Akute Kohlenmonoxidvergiftung

Zusammenfassung

  • Definition:Kohlenmonoxid (CO) bindet an Hämoglobin und blockiert den Sauerstofftransport.
  • Häufigkeit:Schwankende Angaben, hohe Dunkelziffer.
  • Symptome:Vielfältige und unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Übelkeit, Schwindel, Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, zunehmende Verwirrung und Bewusstlosigkeit.
  • Befunde:Orientierungsstörungen, Bewusstseinsstörung, Krampfanfall, Angina pectoris, Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe, Tachypnoe, Lungenödem, EKG-Veränderungen oder pathologische kardiale Biomarker sowie metabolische Azidose oder sehr hohe CO-Hb Werte sind möglich.
  • Diagnostik:Messung des Carboxyhämoglobins, der arteriellen Blutgase, EKG.
  • Therapie:Patient*innen von der CO-Quelle entfernen und Gabe von 100 % Sauerstoff, ggf. hyperbare Oxygenierung im Krankenhaus notwendig

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Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-6

Definition

  • Kohlen(stoff)monoxidvergiftung, CO-Vergiftung
  • Kohlenmonoxid (CO) ist ein geruch-, geschmack- und farbloses Gas, das vom Menschen nicht wahrgenommen werden kann; es entsteht als Ergebnis einer unvollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen.
  • Das Gas wird schnell und effektiv über die Lungen aufgenommen.
  • CO bindet mit einer 200- bis 300-fach höheren Affinität als Sauerstoff an Hämoglobin und bildet einen schwer reversiblen Komplex, das Carboxyhämoglobin (COHb).
    • Dieses reduziert die Kapazität des Blutes zum Transport von Sauerstoff und zieht eine allgemeine Hypoxie nach sich.
  • Bereits 0,1 Vol. % CO in der Atemluft führen zu einem COHb-Anteil von ca. 50 %.
  • CO kann zudem eine direkte schädliche Wirkung auf zellulärer Ebene haben.

Häufigkeit

  • In Deutschland ist die lnzidenz der Todesfälle durch CO seit Anfang der 1990er Jahre deutlich rückläufig, die Dunkelziffer ist jedoch hoch.
  • Auch der Anteil der Suizide durch CO-Inhalation ist rückläufig.
  • Nach wie vor ist die CO-Vergiftung jedoch die häufigste Vergiftungsursache in Deutschland.
  • Die unsachgemäße Verwendung von Kohlegrills (Abbrennen in geschlossenen Räumen) stellt eine der häufigsten Quellen für eine CO-Vergiftung dar.7

Ätiologie und Pathogenese

  • Kohlenmonoxid diffundiert schnell durch die pulmonale Kapillarmembran und bindet sich an das Eisenion des Häms mit einer etwa 240-mal höheren Affinität als Sauerstoff.
  • Bei fetalem Hämoglobin ist die Affinität des CO gar 600-mal höher als bei Sauerstoff.
  • Der Grad der Kohlenmonoxid-Hämoglobinämie (COHb) wird bestimmt durch eine Funktion aus der relativen Menge von CO und Sauerstoff in der Luft, der Dauer der Exposition und dem Atemvolumen pro Minute.
  • Nichtraucher*innen können bis zu 3 % CO im Blut aufweisen, während Raucher*innen auf ein Niveau von 10–15 % kommen können (ohne Vergiftung).
  • COHb weist eine reduzierte Fähigkeit der Sauerstofffreigabe in die körpereigenen peripheren Gewebe auf, daraus resultiert eine Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve.
  • Durch Bindung an Eisen(III)-Zentren wird zudem die Cytochrom-c-Oxidase in ihrer Funktion beeinträchtigt, wodurch es zu einer zytotoxischen Hypoxie kommen kann.

