Schwangerschaftsabbruch

Zusammenfassung

  • Definition:Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleibt aber unter folgenden Voraussetzungen straffrei: vor Ende der 12. SSW nach einem vorangegangenen Beratungsgespräch in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ohne ärztliche Indikation; mit medizinischer Indikation; mit kriminologischer Indikation.
  • Häufigkeit:In Deutschland werden pro Jahr ca. 100.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen.
  • Symptome:Die meisten dieser Abbrüche werden bei Frauen in instabilen Partnerschaften, bei Frauen, die schon früher haben abtreiben lassen, und nach einer Verhütungspanne durchgeführt.
  • Befunde:Feststellung der Schwangerschaftsdauer anamnestisch oder bei Unsicherheit mit einem vaginalen Ultraschall.
  • Diagnostik:Beta-hCG–Probe aus dem Urin, Bestimmung des Rhesusfaktors, Untersuchung auf Chlamydien, ggf. HIV- und Hepatitisserologie.
  • Therapie:Der Schwangerschaftsabbruch lässt sich medikamentös oder durch einen chirurgischen Eingriff vornehmen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Schwangerschaftsabbruch (Abruptio graviditatis) bezeichnet man einen absichtlich induzierten Abort bei intakter Schwangerschaft.
  • Umgangssprachlich wird dieser Vorgang als Abtreibung bezeichnet.

Rechtliche Fragen

  • Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleibt aber unter den folgenden Voraussetzungen straffrei (§ 218a, § 219 Strafgesetzbuch – StGB).1
  • Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken.
    • Ausnahme: Die ärztliche Mitwirkung ist notwendig, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden.2  
  • Zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs sind grundsätzlich Ärztinnen und Ärzte berechtigt, die die vorgesehenen Leistungen aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen erbringen können, nach dem ärztlichen Berufsrecht dazu befugt sind und über die erforderlichen Einrichtungen verfügen.
    • In Bayern und Niedersachsen dürfen nur Ärzt*innen mit der Anerkennung auf dem Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe Abbrüche vornehmen.3

Abbruch ohne Indikationsfeststellung4

  • Ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der schwangeren Frau ohne ärztliche Indikation ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
    • Eine gesetzlich vorgeschriebene Beratung muss erfolgt und durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle bescheinigt sein.
      • Eine Bescheinigung über das Beratungsgespräch ist von der Schwangeren der den Schwangerschaftsabbruch durchführenden ärztlichen Person vorzulegen.
    • Das Beratungsgespräch muss mindestens 3 Tage vor dem Eingriff erfolgt sein.
    • Der Schwangerschaftsabbruch muss bis zum Ende der 12. Woche nach der Empfängnis durch ärztliches Personal, das nicht an der Beratung teilgenommen hat, durchgeführt werden.

Abbruch mit Indikationsfeststellung4-5

  • Bei folgenden Indikationen ist der Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig:
  • „Kriminologische Indikation“ (§ 218a Abs. 3 StGB)
    • Die Schwangerschaft ist durch eine Straftat nach §§ 176 bis 178 StGB, z. B. durch eine Vergewaltigung, entstanden.
    • Eine gesetzliche Pflicht zur Beratung gibt es bei der kriminologischen Indikation nicht.
    • Der Abbruch darf auch bei dieser Indikation nur bis zum Ende der 12. Woche nach der Empfängnis (14. Woche nach Beginn der letzten Regel) durchgeführt werden.
  • „Medizinische Indikation“ (§ 218a Abs. 2 StGB)
    • Die Fortsetzung der Schwangerschaft würde eine Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit der Schwangeren bedeuten.
      • Dies kann auch vorliegen, wenn mit einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung des Kindes zu rechnen ist (früher „embryopathische“ oder „eugenische“ Indikation).
    • Bei dieser Indikation gibt es keine gesetzliche Frist, bis wann der Abbruch durchgeführt werden muss.
    • Allerdings ist eine Dreitagesfrist vorgeschrieben, die die Ärzt*innen berücksichtigen müssen, bevor sie die Bescheinigung über das Vorliegen der Indikation ausstellen. Diese Frist gilt nicht bei akuter Gefahr für das Leben der Schwangeren.
    • Ärzt*innen, die die Indikation feststellen, dürfen nicht auch den Abbruch vornehmen.
    • Die Schwangere ist über alle gesetzlichen Vorgaben nach § 2a SchKG zu informieren:4
      • Beratung über die medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus dem Befund ergeben.
      • Hinzuziehung von Ärzt*innen, die Erfahrung mit geborenen Kindern mit der jeweiligen Gesundheitsschädigung haben.
      • Anspruch auf vertiefende psychosoziale Beratung nach § 2 und Vermittlung einer solchen
      • Informationen über Selbsthilfegruppen und Behindertenverbände und Vermittlung dahin, wenn dies gewünscht wird.
    • Die Schwangere kann auf die Beratung verzichten, dies sollte schriftlich festgehalten und von der Schwangeren bestätigt werden.4

Rechtliche Grundlagen bei Minderjährigen4

  • Minderjährige können, sofern sie von ihrer Entwicklung her in der Lage sind, auch ohne Zustimmung ihrer Eltern oder Sorgeberechtigten einem Schwangerschaftsabbruch zustimmen.
    • Aufgabe der Ärzt*innen ist es, die Einschätzung der Reife der minderjährigen Schwangeren für eine solche Entscheidung vorzunehmen.
  • Falls das 14. Lebensjahr bei der schwangeren Frau noch nicht abgeschlossen ist, besteht immer eine kriminologische Indikation für den Schwangerschaftsabbruch (§ 176 StGB).

