Akute Tonsillitis

Zusammenfassung

  • Definition:Akute Entzündung der Mandeln (Tonsillen), die in etwa 2/3 der Fälle auf respiratorische Viren zurückzuführen ist.
  • Häufigkeit:Sehr häufiger Beratungsgrund in Hausarztpraxis.
  • Symptome:Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schluck- und manchmal auch Atembeschwerden können vorkommen.
  • Befunde:Geschwollene Mandeln, evtl. mit Belag, Lymphadenitis, Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit, Foetor.
  • Diagnostik:Klinische Diagnostik, ggf. Erregernachweis via Schnelltest.
  • Therapie:Symptomatische Therapie. Antibiotika sind bei hoher Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokken-Infektion optional und schweren Verläufen klar indiziert.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Tonsillitis ist eine Entzündung der Tonsillen (Gaumenmandeln) mit zusätzlich bestehender klinisch relevanter Symptomatik.2
  • Als rezidivierende (akute) Tonsillitis bezeichnet man das wiederholte Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervallen.2

Häufigkeit

  • Eine akute Tonsillitis ist ein häufiger Konsultationsgrund in der Hausarztpraxis, genaue Inzidenzzahlen liegen nicht vor.
  • Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten, ist aber am häufigsten im Schulalter.2
  • Es ist anzunehmen, dass etwa 15 % der Schulkinder und 4–10 % der Erwachsenen jährlich eine symptomatische Tonsillopharyngitis durch Streptokokken der Gruppe A durchmachen.3
    • Hinzu kommen die Tonsillitiden durch andere bakterielle und virale Erreger.

Ätiologie und Pathogenese

Bakterielle Erreger

  • Der mit Abstand häufigste isolierbare bakterielle Erreger der akuten Tonsillitis, der akuten Pharyngitis und der akuten Tonsillopharyngitis bei Kindern sowie Erwachsenen sind betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) der Spezies Streptococcus pyogenes.3
  • Andere bakterielle Erreger sind Streptokokken der Gruppe C (Streptococcus anginosus), Moraxella catarrhalis, Nokardien, PneumokokkenGonokkoken und Haemophilus influenzae.
  • Corynebakterien können die Ursache für die typischen klebrigen, gelbweißen oder grauen Beläge auf Tonsillen oder Rachen bei einer Diphtherie sein.
  • Angina Plaut-Vincent
    • verursacht durch eine Mischinfektion mit Treponema vincentii und Fusobacterium nucleatum
    • einseitige ulzeröse Tonsillitis mit geringer Beeinträchtigung des Allgemeinzustand, aber ausgeprägtem fauligem Foetor ex ore
    • Vor allem junge Männer sind betroffen.
  • Das Lemierre-Syndrom ist eine sehr seltene oropharyngeal-abszedierende Infektion mit Thrombose der Vena jugularis interna und septischen Thromboembolien.
    • Typische Auslöser sind anaerobe Bakterien, z. B. Fusobacterium necrophorum.

Virale Erreger

  • In etwa 2/3 der Fälle wird eine Pharyngotonsillitis durch Viren in den Atemwegen verursacht (Rhinovirus, Adeno-, Influenza-, Corona-, Enteroviren).3
  • Auch Retroviren (HIV) können eine Tonsillitis auslösen.
  • Die Mononukleose ist eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus.
    • fieberhafte Tonsillitis mit dickem, grauweißem, salbenartigem Belag
    • Lymphadenitis am Hals
    • Leber- und Milzschwellung können vorkommen.

Übertragungsarten

  • Tröpfcheninfektion durch Erkrankte oder asymptomatische Keimträger*innen
  • Autoinfektion über Mund/Rachenflora
  • Tiere oder Gebrauchsgegenstände (Zahnbürsten etc.) können Keimträger sein.

Prädisponierende Faktoren

  • Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, am meisten im Winter und im Frühling.
  • Die Erkrankung kann als Epidemie in Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen auftreten.
  • Wenn andere Familienmitglieder (im Haushalt) eine Streptokokken-Infektion haben, erhöht dies das Risiko für weitere Fälle, besonders in Familien mit Kindern.
  • Eine chronische Tonsillitis kann akute Ausbrüche begünstigen.