Kohlenstoffmonoxid

  • Die Konzentration von CO in der Luft liegt in der Regel unter 0,001 %, kann jedoch in städtischen Gebieten und geschlossener Umgebung höher sein.
  • CO wird als Nebenprodukt der Verbrennung organischen Materials gebildet.
  • Die meisten tödlich endenden Kohlenmonoxidvergiftungen haben ihre Ursache in Bränden, leckenden Öfen, benzinbetriebenen tragbaren Stromaggregaten, Grillgeräten und Autoabgasen.

Kinetik

  • Kohlenmonoxid wird schnell in die Lunge aufgenommen.
  • Wie schnell der Tod eintritt, ist abhängig vom Maß der Sauerstoffzufuhr und dem Atemzeitvolumen.
  • Die Halbwertszeit von CO liegt bei ca. 300 Minuten während der Einatmung normaler Atemluft.
    • Bei Einatmung sauerstoffreicher Luft über eine Maske, die die ausgeatmete Luft filtert, beträgt die Halbwertszeit ca. 90 Minuten.
    • Bei 100-prozentiger hyperbarer Oxygenierung beläuft sie sich auf ca. 30 Minuten.

Organschäden

  • Kohlenmonoxid wirkt sich besonders negativ auf die Organe mit dem höchsten Sauerstoffbedarf aus: Gehirn und Herz.
  • Zudem aktiviert eine CO-Vergiftung Thrombozyten und neutrophile Granulozyten, die Bildung freier Radikale und die Lipidperoxidation im Gehirn und anderen Geweben.
  • Akute Myokardschädigung8
    • CO bindet an kardiales Myoglobin mit noch höherer Affinität als an Hämoglobin, hierdurch kommt es zu einer Myokardschädigung sowie Hypotonie und einer Verschlechterung der Gewebehypoxie.
  • Neurologische Folgeschäden5-6,9
    • Die Ursache dieser Spätfolgen nach einer Kohlenmonoxidvergiftung ist nicht vollständig geklärt.
    • Die Inzidenz neurologischer Folgen variiert stark.

ICPC-2

  • A86 Toxischer Effekt nichtmedizinischer Substanz

ICD-10

  • T58 Toxische Wirkung von Kohlenmonoxid
  • T97 Folgen toxischer Wirkungen von vorwiegend nicht medizinisch verwendeten Substanzen
    • Inkl.: Folgen toxischer Wirkungen, die unter T51-T65 klassifizierbar sind

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-6

Diagnostische Kriterien

  • Eine akute Kohlenmonoxidvergiftung wird häufig aufgrund der Anamnese/der Auffindesituation und des möglicherweise rosigen Hautkolorits der Patient*innen vermutet.
  • Die Diagnose wird durch die Feststellung von erhöhtem COHb bestätigt.
    • Dies kann mittels Blutgasanalyse oder mit einem CO-Pulsoxymeter festgestellt werden, das heute zur Standardausstattung der meisten Rettungsdienste gehört.
    • Transkutane SpO2-Messgeräte zeigen häufig keine auffälligen Werte an!
  • Ein negativer COHb-Nachweis sollte nicht zum Ausschluss einer Kohlenmonoxidvergiftung führen, wenn Anamnese und Symptome
    übereinstimmend sind.
    • Den Symptomen entsprechende Differenzialdiagnosen müssen dabei berücksichtigt werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • In der Auffindesituation sollte auf Eigenschutz geachtet werden.
  • Es ist wichtig, die Expositionsquelle zu eruieren, um weitere vergiftete Personen zu identifizieren und ggf. durch noch unbekannte Quellen weitere
    Kohlenmonoxidvergiftungen zu vermeiden.
  • In der Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung kann in der Regel
    nicht zwischen akut und chronisch unterschieden werden.
  • Die Diagnose einer Kohlenmonoxidvergiftung erfordert klinische Symptome und
    eine nachgewiesene oder wahrscheinliche Exposition mit Kohlenmonoxid.
  • Häufig unspezifische Symptome einer Hypoxie ohne Zyanose
  • Bei leichter bis mittelschwerer CO-Vergiftung Kopfschmerzen (am häufigsten), Abgeschlagenheit, Übelkeit und/oder Schwindel
  • Gelegentlich Kurzatmigkeit und/oder Brustschmerzen
  • Allmählich kann es zu zunehmender Verwirrtheit und Bewusstlosigkeit kommen.

