Abnorme uterine Blutungen (AUB)

Zusammenfassung

  • Definition:Die abnorme uterine Blutung (AUB) bezeichnet jede Abweichung vom normalen Menstruationszyklus in Bezug auf die Häufigkeit, Regelmäßigkeit, Dauer und Volumen.
  • Häufigkeit:Häufig, am häufigsten tritt dieses Phänomen bei jungen Frauen nach der Menarche (juvenile Blutung) sowie bei Frauen im Alter zwischen 38 und 50 Jahren auf.
  • Symptome:Unregelmäßige, häufig langanhaltende und/oder stärkere Blutungen als früher bzw. als zu erwarten; ggf. Leistungsminderung durch Anämie und Einschränkung der Lebensqualität.
  • Befunde:Die gynäkologische Untersuchung ist ohne pathologischen Befund.
  • Diagnostik:Folgende Untersuchungen können indiziert sein: Beta-hCG-Test, Zytologie (Pap-Abstrich, Chlamydientest, ggf. endometriale Zytologie), Sonografie, Labor, ggf. Hysteroskopie.
  • Therapie:Ausführliche Aufklärung der Patientin. Eine Behandlung mittels Hormontherapie ist möglich, alternativ NSAR oder Tranhexamsäure. Bei Therapieresistenz Kürettage, Endometriumablation oder Hysterektomie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die abnorme uterine Blutung (AUB) bezeichnet jede Abweichung vom normalen Menstruationszyklus in Bezug auf die Häufigkeit, Regelmäßigkeit, Dauer und Volumen.1-2
    • Häufigkeit – beschreibt die Zykluslänge.
      • selten: > 38 Tage
      • normal: 24–38 Tage
      • häufig: < 24 Tage
    • Regelmäßigkeit 
      • regelmäßig: +/– 2–20 Tage über 12 Monate
      • unregelmäßig: > 20 Tage über 12 Monate
    • Dauer 
      • verkürzt: < 4,5 Tage
      • normal: 4,5  8 Tage
      • verlängert: > 8 Tage
    • Volumen 
      • leicht: < 5 ml
      • normal: 5–80 ml
      • stark: > 80 ml3
    • Auch Zwischenblutungen und postkoitale Blutungen zählen zu den AUB.1-2
  • Der frühere Begriff „dysfunktionelle uterine Blutungen, (DUB)“, der als Ausschlussdiagnose nach Ausschluss von Schwangerschaft, iatrogenen Ursachen oder zugrunde liegenden Erkrankungen angewendet wurde, gilt als veraltet und sollte nicht mehr verwendet werden.2

Häufigkeit

  • Prävalenz 10–30 % bei Frauen im reproduktiven Alter4
  • Abnorme uterine Blutungen lassen sich häufig bei jungen Frauen nach der Menarche (juvenile Blutung) sowie vor der Menopause beobachten5-6, kommen aber in allen Altersklassen im reproduktiven Alter vor.

Ätiologie und Pathogenese – ätiologisch orientierte FIGO-Klassifikation der Blutungsstörungen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

PALM – strukturelle Veränderungen

KOEIN – nichtstrukturelle Veränderungen

  • Koagulopathie
  • Ovulationsstörung
  • Endometriumpathologie
  • Iatrogene und
  • Nichtklassifizierte Ursachen

Prädiktoren

ICPC-2

  • X07 Unregelmäßige Menstruation
  • X08 Zwischenblutung
  • X10 Hinausschieben der Menstruation
  • X13 Postkoitale Blutung

ICD-10

  • N93 Sonstige abnorme Uterus- oder Vaginalblutung
    • N93.8 Sonstige näher bezeichnete abnorme Uterus- oder Vaginalblutung

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Jegliche Abweichung des Blutungszyklus nach der o. g. Definition

