BBB MK 02.11.20 Therapie bei oralem Lichen nach Leseranfrage ergänzt.
BBB MK 13.02.2023 umfassend revidiert, Therapie ungeschrieben.
chck go 8.9., MK 08.09.17, komplett ü
Lichen ruber planus
Knötchenflechte
Wickham-Zeichnung
Köbner-Phänomen
Lichen planus
Zusammenfassung
Definition:Eine subakut bis chronisch verlaufende, entzündliche Autoimmunerkrankung der Haut und der Schleimhäute.
Häufigkeit:Prävalenz 0,2–1,2 %.
Symptome:Stark juckende flache Papeln.
Befunde:Große, flache Papeln. Köbner-Phänomen. Die Krankheit kann auch die Mund- und Genitalschleimhaut und die Nägel betreffen. Bei oralem Befall Enanthem mit weißlichen Flecken und netzartigen Streifen (Wickham-Zeichnung).
Diagnostik:Haut- oder Schleimhautbiopsie zur differenzialdiagnostischen Abklärung.
Therapie:Topische Steroide, ggf. orale Antihistaminika. Meist spontane Rückbildung der Krankheit. Gelegentlich ist eine systemische Therapie mit Kortikosteroiden oder Retinoiden oder Phototherapie erforderlich.
Allgemeine Informationen
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.1-3
Lichen ruber ist eine chronische, entzündliche Autoimmunerkrankung der Haut und der Schleimhäute.
Nicht kontagiöse, subakut bis chronisch verlaufende, ausgeprägt juckende, selbstlimitierte (Erkrankungsdauer zwischen 1 Monat und 10 Jahren), inflammatorische Erkrankung der Haut- und/oder Schleimhäute
Lichenoide Keratose: Erkrankung beschränkt auf eine einzelne Läsion
Histologie: Dermatitis mit sägezahnartiger Akanthose, Hyperkeratose und Hypergranulose.
Häufigkeit
Prävalenz von 0,2–1,2 %
Kann in jedem Alter neu auftreten, meist jedoch im Alter von 30–60 Jahren.
Bei Befall der Kopfhaut kann es zu Haarausfall kommen.
Die Heilung von Lichen ruber hinterlässt eine postinflammatorische Hyperpigmentierung.
Klinische Untersuchung
Prädilektionsstellen sind die Beugeseiten der Handgelenke und Unterarme, seitliche Knöchelgegend der Fußgelenke.
Penis, Mund- und Genitalschleimhaut können betroffen sein.
Auch eine Nageldystrophie kann vorhanden sein.
Exanthem
Lichen ruber
Bis 10 mm große kantige, polygonale, flache Papeln, die sich plateauförmig über die umliegende Haut erheben.
Nach Reizung der Haut kommt es zu erneuten Papeln (Köbner-Phänomen oder isomorpher Reizeffekt).
An den Handflächen und Fußsohlen einschließlich der Seitenkanten zeigen sich lokalisierte, derbe, gelbliche, hyperkeratotische Plaques, an den Kanten mit rotem Randsaum.
Weißliche Flecken und Streifen von netzartigem Charakter (Wickham-Zeichnung)
Können das einzige Symptom des Lichen ruber sein.
Oraler Lichen planus tritt in verschiedenen Untergruppen auf, die als weiße oder rote Veränderungen erscheinen. Die weißen Formen umfassen retikuläre, papulöse und plaqueähnliche Formen, während zu den roten atrophische (erythematöse), erosive (ulzerative) und bullöse Typen zählen.
Meist beidseiter Befall der Wangenschleimhaut. Die verschiedenen Subtypen kommen häufig zusammen auf der Schleimhaut vor.
Retikuläres Muster: leicht zu erkennen und oft asymptomatisch.
atrophisch (erythematös)
erosiv: die schmerzhafteste Form
Evtl. ösophageale Beteiligung
Weitere Manifestationen
Lichen ruber
Lichen planus genitalis
Läsionen der Genitalschleimhaut – Vulva und Glans penis/clitoridis – und der Analschleimhaut treten häufig (etwa 25 %) sowohl bei kutanem als auch bei oralem Lichen ruber auf.
Die Läsionen sind häufig ringförmig.
Lichen ruber unguium
bei etwa 10 % aller von Lichen ruber Betroffenen
Kann auch als alleiniges Merkmal auftreten.
meist mit Längsstreifung des Nagels
Lichen ruber planopilaris (follicularis)
Befall der Haarfollikel an Kapillitium, Hals, Steißbein und Oberschenkelinnenseite
Lichen ruber, Nageldystrophie
Ist die Kopfhaut betroffen, kann es zu einer narbigen Alopezie kommen.
Die Dermatoskopie zeigt kleine erythematöse Papeln mit spitzkegeliger Umgrenzung des Haar-Ostiums.
Die Läsionen können als noppenartige Struktur an der Hautoberfläche ertastet werden.
Ergänzende Untersuchungen
Es gibt keine weiterführenden Laborparameter, ggf. Ausschluss weiterer Erkrankungen (Diabetes, Hepatitis C, Autoimmunerkrankungen).
