Zusammenfassung
- Definition:Juckende Hauterscheinungen nach Stichen blutsaugender Wanzen (Cimex lectularius).
- Häufigkeit:In den letzten Jahren zunehmende Häufigkeit.
- Symptome:Heftig juckende Hauteffloreszenzen.
- Befunde:Ca. 0,5 cm große, hellrote Quaddeln, Papeln oder Plaques mit zentraler punktförmiger Stichstelle. Im Laufe von Tagen stärker indurierte Plaques oder Blasenbildung.
- Diagnostik:Anamnese und klinischer Befund, Nachweis des Bettwanzenbefalls.
- Therapie:Lokaltherapie mit Glukokortikoiden, orale Antihistaminika. Sanierung durch Kammerjäger*in.
Allgemeine Informationen
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
Definition
- Stiche blutsaugender Wanzen führen zu heftig juckenden Hauterscheinungen.1
- Am häufigsten: Cimex lectularius (Bettwanzen)1-3
- Gehören zur Familie der Plattwanzen.
- Treten ganzjährig in bewohnten Innenräumen auf.
- Hauptwirt ist der Mensch, aber auch Haustiere, Fledermäuse und Vögel werden gestochen.
- Sind äußerst widerstandsfähig, können über Monate hinweg hungern.
- keine Flügel und ein abgeflachter Körper
- rötlich-braun gefärbt (ähneln einem Apfelkern)
- Weibchen 4,5–8,5 mm groß, Männchen 4–6,5 mm
- Bettwanzen geben einen nach Bittermandel riechenden Duftstoff ab, der in stark befallenen Räumlichkeiten wahrgenommen werden kann.
- Weitere Wanzenarten1
- Cimex columbarius (Taubenwanzen)
- sehr selten: Oeciacus hirundinis (Schwalbenwanzen)3
- Cimex dissimilis und pipistrelli (Fledermauswanzen)
Häufigkeit
- Seit einigen Jahren massive Ausbreitung der Bettwanze, besonders in USA und Australien2
- Zunehmende Häufigkeit auch in Deutschland1
- Genaue Zahlen für Deutschland gibt es nicht, da keine Meldepflicht besteht.
- Ursachen für die zunehmende Ausbreitung2
- eingeschränkte Verfügbarkeit wirksamer Insektizide und Ausbildung von Resistenzen gegen Insektizide
- Tourismus, Migration, Handel, besonders mit Gebrauchtwaren
Ätiologie und Pathogenese
- Verbreitung durch den Transport befallener Gegenstände2
- Gebrauchtgegenstände, z. B. vom Flohmarkt oder aus Internetversteigerungen: Möbelstücke, Matratzen, Bilderrahmen, CDs, DVDs
- Verbreitung über Reisegepäck, das in befallenen Unterkünften stand (ein einziges befruchtetes Weibchen reicht aus).
- Bettwanzen nisten in Ritzen von Möbeln, Wänden, hinter Bildern.1
- Bei starkem Befall ist eine Ausbreitung auf Nachbarwohnungen möglich.
- Orte, die mit hoher Personenfluktuation besonders betroffen sind: Hotels, Ferienwohnungen, Wohnheime, Gemeinschaftseinrichtungen aller Art, aber auch Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe und Züge.2-3
- Es besteht kein Zusammenhang mit mangelnder Hygiene, Bettwanzen kommen auch in gepflegten Räumen vor.2
- Bettwanzen suchen Menschen nachts auf.1
- Lassen sich auch von der Decke herabfallen.
- Treffen bei den ersten Stichen nicht immer gleich ein Blutgefäß, durch Weiterwandern entstehen lineare Stichstraßen.
- Halten sich nur zum Blutsaugen auf ihren Wirten auf. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist unwahrscheinlich.2
- Zunächst urtikarielle, später papulöse Hautreaktion, ausgelöst durch das mit dem Biss eingespritzte Speichelsekret.1
- Nitrophorin im Speichel vermutlich wichtiges Allergen
Disponierende Faktoren
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
- Flohmarktkäufe
- Reisen
- Migration
ICPC-2
- S12 Insektenbiss/-stich
ICD-10
- T14.03 Insektenbiss oder -stich (ungiftig) an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
- T00.0 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Kopf und Hals (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- T00.1 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Thorax und Abdomen, von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- T00.2 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- T00.3 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- T00.8 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
- T00.9 Multiple oberflächliche Verletzungen, nicht näher bezeichnet (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Hautreaktionen sind nicht pathognomisch, grundsätzlich kommen auch andere stechende Insekten als Verursacher infrage.2
- Typische, gruppiert stehende oder linear (Stichstraßen) angeordnete stark juckende Effloreszenzen.1
- Phänomen des Repetierens: Mitreaktion alter Läsionen beim Auftreten neuer Stiche1
- Abnahme der Intensität der Hauterscheinungen bei erneutem Befall1
- Die unbedeckten Körperareale sind betroffen.1
- Bettwanzenbefall erkennen:2
- Kotspuren in Form von schwarzen Punkten in Betten, Lattenrosten, Schlafsofas, hinter Lichtschaltern, Tapeten und Scheuerleisten
- gehäutete Insektenpanzer, Sichtung von Tieren auf Nahrungssuche
- winzige Blutflecke auf der Bettwäsche
- Besonders bei leichtem Befall ist der Nachweis oft sehr schwierig.