Kostenübernahme eines Schwangerschaftsabbruchs

  • Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs aufgrund einer medizinischen oder kriminologischen Indikation werden bei krankenversicherten Frauen von der Krankenkasse getragen.
  • Ebenfalls übernommen werden die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs (auch ohne Indikationsfeststellung) bei sozialer Bedürftigkeit der Frau.
    • Ein Antrag auf Kostenübernahme ist bei der Krankenkasse zu stellen.
      • Die Kosten werden vom jeweiligen Bundesland getragen.
      • Wenn die Betroffene nicht krankenversichert ist, kann sie zur Antragstellung eine gesetzliche Krankenkasse vor Ort wählen.6
    • Als bedürftig werden vom 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2023 Frauen angesehen, deren verfügbares persönliches Einkommen 1.325 Euro im Monat nicht übersteigt und denen auch persönlich kein kurzfristig verwertbares Vermögen zur Verfügung steht. Diese Einkommensgrenze, die an den Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt ist, erhöht sich für jedes im Haus der Frau lebende minderjährige Kind um 314 Euro. Eine weitere Erhöhung bis maximal 388 Euro ist möglich, wenn die Kosten der Unterkunft 388 Euro übersteigen.1
    • Es gilt hier das Einkommen der Frau, nicht der ganzen Familie.7
  • Abrechnung7
    • über Kostenübernahme (unterschiedliche Länderregelungen, Pauschale bis Einzelleistungsabrechnungen nach EBM) – oder –
    • über GOÄ, z. B.:
      • 3 (Beratung) bzw. 34 (Erörterung, mind. 20 min)
      • 410 (Ultraschalluntersuchung eines Organs, z. B. Uterus)
      • 420 (Ultraschalluntersuchung eines weiteren Organs, 2 x für Adnex re und Adnex li)
      • 1055 (Abbruch einer Schwangerschaft bis einschließlich 12. SSW)
      • Sachkosten Mifepriston ~ 220–250 €

Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen5

  • Ärztliche Beratung über Erhaltung und Abbruch der Schwangerschaft
  • Ärztliche Behandlung für die Dauer der Schwangerschaft
  • Sonografische Feststellung des Schwangerschaftsalters
  • Bestimmung von Blutgruppe und Rhesusfaktor
  • Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-negativen Frauen nach dem Abbruch
  • Behandlung von Komplikationen des Abbruchs
  • Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
  • Untersuchung auf genitale Chlamydia-trachomatis-Infektion

DEGAM-Anwenderversion: Formale Voraussetzungen zur Durchführung von medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen in der Hausarztpraxis7

  • Meldung an die jeweilige Landesbehörde, dass Abbrüche nach § 13 Schwangerschaftskonfliktgesetz durchgeführt werden.
    • unterschiedliche Regelungen in den jeweiligen Bundesländern
  • Berufshaftpflicht
    • Geplante Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen mitteilen, inkl. Off-Label-Use.
  • Bezug Mifepriston
    • formlose Anmeldung bei Med-X-Press GmbH, Logistic Center Nordic Pharma, Pracherstieg 1, 37644 Goslar (inkl. Kopie Approbation) erforderlich
  • Meldepflicht
  • Kostenübernahme
  • Anonyme Meldung aller durchgeführten Abbrüche beim statistischen Bundesamt (Destatis)

Häufigkeit

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Seit dem Jahre 2007 mit ca. 116.900 Schwangerschaftsabbrüchen sinkt die Anzahl jährlich. 2022 stieg sie erstmals wieder an.

2021

  • In Deutschland wurden im Jahre 2021 ca. 94.600 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, davon 95,8 % mit Beratungsregelung.
  • 76 % der Schwangerschaftsabbrüche erfolgten bis einschließlich der 8. Woche post conceptionem (p. c.), weitere 22 % bis einschließlich der 11. Woche p. c.4
  • Methode4
    • in Deutschland ca. 52 % mit Vakuumaspiration, 11 % mit Kürettage, 32 % medikamentös
    • In anderen Ländern gibt es erhebliche Unterschiede: Schweden z. B. hat 96 % medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche; England und Wales 85 %.

2022

  • 2022 stieg die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche um 9,9 % gegenüber dem Vorjahr an auf 104.000.
  • Im Jahr 2022 waren von den Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen,
    • ca. 70 % zwischen 18 und 34 Jahre alt
    • ca. 19 % zwischen 35 und 39 Jahre alt
    • ca. 8 % 40 Jahre und älter
    • ca. 3 % jünger als 18 Jahre
    • ca. 41 % Nulliparae.
  • Von den im Jahr 2022 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüchen wurden
    • 96 % nach der sog. Beratungsregelung
    • 4 % aus medizinischen Gründen und aufgrund von Sexualdelikten vorgenommen.

Prädisponierende Faktoren

  • Besonders bei jüngeren Frauen und bei Frauen in instabilen Partnerschaften ist am häufigsten der Wille zu einem Schwangerschaftsabbruch zu beobachten.
  • Frühere Erfahrungen mit einem Schwangerschaftsabbruch erhöhen die Wahrscheinlichkeit.
  • Verhütungspanne

ICPC-2

  • W83 Induzierter Abort

ICD-10

  • O04 Ärztlich eingeleiteter Abort
  • O06.9 Nicht näher bezeichneter Abort, komplett oder nicht näher bezeichnet, ohne Komplikation

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Schwangerschaftsdiagnose wird auf der Grundlage der Anamnese (Amenorrhö) und eines positiven Schwangerschaftstests (Beta-hCG-Bestimmung im Urin) gestellt.
  • Die Feststellung des exakten Gestationsalters ist von großer Bedeutung.4
    • mittels Angaben zur letzten Menstruation
      • Der erste Tag der letzten normal starken Periodenblutung wird zur Datierung des Gestationsalters verwendet.
      • Dies ist nur bei sehr regelmäßigem Zyklus vertretbar.
    • mittels Ultraschalluntersuchung: verlässlichere Beurteilung des Gestationsalters7
      • Bestimmung der Scheitel-Steiß-Länge (< 2,3 cm)
      • abdomensonografisch möglich
  • Bei sehr früher Schwangerschaft sonografisch noch keine Fruchtblase darstellbar
    • Bestimmung von Beta-hCG quantitativ am Abbruchtag und nach 4–7 Tagen (z. A. einer fortbestehenden Schwangerschaft bzw. Extrauteringravidität)7