ICPC-2

  • R76 Tonsillitis, akute

ICD-10

  • J03 Akute Tonsillitis
    • J03.0 Streptokokken-Tonsillitis
    • J03.8 Akute Tonsillitis durch sonstige näher bezeichnete Erreger
    • J03.9 Akute Tonsillitis, nicht näher bezeichnet
  • J35.0 Chronische Tonsillitis

Differenzialdiagnosen

  • Virale Tonsillitis
    • Beginnt weniger akut, mit weniger ausgeprägten objektiven Veränderungen im Rachen und geringerer Lymphknotenschwellung.
    • Schnupfen und andere Schleimhautsymptome, Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Scharlach
    • schwere, fieberhafte Allgemeinerkrankung als Immunantwort auf die pyrogenen Streptokokken-Exotoxine
    • Die Tonsillen und ihre Umgebung sind stark vereitert.
    • Feinfleckiges, konfluierendes Erythem, das sich durch Druck abbleichen lässt, periorale Blässe und Himbeerzunge (Papillenhypertrophie) in unterschiedlicher Ausprägung.
  • Infektiöse Mononukleose
    • Eine Mononukleose beginnt selten akut. In der Regel entsteht innerhalb von 5–10 Tagen nach Beginn der Erkrankung eine Tonsillitis.
    • Die Tonsillen sind in der Regel von einem dicken, grauweißen, salbenartigen Belag bedeckt, der sich abkratzen lässt, jedoch oberflächliche Ulzerationen hinterlässt.
    • Die zervikalen Lymphknoten sind stark geschwollen, und es kann eine allgemeine Lymphadenopathie erkennbar sein; Milz und Leber sind häufig vergrößert.
    • Das Blutbild zeigt eine Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten (tritt gegen Ende der ersten Woche auf).
    • Ein Schnelltest dient dem Nachweis heterophiler Antikörper (Monospot), ansonsten erfolgt der Nachweis durch spezifische EBV-Antikörper.
    • Die Behandlung mit Ampicillin führt zur Entwicklung eines Exanthems.
  • Angina Plaut-Vincent
    • einseitige ulzeröse Tonsillitis mit wenigen allgemeinen Symptomen (graugrüner Belag)
    • normale Temperatur, selten bei Kindern
  • Herpangina
    • akutes Einsetzen mit Krankheitsgefühl und Schluckbeschwerden
    • verursacht durch Coxsackie-Virus
    • An der Mundschleimhaut entsteht ein starker Ausschlag, und es bilden sich kleine Bläschen an den Gaumenbögen, am Zäpfchen und am Gaumensegel.
    • Die Vesikel werden wund, wenn sie aufplatzen.
  • Agranulozytose und akute Leukämie
    • Bei diesen Erkrankungen kann eine massiv nekrotisierende ulzeröse Tonsillitis (Angina agranulocytotica) auftreten. Dies geschieht als Ausdruck einer sekundären bakteriellen Infektion aufgrund der verminderten Infektionsresistenz.
  • Diphtherie
    • Mäßiges Fieber und gelbweißer, dicker, haftender Belag (Pseudomembranen), der sich in schweren Fällen schnell über die Mandeln hinaus ausbreitet.
  • Karzinom, Tuberkulose und Syphilis
    • Können die Mandeln betreffen und sich als einseitige ulzeröse Tonsillitis äußern.
    • bei Verdacht: IGRA(Gamma-Interferon)-Test, Röntgenaufnahmen der Lungen, bakteriologische Untersuchung, serologischer Test bei Syphilis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Ziel der Diagnostik ist es, die Patient*innen zu identifizieren, die von einer Antibiotikatherapie profitieren, um einerseits abwendbar gefährliche Verläufe sowie andererseits Nebenwirkungen unnötiger antibiotischer Therapien zu vermeiden.2
  • Der Nachweis (oder Ausschluss) einer Tonsillopharyngitis durch Streptokokken ist weder durch klinische Zeichen noch durch eine Kombination mit Scoring-Systemen mit ausreichender Sicherheit möglich.4
    • Die Prävalenz von asymptomatischen GAS-Träger*innen in OECD-Ländern über alle Altersgruppen verteilt liegt bei etwa 7,5 %.5
  • Zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Tonsillitis empfiehlt die DEGAM den McIsaac-Score (Patient*innen 3–14 Jahre) oder den Centor-Score (Patient*innen > 14 Jahre) oder den FeverPAIN-Score.3
    • Cave: Die DEGAM weist darauf hin, dass es aufgrund der mäßigen Vorhersagekraft dieser Scoring-Systeme bis heute erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Empfehlungen zur Anwendung dieser Scores in den internationalen Leitlinien gibt.3

