Zusammenfassung
- Definition:Akute oder chronische Entzündung der Speicheldrüsen.
- Häufigkeit:Eher bei älteren Patient*innen, viral bedingte Entzündungen (Mumps) bei Kindern.
- Symptome:Schwellung der Speicheldrüse, Schmerzen, Fieber.
- Befunde:Geschwollene Speicheldrüse bei Palpation; evtl. ein Erythem, evtl. eitriges Sekret.
- Diagnostik:Entzündungsparameter, Ultraschall.
- Therapie:Konservativ mit Antiphlogisitika, bei bakteriellen Infekten Antibiose; ggf. chirurgische Intervention.
Allgemeine Informationen
Definition
- Entzündung der Speicheldrüsen, entweder akut durch bakterielle oder virale Infektionen oder chronisch durch Steine, Verengungen oder immunpathologische Prozesse
- Meist ist die Glandula parotis betroffen, gefolgt von der Glandula submandibularis und der Glandula sublingualis.
Häufigkeit
- Kommt eher bei älteren oder sehr jungen Patient*innen vor.
- Mumps kommt durch die Impfung inzwischen seltener vor.
- Chronische Sialadenitiden kommen ebenfalls bei Erwachsenen häufiger vor.
- Das Sjögren-Syndrom hat eine Prävalenz von ca 0,5 %, viele der Betroffenen haben eine Speicheldrüsenbeteiligung.1
Pathophysiologie
- Bei Speichel handelt sich um eine komplexe Mischung aus Flüssigkeit, Elektrolyten, Enzymen und Makromolekülen, die zusammen mehrere wichtige Funktionen ausüben.2
- Schmierung der Schleimhäute, um das Schlucken zu erleichtern und die Verdauung zu unterstützen.3
- Verdauung von Stärke durch Amylase im Speichel
- Modulation des Geschmacks
- Schutz gegen Karies
- Abwehr von Krankheitserregern
- Die größten Speicheldrüsen sind:
- Glandula parotis
- Glandula submandibula
- Glandula sublingualis.
- Kleinere Speicheldrüsen finden sich in den Schleimhäuten der Lippen, Zunge, Mundhöhle und des Rachens.
Ätiologie und Pathogenese
Akute Sialadenitis
- Befällt am häufigsten die Gl. submandibularis oder die Gl. parotis.
- Meist verursacht durch Staphylokokken oder Streptokokken, es können aber auch andere Bakterien vorkommen.
- Der Infektionsweg erfolgt entweder direkt über die Mundhöhle, hämatogen oder lymphogen.
- Speichelsteine und verminderte Flüssigkeitszufuhr können die Entstehung begünstigen.
- Virale Erreger können das Epstein-Barr-Virus, das Herpes-Virus B6 oder das Mumps-Virus sein.4
Chronische Sialadenitis
- In einigen Fällen entsteht aus einer akuten Sialadenitis eine chronische Sialadenitis.
- Sie wird in der Regel durch eine Obstruktion in den Speicheldrüsengängen durch Steine, Strikturen, Narbenbildung, Fremdkörper oder externe Kompression durch einen Tumor verursacht.2
- Es gibt chronisch sklerosierende Sialadenitiden (Küttner-Tumor), die mit IgG4 assoziiert sind.5
- Darüber hinaus gibt es Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom oder das Heerfordt-Syndrom, die die Speicheldrüsen befallen können.
- Auch eine Radiojodbestrahlung kann zu einer chronischen Sialadenitis führen.6
Prädisponierende Faktoren
- Dehydrierung
- Mangelernährung
- Immunsuppression
- Chronische Erkrankungen wie Diabetes, Hypothyreose, Nierenerkrankungen, HIV
- Sjögren-Syndrom
- Einnahme von Anticholinergika
- Schlechte Mundhygiene
- Häufiges Erbrechen, etwa im Rahmen einer Bulimia nervosa oder Anorexia nervosa
ICPC-2
- D83 Mund-/Zungen-/Lippenerkrankung
ICD-10
- K11 Krankheiten der Speicheldrüsen
- K11.2 Sialadenitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinische Befunde
- Inspektion
- Palpation
- Begleiterkrankungen
Differenzialdiagnosen
- Sialolithiasis
- Mumps
- Autoimmunerkrankung
- Tumoren
- Duktale Striktur
- Abszesse
- Sialadenose
Anamnese
- Akute Sialadenitis
- akute Schwellung der Speicheldrüse, bei bakteriellen Entzündungen oft einseitig, bei viralen meist beidseitig
- zunehmende Schmerzen und Schwellungen bei den Mahlzeiten, evtl. Kieferklemme und Schmerzen beim Kauen
- Fieber
- Chronische Sialadenitis6
- rezidivierende Schwellungen, oft nach dem Essen
- vorausgegangenen Operationen oder Traumata, Vorbehandlungen.
- Ist Speichel vorhanden, Veränderung von Konsistenz oder Geschmack.
- Bruxismus
Klinische Untersuchung
- Akute Sialadenitis
- empfindliche und geschwollene Speicheldrüse bei Palpation
- Empfindlichkeit und Erythem rund um die Öffnung des Ausführungsganges in den Mund
- Bei einer bakteriellen Infektion kann Eiter aus dem Ausführungsgang gedrückt werden, nicht jedoch, wenn eine virale Ursache vorliegt.