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • Alter, Gewicht, Größe, Gravität, Parität
  • Entbindungsmodus und Komplikationen bei vorherigen Geburten, Aborte, Totgeburten
  • Vorherige medikamentöse oder chirurgische Schwangerschaftsbeendigungen
  • Ektope Graviditäten
  • Zyklusanamnese, erster Tag der letzten Regelblutung, regelmäßiger Zyklus vorhanden?
  • Bisherige Methoden der Kontrazeption
  • Blutungskomplikationen
  • Bekannte Uterusanomalien, Myome, frühere gynäkologische Erkrankungen oder Operationen
  • Medikamentenanamnese und Allergien
  • Letzte gynäkologische Untersuchung inklusive Krebsfrüherkennungsuntersuchung
  • Relevante Vorerkrankungen
  • Aktuelle Beschwerden, insbesondere vaginale Blutungen und Unterbauchschmerzen
  • Verdacht auf Gewalt in der Partnerschaft
    • Ein Hinweis kann sein, wenn Eltern, Angehörige oder Partner*in die Betroffene bedrängen und einen Einzelkontakt zu verhindern suchen.
    • behutsames, offen und erklärendes Vorgehen
    • Eine sekundäre Traumatisierung oder das Auslösen von sog. Flashbacks können im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch auftreten.
    • Dies gilt ebenso für Betroffene von Genitalverstümmelung.

Leitlinie: Gesprächsinhalte beim Erstkontakt4

  • Wohin und an wen muss die schwangere Frau sich wann und in welchen Schritten, wenden? 
  • Informationen zur rechtlichen Situation
  • Welche Unterlagen und Nachweise braucht sie innerhalb welcher Fristen, damit sie in Kliniken oder Praxen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen kann?
  • Wo kann die Frau diese Nachweise bekommen?
  • Wo und mit welchen Kosten kann sie einen Schwangerschaftsabbruch
    durchführen lassen?
  • Welche Möglichkeiten der Unterstützung durch professionelle Einrichtungen oder Freund*innen und Familie bestehen?
  • Es sind Informationen zum Vorliegen einer Indikation (medizinisch, kriminologisch) zu geben und deren Konsequenzen für Beratung und Kostenübernahme zu erläutern.
  • Informationen über die unterschiedlichen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs und ihre eigene Wahlmöglichkeit
  • Ablauf des Abbruchs sowie der Zeit danach
  • Mögliche Gefühle im Zusammenhang mit dem Abbruch und in der Zeit danach
  • Verhütung nach dem Abbruch

Klinische Untersuchung

  • Allgemeine, an anamnestischen Auffälligkeiten orientierte klinische Untersuchung

Sonografie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • Sonografische Feststellung des Schwangerschaftsalters
    • sichere sonografische Schwangerschaftszeichen im 1. Trimenon
      • Nachweis einer Fruchthöhle, eines Dottersackes oder eines Embryos
    • Messung der Scheitel-Steiß-Länge (SSL) mittels Vaginalsonografie
      • zuverlässige Methode zur Bestimmung des Gestationsalters in der Frühschwangerschaft
    • Das Ultraschallbild sollte bei ungewollter Schwangerschaft auf Wunsch, aber nicht unaufgefordert gezeigt werden.
  • Ultraschalluntersuchung zur Datierung der Schwangerschaftswoche, wenn
    • der Menstruationszyklus der Patientin unregelmäßig
    • der erste Tag der letzten Regel nicht sicher bekannt
    • die palpatorische Uterusgröße nicht mit der errechneten Schwangerschaftswoche übereinstimmend ist.
  • Bei einem regelmäßigen Menstruationszyklus der Schwangeren mit einer sicheren Kenntnis des 1. Tages der letzten Regel, fehlenden Risikofaktoren oder Symptomen einer Extrauteringravidität und einem ausdrücklichen Wunsch der Patientin nach einem (medikamentösen) Abbruch kann auf eine Ultraschalluntersuchung verzichtet werden.

Ergänzende Untersuchungen

  • Eine Beta-hCG-Bestimmung im Urin der Schwangeren
    • Die Schwangerschaft soll mindestens mit einem positiven Urin-Beta-hCG-Test nachgewiesen sein.
    • Quantitative Beta-hCG-Wert-Bestimmungen eignen sich nicht zur Festlegung des Schwangerschaftsalters und sollten daher mit diesem Ziel nicht erfolgen.4
  • Bestimmung des Rhesusfaktors im Blut der Schwangeren4
  • Ggf. Bestimmung des Hb-Wertes als Ausgangswert 4
  • Ausschluss oder Nachweis einer genitalen Chlamydia-trachomatis-Infektion mit einer Urinprobe mittels Nukleinsäure-amplifizierendem Test4-5
  • Bei Risikopatientinnen der HIV- (mit Zustimmung der Patientin) und Hepatitis-Status4

Indikationen zur Überweisung

  • Unverzüglich in eine den Schwangerschaftsabbruch durchführende Einrichtung, damit Fristen eingehalten werden können.
  • Zunächst muss die gesetzlich vorgeschriebene Beratung erfolgen.
  • Ggf. Überweisung zur psychotherapeutischen Mitbehandlung4

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationsloser Abbruch der Schwangerschaft bei medizinischer oder kriminologischer Indikation oder auf Wunsch der Patientin
  • Vermeidung von somatischen oder psychischen gesundheitlichen Folgen