Differenzialdiagnosen

  • Internistische Erkrankungen
    • endokrine Funktionsstörungen, z. B. Hyper- oder Hypothyreose
    • Bluterkrankungen, z. B Gerinnungsdefekte oder Leukämien
    • schwere Systemerkrankungen, z. B. Nieren- oder Leberfunktionsstörungen
  • Iatrogen
    • genitaler Fremdkörper, z. B. Intrauterinpessar (Spirale)
    • genitales Trauma
    • medikamenteninduziert z. B. durch:
      • Behandlung mit hormonellen Kontrazeptiva
      • eine Hormonersatztherapie (HET)
      • Behandlung mit Antikoagulanzien
      • Glukokortikoide
      • Antidepressiva, Antipsychotika3
      • Tamoxifen.3
  • Schwangerschaft
  • Benigne Ekrankungen der Gebärmutter
  • Infektionen
  • Malignome, z. B.:

Anamnese

  • Darlegung des Menstruationszyklus: Häufigkeit, Dauer, Menge (Binden/Tamponverbrauch)?
  • Zeitpunkt der Menarche?
  • Sexuelle Aktivität? Verhütung? Kontrazeptiva?
  • Veränderung der Blutung im Vergleich zu früher?
  • Bekannte Myome oder Endometriose?
  • Besteht eine generelle Blutungsneigung?
  • Medikamente oder pflanzliche Heilmittel, die Einfluss auf die Menstruation haben können?
  • Kann eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden? 
  • Kann es sich um Symptome des Klimakteriums handeln?
  • Müdigkeit, Dyspnoe als Zeichen einer Anämie?
  • Welche Auswirkungen haben die Beschwerden auf die Lebensqualität der Patientin?

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Blutuntersuchungen

  • Ein Beta-hCG-Test gibt Auskunft über eine evtl. vorliegende Schwangerschaft.9
  • Darüber hinaus kann eine Kontrolle der Blutwerte von Hb, BSG, Ferritin, Glukose, FT4 und TSH sinnvoll sein.9
  • Bei Bedarf sollten Blutungszeit, INR und PTT ebenfalls untersucht werden.9

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Gynäkologische Untersuchung
    • eine zytologische Untersuchung (Pap-Abstrich) zum Ausschluss von Gebärmutterhalskrebs
  • Junge Frauen sollten auf Chlamydien getestet werden.
  • Zum Ausschluss struktureller Veränderungen
    • abdominaler und vaginaler Ultraschall9
    • alternativ MRT des Beckens
  • Hysteroskopie: bei Verdacht auf Pathologien des Endometriums oder der Gebärmutterhöhle.10
  • Hysteroskopische Biopsie bei Risikofaktoren für Malignität

Indikationen zur Überweisung

  • Eine Überweisung zur Gynäkologie, um o. g. gynäkologische Untersuchungen durchzuführen, ist sinnvoll.
  • Bei Zyklusunregelmäßigkeiten kurz nach der Menarche kann zunächst darauf verzichtet werden.

Therapie

Therapieziele

  • Normalisierung der unregelmäßigen Blutungen
  • Ausschluss einer zugrunde liegenden Erkrankung

Allgemeines zur Therapie

  • In vielen Fällen genügt ein ausführliches Aufklärungsgespräch, weitere Behandlungsmaßnahmen sind nicht nötig.12
  • Bei zugrunde liegenden Pathologien (strukturelle oder nicht-strukturelle) sollten diese behandelt werden.
  • Die Therapieempfehlung richtet sich des Weiteren nach dem Alter der Patientin und ihrem aktuellen und langfristigen Kinderwunsch.13
  • Bei bestehendem Kinderwunsch sollte möglichst die zeitnahe gynäkologische Vorstellung erfolgen, da bei Anovulation eine Stimulationstherapie mit Ovulationsauslösung erforderlich ist.
  • Bei Eisenmangelanämie sollte entsprechende Substitution von Eisen, bevorzugt in oraler Form, erfolgen.
  • Eine Akutbehandlung ist nur selten nötig.