Differenzialdiagnosen
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
- Flohbisse
- Flöhe
- Mücken
- Skabies
- Erntemilben
- Kleiderläuse
- Urtikaria
- Varizellen
- Prurigo simplex subacuta
- Erythema exsudativum multiforme
Anamnese
- Eine Übernachtung in möglicherweise befallenen Räumen oder Erwerb eines befallenen Gegenstandes kann mehrere Wochen zurückliegen.2
- Mehrere heftig juckende Hauteffloreszenzen1
- Einstich der Bettwanzen wird häufig nicht wahrgenommen.2
- Die anschließende Hautreaktion kann sehr unterschiedlich ausfallen.
- Juckende und gerötete Pusteln, einige Millimeter bis mehrere Zentimeter groß. Blasen und Quaddeln können auftreten.
- Manche reagieren gar nicht auf die Stiche, dies kann sich aber bei wiederholter Stichbelastung ändern.
- Bei wiederholten Stichen kann eine Toleranz auftreten, dann ist die klinische Symptomatik auf kleine Einstiche berschränkt.3
- Verzögerte Hautreaktionen bis zu 1 Woche nach dem Stich sind möglich.
Klinische Untersuchung
- Gruppiert stehende (lineare Stichstraßen) 0,5 cm bis mehrere Zentimeter große, heftig juckende, hellrote Quaddeln, Papeln oder Plaques1-2
- Zentrale punktförmige hämorrhagische Stichstelle1
- Im Verlauf von Tagen Umwandlung in stärker indurierte, weiterhin unterschiedlich stark juckende Papeln oder Plaques, z. T. Blasenbildung
- Persistenz der Hautveränderungen für bis zu 10 Tage
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- In der Regel nicht erforderlich
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bei Verdacht auf Bettwanzenbefall sollten professionelle Schädlingsbekämpfer hinzugezogen werden.2
- Nur auf der Basis einer eindeutigen Befallsdiagnose ist eine erfolgreiche Bekämpfung möglich.2
Indikationen zur Überweisung
- Bei diagnostischer Unsicherheit
Therapie
Therapieziele
- Behandlung des Juckreizes und der Effloreszenzen
Allgemeines zur Therapie
- Lokaltherapie der Effloreszenzen, ggf. systemische Antihistaminika1
- Sanierung befallender Räume mit Insektiziden, ggf. durch Kammerjäger1
Empfehlungen für Patient*innen
- Entfernung von Nischen in der Wohnung (lose Tapeten, Holzdecken), in Zusammenarbeit mit einem professionellen Schädlingsbekämpfer1-2
- Die Empfehlungen der Fachleute für Schädlingsbekämpfung beachten.2
- Gegenstände, die nicht mit einem Insektizid behandelt werden können (z. B. Bücher) können durch Lagerung im Tiefkühlfach bei –18 Grad für 3 Tage von Bettwanzen befreit werden, locker in Plastiktüten verpackt und sicher verschlossen, damit Wanzen nicht fliehen können.
- Kleidungsstücke können bei mindestens 40 (besser 60) Grad gewaschen oder bei 60 Grad getrocknet werden.
- Wanzeneier können mit einem stark klebenden Klebenband aufgenommen werden. Das Klebeband muss danach eingefroren werden.