Allgemeines zur Therapie

Leitlinie: Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon4

  • Ein Schwangerschaftsabbruch sollte, wenn die Frau entschieden ist, so früh wie möglich erfolgen, da dieser in frühen Schwangerschaftswochen mit geringen Komplikationsraten verbunden ist.
  • Ärzt*innen wie auch Mitarbeiter*innen in Beratungsstellen sollten alle Methoden und Verfahren kennen (operativ, medikamentös, telemedizinisch, Home Use, verschiedene Narkosemöglichkeiten).
  • Um die Annehmbarkeit zu erleichtern, sollten Ärzt*innen wie auch Mitarbeiter*innen in Beratungsstellen die autonome Entscheidung der Frau und ihre Würde respektieren, die Privatsphäre wahren, Vertraulichkeit sichern und Stigmata reduzieren, persönliche Überzeugungen zurückstellen und den Zugang nicht verzögern.
  • Eine Verzögerung des Ablaufs durch das in § 12 SchKG festgehaltene Recht auf Weigerung, an einem Abbruch teilzunehmen, sollte vermieden werden. Die schwangere Frau sollte in diesem Fall ohne Verzögerung weitervermittelt werden.
  • Patientinnen sollten ermutigt werden, ihre informierte Entscheidung zu finden,
    indem sie ihre Werte, Präferenzen und persönlichen Lebensumstände einbringen und bedenken, was für sie wichtig ist.

Richtlinie des G-BA: Aufgaben der betreuenden Ärzt*innen/Gynäkolog*innen5

  • Jede Ärztin/jeder Arzt hat im Rahmen der von ihr/ihm durchzuführenden ärztlichen Beratung der Schwangeren darauf hinzuwirken, dass die Schwangerschaft ausgetragen wird, soweit nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen.
  • Bei Erwägung eines Schwangerschaftsabbruches durch die Schwangere ist auf die Möglichkeiten sozialer Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder hinzuweisen.
  • Die Schwangere ist über die gesundheitlichen Risiken eines Schwangerschaftsabbruches zu beraten.
  • Ärzt*innen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, müssen
    • der Schwangeren Gelegenheit geben, ihre Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch darzulegen.
    • die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen ärztlich beraten.
    • die notwendige Nachbehandlung gewährleisten.

Schwangerschaftskonfliktberatung

  • Wenn die Frau sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, muss sie sich als Nächstes an eine anerkannte Beratungsstelle wenden.
  • Die Schwangerschaftskonfliktberatung darf nicht von denselben Ärzt*innen durchgeführt werden, die den Abbruch vornehmen werden.5

Planung des Schwangerschaftsabbruchs

  • Der gesamte Abschnitt basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.4
  • Die Patientin erhält einen Termin für Informationen und Untersuchungen in der Praxis/Klinik.
  • Die Dauer der Schwangerschaft wird abgeklärt.
  • Der Nachweis über Pflichtberatung mit Stempel und Unterschrift nach § 219 StGB incl. Datum ist zu kontrollieren.7
    • Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens 3 Tage liegen.
  • Es sollte der Patientin Raum gegeben werden, über ihre Entscheidung zu sprechen, falls gewünscht.7
  • Anamnese in Bezug auf Kontraindikationen

Verhütungsberatung

  • Frauen soll beim Vorgespräch sowie unmittelbar vor oder nach dem Schwangerschaftsabbruch eine Verhütungsberatung angeboten werden.
    • Die Initiierung von Verhütung kann erfolgen
      • unmittelbar nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch oder
      • beim medikamentösen Abbruch am Tag der Gabe von Mifepriston (hormonelle Verhütungsmethoden)
      • nach der Feststellung eines vollständigen Abbruchs (bei intrauterinen Verhütungsmethoden).
    • Bei einer zeitgleichen Applikation von Depotmedroxyprogesteronacetat (DMPA) und Mifepriston bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch besteht eine leicht erhöhte Rate an weiterbestehenden Schwangerschaften.
    • Bei jeder Verhütungsberatung soll sichergestellt werden, dass kein Druck auf die Frau ausgeübt wird. Die Entscheidung, keine Verhütungsmethode anzuwenden, soll respektiert werden.
    • Eine Tubensterilisation sollte nicht direkt nach einem Schwangerschaftsabbruch als Verhütungsmethode angeboten werden.
      • Eine nicht unerhebliche Anzahl von Frauen bereut im Nachhinein die Entscheidung zu einer Tubensterilisation.

Methode

  • Die Abbruchmethode wird von den behandelnden Ärzt*innen und den Patientinnen gemeinsam festgelegt.
  • Entscheidend sind der Gesundheitszustand der Frau, die Dauer der Schwangerschaft und der Wunsch der Patientin.9
  • Vorerkrankungen, die bei der Entscheidungsfindung beachtet werden sollten:
    • Adipositas mit einem BMI > 30 kg/m²: evtl. erschwerter Zugang zur Zervix uteri bei operativem Abbruch, höheres Narkoserisiko bei Vollnarkose (verringerte Lungenkapazität und schwierigere Steuerbarkeit von lipophilen Medikamenten)
    • Uterusanomalien (z. B. Septen, Uterus bicornis) erhöhen bei einem operativen Abbruch das Risiko einer weiterbestehenden Schwangerschaft oder einer Perforation.
    • vorangegangene Sectiones: ggf. höheres Blutungsrisiko bei operativem Abbruch
    • Gerinnungsstörungen, Anämie (Hb < 9,5 g/dl): möglicherweise höherer Blutverlust beim medikamentösen Abbruch
    • Bei schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen oder Lungenfunktionsstörungen soll der Schwangerschaftsabbruch in einer Klinik durchgeführt werden.
  • Im Vergleich zwischen medikamentösem und operativem Abbruch gibt es keine Evidenz dafür, dass eine der beiden Methoden mehr Risiken aufweist.

