Raumforderung im kleinen Becken

Allgemeine Informationen

Definition

  • Raumforderungen im Becken können gynäkologische oder nicht-gynäkologische Ursachen haben, in der Mehrzahl benigne, aber auch maligne sind Ursachen möglich.1
  • Raumfordernde Prozesse im Becken werden mithilfe von Ultraschall als zystisch, solide oder komplex eingestuft.

Häufigkeit

  • Bei postmenopausalen Frauen werden 30 % aller raumfordernden Prozesse im Becken durch eine Krebserkrankung verursacht.2
  • Bei schwangeren Frauen ist die häufigste Ursache eine Corpus-luteum-Zyste. Bei nicht schwangeren Frauen sind die häufigsten Ursachen funktionelle Zysten und Myome.3
  • Unter 18 Jahren sind 25 % der Raumforderungen im Bereich der Adnexe maligne.1
  • Ovarialkarzinom
    • Ist die häufigste Ursache für einen tödlichen Verlauf einer gynäkologischen Krebserkrankung.
    • Die Inzidenz steigt mit dem Alter.
    • Das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu sterben, liegt über das gesamte Leben hin gesehen bei 1,4 %.3

Diagnostische Überlegungen

  • Das Risiko einer malignen Erkrankung steigt mit dem Alter.
  • Bei erhöhtem Bauchumfang, möglichem Aszites und Druckschmerzen im Unterleib besteht bis zum Beweis des Gegenteils der Verdacht auf ein Ovarialkarzinom.
  • Uterusmyome sind häufig, ggf. knotige Veränderungen tastbar, Diagnose durch Ultraschall.

Konsultationsgrund

  • Vorstellungsgründe können abnorme uterine Blutungen, abdominelle Schmerzen, Verdauungsstörungen mit Blähungen, Obstipation oder Stuhlunregelmäßigkeiten oder urologische Symptome sein. 

Abwendbar gefährliche Verläufe

ICPC-2

  • X77 Bösartige Neubild. (X), andere
  • X81 Neubild. Genit. (X) n.s., andere
  • W80 Ektopische Schwangerschaft
  • W73 Gutart./n.s. Neubil. Schwangersch.

ICD10

  • D39 Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens der weiblichen Genitalorgane
    • D39.0 Uterus
    • D39.1 Ovar

Differenzialdiagnosen

Vergrößerter Uterus

Schwangerschaft

  • Häufigste Ursache für einen vergrößerten Uterus
  • Positiver Beta-hCG-Test

Uterusmyome

  • Häufigster gutartiger Tumor der Frau
  • Klinisch relevante Myome finden sich bei etwa 25–30 % aller Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren.4
  • In 50 % keine Symptome, Zufallsbefunde
  • Die häufigsten Symptome sind abnorme uterine Blutungen (Zwischenblutungen, starke Blutungen), Dyspareunie, Pollakisurie, Obstipation, unerfüllter Kinderwunsch.
  • Bei der bimanuellen Palpation werden ggf. ein oder mehrere eindeutig abgegrenzte Tumoren oder ein vergrößerter, knotenartiger Uterus ertastet.
  • Die Diagnose wird durch Ultraschalluntersuchung bestätigt.

Endometriumkarzinom

  • Bei 90 % der betroffenen Frauen tritt die Erkrankung nach der Menopause auf.5
  • Leitsymptom postmenopausale Blutung
    • bei prämenopausalen Frauen unregelmäßige Blutungen
  • Schmerzen treten erst in einem späten Stadium auf.
  • Evtl. verdicktes Endometrium im transvaginalen Ultraschall
  • Die Diagnose wird mittels Hysteroskopie, fraktionierter Abrasio und histologischer  Aufarbeitung des Abradats gestellt.

