Nekrobiose (Necrobiosis lipoidica)

Zusammenfassung

  • Definition:Entzündliche Erkrankung der Haut unbekannter Ursache, allerdings Assoziation mit Diabetes mellitus. Degenerative Kollagenveränderungen lösen granulomatöse Entzündungsreaktion aus, die Verdickung der Gefäßwand und Fettablagerungen an der Oberschenkelvorderseite nach sich zieht.
  • Häufigkeit:Bei weniger als 1 % aller Diabetes-Patient*innen, allerdings leiden 75 % der an Nekrobiose Erkrankten an Diabetes oder entwickeln Diabetes zu einem späteren Zeitpunkt.
  • Symptome:Glänzende Flecken auf der Haut mit langsamer Größenprogredienz, selten Schmerzen.
  • Befunde:Hautläsionen anfangs ca. 1–3 mm große und klar abgrenzbare Papeln; im weiteren Verlauf Ausbreitung zu runden oder ovalen Ablagerungen mit wachsartiger, atrophischer Beschaffenheit; im Spätstadium Ulzerationen möglich.
  • Diagnostik:Diagnosesicherung erfolgt mittels Biopsie.
  • Therapie:Fortschreiten der Erkrankung verhindern, keine kausale Therapie existent. Als vornehmlich kosmetisch ausgerichtete Maßnahmen sind Steroide, Operation oder Lasertherapie möglich.

Allgemeine Informationen

  • Der folgende Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-4

Definition

  • Necrobiosis lipoidica ist eine seltene, chronische, idiopathische, granulomatöse  Kollagenerkrankung mit dem Risiko von Ulzerationen und häufig assoziiert mit Diabetes mellitus.2
  • Die Ursache ist unbekannt und die Erkrankung für gewöhnlich an der Unterschenkelvorderseite lokalisiert.5
  • Die früher als Dermatitis atrophicans lipoidica diabetica geführte Erkrankung tritt nicht ausschließlich bei Patient*innen mit Diabetes auf.6-7

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Die Erkrankung tritt bei weniger als 1 % aller Patient*innen mit Diabetes auf.8
    • Über 75 % der an Nekrobiose erkrankten Menschen haben Diabetes oder entwickeln Diabetes zu einem späteren Zeitpunkt.9
  • Alter und Geschlecht
    • Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, das durchschnittliche Alter bei Auftreten der Erkrankung liegt bei 30 Jahren.
    • Bei Patient*innen mit Diabetes scheint die Erkrankung zu einem früheren Zeitpunkt aufzutreten.5
    • Frauen sind 3- bis 5-mal so häufig betroffen wie Männer.5

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei einer Nekrobiose lösen degenerative Veränderungen des Kollagens granulomatöse Entzündungsreaktionen aus, die verdickte Gefäßwände und Fettablagerungen zur Folge haben.
  • Vermutlich handelt es sich um autoimmunologische Prozesse.1-4
  • Ätiologische Faktoren1-4
    • diabetische Mikroangiopathie
    • Gefäßschäden durch Immunglobuline, Komplement oder Fibrinogen
    • Kollagenschädigung
    • gestörte Wanderung neutrophiler Granulozyten
    • im Rahmen rheumatologischer Erkrankungen
  • Auftreten und Progression der Erkrankung scheinen nicht damit zusammenzuhängen, wie sorgfältig die Blutzuckerwerte kontrolliert werden.2
  • Histologisch können in Kutis und Subkutis entzündliche Zellinfiltrate aus Lymphozyten, Plasmazellen, eosinophilen Granulozyten sowie mononukleären und polynukleären Histiozyten nachgewiesen werden.2

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • S97 Chronische Ulzeration Haut
  • S99 Hautkrankheit, andere

ICD-10

  • L92.- Granulomatöse Krankheiten der Haut und der Unterhaut
    • L92.1 Nekrobiosis lipoidica, anderenorts nicht klassifiziert

Diagnostik

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Diagnostische Kriterien

Differenzialdiagnosen

  • Akute Komplikationen einer Sarkoidose
  • Granuloma anulare
    • Ringförmige, gerötete Papeln, die häufig auf dem Hand- oder Fußrücken oder am Hals auftreten. Bei dieser Erkrankung fehlt die typische gelbliche Färbung.
  • Hämatologische Neoplasien
  • Paraproteinämie
  • Rheumatoide Arthritis
  • Ulzerierte Nekrobiose
  • Xanthogranulom
  • Xanthome

Anamnese

  • Die Diagnosestellung ist im Frühstadium oft erschwert.
  • Schmerzen sind selten.
  • Erkrankung verläuft in einigen Fällen atypisch.
  • Frühe klinische Zeichen umfassen glänzende Flecken auf der Haut, die im Laufe von Monaten und Jahren langsam an Größe zunehmen, ansonsten aber keine weiteren Symptome verursachen.
  • Die anfangs braunroten Flecken entwickeln sich im weiteren Verlauf zu eingesunkenen Ablagerungen mit gelblicher Färbung und atrophischer Struktur.
  • Nach Verletzungen können sich Ulzerationen bilden, die Schmerzen verursachen.
  • Für die Patient*innen bedeutet die Erkrankung insbesondere ein ästhetisches Problem.