Anamnese

  • Symptome in allen Schweregraden, angefangen bei leichten Symptomen bis zu Schluck- und Atembeschwerden
  • Häufig sind akut einsetzendes Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, sowohl bei fester als auch bei flüssiger Nahrung.
  • Die Schmerzen strahlen oft zu den Ohren hin aus.
  • Bei Kindern kommt es oft zu Erbrechen und Bauchschmerzen.
  • Der Allgemeinzustand kann beeinträchtigt sein.
  • Die Sprache wird undeutlich und „breiig“.

Klinische Untersuchung

  • Inspektion des Rachenraumes
    • Farbe und Größe der Rachenmandel, Beläge, Ulzerationen
    • Häufig treten Petechien am Gaumenbogen auf.
    • Eine zur Gegenseite verdrängte Uvula weist auf einen Peritonsillarabszess hin.
  • Die Lymphknoten können vergrößert sein.
  • Es kann ein ausgeprägter Foetor ex ore bestehen.
  • Fieber, reduzierter Allgemeinzustand
  • Zusätzliche klinische Befunde wie eine Konjunktivitis, Rhinitis, Husten, Heiserkeit und spezifischere Befunde, wie eine anteriore Stomatitis sowie orale ulzerative Läsionen und ein begleitendes unspezifisches Exanthem deuten eher auf eine virale Genese der Beschwerden hin.3

Scores2-3

  • Nur Entscheidungshilfen, keine sichere Diagnose möglich
  • Cave: bei komplizierenden Befunden nicht anwendbar (s. u.)!
  • Centor-Score (Patient*innen > 14 Jahre): 1 Punkt für jede positive Antwort
    • Fehlen von Husten 
    • Fieber > 38 °C (auch anamnestisch) 
    • stark geschwollene und belegte Tonsillen (Exsudate)
    • geschwollene und schmerzhafte vordere Halslymphknoten
  • McIsaac-Score (Patient*innen 3–14 Jahre): erweiterte Form des Centor-Scores, der zusätzlich nach dem Alter fragt.
    • unter 15 Jahren: + 1 Punkt 
    • über 45 Jahre: – 1 Punkt
  • FeverPAIN-Score: 1 Punkt für jede positive Antwort
    • Fieber während der letzten 24 Stunden
    • belegte Tonsillen
    • Arztbesuch in den letzten 3 Tagen nach Symptombeginn
    • stark gerötete Tonsillen
    • kein Husten oder akute Rhinitis
  • Auswertung – Centor-Score, Mc-Isaac-Score, FeverPAIN-Score3
    • bei 3 Punkten mittleres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
    • bei 4 bzw. 4–5 Punkten höheres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich

Komplizierende Befunde/Red Flags

  • Bei folgenden Konstellationen sind die o. g. Scores nicht anwendbar, und es sollte eine individuelle Diagnostik und Therapiestrategie verfolgt werden:3
    • Alter < 3 Jahre
    • typisches Scharlach-Exanthem
    • V. a. infektiöse Mononukleose
    • Infektion mit anderem Fokus (Pneumonie, Bronchitis usw.)
    • anamnestisch erhöhtes Risiko für akutes rheumatisches Fieber
      • z. B. Herkunft aus Risikogebiet
    • typische Konditionen mit schwerer Immunsuppression
      • z. B. AIDS oder Z. n. Transplantation