Klinische Untersuchung

  • Patient*innen können sich in einem Zustand leichter Verwirrtheit bis hin zum Koma befinden.
  • Eine Vigilanzminderung ist das wichtigste Leitsymptom der Vergiftung.
  • Eine Vergiftung kann Symptome von leichten und unspezifischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Verwirrtheit, Sehstörungen, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Bauchschmerzen, Atemnot und Brustschmerzen bis hin zu Bewusstlosigkeit, Hypotension, schwerer Azidose und akutem Kreislaufversagen zeigen.
  • Anzeichen einer schweren Vergiftung sind:
  • Verzögertes neuropsychiatrisches Syndrom
    • Bei bis zu 40 % der Patient*innen mit signifikanter CO-Exposition kann ein Syndrom mit verzögerten neurologischen Folgen nach anfänglicher Besserung eintreten.
    • Dieser Zustand wird durch unterschiedlich starke kognitive Beeinträchtigung, Persönlichkeitsveränderung, Bewegungsstörung und fokale neurologische Defizite charakterisiert.
    • Das Syndrom tritt meist innerhalb von 20 Tagen nach der CO-Vergiftung auf, die Defizite können für ein Jahr oder länger anhalten.
    • Die Entwicklung des Syndroms korreliert nicht mit dem COHb-Spiegel, obwohl die meisten Fälle mit Bewusstlosigkeit in Verbindung mit der akuten Vergiftung verknüpft sind.

Ergänzende Untersuchungen

  • Carboxyhämoglobin
    • Man kann eine CO-Vergiftung definieren als COHb-Werte > 10 % oder damit, dass klinische Anzeichen/Symptome nach einer bekannten CO-Exposition auftreten.
    • Es wird davon ausgegangen, dass eine tödliche Konzentration des COHb-Wertes im Bereich > 40 % liegt, während Kleinkinder, Schwangere und ältere Menschen eine geringere Toleranz CO gegenüber besitzen und eine lebensbedrohliche Vergiftung bereits durch einen geringeren COHb-Spiegel erleiden können.
    • Raucher*innen können auch ohne Vergiftung Werte von bis zu 10 % aufweisen.
  • Arterielle Blutgase
    • Zur Unterstützung der Diagnose soll bereits präklinisch eine venöse, arterielle oder kapilläre Blutentnahme für die COHb-Bestimmung mittels BGA erfolgen.
    • Der pO2-Wert im Blut ist häufig physiologisch, weil pO2 das im Blut gelöste O2 wiedergibt; dieser Prozess wird nicht von CO beeinflusst.
    • Säure-Basen-Haushalt: Die metabolische Azidose tritt sekundär zur Laktatazidose als Folge einer Ischämie auf.
    • Der COHb-Anteil wird von modernen Blutgasanalysegeräten standardmäßig mitbestimmt.
  • CO-Pulsoxymetrie
    • Zur Stützung einer Verdachtsdiagnose kann präklinisch die CO-Pulsoximetrie dienen.
    • Eine negative Messung, insbesondere bei Vorliegen von Symptomen,
      soll nicht zum Ausschluss einer Kohlenmonoxidvergiftung verwendet werden.
    • CO-Pulsoxymeter bestimmen über Messungen mit unterschiedlichen Wellenlängen (Rainbow-Verfahren) neben dem COHb-Anteil häufig auch die Sauerstoffsättigung und teilweise sogar die Methämoblobin-Fraktion.
    • Normale Pulsoxymeter zur Bestimmung der SaO2 dagegen können nicht zwischen COHb und oxygeniertem Hb unterscheiden, weshalb die Messwerte bei einer CO-Vergiftung nicht verwertbar sind.
  • Eine Bestimmung von Biomarkern einer myokardialen Schädigung, wie CK, CKMB und Troponin sowie ein 12-Kanal-EKG sollte bei Verdacht auf eine Kohlenmonoxidvergiftung durchgeführt werden, insbesondere
    bei Patient*innen mit kardialen Symptomen und kardialen Vorerkrankungen.
  • Bei hinreichendem Verdacht auf entsprechende Differenzialdiagnosen sollte eine weiter organspezifische Diagnostik erfolgen.