Medikamentöse Therapie
- Lokaltherapie mit Polidicanol 2–4 % in Lotio alba1,3
- Ggf. Gukokortikoide lokal, z. B. Triamcinolon-Creme (0,025 %, 0,05 % oder 0,1 %) 2 x tgl.1
- Lokal angewendeter Mentholspiritus kann auch hilfreich sein.3
- Bei starkem Juckreiz Antihistaminika oral, z. B. Desloratadin 1–2 Tbl./d1
- Die lokale Behandlung mit Antihistaminika ist umstritten.3
Professionelle Schädlingsbekämpfung
- Hinzuziehen eines professionellen Schädlingsbekämpfers/Kammerjägers1-2
- Sanierung der Räume mithilfe von zugelassenen Insektiziden mit Langzeitwirkung (z. B. Permethrin, Bendiocarb, Chlorfenapyr)
- Alle Verstecke der Wanzen sollen idealerweise freigelegt werden, teilweise müssen Möbelstücke zerlegt werden, Scheuerleisten entfernt und Lichtschalter ausgebaut werden.
- Ist das nicht möglich, werden Insektizidbarrieren auf den Laufwegen der Insekten und in potenziellen Verstecken ausgebracht. Dadurch werden auch die Eier der Wanzen, gegen die handelsübliche Insektizide nicht wirken, abgetötet.
- Auch eine Wärmeentwesung von befallenen Räumen ist möglich (Mindesttemperatur von 50 bis 60 Grad für mindestens 12 Stunden).
- Nach 2 Wochen erfolgt eine Kontrolle durch die Schädlingsbekämpfer.2
- Die Behandlung wird so lange wiederholt, bis bei dieser Kontrolle keine Wanzen mehr nachweisbar sind.
- Begleitende Maßnahmen in Rücksprache mit dem Schädlingsbekämpfer2
- Keine Sanierung in Eigenregie – von der Verwendung von im Internet frei verkäuflichen Produkten wird abgeraten.2
Prävention
- Auf Reisen vor einer Übernachtung Zimmer auf Wanzen und deren Spuren absuchen (besonders Bett und Matratze; Kotspuren an Lichtschaltern, Wandverkleidungen, Lampen, Nachttischen).2
- Gepäckstücke auf Reisen grundsätzlich verschlossen und in größtmöglicher Entfernung vom Bett aufbewahren.2
- Bei Entdeckung von Bettwanzen ein anderes Zimmer verlangen.
- Bei Übernachtung in befallenem Zimmer anschließend Gepäckstücke sorgfältig auf Bettwanzen und deren Spuren untersuchen.2
- Am besten in der Badewanne auspacken, damit fliehende Tiere entdeckt werden.
- Evtl. kann Gepäck vor dem Auspacken von einem Schädlingsbekämpfer begast werden.
- In den folgenden Wochen auf Stiche achten.
- Gebrauchtwaren vor dem Erwerb auf Bettwanzen und deren Spuren absuchen.2
- Befindet sich der betreffende Gegenstand schon in der Wohnung: Fest verpacken, sicher entsorgen oder wie oben beschrieben behandeln.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Effloreszenzen können bis zu 10 Tage lang vorhanden sein.1
Komplikationen
- Bisher wurde keine Übertragung von Krankheitserregern durch Bettwanzen nachgewiesen.2-3
- Bakterielle Superinfektion der Hauteffloreszenzen durch Aufkratzen2
- Psychische Belastung durch den Bettwanzenbefall kann bei einzelnen Betroffenen zu Albträumen, überhöhtem Kontrollbedürfnis, Angstzuständen und sozialer Isolierung führen.2
- Blutmahlzeiten von Bettwanzen können so ausgedehnt sein, dass sich bei schwerem chronischen Befall Anämien entwickeln können.3
Prognose
- Manchmal sind wiederholte Wohnungssanierungen durch professionelle Schädlingsbekämpfer erforderlich.2
- In vielen Ländern haben Bettwanzen Resistenzen gegen Pyrethroide entwickelt. In Deutschland scheinen die Resistenzen noch nicht so verbreitet zu sein.
- Es kann aber sein, dass eine Bekämpfungsmaßnahme nicht zum Erfolg führt, dann muss das Insektizid gewechselt werden oder eine Kombination aus Insektiziden eingesetzt werden.
Verlaufskontrolle
- Kontrolle der Wohnung 2 Wochen nach der Wohnungssanierung durch den professionellen Schädlingsbekämpfer2
Patieninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Altmeyers Enzyklopädie. Cimikose. Stand 28.04.2018. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Umweltbundesamt. Ratgeber Bettwanzen. Stand September 2017. www.umweltbundesamt.de
- Rahlenbeck S, Utikal J, Doggett SW. Cimikose: Bettwanzen - Weltweit auf dem Vormarsch. Dtsch Arztebl 2015; 112: A70-71. www.aerzteblatt.de
Autorin
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München