Ergänzende Untersuchungen 

DEGAM-Leitlinie: Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken (GAS)3

  • Es findet sich nicht genug Evidenz für die regelhafte Anwendung von GAS-Schnelltests in einem hausärztlichen Kollektiv von Patient*innen (Alter ≥ 15 Jahre) mit V. a. akute bakterielle Tonsillopharyngitis.
  • Es finden sich keine belastbaren Nachweise für klinische Vorteile wie Beschwerdedauer oder eine verbesserte Rate an Wiedervorstellungen und Komplikationen.
  • Bei Patient*innen < 15 Jahre mit mittlerer bis hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokken-Tonsillopharyngitis erscheint die Anwendung von Schnelltests sinnvoll, um bei negativem Schnelltestergebnis bei einer zusätzlichen Anzahl von Kindern auf eine unnötige antibiotische Therapie verzichten zu können.
    • Bei Kindern und Jugendlichen (Alter ≤ 15 Jahre) mit akuten Halsschmerzen ohne „Red Flags“ sollte bei einem negativen Schnelltestergebnis für Gruppe-A-Streptokokken auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden.
  • Aufgrund der Spezifität von 95 % (Falsch-positiv-Rate von 5 %) sollte bei geringem klinischem Risiko auf einen Schnelltest auch bei Kindern in jedem Fall verzichtet werden.

Weitere Diagnostik

  • Ggf. Kulturanzüchtung zur Resistenztestung bei frustraner antibiotischer Therapie
  • Auch für Viren gibt es spezielle molekulargenetische Nachweise, die klinisch aber nicht von Bedeutung sind.
    • Ein Mononukleose-Schnelltest kann indiziert sein, sollte aber ggf. durch erregerspezifische Serologie und/oder Erregernachweis verifiziert werden, da der Schnelltest nicht zwischen einer akuten tonsillären Infektion oder einer EBV-Reaktivierung unterscheiden kann.
  • Bei unklaren Krankheitsbildern kann ein erweitertes Blutbild indiziert sein: z. B. Hb, CRP, BSG (die Entzündungsparameter haben einen geringen diagnostischen und prognostischen Wert).
    • Bei einer Mononukleose findet sich eher eine Lymphozytose mit atypischen, reaktiven Lymphozyten.
  • Streptokokken-Antikörpertiter (z. B. Antistreptolysin-Titer) sollten bei akuter und rezidivierender Tonsillitis nicht bestimmt werden.2
  • Es sollten keine routinemäßigen Kontrollen des Rachenabstrichs nach Streptokokken-Infektion durchgeführt werden, auch eine routinemäßige kardiologische Diagnostik ist nicht notwendig.2
  • Siehe auch das Video TrainAMed Rachenabstrich (Uni Freiburg).

Indikationen zur Klinikeinweisung/Überweisung

  • Einweisung
    • Verdacht auf Diphtherie
    • Peritonsillarabszess (ggf. auch ambulant durch Spezialist*in behandelbar)
    • schlechter Allgemeinzustand mit mangelnder Nahrungsaufnahme
    • Dyspnoe, Stridor oder andere Hinweise auf eine Verlegung der Atemwege
      • je nach Schweregrad ggf. mit notärztlicher Begleitung
  • Überweisung zur HNO-ärztlichen Untersuchung
    • ggf. zur Klärung der Indikation für eine Tonsillektomie

Therapie

Therapieziele

  • Ziel der Therapie ist es, Symptome zu reduzieren, Komplikationen zu vermeiden, den Krankheitsverlauf möglichst abzukürzen und die Infektiosität zu minimieren.

Allgemeines zur Therapie

  • Der Spontanverlauf einer Tonsillitis ist in den meisten Fällen selbstlimitierend und günstig.
    • Bei Erwachsenen liegt die Selbstheilungsrate am Tag 3 bei ca. 40 % und am 7. Tag bei ca. 85 %.6
  • Trotzdem werden bei über 80 % der Fälle Antibiotika verschrieben.7
    • Der durchschnittliche Unterschied zwischen Antibiotika- und Placebobehandlung beträgt bezüglich Reduktion der Symptome nur 16 Stunden.6
    • Es gibt keinen gesicherten Nachweis dafür, dass eine Penicillin-Behandlung einer Glomerulonephritis vorbeugt.8
  • Rheumatisches Fieber ist in den westlichen Industrieländern mittlerweile so selten, dass die Gefahr von schweren Komplikationen durch den Einsatz von Antibiotika größer ist als das Risiko für rheumatisches Fieber.