Anti-D-Prophylaxe

  • Rhesus-negative-Frauen, die mit > 9/0 SSW einen Schwangerschaftsabbruch haben, sollten nach dem Schwangerschaftsabbruch eine Anti-D-Prophylaxe erhalten.
  • Ausnahmen
    • bei Rhesus-D-negativen Frauen mit Anti-D-Antikörpern
    • Wenn der nichtinvasive Pränataltest zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors (NIPT-RhD) aus maternalem Blut ab der 11+0 SSW einen negativen Rhesusfaktor ergab.

Aufklärung

  • Über mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen, vor allem Schmerzen, Blutungen, gastrointestinale Symptome, Anästhesienebenwirkungen4
  • Über Möglichkeit der Kostenübernahme durch das Bundesland.7
  • Ab der 8./9. SSW ist es beim medikamentösen Abbruch möglich, einen Embryo im abgehenden Schwangerschaftsgewebe zu erkennen.
    • In der Phase nach der Anwendung von Misoprostol ist die Anwesenheit einer vertrauten Person zur Unterstützung sinnvoll.
  • Aufklärung über das mögliche Auftreten unterschiedlicher ggf. starker Emotionen im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch, die natürlicherweise vorkommen und kein Anzeichen einer psychischen Störung sind.
  • Aushändigung der Telefonnummer für die ständige („24/7“) telefonische Erreichbarkeit von Ärzt*innen für Fragen und Notfälle.7
  • Aufklärung über den Ablauf des Abbruches

Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch (< 9. SSW)

  •  Der Abschnitt basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.4

Leitlinie: Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch – Ort und Art der Durchführung4

  • Die Durchführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs erfordert keine speziellen räumlichen oder apparativen Voraussetzungen.
  • Somit ist ein Schwangerschaftsabbruch in unterschiedlichen „Settings“ möglich: ambulant in gynäkologischen, allgemeinmedizinischen oder anderen Praxen oder in ambulanten OP-Zentren.
  • Anders als bei Mifepriston sollen die Patientinnen die Wahlmöglichkeit erhalten, ob sie die Einnahme des Prostaglandins in Einrichtungen wie Kliniken oder Praxen oder zu Hause vornehmen wollen.
  • Ein medikamentöser Abbruch kann ergänzend telemedizinisch begleitet werden.
  • Patientinnen sollen nach ausführlicher Aufklärung über die unterschiedlichen Vorgehensweisen eine informierte Entscheidung treffen können.
  • Die Patientin soll eine schriftliche Befund- und Behandlungsdokumentation sowie eine Notfall-Telefonnummer erhalten.
  • Auch bei Minderjährigen kann ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden.

Ablauf des medikamentösen Schwangerschaftsabbruches

  • Ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen und ohne Vorliegen einer medizinischen Indikation ist mit Mifepriston in Kombination mit einem Prostaglandinanalogon in Deutschland bis zum 63. Tag nach Amenorrhö zugelassen.4
  • Das häufigste Behandlungsverfahren besteht aus einer Kombination von Antiprogesteron Mifepriston und Prostaglandin (Misoprostol).10
    • Mifepriston führt zur Ablösung des Fruchtsackes und sensibilisiert für Prosta-
      glandin.7
      • UAW: Übelkeit, in 10–45 % in Komedikation mit Prostaglandin Unterleibskrämpfe
    • Misoprostol löst Uteruskontraktionen aus, führt zur Ausstoßung – und bremst durch Kontraktionen die Blutung.7
  • Die Kombination ist zugelassen bis SSW 7+0, ab 7+1 bis SSW 9+0 besteht ein Off-Label-Use (ab SSW 7+1 bis SSW 9+0 soll laut Zulassung 1 mg Gemeprost vaginal nach Gabe von Mifepriston 600 mg verabreicht werden).4
  • Misoprostol ist in Deutschland nur in der Dosis von 400 µg oder als Kombination Misoprostol / Diclofenac 200 μg/75 mg erhältlich, höhere Dosen müssen aus dem Ausland bezogen werden.7

Leitlinie: Applikationsschema für Mifepriston und Misoprostol4

  • Für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sollte die Kombination aus 200 mg Mifepriston (p. o.) und 24–48 Stunden später 800 μg Misoprostol buccal, sublingual oder vaginal bis zur SSW 9+0 verabreicht werden.
  • Alternativ können 600 mg Mifepriston und 24–48 Stunden später 400 μg Misoprostol buccal, sublingual oder vaginal bis SSW 7+0 bzw. 800 μg Misoprostol in SSW 7+1 bis 9+0 vaginal gegeben werden.
    • Die orale Gabe von Misoprostol ist weniger effektiv und hat eine höhere Rate an gastrointestinalen Nebenwirkungen.
    • Die vaginale Applikation ist am nebenwirkungsärmsten, sublinguale und buccale Gabe sind gleich effektiv, haben aber eine höhere Rate an Nebenwirkungen als die vaginale Applikation.
  • Frauen sollen vor einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch darüber aufgeklärt werden, dass ab 7+1 SSW die Anwendung von Misoprostol in Kombination mit Mifepriston „Off-Label-Use“ ist.
  • Ab 3 Stunden nach Misoprostol-Einnahme kann bei ausbleibender Blutung eine zweite Dosis 400 μg Misoprostol verabreicht werden.
  • Zur Verbesserung der Symptomkontrolle sollte die Einnahme von NSAR wie Ibuprofen und eines Antiemetikums wie Metoclopramid unmittelbar nach der Misoprostol-Einnahme empfohlen werden.
  • Vaginale Blutungen treten meist erst nach der Einnahme von Misoprostol auf.
    • Ca. 1–4 Stunden nach Einnahme treten krampfartige Bauchschmerzen auf.
    • Gelegentlich beginnt eine solche Blutung auch bereits nach Einnahme von Mifepriston.
    • Diese vaginalen Blutungen sind stärker als Menstruationsblutungen, enthalten gelegentlich Koagel oder Endometriumanteile.
      • Faustregel: Wenn innerhalb von 2 Stunden mehr als 8 dicke Binden durchgeblutet sind und die Blutung innerhalb der nächsten 2 Stunden nicht geringer wird, sollte die Patientin anrufen. Dann entweder nochmal 400 μg Misoprostol oder Klinikeinweisung.7
  • Ca. 97 % der Frauen abortieren innerhalb der nächsten 24 Stunden, die meisten innerhalb von 4–6 Stunden nach Einnahme von Misoprostol.11
  • Die meisten Frauen haben starke Blutungen bis zu 2 Tage nach dem Abbruch; weniger als 1 % werden transfusionspflichtig.12 
    • Sistieren die starken Blutungen nicht, sollte möglichst bald eine Vakuumaspiration zur Entfernung des in utero verbliebenen Gewebes durchgeführt werden.
    • Es ist dafür zu sorgen, dass die Patientinnen bei Bedarf schnell und einfach mit den behandelnden Ärzt*innen Kontakt aufnehmen können.
  • Regelstarke Blutungen bestehen nach dem Abgang des Schwangerschaftsgewebes für 10–14 Tage.7
    • Wenn stärkere oder länger anhaltende Blutungen auftreten, kann eine weitere Einnahme von Misoprostol (400 μg) erfolgen.