- Allgemeinsymptome
- Chronische Sialadenitis
- Die Drüse kann vergrößert sein.
- Beurteilung des Speichels
- N. lingualis und N. facialis sollten untersucht werden.6
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Ultraschall
- Speichelgangendoskopie
- CT
- Sialografie (sollte in der akuten Phase vermieden werden)
- Die Speicheldrüsenszintigrafie kann die Funktionsfähigkeit einer Speicheldrüse anzeigen.6
Indikationen zur Überweisung
- Bei ausgeprägtem Krankheitsbild
- Bei rezidivierenden Beschwerden zur diagnostischen Abklärung
Therapie
Therapieziele
- Infektion sanieren.
- Speichelsekretion verbessern.
Allgemeines zur Therapie
- Antibiotika bei bakterieller Ursache
- Evtl. Behandlung der zugrunde liegenden Ursache
Empfehlungen für Patient*innen
- Eine gute Mundhygiene
- Stimulation der Speichelproduktion durch Bonbons oder Kaugummi7
- Kühlende Umschläge wirken abschwellend und schmerzlindernd.
- Evtl. Massage der Drüse
Medikamentöse Therapie
- Antiphlogistische Therapie
- Antibiotikagabe bei bakterieller Infektion
- Vor der Behandlung sollte eine Bakterienkultur angelegt werden.
- Eine empirische Initialtherapie kann mit Aminopenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor erfolgen.8
- z. B. Amoxicillin + Clavulansäure 3 x 0,625 g bis 3 x 1.000 mg oral
- Alternativen8
- Cephalosporine (z. B. Cefalexin 3–4 x 1 g oral),
- Clindamycin (4 x 0,3 g oral),
- Flucloxacillin (3–4 x 1 g oral), ggf. plus Metronidazol (3 x 0,4 g oral)
- Die Antibiotika-Wahl muss nach der Kultivierung der Bakterien angepasst werden.
- Die Antibiotikatherapie sollte 10 Tage durchgeführt werden.
- in sehr schweren Fällen i. v. Therapie
- Virale Infektionen werden ausschließlich symptomatisch behandelt.
- In manchen Fällen können Steroide hilfreich sein: Alle IgG4-positiven Syndrome sprechen sehr gut auf Steroide an, es kommt in 98 % der Fälle zu einer Remission.9
Operative Therapie
- In Ausnahmefällen entsteht ein Abszess, der per chirurgischer Drainage behandelt werden muss.
Chronische Sialadenitis
- Bei der Erstdiagnose einer obstruktiven Sialadenitis sollten zunächst konservative Therapieverfahren erfolgen.
- Hierzu zählen Sialagoga, Hydratation, Mundspülungen, Dilatation der Papille, Drüsenmassage oder antiinfektiöse Behandlung mit Antibiotikum und Antiphlogistikum.6
- Drüsenerhaltende Chirurgie umfasst Gangschlitzung, mit oder ohne Rekonstruktion, interventionelle Sialendoskopie oder extrakorporale Stoßwellenlithotripsie.6
- Manchmal muss die betroffene Speicheldrüse komplett entfernt werden.
Komplikationen
- Abszessbildung bei akuten Entzündungen
- Fistelbildungen
- Durch chronische Entzündungen können Vernarbungen des Drüsengewebes entstehen.
- Die Speichelproduktion kann dadurch dauerhaft eingeschränkt sein.10
- Nach operativer Therapie kann es zu einer Gesichtslähmung infolge von Nervenverletzungen kommen.
Prävention
- Gute Mundhygiene
- Adäquate Behandlung des Sjögren-Syndroms
- Zweimalige MMR-Impfung zur Prävention von Mumps
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-066. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Sialadenitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-025. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Stefanski, Ana-Luisa; Tomiak, Christian; Pleyer, Uwe;et al, Diagnostik und Therapie des Sjögren-Syndroms, Dtsch Arztebl Int 2017; 114(20): 354-61; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0354 www.aerzteblatt.de
- Wilson KF, Meier JD, Ward PD. Salivary gland disorders. Am Fam Physician. 2014 Jun 1;89(11):882-888. PubMed
- Stenner M, Klussmann JP. Current update on established and novel biomarkers in salivary gland carcinoma pathology and the molecular pathways involved. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2009;266(3):333–341. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Barskey AE, Juieng P, Whitaker BL, et al. Viruses detected among sporadic cases of parotitis, United States, 20090-2011. J Infect Dis 2013; 208: 1979-86. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Geyer , Ferry , Harris Chronic sclerosing sialadenitis (Küttner tumor) is an IgG4-associated disease. Am J Surg Pathol. 2010 Feb;34(2):202-10 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Sialadenitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-025, Stand 2019 www.awmf.org
- Bozzato A, Hertel V, Bumm K, Iro H, Zenk J. Salivary simulation with ascorbic acid enhances sonographic diagnosis of obstructive sialadenitis. J Clin Ultrasound. 2009;37(6):329–332. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-006, Stand 2019 www.awmf.org
- Kleger A, Seufferlein T, Wagner M, Tannapfel A, Hoffmann TK, Mayerle J: IgG4-associated autoimmune diseases—polymorphous presentation complicates diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 128–35. www.aerzteblatt.de
- Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren Ärzte e. V. HNO-Ärzte im Netz. Zugriff 22.3.2020 www.hno-aerzte-im-netz.de
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).