DEGAM-Leitlinie: Therapiefindung bei Halsschmerzen3

Kategorisierung der Patient*innen

  • Alle Patient*innen in der Hausarztpraxis können einer dieser 4 Gruppen zugeordnet werden:
    1. Patient*innen mit geringer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score ≤ 2 Punkte)
    2. Patient*innen mit intermediärer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score 3 Punkte)
    3. Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor-Score 4 Punkte, McIsaac-Score 4–5 Punkte)
    4. Patient*innen, bei denen die Scores nicht anwendbar sind (siehe Abschnitt Komplizierende Befunde).

Empfohlene Therapie

Delayed Prescribing

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Verschreibungsstrategie, bei der infolge von Verschlechterung oder Persistenz der Symptome über einen zuvor bestimmten Zeitraum (in der Regel 3–5 Tage) ein Rezept für ein Antibiotikum eingelöst wird.
  • Zwei gängige Modelle werden regelhaft eingesetzt:
    • Das Rezept wird ausgestellt, verbleibt aber in der Praxis und kann von den Patient*innen bei o. g. Verlauf abgeholt werden – oder –
    • den Patient*innen wird das Rezept bereits bei der Konsultation mitgegeben.

Beratung

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.3
  • Bei allen Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne Red Flags sollte eine Beratung zu folgenden Punkten erfolgen:
    • voraussichtlicher Verlauf: selbstlimitierend, Beschwerdedauer ca. 1 Woche
    • das geringe Risiko für behandlungsnotwendige suppurative (eitrige) Komplikationen
    • Selbstmanagement (z. B. Flüssigkeit, körperliche Schonung, andere nichtmedikamentöse Maßnahmen)
    • die geschätzte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bakteriellen Tonsillopharyngitis auf Basis von Anamnese und Befunderhebung
    • Vor- und Nachteile einer antibiotischen Therapie
      • Symptomverkürzung von durchschnittlich 16 Stunden
      • hohe Number Needed to Treat von ca. 200 zur Vermeidung einer suppurativen Komplikation
      • ca. 10 % unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Diarrhöen, Anaphylaxie, Mykosen) bei Antibiotikagabe
  • Auf Nachfrage der Patient*innen
    • Die geschätzte Inzidenz des akuten rheumatischen Fiebers (ARF) und der akuten postinfektiösen Glomerulonephritis (ASPGN) in Deutschland ist sehr gering. Weder das ARF noch eine ASPGN können durch eine antibiotische Therapie nachweislich verhindert werden.

Symptomatische Therapie

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.3
  • Als Lokaltherapeutika können sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.
  • Das Lutschen von medizinischen Lutschtabletten mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika zur lokalen Schmerzlinderung soll nicht empfohlen werden.
  • Zur kurzzeitigen symptomatischen Therapie von Halsschmerzen können Ibuprofen oder Naproxen angeboten werden.
  • Kortikosteroide sollen laut DEGAM-Leitlinie nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen genutzt werden.
    • Nach Einschätzung einer Auswertung durch das British Medical Journal besteht allerdings eine schwache Evidenz für den Nutzen einer einmaligen oralen Gabe bei akuten Halsschmerzen.9
      • Die Schmerzdauer kann damit im Durchschnitt um 1 Tag verkürzt werden, mit Nebenwirkungen ist bei einmaliger Gabe in der Regel nicht zu rechnen.
      • empfohlene Dosis: 10 mg Dexamethason (oder äquivalente Dosis eines alternativen Glukokortikoids) für Erwachsene
  • Für naturheilkundliche Präparate oder Homöopathika zur Behandlung von Halsschmerzen gibt es keinen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Kalte Getränke können Linderung bewirken.
  • Ausruhen.
  • Rauchen reduzieren/stoppen.