Frauen mit Vorerkrankungen oder speziellen Risiken

  • Mifepriston hat eine antiglukokortikoide Wirkung.
    • Bei Frauen mit chronischer Nebennierenrindeninsuffizienz oder mit Erkrankungen, die durch orale Kortisongabe behandelt werden, kann die Wirksamkeit dieser Therapie durch die Einnahme von Mifepriston reduziert werden.
    • kritische Indikationsstellung und ggf. Dosisanpassung des Kortisons für 1 Woche
  • Blutgerinnungsstörungen oder deutliche Anämie (Hämoglobin < 9,5 g/dl)
    • sorgfältige Indikationsstellung, da höherer Blutverlust als bei operativem Schwangerschaftsabbruch
  • Hereditäre Porphyrie
    • Die Gabe von Mifepriston kann einen akuten Anfall mit schweren Symptomen auslösen. Sie soll deshalb vermieden werden.
  • Ektope Gravidität
    • Mifepriston ist nicht wirksam.
  • Liegendes IUP (Intrauterinpessar)
    • Das Pessar sollte vor der Misoprostol-Anwendung entfernt werden.
    • Wegen des höheren Risikos einer ektopen Gravidität bei liegendem IUP muss diese baldmöglichst ausgeschlossen werden.
  • Anomalien des Uterus, starke Deformationen des Zervikalkanals oder des Cavum uteri durch Myome sowie Verengungen der Vagina oder des Introitus bei Frauen mit Genitalbeschneidung können einen operativen Schwangerschaftsabbruch erschweren.
    • In diesen Fällen kann das medikamentöse Verfahren günstiger sein.
  • Stillzeit
    • lt. Fachinformation theoretisch möglicher Übergang in die Muttermilch
      • Empfehlung, die Anwendung zu vermeiden.
    • Zwei Studien belegen jedoch einen nur geringen Übergang von Mifepriston in die Muttermilch und sehen keine Notwendigkeit für eine Anwendungsbeschränkung. Sie empfehlen, eine Dosis von 200 mg gegenüber 600 mg zu bevorzugen.13-14
  • Mehrlingsgravidität oder Adipositas
    • keine Einschränkungen der Wirksamkeit
    • keine Dosisanpassung erforderlich
  • Vorausgegangene Sectio
    • kein erhöhtes Risiko einer Uterusruptur bei Abbrüchen bis 14. SSW
  • Antibiotikaprophylaxe
    • Sie sollte bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch nicht routinemäßig erfolgen.
    • Einsatz einer Antibiotikaprophylaxe bei erhöhtem Infektionsrisiko
      • Geeignet sind Doxycyclin, Metronidazol oder Beta-Lactam-Antibiotika wie Cephalosporine.
      • Bei Frauen mit einem entsprechenden Risiko für eine sexuell übertragbare Infektion sollte vor der Durchführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs ein Zervixabstrich für die anschließende weitere Untersuchung entnommen werden.

Kontraindikationen4,9

  • Absolute Kontraindikationen
    • schweres Asthma 
    • hämorrhagische Diathese oder Einnahme von Antikoagulanzien
    • ektope Schwangerschaft
    • bekannte Unverträglichkeit/Allergie auf eine der Substanzen
    • Unsicherheit bezüglich des Schwangerschaftsalters
    • Porphyrie7
  • Relative Kontraindikationen
    • Patientinnen, die nicht in der Lage sind, den Umfang und die Bedeutung des Eingriffs zu verstehen.
    • Raucherinnen über 35 Jahre mit einem täglichen Zigarettenverbrauch von mehr als 15 Zigaretten
    • Anämie
  • Besondere Vorsicht bei
    • ischämischer Herzkrankheit
    • insulinabhängiger Diabetes mellitus (Gefahr von Dehydratation und Blutzuckerschwankungen)
    • bekannter Epilepsie (Gefahr der Induktion von Krampfanfällen durch Übelkeit und Erbrechen)
    • einliegendem Intrauterinpessar (chirurgische Methode ist sicherer)
    • Langzeiteinnahme oraler Kortikosteroide (Abschwächung der Wirkung des Kortisons).

