Angioödem

Ein Angioödem bezeichnet eine Schwellung der Haut oder Schleimhäute, häufig als Folge einer allergischen Reaktion.  Als typisches Bild zeigen sich geschwollene Augenlider, Lippen oder Zunge. Da auch die Atemwege anschwellen können, kann der Atemfluss behindert werden und dadurch eine lebensbedrohliche Situation mit Erstickungsgefahr bestehen.

Was ist ein Angioödem?

Definition

Ein Angioödem bezeichnet eine Schwellung der Unterhaut oder Schleimhaut. Die Hautschwellungen können am ganzen Körper auftreten, sind aber besonders häufig im Gesicht im Bereich der Augenlider oder der Lippen, seltener an der Zunge. Da auch die Schleimhäute in den Atemwegen anschwellen können, z. B. die Stimmlippen, kann es zu Atemnot kommen. In diesem Fall muss schnellstmöglich gehandelt werden, da Erstickungsgefahr besteht. Zudem können die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts anschwellen.

Man unterscheidet das mastzellvermittelte Angioödem (oder allergisches Angioödem), das häufig als Folge einer allergischen Reaktion auftreten kann vom seltenen bradykininvermittelten Angioödem (oder nichtallergisches Angioödem), das durch bestimmte Medikamente, Grunderkrankungen oder in seltenen Fällen genetisch bedingt sein kann. Bei Letzterem spricht man von einem sog. hereditären Angioödem

Symptome

Flüssigkeitsansammlungen in der Unterhaut führen zu sichtbaren Schwellungen vor allem im Gesichtsbereich mit Schwellungen der Augenlider und Lippen. Weitere Symptome an der Haut können Juckreiz und Quaddeln (Nesselsucht) sein. Da auch die Schleimhäute betroffen sein können, mit denen unsere Atemwege ausgekleidet sind, können Heiserkeit und schwerwiegende Beschwerden mit Atemnot einhergehen. Auch die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes können anschwellen, was zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen kann. Die Schwellungen können bis zu mehreren Tagen anhalten.

Ursachen

Bei einem Angioödem kommt es zu einer lokalen entzündungsähnlichen Reaktion in der Haut oder den Schleimhäuten von Mund, Rachen oder Magen-Darm-Trakt. Dies führt dazu, dass aus einem Teil der kleinen Blutgefäße in der Unterhaut/den Schleimhäuten Flüssigkeit in das umgebende Gewebe austritt. Dadurch schwellen die Haut oder Schleimhäute an.

Allergisches Angioödem (mastzellvermitteltes Angioödem)

Bei dem häufigeren mastzellvermittelten Angioödem kommt es im Rahmen allergischer Reaktion zur Freisetzung von Botenstoffen aus den sog. Mastzellen. Diese Botenstoffe bewirken, dass die Gefäße durchlässiger für Flüssigkeiten sind und es dadurch zu Schwellungen kommt. Häufig ist die Reaktion von Juckreiz und Quaddelbildung begleitet.

Nichtallergisches Angioödem (bradykininvermitteltes Angioödem)

Bei dem selteneren bradykininvermittelten Angioödem führt eine erhöhte Aktivität des Gewebshormons Bradykinin zur stärkeren Durchlässigkeit der Gefäße für Flüssigkeiten. Dies kann durch Medikamente (insbesondere ACE-Hemmer), bestimmte Grunderkrankungen oder einen genetischen Defekt verursacht sein (siehe Artikel Hereditäres Angioödem).

Häufigkeit

Angioödeme können in allen Altersstufen auftreten. Am häufigsten ist das allergische Angioödem, das in 45 % aller anaphylaktischen Reaktionen auftritt. Das nichtallergische Angioödem ist viel seltener. Als Nebenwirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten der ACE-Hemmer tritt es bei weniger als 0,7 % der Patient*innen auf.

Das hereditäre (angeborene) Angioödem ist sehr selten. Es tritt bei weniger als 2 Menschen auf 100.000 Einw. auf und äußert sich in der Regel in den ersten beiden Lebensdekaden.

Untersuchungen

Die Diagnose wird anhand der typischen Krankengeschichte und v. a. anhand der klinischen Befunde der körperlichen Untersuchung gestellt. Es wird dabei auf Schwellungen geachtet, besonders im Kopf-Hals-Bereich. Außerdem wird beobachtet, ob ein Hautausschlag mit juckenden Quaddeln (Urtikae) vorliegt. Sind die oberen Atemwege durch eine Schwellung verengt, kann ein Atemgeräusch hörbar sein. Möglicherweise besteht dann auch Atemnot. Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung werden gemessen. Wenn der Verdacht auf ein nichtallergisches Angioödem besteht, wird eine Blutuntersuchung durchgeführt. Bei einem allergischen Angioödem mit Anaphylaxie wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Allergiediagnostik durchgeführt, wenn der Auslöser noch nicht bekannt ist.

Behandlung

Ein Angioödem kann ein potenziell lebensbedrohlicher Zustand sein, wenn die Atemwege betroffen sind. Eine schnelle Diagnose und unverzügliche Behandlung sind deshalb wichtig.

Bei nur geringen Schwellungen an ungefährlichen Körperstellen erfolgt versuchsweise eine Behandlung im Sinne eines allergischen Angioödems, da dies die häufigste Form darstellt.

Die Therapie des allergischen Angioödems besteht in der Gabe von Kortikosteroiden und Antihistaminika entweder als Tablette oder über die Vene. In einer Notfallsituation wird auch ggf. Adrenalin verabreicht. Um einem Wiederauftreten des Angioödems vorzubeugen, sollte die allergieauslösende Substanz gemieden werden.

Bei dem medikamentenbedingten Angioödem wird das auslösende Medikament sofort abgesetzt. Zur Therapie des hereditären Angioödems siehe den entsprechenden Artikel.

Im Notfall wird ggf. die Atmung gesichert, indem ein Schlauch (Tubus) in die Atemwege eingeführt (Intubation) und künstlich beatmet wird. Bei starken Ödemen kann im Notfall möglicherweise auch ein Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) angezeigt sein.

Was können Sie selbst tun?

Wenn bei Ihnen ein bekanntes allergisches Angioödem besteht, sollten Sie mit einem Notfallset ausgerüstet sein, das Sie permanent bei sich tragen. Ein Notfallset besteht aus einem Adrenalin-Autoinjektor, Glukokortikosteroiden und Antihistaminika. 

Meiden Sie die bekannten Allergene, so gut es geht. Bei Symptomen mit Atemnot sollten sie sofort vom Notfallset Gebrauch machen und ärztliche Hilfe aufsuchen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Natalie Anasiewicz, Dr. med., Ärztin, Davos

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Angioödem. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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