Zervixkarzinom

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
  • Mittleres Erkrankungsalter 55 Jahre, Anstieg der Inzidenz ab 30 Jahren7
  • Wichtigste Ursache ist die Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV).
  • Entstehung über dysplatische Vorläuferläsionen
  • Symptome
    • anfangs häufig asymptomatisch
    • anomale vaginale Blutungen (Zwischenblutungen, postkoitale Blutungen, postmenopausale Blutungen)
    • auffälliger Ausfluss: wässrig, purulent, blutig oder übelriechend
  • Im frühen Stadium meist keine sicht- oder tastbaren Befunde
  • Die Diagnose lässt sich in der Regel durch eine Zervixzytologie, Portiobiopsie oder zervikale Abrasio bestätigen.

Blasenmole

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Es handelt sich um einen benignen Trophoblasttumor, bei dem es in der Plazenta zu einer blasenartigen Umwandlung der Plazentazotten kommt.
  • Entsteht in der befruchteten Eizelle.
    • komplett: ohne fetales Gewebe
    • partiell: mit fetalem Gewebe
      • Die Schwangerschaft kann zunächst fortbestehen, endet aber wegen embryonaler Fehlbildungen mit einer Fehlgeburt.
  • Symptome sind Blutungen und Hyperemesis aufgrund hoher Beta-hCG-Werte.
  • Der Uterus ist meist größer als in einem vergleichbaren Stadium einer gesunden Schwangerschaft.
  • Der Beta-hCG-Wert ist erhöht und der Ultraschallbefund ist typisch.

Invasive Blasenmole (Mola destruens)

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Maligner Trophoblastentumor, der in das Myometrium wächst und zu einer hämatogenen Streuung und Fernmetastasen führen kann.
  • Die Symptome sind meist nicht gynäkologischer Art: Metastasen in Lunge und Gehirn, Vagina und Adnexe.
  • Der Beta-hCG-Wert ist erhöht.

Chorionkarzinom

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Die Erkrankung ist sehr selten.
  • Maligner Trophoblasttumor, der nach allen Schwangerschaftsarten auftreten und metastasieren kann.
    • in 50 % der Fälle Auftreten nach Blasenmole
  • Symptome 
    • abnorme Blutungen
    • Symptome durch Metastasen
    • Symptome durch erhöhtes Beta-hCG (Übelkeit, Erbrechen)
  • Der Beta-hCG-Wert ist erhöht.

Pathologische Adnexe

Ovarialzysten

  • Ovarialzysten treten häufig auf.
  • Sie werden meist zufällig bei einer gynäkologischen Untersuchung oder im Ultraschall entdeckt.
  • Mögliche Symptome9
    • Zyklusunregelmäßigkeiten
    • Drucksymptome bei größeren Zysten: Bauchschmerzen, Druckgefühl,
    • Stuhlunregelmäßigkeiten, Miktionsauffälligkeiten (Drangsymptomatik)
    • Bauchumfangsvermehrung
    • Virilisierung bei Androgenproduktion
    • akute Bauchschmerzen bei Stieldrehung, Blutung, Ruptur
  • Diagnose durch Sonografie

Ovarialkarzinom

  • Mittleres Erkrankungsalter 69 Jahre.
  • Symptome10
    • Völlegefühl
    • Blähungen
    • unklare abdominelle Schmerzen oder Beschwerden
    • Zunahme der Miktionsfrequenz
    • erhöhter Bauchumfang
    • Gewichtsverlust, reduzierter Allgemeinzustand
  • Im fortgeschrittenen Stadium ggf. tastbare harte, unregelmäßige, feste Resistenz Oberbauch im Bereich des Omentum majus („Omental Cake“).
  • Die Diagnose wird aufgrund von klinischen Befunden, verdächtigen Ultraschalluntersuchungen und erhöhtem CA-125 vermutet. Sie wird histologisch im Rahmen der Operation bestätigt.
    • Ultraschall mit Befund eines soliden Adnextumors in Kombination mit CA-125-Wert > 35 Einheiten/ml weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Ovarialkarzinom hin.11