Nebenwirkungen4,9

  • Kopfschmerzen, Fieber, Durchfall, Erbrechen
  • Schmerzen, Bauchkrämpfe
    • Ibuprofen bewirkt eine Besserung der Symptomatik.
      • z. B. Ibuprofen 600 mg 2–3 x tgl. p. o. unter Beachtung der Kontraindikationen
    • Die Routinegabe ist nicht wirksamer als die Einnahme nach Bedarf.
    • alternativ Metamizol bei starken Schmerzen oder Unverträglichkeit von nichtsteroidalen Antiphlogistika
      • z. B. Metamizol 500 mg bis zu 4 x tgl. p. o.
    • Die DEGAM empfiehlt alternativ Paracetamol/Codein p. o. oder supp.7
    • Nach dem WHO-Stufenschema der Schmerztherapie kann der betroffenen Frau ein schwaches Opioid wie Tramadol zur Verfügung gestellt werden.
      • z. B. Tramadol 50–100 mg 2 x tgl. p. o.15
  • Übelkeit und Erbrechen sind häufig.
    • Ein Antiemetikum (z. B. Dimenhydrinat, Metoclopramid oder Ondansetron) sollte angeboten werden.
      • z. B. Metoclopramid 10 mg bis 3 x tgl. p. o.

Schwangerschaftsabbruch bis Ende der 12. Woche p. c.: operative Methode

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • Empfohlen wird die Vakuumaspiration.
    • Die Vakuumaspiration (elektrisch oder manuell; Saugkürettage) ist im 1. Trimenon die Methode der Wahl.
    • Ab SSW 9/0 sollte eine elektrische Aspiration bevorzugt werden.
    • Wenn ein Verdacht auf zurückgebliebene Gewebereste besteht, werden diese mit einer stumpfen Kürette ausgeschabt.
  • Vor einem operativen Schwangerschaftsabbruch sollte ein Zervixpriming mit 400 μg Misoprostol durchgeführt werden, insbesondere bei Nullipararität oder nach Voroperationen an der Zervix.
    • Alternativen zu Misoprostol
      • 3–4 Stunden vor dem Abbruch intrazervikal platzierte osmotische Dilatatoren
      • Mifepriston 200–400 mg oral 24–48 Stunden vor dem operativen Schwangerschaftsabbruch
  • Mögliche Anästhesieformen
    • Allgemeinanästhesie im Sinne einer total intravenösen Anästhesie (TIVA)
    • balancierte Anästhesie
    • regionalanästhesiologische Verfahren im Sinne z. B. einer Spinalanästhesie
    • in Ausnahmefällen auch in Lokalanästhesie bei erfahrenen Operateur*innen
  • Auf eine routinemäßige histopathologische Untersuchung des beim operativen Schwangerschaftsabbruch gewonnenen Gewebes kann verzichtet werden.
  • Bei präoperativem Nachweis von Chlamydia trachomatis antibiotische Therapie vor dem Eingriff
    • z. B. Azithromycin-Tabletten 500 mg 1 x 2–3 Tabletten, spätestens 4 Stunden vor der Behandlung
    • Bitte beachten: Ermittlung der Ansteckungsquelle und Behandlung der Partner*innen!

Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche

  • Die Patientin sollte stationär aufgenommen werden.
  • Auch nach der 12. Woche werden ebenso das medikamentöse und das chirurgische Verfahren als gleichwertig empfohlen.16
  • Medikamentöse Verfahren mit:
    1. Mifepriston / Misoprostol – oder –
    2. Mifepriston / Gemeprost

Krankschreibung

  • Die Länge der Krankschreibung ist eine Einzelfallentscheidung.

Prävention

  • Verhütung
  • Der leichte Zugang zur „Pille danach“ verringert offenbar nicht die Anzahl der ungewollten Schwangerschaften.17

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der gesamte Abschnitt basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.4

Verlauf

  • Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass sie wenige Tage nach dem Eingriff wieder schwanger werden können und, wenn eine Schwangerschaft nicht gewünscht ist, Verhütungsmittel anwenden sollen, siehe Verhütungsberatung.
  • Eine routinemäßige Nachuntersuchung nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch sollte allen Frauen nach dem Eingriff angeboten werden.
  • Frauen erleben nach Schwangerschaftsabbrüchen ein großes Spektrum an individuell unterschiedlichen Gefühlen wie Erleichterung und Entlastung, Trauer und Verlustgefühle, Schuldgefühle oder in Einzelfällen Bedauern des Schwangerschaftsabbruchs.
    • Gefühle von Schuld, Scham oder Selbstbeschuldigung sind Ausdruck der verbreiteten Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
  • Frauen mit entsprechenden Risikofaktoren bzw. erkennbaren psychischen Belastungen sollen nach dem Schwangerschaftsabbruch über Angebote der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zur Nachbetreuung und psychologischen Beratung informiert werden.
    • Die Partner*innen sollen bei Bedarf darüber informiert werden, dass diese Angebote sich auch an sie richten.

Komplikationen

  • Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch eine sichere medizinische Behandlung ist und ernste Komplikationen selten sind.
    • Über die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme bei schweren Komplikationen sollte aufgeklärt werden.
    • Bei Auftreten von Fieber oder Krankheitssymptomen sollten die Frauen ärztlichen Rat einholen.
  • Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass in seltenen Fällen die Schwangerschaft fortbesteht oder Reste von Schwangerschaftsgewebe verbleiben und ein weiterer Eingriff erforderlich ist.
  • Unmittelbare Komplikationen können sein:
    • starke Blutungen
    • Verletzungen 
    • Komplikationen der Anästhesie beim operativen Abbruch, ggf. stationäre Aufnahme
  • Spätere Komplikationen können sein:
    • inkompletter Abbruch
    • Weiterbestehen der Schwangerschaft
    • Infektionen
      • Eine routinemäßige Antibiotikaprophylaxe ist nicht erforderlich.7
  • Intrauterine Gewebereste können mit abwartendem Vorgehen, einer Prostaglandingabe oder einer Vakuumaspiration behandelt werden.
  • Bei weiterbestehender Gravidität soll die Patientin über die Therapieoptionen Prostaglandingabe und Vakuumaspiration aufgeklärt und ihr dies zur Schwangerschaftsbeendigung angeboten werden.
  • Eine Infektion der Genitalorgane nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch soll antibiotisch behandelt werden.
  • Siehe Tabelle Risiken beim medikamentösen und operativen Schwangerschaftsabbruch.