Diagnostik bei Spezialist*innen
Haut-/Schleimhautbiopsie
inkl. Immunfluoreszenz zur Abgrenzung von anderen lichenoiden Erkrankungen der Haut und der Schleimhäute
Therapie
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.2-3
Therapieziele
Symptome lindern.
Entzündung bekämpfen.
Allgemeines zur Therapie
Medikamente, die die lichenoide Reaktion ausgelöst haben könnten, sollten abgesetzt werden.
Topische Kortikosteroide und ggf. Antihistaminika gegen den Juckreiz stehen an erster Stelle.
Bei schwerer Erkrankung kommen systemische Kortikosteroide, Retinoide oder Phototherapie infrage.
Behandlungsdauer:
Bei einem akut aufgetretenen Lichen ruber der Haut genügt es, die Therapie so lange fortzuführen, bis alle Läsionen abgeheilt sind. Das ist meist nach einigen Wochen der Fall.
Andere Formen des Lichen ruber, besonders bei Beteiligung der Schleimhäute, erfordern je nach Verlauf eine monate- bis jahrelange Therapie unter dermatologisch-fachärztlicher Regie.
Medikamentöse Therapie
Topisch
Kortikosteroidsalben
Kutaner Lichen ruber wird mit hochpotenten Steroiden der Klassen III (z. B. Betamethasondipropionat) und IV (z. B. Clobetasolpropionat) behandelt.
gut belegte Wirksamkeit bei schweren, Kortikoid- und Retinoid-resistenten Verläufen
vor allem bei starkem Schleimhautbefall (oral oder genital)
Cave: Rezidivrisiko beim Absetzen, bei Langzeitanwendung nierentoxisch und kanzerogen (erhöhtes Karzinomrisiko bei mukosalem Lichen ruber bedenken – siehe Abschnitt Komplikationen)!
Dosierung: täglich 2,5–5 mg/kg KG, aufgeteilt auf zwei Dosen
Reservemedikamente, z. B.:
Mycophenolat-Mofetil 0,5 –1 g 2 x tgl.
Azathioprin 1–2,5 mg/kg KG/d in 1–2 Dosen
Methotrexat 2,5–15 mg wöchentlich, am selben Wochentag
Phototherapie
PUVA-Therapie
lokale oder systemische Applikation von Psoralen zur Photosensibilisierung mit nachfolgender UV-A-Bestrahlung
Die häufigsten akuten Nebenwirkungen sind sonnenbrandähnliche Erytheme, überschießende phototoxische Reaktionen (deswegen sind bei bekannter erhöhter Lichtempfindlichkeit diese Therapien kontraindiziert) oder bei unzureichendem Augenschutz Konjunktivitis und Keratitis.
Ggf. zusätzlich zu systemischen Kortikosteroiden oder Retinoiden
Supportive Maßnahmen
Ggf. Antihistaminika gegen Juckreiz
vorzugsweise Antihistaminika der ersten Generation mit sedierendem Effekt (evtl. nur abends einnehmen)
z. B. Chlorphenamin 4 mg, alle 4–6 Stunden, Tageshöchstdosis 24 mg
Allgemeine Maßnahmen bei oralem Befall
Mundhygiene, z. B.:
Mundspülungen (max. alle 3 Stunden) mit 15 ml Benzydaminlösung 0,15 % – oder – 15 ml Lidocain 2-%-Lösung – oder –
Aloe-Vera-Gel 2 x tgl. auf die betroffenen Stellen auftragen.
Auf Tabak und Alkohol verzichten.
Orale Verletzungen, z. B. durch schlecht sitzende Zahnprothesen, vermeiden.
ggf. Paracetamol 500–1.000 mg alle 4–6 Stunden, Tageshöchstdosis: 4.000 mg
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung innerhalb von 8–12 Monaten selbstlimitierend.
Rezidive sind möglich.
Komplikationen
Karzinomentstehung
Schleimhautläsionen gelten beim Lichen ruber als mögliche Präkanzerose.
Bei oralem Lichen ruber kommt es in 4,6 % der Fälle zu einer malignen Transformation.7
Prognose
Meist gute Prognose (s. o.)
In einigen Fällen chronifiziert die Erkrankung und besteht für Jahrzehnte.
Schleimhautbefall ist oft hartnäckiger als der rein kutane Befall.
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2023, Stand 16.09.2022. www.dimdi.de
Bornstein MM, Navarini AA, Schriber M, Baumhoer D. Therapie des symptomatischen oralen Lichen planus mittels intraläsionaler Kortikosteroidinjektionen. Swiss Dent J 2022; 132: 706-7. PMID: 36200758 PubMed
Deutsche Dermatologische Gesellschaft. UV-Phototherapie und Photochemotherapie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-029. S1, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
Agha-Hosseini F, Sheykhbahaei N, SadrZadeh-Afshar MS. Evaluation of Potential Risk Factors that contribute to Malignant Transformation of Oral Lichen Planus: A Literature Review. J Contemp Dent Pract 2016; 17: 692-701. PMID: 27659090 PubMed
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).