Extrauteringravidität

  • Die Einnistung einer befruchteten Eizelle erfolgt außerhalb der Gebärmutterhöhle (ektopisch) oder außerhalb des Uterus (extrauterin).
    • in 90 % d. F. Eileiterschwangerschaften
  • Symptome
    • Unterbauchschmerzen
    • ausgebliebene Menstruation
    • leichte Vaginalblutung in der ca. 6.–8. SSW
  • Komplikationen
  • Prädiktoren sind:
    • frühere Eileiteroperation
    • vorhergegangene ektope Schwangerschaft
    • Z. n. Entzündungen im Bereich des kleinen Beckens (Pelvic Inflammatory Disease, PID)
    • Schwangerschaft nach jeglichen Verfahren der assistierten Reproduktion
    • Alter > 40 Jahre
    • Schwangerschaft bei einliegendem Intrauterinpessar
  • Die Diagnose wird durch den Nachweis einer Extrauteringravidität durch Ultraschall oder Laparoskopie bestätigt.

Metastasen in den Eierstöcken

  • Selten
  • Ursache ist meist eine Krebserkrankung im Gastrointestinaltrakt oder der Brust.
  • Die Symptome ähneln denen eines Ovarialkarzinoms.

Ovarialtorsion

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.12
  • Durch die Drehung des Ovars kompromittierte Blutzufuhr zum Ovar
  • Notfall, rasche Diagnostik und Therapie zur Erhaltung des Ovars notwendig
  • Plötzliche Schmerzen im Unterbauch, normalerweise einseitig
  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall möglich
  • Deutlicher Druckschmerz in Unterbauch, ggf. Abwehrspannung
  • Das Blutbild zeigt in der Regel anfänglich keine Abweichungen, im Verlauf erhöhtes CRP
  • Die Diagnose wird klinisch und über den transvaginalen Ultraschall gestellt.

Corpus-luteum-Zyste

  • Entstehen aus dem Graaf-Follikel 2–4 Tage nach der Ovulation9
  • Bluten oft spontan ein.
  • Können sowohl bei schwangeren als auch nicht schwangeren Frauen auftreten.

Wanderniere

  • In seltenen Fällen kann eine Wanderniere im kleinen Becken in der Sonografie dargestellt werden.

Tumor im Colon sigmoideum

  • Die Erkrankung verläuft oft symptomfrei.
  • Mögliche Symptome
    • rektale Blutungen
    • Veränderungen der Stuhlgewohnheiten
  • Die Diagnose erfolgt durch Koloskopie und Histologie.

Anamnese

Sonstiges

Klinische Untersuchung

  • Allgemeinzustand der Patientin
  • Kontrolle der Lymphknoten am Hals, oberhalb des Schlüsselbeins, in den Achselhöhlen und in der Leiste
  • Lunge abhören, Anzeichen eines Pleuraergusses?3
  • Bauch
    • Untersuchung auf Aszites, Resistenzen, Hepatosplenomegalie, Palpationsempfindlichkeit, erhöhten Taillenumfang

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpaxis

  • Angezeigte Tests können Hb, BSG und Leberfunktionstests (GGT, AP, GOT, GPT, Bilirubin, CHE, Quick, PTT) sein.
  • Ggf. Schwangerschaftstest (Beta-hCG im Urin)
  • CA-125
    • Nur als Verlaufsparameter geeignet, CA 125-Bestimmung ist Standard.10
    • Erhöhte Werte (> 35 Einheiten) deuten auf Malignität hin, aber in der frühen Krankheitsphase ist die Untersuchung weder sensitiv oder spezifisch.
    • erhöht bei 90 % der Frauen mit weit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, aber nur bei 50 % der Betroffenen mit lokal begrenztem Tumor