Verfahrensversagen

  • Beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch kann bei 0,5–1 % der Frauen die Schwangerschaft weiterbestehen und 3–5 % haben einen unvollständigen Abort.
    • Während ein inkompletter Abort sich durch Beschwerden (Blutungen, Schmerzen) bemerkbar machen und so erkannt werden kann, kann eine weiterbestehende Schwangerschaft ohne eine geeignete Kontrolle unbemerkt bleiben.
  • Zum Vorgehen bei Verdacht auf das Fortbestehen einer intrauterinen Schwangerschaft siehe Verlaufskontrolle.
  • Maßnahmen
    • Nach dem Eingriff ist die Patientin über Zeichen einer weiterbestehenden Schwangerschaft zu informieren:
      • wenig oder kaum Blutungen
      • Übelkeit und Erbrechen > 24 Stunden nach der Einnahme von Misoprostol
      • Brustspannen noch 14 Tage nach dem Eingriff9
    • Messung der Serum-hCG-Konzentration
      • Nach 7 Tagen sollte der Spiegel um 80 % abgefallen sein.9

Prognose

  • Das Risiko von Fertilitätsstörungen, Früh- und Fehlgeburten, ektopen Graviditäten und einer Plazenta praevia ist nach Abbrüchen im 1. Trimester wahrscheinlich nicht erhöht.4
  • Ein induzierter Abort gibt offenbar keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die betreffende Frau später einmal psychiatrische Hilfe benötigen wird.18

Verlaufskontrolle

  • Der Abschnitt basiert, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.4
  • Nach einem medikamentösen Abbruch soll in geeigneter Weise kontrolliert werden, ob die Schwangerschaft beendet ist.
    • Kontrolle des Beta-hCGs 7–14 Tage nach dem Abbruch7
      • Terminvereinbarung in der Praxis – oder –
      • Mitgabe eines Beta-hCG-Tests (1.000 IE)
  • Nachuntersuchung 7–14 Tage nach Abbruch und ggf. Sono-Kontrolle empfohlen7
  • Nach operativer Methode
    • Bei frühem operativem Schwangerschaftsabbruch (< 7/0 SSW) muss eine weiter bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen werden.
      • durch routinemäßigen prä- und postoperativen Ultraschall und eine postoperative Untersuchung des abgesaugten Gewebes
      • Wenn kein Schwangerschaftsmaterial festgestellt werden kann, soll eine Beta-hCG-Verlaufskontrolle erfolgen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Abrasio
Abrasio

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG). S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon. AWMF-Leitlinie Nr. 015-094, Stand 2023. register.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. Wie funktioniert ein med. Schwangerschaftsabbruch in der hausärztlichen Praxis? DEGAM-Anwenderversion zur Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. AWMF-Register-Nr. 015-094, Stand 05/2023. degam.de

Richtlinie

  • Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch in der Fassung vom 10. Dezember 1985, zuletzt geändert am 20. Juni 2019. www.g-ba.de

Literatur

  1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch. Stand 01/2022 www.bmfsfj.de
  2. Bundesministerium für Justiz. Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG). § 12 Weigerung. www.gesetze-im-internet.de
  3. Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Bundesärztekammer (BÄK). Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, 2020. www.bundesgesundheitsministerium.de
  4. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG). S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon. AWMF-Leitlinie Nr. 015-094, Stand 2023. register.awmf.org
  5. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch in der Fassung vom 10. Dezember 1985, zuletzt geändert am 20.06.2019. www.g-ba.de
  6. Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG). Zuletzt geändert durch Art. 13a G v. 14.12.2019. www.gesetze-im-internet.de
  7. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. Wie funktioniert ein med. Schwangerschaftsabbruch in der hausärztlichen Praxis? DEGAM-Anwenderversion zur Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“. AWMF-Register-Nr. 015-094, Stand 05/2023. www.degam.de
  8. Statistisches Bundesamt. Schwangerschaftsabbrüche (letzter Abruf 28.03.2023). www.destatis.de
  9. Bateson D, McNamee K, Harvey C. Medical abortion in primary care. Aust Prescr. 2021 Dec;44(6):187-192. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Lui MW, Ho PC. First trimester termination of pregnancy. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2020 Feb;63:13-23. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Cameron S. Recent advances in improving the effectiveness and reducing the complications of abortion. Version 1. F1000Res. 2018; 7: F1000 Faculty Rev-1881. Published online 2018 Dec 2. www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Winikoff B, Dzuba IG, Chong E, et al. Extending outpatient medical abortion services through 70 days of gestational age. Obstet Gynecol 2012; 120: 1070-6. PubMed
  13. Sääv I, Fiala C, Hämäläinen JM, Heikinheimo O, Gemzell-Danielsson K. Medical abortion in lactating women--low levels of mifepristone in breast milk. Acta Obstet. Gyne- col. Scand. 2010; 89(5): 618-622. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Drugs and Lactation Database (LactMed) [Internet]. Mifepristone. Last Revision: May 17, 2021. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK501722/, 2022-05-27 www.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Fachinformation Tramadol-ratiopharm® 100 mg Retardtabletten. Stand 3/2017. www.ratiopharm.de
  16. Lerma K, Blumenthal PD. Current and potential methods for second trimester abortion. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2020 Feb;63:24-36. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  17. Polis CB, Grimes DA, Schaffer K, Blanchard K, Glasier A, Harper C. Advance provision of emergency contraception for pregnancy prevention. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 2. Art. No.: CD005497. DOI: 10.1002/14651858.CD005497.pub2. DOI
  18. Munk-Olsen T, Laursen TM, Pedersen CB, Lidegaard Ø, Mortensen PB. Induced first-trimester abortion and risk of mental disorder. N Engl J Med 2011; 364: 332-9. PubMed

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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