Klinische Untersuchung

  • Hautläsionen sind anfangs als ca. 1–3 mm große und scharf abgegrenzte Papeln oder Knoten mit aktivem Randbereich sichtbar, die sich nach außen hin ausbreiten.
  • Im Inneren der Läsion bilden sich runde oder ovale Areale von wachsartiger, atrophischer Beschaffenheit heraus.
  • Im Verlauf nehmen die anfangs rotbraunen Läsionen eine immer stärker ausgeprägte gelbliche Färbung an und können mehrere cm groß werden.
  • Typischerweise manifestiert sich eine Nekrobiose am Unterschenkel, häufig beidseitig.
    • selten Symptome im Gesicht, im oberen Schädelbereich, am Rumpf oder an den Armen
  • Bildung multipler Teleangiektasien auf der zunehmend atrophischen Haut möglich 
  • Verletzungen können zu Ulzerationen und Infektionen führen.
  • Eine relativ häufige Begleiterscheinung ist das Köbner-Phänomen (isomorpher Reizeffekt): Auftreten von krankheitsspezifischen Hautveränderungen nach unspezifischer Reizung (mechanisch, thermisch, chemisch) an einer vorher nicht beeinträchtigten Stelle der Haut.
  • Bei rund 75 % der Patient*innen verursachen die Läsionen aufgrund geschädigter Nerven keine Schmerzen.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Es gibt keine Laboruntersuchungen zur Erhärtung der Diagnose.
  • Evtl. ist eine Kontrolle des Nüchtern-Blutzuckers (wenn dieser auffällig ist, zusätzlich Bestimmung des HbA1C) sinnvoll, falls kein Diabetes mellitus vorbekannt ist.

Diagnostik bei Dermatolog*in

  • Biopsie der Haut
    • Histologisch zeigen sich typische Veränderungen in Form von Granulomen in Dermis und Subkutis sowie verdickten Gefäßwänden.

Indikationen zur Überweisung

  • Unsicherheit bezüglich Diagnose und Therapie

Therapie

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Therapieziel

  • Das weitere Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

Allgemeines zur Therapie

  • Es existiert keine kausale Therapie.1,7
  • Eine Behandlung sollte lediglich bei Ulzerationen oder Schmerzen begonnen werden.
    • Bis zu 17 % der nichtulzerierten und schmerzlosen Verläufe sind spontan rückläufig.2
  • Grundsätzlich und insbesondere bei Patient*innen mit Diabetes mellitus sind eine gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung, Nikotinverzicht und Behandlung einer Dyslipidämie sinnvolle Therapiebausteine.
    • Es konnte jedoch kein Benefit durch eine besonders strenge Blutzuckereinstellung nachgewiesen werden.2,10
  • Eine leichte Kompressionstherapie kann die Heilung beschleunigen.
  • Bei Ulzerationen2
    • topische Kortikosteroid-Therapie
    • intraläsionale Kortikosteroid-Injektion in die Randzonen aktiver Läsionen
    • Bei inaktiven, atrophischen Läsionen Kortikosteroide vermeiden.
    • lokale Wundversorgung und angemessene Schmerztherapie

Empfehlungen für Patient*innen

  • Regelmäßige körperliche Betätigung (mindestens 3–4 x pro Woche für 30 min)
  • Gute und regelmäßige Körperhygiene
  • Hautpflege bei trockener Haut präventiv mit Fettcremes oder Salben
  • Möglichst BMI im individuellen Normbereich anstreben.
  • Gute Überwachung der Blutzucker-, Blutdruck- und Cholesterinwerte.
  • Nikotinverzicht
  • Ggf. Kompressionstherapie mit elastischen Stützstrümpfen der Klassen I–II.

Medikamentöse Therapie

  • Topische Steroide1
    • Können die entzündlichen Prozesse in noch jungen Läsionen mit hoher Aktivität bremsen.
    • Bei bereits atrophischen Läsionen im Spätstadium erzielt die Maßnahme jedoch nur eine geringe oder sogar gegenteilige Wirkung.
    • z. B. topisch mit Mometasonfuroat 1 mg/g Fettsalbe unter Okklusion (1 x täglich wechseln über 14 Tage)
    • alternativ z. B. Tacrolimus-Salbe 0,1 %
  • Intraläsionale Steroide, z. B. Triamcinolonacetonid kombiniert mit Lokalanästhetikum über 2–3 Monate (keine standardmäßige hausärztliche Therapie!)1
  • Interne Therapie bei Ulzerationen oder stark entzündlicher Komponente1
    • systemischer Therapieversuch mit Glukokortikoiden in mittlerer Dosierung wie Prednisolon 60–80 mg/d über eine Woche, dann 30 mg/d über 1 Monat
      • Cave: Überwachung des Blutzuckerspiegels!
    • nach Abheilung der Ulzera Übergang auf eine nichtsteroidale Alternativtherapie (z. B. Fumarsäureester oder TNF-alpha-Blocker)
    • alternativ: Ciclosporin A systemisch (off label): initial 2,5–7,5 mg/kg KG/d p. o., nach 1 Monat schrittweise Reduktion auf eine Erhaltungsdosis von 1–2,5 mg/kg KG/d
      • Durch Bestimmungen des Blutplasmaspiegels lässt sich ein optimaler Wirkspiegel von 100–200 ng/ml einstellen (Blutentnahme morgens, vor Einnahme des Präparates!).
  • Tacrolimus, Ciclosporin, Etanercept, Infliximab
    • Erzielen eine gewisse Wirkung. Für alle Therapiemaßnahmen gilt, dass sie bisher nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sind.1-4
  • Es gibt keine bekannten vorbeugenden medikamentösen Maßnahmen.