Diagnostik im Krankenhaus

  • Röntgen-Thorax
    • zur Differenzialdiagnostik
    • in der Regel keine Auffälligkeiten bei CO-Vergiftung
  • CT des Gehirns bei neuropsychiatrischen Auffälligkeiten
    • Kann angezeigt sein, um Differenzialdiagnosen auszuschließen.
  • Neuropsychiatrische Tests
    • akut (z. B. MMST) zur Einschätzung kognitiver Beeinträchtigung sinnvoll
    • im weiteren Verlauf zur Evaluation von Folgeschäden

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Vorgehensweise zur Entscheidung der Krankenhauseinweisung für Patient*innen mit Kohlenmonoxidexposition
    • bei symptomatischen Patient*innen
      • immer Krankenhauseinweisung empfohlen
    • bei asymptomatischen Patient*innen
      • bis 5 % COHb (bei Raucher*innen: 10 %): keine Krankenhauseinweisung empfohlen
      • Bei Schwangeren und Kindern sollte eine Krankenhauseinweisung erwogen bzw. angeboten werden.

Therapie

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Therapieziele

  • Vergiftung behandeln.
  • Zerebralen und kardialen Komplikationen vorbeugen.

Allgemeines zur Therapie

  • Kohlenmonoxid wird fast ausschließlich über den Lungenkreislauf durch kompetitive Bindung von Hämoglobin an Sauerstoff entfernt.
  • Die wichtigsten Maßnahmen bei CO-Vergiftung sind die Entfernung der Betroffenen von der CO-Quelle sowie die Sauerstoffzufuhr über eine Gesichtsmaske.
  • Komatöse Patient*innen mit reduziertem Bewusstsein sollten notfallmäßig schutzintubiert und mit 100 % Sauerstoff beatmet werden.
  • Bei Patient*innen mit einer CO-Vergiftung durch das Einatmen von Rauch sollte parallel an eine mögliche Zyanidvergiftung gedacht werden, wodurch die Sauerstoffversorgung des Gewebes und der Grad der Zellhypoxie weiter verschärft werden können.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Zurückhaltung mit starker körperlicher Aktivität für 2–4 Wochen nach Vergiftung
  • Nikotinverzicht
  • Regelmäßige Aufenthalte im Freien

Präklinische Therapie

  • Patient*in aus dem Bereich der Exposition entfernen.
  • Unmittelbar mit der Sauerstoffbehandlung beginnen (vorzugsweise mit einer Maske, die die ausgeatmete Luft wegfiltert).
  • Schutzintubation komatöser Patient*innen
  • Kardiopulmonales Monitoring
  • Benachrichtigung des Krankenhauses, das sich auf eine evtl. Überführung der Patient*in in ein Zentrum für hyperbare Sauerstofftherapie vorbereiten kann.
  • Ggf. kann eine venöse Blutprobe für eine spätere Messung des COHb-Wertes abgenommen werden, wenn dadurch der Beginn der Sauerstofftherapie und/oder der Transport nicht verzögert wird.
  • Wenn möglich, sollte die Zeit der Exposition schätzungsweise berechnet werden.
  • Körperliche Belastung, die mit einem zusätzlichen Sauerstoffverbrauch einhergeht, soll unterbleiben.

Medikamentöse Therapie

  • Das Antidot der Wahl ist Sauerstoff.
  • Bei COHb-Werten unter 20 % ist die einfache Inhalation von Sauerstoff ausreichend. Die Behandlung kann beendet werden, wenn ein COHb-Wert unter 5 % erreicht ist.