Medikamentöse Therapie

  • Gestagene: Behandlung der 1. Wahl10,14
  • Verschiedenen Applikationsformen13
    • niedrig dosiert p. o. (tägliche Einnahme)
    • i. m. oder s. c. Injektionen (alle 3 Monate)
    • subkutanes Implantat (Wechsel alle 3 Jahre)
    • Intrauterinpessar (Hormonspirale)
      • V. a. bei Frauen mit abgeschlossenem Kinderwunsch, die an starker Blutung leiden.
      • Gegenüber kombinierten oralen Kontrazeptiva und anderen Gestagenen ist die Reduktion der Blutungsmenge größer.13,15
      • Die Patientin sollte darüber aufgeklärt werden, dass es in den ersten Monaten nach Einlage zu unregelmäßigen Blutungen kommt, die sich mit der Zeit legen.
      • Hormonspiralen mit dem Wirkstoff Levonorgestrel haben eine ebenso effektive abschwächende Wirkung auf starke Menstruationsblutungen wie die Endometriumablation.3
  • Orale Kontrazeptiva bei jungen Frauen
    • Kombinierte orale Kontrazeptiva, d. h. Präparate,  die sowohl ein  Östrogen als auch ein Gestagen enthalten.
      • bei nicht ausreichender Symptomkontrolle durch ein Gestagen allein10,14
      • Kontraindikationen (Thrombose in der Anamnese, hohes Risiko für Thrombosen, z. B. Raucherinnen > 35 Jahre) beachten.
  • Tranexamsäure
    • Antifibrinolytikum
    • Mittel der Wahl bei Patientinnen, die einen aktuellen Kinderwunsch haben oder Kontraindikationen für Kontrazeptiva.13
    • Tgl. 3–4 x 1–1,3 g für 5 Tage ab Beginn der Blutungen; Einnahme erst mit Beginn der starken Blutungen reduziert die Blutungen, unterbindet sie aber nicht.
  • NSAR-Präparate
    • Reduzieren Prostaglandinlevel, die bei Frauen mit starker Menstruationsblutung erhöht sind.16
    • bei Kontraindikationen für Östrogene und Progesteron
    • Die Einnahme von NSAR führen laut einer Metaanalyse zur Reduktion der Blutungsmenge gegenüber Placebo.17
    • Bedarfsgemäße Einnahme während der Menstruation, lindern zugleich Symptome einer Dysmenorrhö.11

Akutbehandlung

  • Östrogen intravenös
  • Tranexamsäure 
  • Ggf. Blutprodukte
  • Wenn ineffektiv, kann eine Kürettage, Embolisation der A. uterina oder als ultima ratio die Hysterektomie indiziert sein.11

Operative Behandlungsmöglichkeiten

  • Eine Operation kann dann indiziert sein, wenn die üblichen Behandlungsmethoden keine Wirkung zeigen oder eine medikamentöse Therapie kontraindiziert ist.13
  • Dilatation und Kürettage
    • Wenn keine Symtptomverbesserung durch medikamentöse Therapie erreicht werden kann oder diese kontraindiziert ist.14
    • Wird „blind“ oder mittels Hysteroskopie durchgeführt (v. a. bei pathologischen Veränderungen des Endometriums bzw. wenn eine Biopsie notwendig ist).14
  • Endometriumablation/-resektion
    • minimalinvasiv (hysteroskopisch), verschiedene Verfahren
    • bei Kontraindikationen oder nicht-Ansprechen auf hormonelle Therapie.
    • hohe Patientinnenzufriedenheit
    • nicht immer langanhaltende Wirkung, eine Wiederholung der Prozedur kann notwendig sein.18
  • Hysterektomie
    • sofortige vollständige und anhaltende Symptomkontrolle
    • jedoch operativer Eingriff mit relevanter Morbidität und Mortalität
    • 2. Wahl nach den weniger invasiven Verfahren
    • Die laparoskopische Hysterektomie birgt ein geringeres Komplikationsrisiko als die offen-chirurgische.10,14

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Oftmals nehmen die Beschwerden bei Frauen rund um das 40. Lebensjahr und danach zu.