Antibiotische Therapie

  • Falls im Rahmen der Therapiefindung die Entscheidung zur Antibiotikatherapie fällt, sollte auf u. g. Präparate zurückgegriffen werden.
  • Während die Leitlinie der DEGAM und die abgelaufene Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) bei Penicillin V als Therapie der Wahl übereinstimmen, gibt es im Vergleich mit der inzwischen abgelaufenen Leitlinie der HNO-Ärzt*innen nun neue Empfehlungen bezüglich der Dauer (5–7 vs. 7 Tage), der Dosierung bei Kindern sowie der Therapie bei einer möglichen Penicillinunverträglichkeit (Erythromycin wegen der schlechten Verfügbarkeit nicht mehr empfohlen).2-3

DEGAM-Leitlinie: Antibiotische Therapie bei Halsschmerzen3

  • Patient*innen ab 16 Jahren
    • Penicillin V 3 x 0,8–1,0 Mio. IE p. o. für 5–7 Tage
    • bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 250–500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
  • Patient*innen 3–15 Jahre
    • Penicillin V 0,05–0,1 Mio. IE/kg KG/d p. o. verteilt auf 3 Einzeldosen für 5–7 Tage
    • bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 15 mg/kg KG/d verteilt auf 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
  • Eine Erregereradikation als Ziel der antibiotischen Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis sollte nur bei einem erhöhten individuellen Risiko für Komplikationen (z. B. schwere Immunsuppression) angestrebt werden.
    • Die Einnahmedauer beträgt in diesem Fall 10 Tage (Wirkstoff: Penicillin V oder Clarithromycin).
  • Wenn eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis nach 3–4 Tagen keine Wirkung zeigt, kann sie (nach ärztlicher Reevaluation und unter Beachtung von Differenzialdiagnosen) beendet werden, um das Risiko für Resistenzentwicklungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.

Weitere Therapien

  • Bei einer Mononukleose besteht die Behandlung aus körperlicher Schonung, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Analgesie und fiebersenkenden Maßnahmen.
  • Insbesondere Ampicillin sollte nicht eingesetzt werden, da es zu einem Arzneimittelexanthem (ca. 90 %) kommen kann.

Tonsillektomie oder Tonsillotomie

  • Tonsillektomie (TE): vollständige Entfernung der Gaumenmandeln
  • Tonsillotomie: Reduzierung des Volumens der Gaumenmandeln durch partielle Tonsillektomie durch chirurgische Instrumente (Schere, monopolare Nadel), Laser oder Radiofrequenzgerät
  • Die Tonsillotomie zeichnet sich im Vergleich zur Tonsillektomie durch eine erheblich geringere postoperative Morbidität und Rate an Blutungskomplikationen aus.2
  • Die DEGAM- und die abgelaufene HNO-Leitlinie unterscheiden sich in der Definition einer relevanten Episode, ansonsten decken sich die Empfehlungen.2-3

Leitlinie: Indikationsstellung Tonsillektomie2-3

  • Bei Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit rezidivierenden infektbedingten Halsschmerzen, bei denen eine (Teil-)Entfernung der Tonsillen als therapeutische Option erwogen wird, wird eine Beurteilung der möglichst ärztlich dokumentierten und therapierten Episoden in den letzten 12 Monaten empfohlen.
  • Eine Episode definiert sich als infektbedingte Halsschmerzen mit ärztlich dokumentierten:
  • DEGAM-Kriterien
    • Fieber > 38,3 ºC (oral) oder
    • Tonsillenexsudat oder
    • neu aufgetretener, schmerzhafter, zervikaler Lymphknotenschwellung oder
    • Streptokokken-Nachweis im Abstrich
  • HNO-Kriterium
    • mit Antibiotika therapierte eitrige Tonsillitis.
  • < 3 Episoden: Tonsillektomie ist keine Option!
  • 3–5 Episoden: Tonsillektomie ist eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 erreicht wird.
  • 6 Episoden und mehr: Tonsillektomie ist eine therapeutische Option.
  • Effekte
    • Eine kurzfristige Wirkung einer Tonsillektomie scheint vorhanden, auf lange Sicht scheint der Vorteil gering zu sein.10
    • Dem Nutzen des Eingriffs sollten die Nachteile wie Blutungskomplikationen und postoperative Schmerzen gegenübergestellt werden.2

Prävention

  • Tröpfcheninfektion: Engen Kontakt mit erkrankten Personen vermeiden, keine Getränkeflaschen und Ähnliches teilen, regelmäßig Hände waschen.
  • Bei Infektion mit GAS-Streptokokken gilt für Kontaktpersonen:11
    • Bei Kontakt zu unkompliziert Erkrankten sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich.
    • Kontaktpersonen sollten lediglich über das Infektionsrisiko und die Symptomatik einer GAS-Infektion/von Scharlach aufgeklärt werden, damit sie im Krankheitsfall rechtzeitig ärztlichen Rat suchen und behandelt werden können.
    • Bei Patient*innen mit Z. n. rheumatischem Fieber sollte im Falle eines Krankheitsverdachts einer GAS-Infektion in der Familie bei allen Familienmitgliedern ein Rachenabstrich durchgeführt werden und bei positivem Nachweis von Streptokokken der Gruppe A eine antibiotische Therapie eingeleitet werden.