Hyperbare Sauerstofftherapie

  • Die hyperbare Sauerstofftherapie (HBOT) stellt den Goldstandard in der Behandlung der CO-Vergiftung dar.
  • Sie beinhaltet die Behandlung der Patient*innen mit 100 % Sauerstoff unter erhöhtem Umgebungsdruck.
  • Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser ist die Prognose.10-11
  • Indikationen12
    • COHb > 25 % (dieser Grenzwert kann abhängig von der individuellen Symptomatik variieren)
    • Anzeichen von Endorganischämie (exkl. ausgesprochene metabolische Azidose mit einem pH-Wert < 7,1; Myokardischämie)
    • Bewusstlosigkeit
    • schwangere Frauen mit einem COHb-Wert > 20 % oder bei Anzeichen einer Bedrohung für den Fetus
  • Behandlung laut Leitlinie
    • HBOT sollte 3-mal innerhalb von 24 h durchgeführt werden.
    • Die initiale HBOT sollte dem Therapieschema (TS) 300/90 (früher bekannt als Boerema-Schema) entsprechen:
      • 3 Zyklen HBO über 90 Minuten unter Fortführung der intensivmedizinischen Therapie in den ersten 24 Stunden mit 300 Kilopascal
    • Eine 2. und 3. HBOT sollte bei einem Behandlungsdruck größer/gleich 2,4 bar erfolgen (TS 240/90).
      • 3 Zyklen HBO über 90 Minuten mit 300 Kilopascal
  • Eine solche Behandlung scheint verzögerten neurokognitiven Ausfällen vorzubeugen.11

Metabolische Azidose

  • Die Behandlung einer Azidose bei einem pH-Wert > 7,15 sollte behutsam erfolgen, weil eine Azidose zu einer Rechtsverschiebung der Dissoziationskurve des Oxyhämoglobins führt und die Freisetzung von Sauerstoff im Gewebe erhöht.
  • Azidosen bessern sich in der Regel in Verbindung mit der Sauerstoffbehandlung.

Monitoring

  • Präklinisch sollte ein Monitoring mit Pulsoximetrie, Atemfrequenz, EKG und
    nichtinvasiver Blutdruckmessung (NIBD) erfolgen.
  • Wiederholte Messung des COHb-Werts
  • Herzüberwachung
    • Aufgrund von Herzrhythmusstörungen kann es zum plötzlichen Tod kommen.
    • EKG-Aufzeichnungen und Messung des Troponin-Werts sollten bei Verdacht auf Myokardschäden wiederholt durchgeführt werden.
    • Besondere Vorsicht ist bei bekannter kardiovaskulärer Erkrankung geboten sowie bei anfänglichen COHb-Werten von über 15 %.
  • Pulsoxymetrie
    • Ist von geringem Nutzen, weil die Messungen nicht zwischen Carboxyhämoglobin und Oxyhämoglobin unterscheiden.
  • Neurologische Überwachung
    • Es kann ein Hirnödem auftreten.
    • wiederholte neurologische Untersuchungen, CT, ggf. MR innerklinisch

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-6

Komplikationen

  • Arrhythmien
  • Hypoxie
  • Ischämien (Myokard, Gehirn etc.)
  • Komplikationen einer hyperbaren Sauerstofftherapie
    • Dekompressionsbeschwerden
    • Barotrauma in den Nasennebenhöhlen und im Mittelohr
    • Krämpfe
    • Pneumothorax hin zu Spannungspneumothorax
    • Gasembolie
    • reversible Veränderungen der Linsenretraktion

Prognose

  • Potenziell tödlicher Verlauf
  • In ca. 40 % der Kohlenmonoxidvergiftungen ist eine bleibende Myokardschädigung die Folge.
  • Die kognitiven Fähigkeiten können nach einer schweren Kohlenmonoxidvergiftung herabgesetzt sein.