Operation

  • Mit Exzision und Hauttransplantation wurden bereits gute Ergebnisse erzielt, aber die zugrunde liegende Gefäßschädigung kann auch nach einem solchen Eingriff zu Rezidiven führen.
    • Relativ häufig kommt es zu einer schlechten Abheilung von Transplantaten.
  • Auch mit Lasertherapie wurden bereits gute Ergebnisse erzielt.1,4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

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Verlauf

  • Die Erkrankung verläuft chronisch, Progression und Narbenbildung variieren.

Komplikationen

  • Hauptkomplikation sind Ulzerationen, die infolge von Verletzungen auftreten können.
  • Infektionen sind möglich, jedoch selten.

Prognose

  • Die Therapie einer Nekrobiose erfolgt meist nicht vollständig zufriedenstellend.
    • Die weitere Ausbreitung der Läsionen kann verlangsamt werden, ändert aber grundsätzlich nichts am chronischen Verlauf der Erkrankung.
  • Berichten zufolge können in den Läsionen einer Nekrobiose Plattenepithelkarzinome entstehen.3-4
  • In kosmetischer Hinsicht ist die Prognose ungünstig.
    • häufig Narbenbildung

Patienteninformationen

Patienteninformation in Deximed

Illustrationen

Necrobiosislipoidica.jpg
Nekrobiose (Necrobiosis lipoidica)
Nekrobiose (Necrobiosis lipoidica): Bei einem typischen Verlauf zeigen sich die Hautläsionen anfangs als 1–3 mm große und scharf abgegrenzte Papeln oder Knoten mit aktivem Randbereich, die sich nach außen hin ausbreiten. Im Inneren der Läsion bilden sich runde oder ovale Areale von wachsartiger, atrophischer Beschaffenheit heraus.
Nekrobiose (Necrobiosis lipoidica)

Quellen

Literatur

  1. Altmeyer P, Bacharach-Buhles M. Necrobiosis lipoidica. Online-Enzyklopädie Dermatologie, Mai 2021. (letzter Zugriff am 18.01.2022) www.altmeyers.org
  2. Lepe K, Riley CA, Salazar FJ. Necrobiosis Lipoidica. 2021 Aug 26. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 29083569. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Tong LX, Penn L, Meehan SA, Kim RH. Necrobiosis lipoidica. Dermatol Online J. 2018 Dec 15;24(12):13030/qt0qg3b3zw. PMID: 30677798. escholarship.org. escholarship.org
  4. Peckruhn M, Tittelbach J, Elsner P. Update: Treatment of necrobiosis lipoidica. J Dtsch Dermatol Ges. 2017 Feb;15(2):151-157. doi: 10.1111/ddg.13186. PMID: 28214312. onlinelibrary.wiley.com. onlinelibrary.wiley.com
  5. Hashemi DA, Brown-Joel ZO, Tkachenko E, et al. Clinical Features and Comorbidities of Patients With Necrobiosis Lipoidica With or Without Diabetes. JAMA Dermatol 2019; 155: 455-9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Barnes CJ, Davis L. Necrobiosis lipoidica. Medscape, last updated Aug 22, 2014. emedicine.medscape.com
  7. Wanat K, Rosenbach M. Necrobiosis lipoidica. UpToDate, last updated Oct 2020. (letzter Zugriff am 18.01.2022) www.uptodate.com
  8. Lima AL, Illing T, Schliemann S, Elsner P. Cutaneous Manifestations of Diabetes Mellitus: A Review. Am J Clin Dermatol. 2017; 18: 541-53. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Erfurt-Berge C, Seitz AT, Rehse C, et al. Update on clinical and laboratory features in necrobiosis lipoidica: a retrospective multicentre study of 52 patients. Eur J Dermatol 2012; 22:770. PubMed
  10. Reid SD, Ladizinski B, Lee K, et al. Update on necrobiosis lipoidica: a review of etiology, diagnosis, and treatment options. J Am Acad Dermatol 2013; 69:783. PubMed

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

 

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