Mio. IU i. v. für 7–10 Tage oder für ca. 5–7 Tage mit nachfolgender oraler Gabe von Penicillin V (3 x 1,2–1,5 Mio. IE/d)

Phlegmone

Leitlinie: Therapieempfehlungen bei Erwachsenen (gemäß Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft)9

  • Indikationen für die parenterale (statt orale), allenfalls sequenzielle Antibiotikagabe:
    • systemische Infektionszeichen (Leukozytose mit Neutrophilie, Fieber, Anstieg von BSG oder CRP)
    • eingeschränkte Durchblutung oder Resorption
    • oberflächlich ausgedehnte Infektionen
    • ein Übergang in tiefer reichende, schwere Phlegmone
    • eine Lokalisation an den Beugesehnen bzw. im Gesicht.

Unkomplizierte Phlegmone

  • Als Therapiedauer werden allgemein 5 Tage empfohlen, da 10 Tage keinen Vorteil brachten; nur bei ausbleibender Besserung mehr Tage.
  • Mittel der 1. Wahl bei unkomplizierten Infektionen
    • Cefazolin 4 x 0,5 g oder 2 x 1g i. v. – oder –
    • Flucloxacillin 3 x 1 g oder 4 x 1 g p. o./ i. v.
  • Mittel der 2. Wahl bei unkomplizierten Infektionen
    • Clindamycin 3 x 0,9 g tgl. p. o./i. v.
    • Wenn das Areal um die Eintrittspforte stark kontaminiert oder mit gramnegativen Erregern besiedelt ist: Cefuroxim 3 x 1,5 g/d i. v.
  • Bei Penicillin-Allergie
    • 1. Wahl: Clindamycin 3x 0,9 g/d p. o./i. v.
    • 2. Wahl: Clarithromycin 2 x 0,5 g/d p. o. für 7–10 Tage

Komplizierte Phlegmone

  • Zur Therapie von einer komplizierten Phlegmone wird neben der chirurgischen Sanierung eine Erregerbestimmung aus Gewebeproben im nativen Zustand sowie eine gezielte Therapie entsprechend den mikrobiologischen und klinischen Befunden empfohlen.

Perianale Streptokokkendermatitis6

  • Spülungen mit Polihexanid oder Octenidin
  • Lokale Anwendung von Clioquinol-Creme 2–10 % 
  • Bei Verlaufsformen, die eine orale Therapie erfordern:
    • Mittel der Wahl ist Penicillin.
      • Erwachsene und Kinder > 12 LJ: 3 x/d 0,5–1,5 Mio. IE p. o. Therapiedauer 10–14 Tage
      • Kinder 6.–12. LJ: 3 x/d 0,6 Mio. IE p. o. für 10–14 Tage
      • Kinder < 6 LJ: 3 x/d 0,3 Mio. IE p. o.
    • alternativ
      • Behandlung mit Erythromycin 3 x/d 500 mg p. o. für 2 Wochen
      • Cephalosporine wie Cefuroxim oder Ceftriaxon für 12–14 Tage

Nekrotisierende Fasziitis

  • Stationäre Therapie nötig 
  • Penicillin, meist in Kombination mit Clindamycin und ggf. weiteren Antibiotika und Immunglobulinen2
  • Nach Vorliegen von Bakteriogramm und Resistenztestung ggf. Anpassung der Therapie
  • Chirurgische Sanierung zeitnah nötig

Sepsis und STSS

  • Intensivmedizinische stationäre Therapie

Meldepflicht/Benachrichtigungspflicht

  • Meldepflicht gemäß IfSG2
    • In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.
  • Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG2
    • Leiter*innen von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Scharlach, Impetigo contagiosa oder sonstigen S.-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtig sind.

Maßnahmen für Patient*innen und Kontaktpersonen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Impetigo contagiosa (ansteckender Borkenflechte), Scharlach oder sonstigen S.-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
  • Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Streptokokken-Infektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
  • Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann bei einer Antibiotikatherapie und ohne Krankheitszeichen nach 24 Stunden erfolgen, bei fortbestehenden Krankheitszeichen unter der Therapie nach deren Abklingen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich.
  • Ohne geeignete antibiotische Therapie kann, insbesondere bei kleinen Kindern, eine Erregerausscheidung über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Sofern beim Betroffenen keine antibiotische Therapie erfolgt, ist eine Wiederzulassung daher frühestens 2 Wochen nach Beginn der symptomatischen Erkrankung angezeigt.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Streptokokken-Infektionen heilen unter adäquater Therapie in der Regel schnell aus.
  • Schwerwiegende Infektionen können jedoch einen raschen und dramatischen Verlauf nehmen.
  • Die Ansteckung mit schwerwiegenden Streptokokken-Infektionen erfolgt in der Regel über Hautverletzungen, z. B. durch Schnitt- oder Nadelstichverletzungen, Brandwunden, Operationswunden, aber teils auch über banale Hautwunden.
  • Eine hämatogene Streuung nach lokalen Hautinfektionen oder Pharyngitiden ist sehr selten, abhängig vom Immunstatus des Menschen aber auch nicht immer auszuschließen.

Komplikationen

Prognose

Nekrotisierende Fasziitis und/oder Sepsis

  • Letalität der nekrotisierenden Fasziitis von 20–30 %
  • Krankenhaussterblichkeit einer Sepsis 24 %
  • Ein jeweils schneller Therapiebeginn ist entscheidend für die Verbesserung der Prognose.

Streptokokken-induziertes toxisches Schocksyndrom

  • Mortalität von 30–85 % trotz rascher Antibiotikabehandlung

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patienteninformation des IQWiG

Illustrationen

Impetigo contagiosa
Impetigo contagiosa
Phlegmone
Phlegmone
Scharlach, Exanthem
Scharlach, Exanthem
Nekrotisierende Weichteilinfektion
Nekrotisierende Weichteilinfektion

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. (PEG). Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie Nr. 082-006. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Robert Koch Institut. Infektionskrankheiten A-Z. Übersicht zu Scharlach (Streptococcus pyogenes). Stand 2018. www.rki.de
  2. RKI Ratgeber Streptococcus pyogenes-Infektionen. Stand 2018. www.rki.de
  3. Oliver J, Wadu EM, Pierse N et al. Group A Streptococcus pharyngitis and pharyngeal carriage: A meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2018. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Stevens DL. Invasive grup A streptococcus infections. Clin Infect Dis 1992; 14: 2-13. PubMed
  5. The working group on severe streptococcal infections. Defining the group A streptococcal shock syndrome: rationale and consensus definition. JAMA 1993; 269: 390-1. PubMed
  6. Altmeyer P. Dermatologie-Enzyklopädie. Streptokokkendermatitis perianale L30.3. Stand 2020. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  7. Stevens DL. The flesh-eating bacterium: what's next? J Infect Dis 1999; 179 (suppl 2): 366-74. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
  9. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG). Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018. AWMF-Leitlinie Nr. 082-006. Stand 2017 www.awmf.org

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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