Unterkühlung (Hypothermie)

Eine Körperkerntemperatur von weniger als 35 °C wird als Hypothermie bezeichnet. Eine Unterkühlung wird in eine leichte (32–35 °C), mittlere (28–32 °C), schwere Hypothermie (24–28 °C) und schwerste Hypothermie (<24 °C) unterteilt.

Was ist eine Hypothermie?

Definition

Hypothermie bedeutet so viel wie „niedrige Temperatur“ und bezeichnet eine niedrige Körperkerntemperatur. Unter der Körperkerntemperatur wird die Temperatur im Körperinneren verstanden. Eine Körperkerntemperatur von weniger als 35 °C wird als Hypothermie definiert. Sie ist abzugrenzen von induzierter Hypothermie (bei herzchirurgischen Eingriffen) oder therapeutischer Hypothermie (nach einer Reanimationsbehandlung). Die Hypothermie wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt:

  • Grad I: 32–35 °C.
  • Grad II: 28–32 °C.
  • Grad III: 24–28 °C
  • Grad IV: unter 24 °C.

Symptome

  • Hypothermie Grad I (leicht)
    • Körpertemperatur 32–35 °C
    • Der Körper versucht, die Temperatur durch Zittern und Verengung der Blutgefäße in der Haut wiederherzustellen.
    • Puls und Blutdruck erhöhen sich, die Atmung wird schneller.
  • Hypothermie Grad II (mittel)
    • Körpertemperatur 28–32 °C
    • Das Bewusstsein wird zunehmend eingeschränkt.
    • Atmung und Herzschlag verlangsamen sich.
    • Der Körper hört auf zu zittern.
  • Hypothermie Grad III (schwer)
    • Körpertemperatur 24–28 °C
    • Unter einer Körperkerntemperatur von 28 °C tritt Bewusstlosigkeit ein.
    • Es kommt zu einem Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen, Lebenszeichen sind noch vorhanden.
  • Hypothermie Grad IV (schwerst)
    • Körpertemperatur < 24 °C
    • Im Herzen kommt es zu Kammerflimmern oder fehlendem Herzschlag mit Herz-Kreislauf-Stillstand.
    • Unter 20 °C kann keine elektrische Hirnaktivität mehr nachgewiesen werden.
    • Die Patient*innen sind bewusstlos und zeigen keine Vitalzeichen mehr, sie erscheinen klinisch tot.

Gleichzeitig tolerieren aber verschiedene Organe, insbesondere das Gehirn, Sauerstoffmangel aufgrund des verlangsamten Stoffwechsels erheblich besser. Die niedrigste gemessene Körpertemperatur, die nicht zum Tod führte, lag bei einem Kind bei 14,2 °C und bei einem Erwachsenen bei 13,7 °C.

Ursachen

Unterkühlungen treten vor allem auf nach:

Häufigkeit

Es besteht ein erhöhtes Risiko bei älteren und sozial benachteiligten Personen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Als Todesursache ist Unterkühlung selten, Studien in Irland und Schottland berichteten ca. 20 Todesfälle/1.000.000 Einw. im Jahr.

Untersuchungen

Viele übliche Fieberthermometer messen nur bis zu 34 °C, im Rettungsdienst und im Krankenhaus werden deshalb spezielle Thermometer zur exakten Bestimmung der Körperkerntemperatur verwendet. Ärzt*innen beurteilen den Grad der Unterkühlung außerdem anhand der Parameter Kältezittern, Bewusstsein, Atmung und Kreislauf. Zusätzlich wird untersucht, ob die Haut blass und kalt ist und ob die (Pupillen-)Reflexe auslösbar sind.

Ein Elektrokardiogramm (EKG) dient der Bestimmung von Herzrhythmusstörungen. Eine Blutprobe kann im Labor untersucht werden und Hinweise auf die Ursache (z. B. Alkoholvergiftung) oder bereits erlittene Schädigungen geben.

Behandlung

  • Hypothermie Grad I
    • aktive Bewegung (erwärmt Patient*innen bei Bewusstsein mit geringer Hypothermie schneller als Zittern)
    • warme Getränke
    • Wechseln nasser Kleidung
    • Kopfschutz (starker Wärmeverlust über unbedeckte Kopfhaut)
  • Hypothermie Grad II–III
    • möglichst geringe Bewegung der Patient*innen
    • horizontale Lagerung und Rettung
      • Afterdrop bezeichnet ein manchmal auftretendes weiteres Absinken der Körperkerntemperatur während und nach der Erstversorgung. Es beruht auf einem Temperaturausgleich zwischen dem wärmeren Körperkern und der kälteren Außenschicht. Dadurch besteht die Gefahr eines Herzstillstands auch nach Rettung aus der Kälteumgebung weiter.
    • passiver Kälteschutz mit Decken, Schutzfolien etc.
    • aktive Erwärmung mit Wärmepads, Wärmedecken etc.
    • Sauerstoffgabe und ggf. Intubation und Beatmung
  • Hypothermie Grad IV
    • Herz-Lungen-Wiederbelebung
    • Unterhalb von 30 °C werden keine Medikamente verabreicht, da sie bei diesen Temperaturen keinen ausreichenden Effekt zeigen
  • Spezielle Therapie
    • Hochrisikopatient*innen sollten möglichst in ein spezialisiertes Zentrum zur extrakorporalen Zirkulation (ECLS) transportiert werden. Dabei wird das Blut der Patient*innen außerhalb des Körpers erwärmt.

Prognose

  • Die Prognose hängt davon ab, wie unterkühlt die betreffende Person war. Je niedriger die Körpertemperatur, desto höher ist das Komplikations- und Sterberisiko.
  • Das Vorliegen von Grunderkrankungen verschlechtert die Prognose.
  • Bei leichter Hypothermie Grad I ist die Sterblichkeit nicht erhöht.
  • Bei Hypothermie Grad II liegt die Mortalität bei ca. 20 %.
  • Bei schwerer Hypothermie, insbesondere in Kombination mit Grunderkrankungen, liegt die Sterblichkeit bei > 50 %.
  • Da der Grundumsatz des Körpers um ca. 6 % pro Grad Körperkerntemperatur abnimmt, toleriert das Gehirn einen Kreislaufstillstand und Sauerstoffmangel viel länger. Deshalb schließen auch lange Reanimationszeiten (> 60 min) ein Überleben mit guten Ergebnissen nicht aus.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hypothermie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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