Komplikationen

Prognose

  • Bei jungen Frauen nach der Menarche meist vorübergehendes Phänomen, das lediglich bis zur Etablierung eines regelmäßigen ovulatorischen Menstruationszyklus anhält.
  • Auch bei perimenopausalen Frauen ist die Prognose bei einer medikamentösen Therapie sehr gut.
  • Bleiben anovulatorische uterine Blutungen über einen längeren Zeitraum unbehandelt, erhöht sich das Risiko für eine Endometriumhyperplasie und ein  Endometriumkarzinom.

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen bei anovulatorischen uterinen Blutungen aufgrund der Entartungsgefahr

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Munro MG1, Critchley HO, Broder MS, Fraser IS; FIGO Working Group on Menstrual Disorders. FIGO classification system (PALM-COEIN) for causes of abnormal uterine bleeding in nongravid women of reproductive age. Int J Gynaecol Obstet 2011; 113(1): 3-13. pmid:21345435 PubMed
  2. Fraser IS, Critchley HO, Broder M, et al. The FIGO recommendations on terminologies and definitions for normal and abnormal uterine bleeding. Semin Reprod Med. 2011 Sep;29(5):383-90. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Wouk N, Helton M; Abnormal Uterine Bleeding in Premenopausal Women. Am Fam Physician 2019, Apr 1;99(7):435-443. www.aafp.org
  4. Liu Z, Doan QV, Blumenthal P, Dubois RW. A systematic review evaluating health-related quality of life, work impairment, and health-care costs and utilization in abnormal uterine bleeding. Value Health. 2007;10(3):183-194. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Elmaoğulları S, Aycan Z. Abnormal uterine bleeding in adolescents. J Clin Res Pediatr Endocrinol. 2018 Jul 31;10(3):191-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Cheong Y, Cameron IT, Critchley HOD. Abnormal uterine bleeding. Br Med Bull. 2017 Sep 1;123(1):103-14. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Goodman NF, Cobin RH, Futterweit W, et al. American Association Of Clinical Endocrinologists, American College Of Endocrinology, and Androgen Excess and PCOS Society Disease State Clinical Review: guide to the best practices in the evaluation and treatment of polycystic ovary syndrome - part 1. Endocr Pract. 2015 Nov;21(11):1291-300. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Whitaker L, Critchley HO. Abnormal uterine bleeding. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2016 Jul;34:54-65. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. American College of Obstetricians and Gynecologists. Committee on Practice Bulletins—Gynecology. Practice bulletin no. 128: diagnosis of abnormal uterine bleeding in reproductive-aged women. Obstet Gynecol. 2012 Jul;120(1):197-206. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  10. National Institute for Health and Care Excellence. Heavy menstrual bleeding: assessment and management. May 2021 [internet publication]. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Gupta J et al. Abnormal uterine Bleeding. BMJ Best practice, last updated May 27th, 2022. bestpractice.bmj.com
  12. Goldstein SR, Lumsden MA. Abnormal uterine bleeding in perimenopause. Climacteric. 2017 Oct;20(5):414-420. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  13. James AH. Heavy menstrual bleeding: work-up and management. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2016 Dec 2;2016(1):236-242. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. American College of Obstetricians and Gynecologists. Committee on Practice Bulletins—Gynecology. Practice bulletin no. 136: management of abnormal uterine bleeding associated with ovulatory dysfunction. Obstet Gynecol. 2013 Jul;122(1):176-85. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Lethaby A, Hussain M, Rishworth JR, et al. Progesterone or progestogen-releasing intrauterine systems for heavy menstrual bleeding. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Apr 30;(4): pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Bofill Rodriguez M, Lethaby A, Farquhar C. Non-steroidal anti-inflammatory drugs for heavy menstrual bleeding. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Sep 19;9(9). www.cochranelibrary.com
  17. Matteson KA, Rahn DD, Wheeler TL, et al; Society of Gynecologic Surgeons Systematic Review Group; Nonsurgical management of heavy menstrual bleeding: a systematic review. Obstet Gynecol. 2013;121(3):632-643. www.ncbi.nlm.nih.gov
  18. Bofill Rodriguez M, Lethaby A, Fergusson RJ. Endometrial resection and ablation versus hysterectomy for heavy menstrual bleeding. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Feb 23;2: www.cochranelibrary.com

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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