Anerkennung als Berufskrankheit

  • Treten im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit immer wieder Kohlenmonoxidvergiftungen oder eine sog. chronische CO-Erkrankung auf, können diese als Berufskrankheit anerkannt werden.13
  • Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
  • Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen14).
  • Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben, und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
  • Nachfolgend können bestimmte Maßnahmen zu Lasten der GUV durchgeführt werden:
    • geeignete Schutzvorrichtungen
    • spezielle therapeutische Maßnahmen
    • Einstellung der gefährdenden Tätigkeit
    • Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.15
  • In manchen Fällen muss die Tätigkeit vollständig aufgegeben werden, damit die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen kann.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinie

  • Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung. AWMF-Register Nr. 040-012. S2k, Stand 2021. www.awmf.org

Literatur

  1. Kaiser G, Schaper A. Akute Kohlenmonoxidvergiftung. Ein alter Hut in neuen Schachteln. Notfall Rettungsmed 2012; 15: 429-435. doi:10.1007/s10049-012-1586-5 DOI
  2. Clardy PF, Manaker S, Perry H: Carbon monoxide poisoning. Wolters Kluwer 2022; UpToDate, last updated Oct 2022. www.uptodate.com
  3. Lin CH, Su WH, Chen YC, et al. Treatment with normobaric or hyperbaric oxygen and its effect on neuropsychometric dysfunction after carbon monoxide poisoning: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Medicine (Baltimore). 2018 Sep;97(39):e12456. doi: 10.1097/MD.0000000000012456. PMID: 30278526; PMCID: PMC6181555. journals.lww.com
  4. Watt S, Prado CE, Crowe SF. Immediate and Delayed Neuropsychological Effects of Carbon Monoxide Poisoning: A Meta-analysis. J Int Neuropsychol Soc. 2018 Apr;24(4):405-415. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Ahn C, Oh J, Kim CW, Lee H, Lim TH, Kang H. Early neuroimaging and delayed neurological sequelae in carbon monoxide poisoning: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep. 2022 Mar 3;12(1):3529. doi: 10.1038/s41598-022-07191-7. PMID: 35241701; PMCID: PMC8894334. www.nature.com
  6. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung. AWMF-Register Nr. 040-012. S2k, Stand 2021. register.awmf.org
  7. Hosseininejad SM, Aminiahidashti H, Goli Khatir I, et al. Carbon monoxide poisoning in Iran during 1999-2016: A systematic review and meta-analysis. J Forensic Leg Med. 2018 Jan;53:87-96. doi: 10.1016/j.jflm.2017.11.008. Epub 2017 Nov 28. PMID: 29220732. www.sciencedirect.com
  8. Satran D, Henry CR, Adkinson C, et al. Cardiovascular manifestations of moderate to severe carbon monoxide poisoning. J Am Coll Cardiol 2005; 45: 1513. PubMed
  9. Thom SR, Bhopale VM, Fisher D, et al. Delayed neuropathology after carbon monoxide poisoning is immune-mediated. Proc Natl Acad Sci U S A 2004; 101:13660. PubMed
  10. Helms AK, Whelan HT, Torbey MT. Hyperbaric oxygen therapy of cerebral ischemia. Cerebrovasc Dis 2005; 20: 417-26. PubMed
  11. Buckley N, Juurlink DN, Isbister G, et al. Hyperbaric oxygen for carbon monoxide poisoning. Cochrane Database Syst Rev 13 APR 2011. CD002041.pub3. Cochrane (DOI)
  12. Hampson, NB, Scott, KL, Zmaeff, JL. Carboxyhemoglobin measurement by hospitals: Implications for the diagnosis of carbon monoxide poisoning. J Emerg Med 2006; 31: 13. PubMed
  13. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Dortmund. Merkblätter und wissenschaftliche Begründungen zu den Berufskrankheiten der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), zuletzt aktualisiert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 22. Dezember 2014. Zugriff 15.11.2022. www.baua.de
  14. DGVU Formtexte für Ärzte: Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit. www.dguv.de
  15. Mehrtens, G. Valentin, H. Schönberger, A. Arbeitsunfall und Berufskrankheit: rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung S. 878ff. Berlin: Erich Schmidt Verlag 9: Auflage, 2017.

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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