Meldepflicht

  • In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG für Erkrankungen durch S. pyogenes.11
  • Gehäuft auftretende Streptokokken-Infektionen sind nach § 6 (1) 5 b IfSG (Infektionsschutzgesetz) unverzüglich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
  • Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen bei Infektionen durch Streptococcus pyogenes kann nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie und dem Abklingen der Symptome nach 24 Stunden erfolgen, bei fortbestehenden Krankheitszeichen wie Fieber und schwerem Krankheitsgefühl unter der Therapie erst nach deren Abklingen.11
    • Ohne geeignete antibiotische Therapie kann, insbesondere bei kleinen Kindern, eine Erregerausscheidung über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Sofern bei Betroffenen keine antibiotische Therapie erfolgt, ist eine Wiederzulassung daher frühestens zwei Wochen nach Abklingen der spezifischen Symptome angezeigt.
  • Der Nachweis von toxinbildendem Corynebacterium diphtheriae ist
    meldepflichtig (§ 7 IfSG).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Infektionen des Halses sind meist selbstlimitierend, Komplikationen sind selten und die Symptome meistens leicht bis mäßig.8
  • Bei ausbleibender Besserung oder bei Verschlechterung sollten die Patient*innen innerhalb von 3–5 Tagen (Therapieversagen) erneut Kontakt zur Arztpraxis aufnehmen.

Komplikationen

Prognose

  • In den meisten Fällen verläuft eine akute Tonsillitis ohne Komplikationen und Spätfolgen.
  • Komplikationen können in Zusammenhang mit einer schweren akuten Tonsillitis, verursacht durch beta-hämolytische Streptokokken, auftreten.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Auf eine antibiotische Therapie kann in vielen Fällen verzichtet werden.
  • Die Patient*innen sollten bei Verschlimmerung oder Therapieversagen ärztliche Hilfe suchen.

Patienteninformationen in Deximed

Video

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org (abgelaufen)

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024 (abgelaufen). Stand 2015. www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
  4. Shaikh N, Swaminathan N, Hooper EG. Accuracy and precision of the signs and symptoms of streptococcal pharyngitis in children: a systematic review. J Pediatr 2012; 160: 487-93. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Oliver J, Wadu EM, Pierse N, et al. Group A Streptococcus pharyngitis and pharyngeal carriage: A meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2018. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Spinks A, Glasziou PP, Del Mar CB. Antibiotics for sore throat. The Cochrane database of systematic reviews 2013; 11:CD000023. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Fischer T, Fischer S, Kochen MM, et al. Influence of patient symptoms and physical findings on general practitioners’ treatment of respiratory tract infections: a direct observation study. BMC Fam Pract 2005; 6: 6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Spinks A, Glasziou PP, Del Mar CB. Antibiotics for sore throat. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 11. Art. No.: CD000023. DOI: 10.1002/14651858.CD000023.pub4. DOI
  9. Aertgeerts B, Agoritsas T, Siemieniuk RAC, et al. Corticosteroids for sore throat: a clinical practice guideline. BMJ 2017; 358: 4090. www.bmj.com
  10. Burton MJ, Glasziou PP, Chong LY, Venekamp RP. Tonsillectomy or adenotonsillectomy versus non-surgical treatment for chronic/recurrent acute tonsillitis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 11. Art. No.: CD001802. DOI: 10.1002/14651858.CD001802.pub3. DOI
  11. Streptococcus pyogenes Infektionen. RKI-Ratgeber für Ärzte, Stand 25.01.2023. Zuletzt zugegriffen: 20.02.2023. www.rki.de
  12. Searle J, Möckel M. Akutes rheumatisches Fieber. Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S. 2640ff.

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Guido Schmiemann, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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