Bei Spezialist*innen

  • Gynäkologische Untersuchung (bimanuelle Palpation)
    • Größe des Uterus und der Adnexe
    • Beweglichkeit des Uterus und der Adnexe
    • Konsistenz
    • Abgrenzung
    • Schmerzempfindlichkeit
    • mögliche Myome
  • Ultraschall mit Vaginalsonde 
    • Standardverfahren bei der Untersuchung von Raumforderungen im kleinen Becken13
      • Größe
      • Eigenschaften (zystisch, solide, komplex) 
      • Vorhandensein von Flüssigkeit (Blut oder Aszites)
    • Einfache Zysten bei prämenopausalen Frauen gelten als benigne.14
    • Komplexe Resistenzen sind bei prämenopausalen Frauen selten maligne.3
      • Meist hämorrhagische Zysten oder Endometriome, aber auch ein tuboovarieller Abszess, eine ektope Schwangerschaft oder Ovarialtorsion können sich als komplexe Masse zeigen.
    • Bei soliden Raumforderungen handelt es sich meist um ein pedunkuläres Myom, aber auch ein Ovarialtumor, Fibrom, Thekom, Ovarialkarzinom oder eine Ovarialtorsion kommen infrage.
  • Ggf. MRT zur weiteren diagnostischen Eingrenzung
  • Ggf. Koloskopie bei V. a. Kolonkarzinom

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikation zur Überweisung

  • Bei bisher unbekannter tastbarer Resistenz oder Ultraschallbefund einer Raumforderung im kleinen Becken Überweisung in die gynäkologische Praxis zur weiteren Diagnostik

Illustrationen

Palpation der Gebärmutter
Palpation der Gebärmutter

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. AWMF-Registernummer 032-033OL, Stand 2021. register.awmf.org
  • Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG). S2k-Leitlinie Gestationsbedingte und nicht-gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 032-049, Stand 2022. register.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. AWMF-Leitlinie Nr. 032-035OL, Stand 2021. register.awmf.org

Literatur

  1. Biggs WS, Marks ST. Diagnosis and Management of Adnexal Masses. Am Fam Physician. 2016 Apr 15;93(8):676-81. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Kinkel K, Lu Y, Mehdizade A, Pelte MF, Hricak H. Indeterminate ovarian mass at US: incremental value of second imaging test for characterization—meta-analysis and Bayesian analysis. Radiology 2005; 236: 85–94. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Givens V, Mitchell G, Harraway-Smith C, Reddy A. Diagnosis and management of adnexal masses. Am Fam Physician 2009; 80: 815-20. American Family Physician
  4. Boosz AS, Reimer P, Matzko M, Römer T, Müller A. Konservative, operative und interventionelle Therapieoptionen uteriner Myome. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 877–83. www.aerzteblatt.de
  5. Sorosky JI. Endometrial cancer. Obstet Gynecol 2008; 111: 436-47. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. AWMF-Registernummer 032-033OL, Stand 2021. register.awmf.org
  7. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut (Hrsg). Berlin, 2021. www.krebsdaten.de
  8. Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG). S2k-Leitlinie Gestationsbedingte und nicht-gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 032-049, Stand 2022. register.awmf.org
  9. Singh S. Ovarian cysts. BestPractice, last updated Sept 24, 2021. last reviewed 30 Mar 2023. bestpractice.bmj.com
  10. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. AWMF-Leitlinie Nr. 032-035OL, Stand 2021. register.awmf.org
  11. Falcone T. Adnexal masses: when to observe, when to intervene, and when to refer. Obstet Gynecol 2010; 115: 680-1. PubMed
  12. Ovarian torsion. BMJ Best Practice, Last reviewed: 30 Mar 2023, Last updated: 18 Jan 2022. bestpractice.bmj.com
  13. American College of Obstetricians and Gynecologists. Management of adnexal masses. Obstet Gynecol 2007; 110: 201-14. PubMed
  14. Bohm-Velez M, Fleischer AC, Andreotti RF, et al., for the Expert Panel on Women’s Imaging. Suspected adnexal masses. Reston, Va.: American College of Radiology (ACR); 2005. Accessed August 3, 2009. www.guidelines.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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