Vergiftung, trizyklische Antidepressiva (TCA)

Zusammenfassung

  • Definition:Überdosierung/Vergiftung mit trizyklischen Antidepressiva.
  • Häufigkeit:TCA gehören zu jener Arzneimittelgruppe, die zu den häufigsten tödlichen Vergiftungen führt (Letalitätsrate ca. 2–5 %).
  • Symptome:Abhängig vom Grad der Vergiftung: häufig Somnolenz bis hin zu Bewusstlosigkeit, Risiko für Atemdepression und Herzrhythmusstörungen.
  • Befunde:Bewusstseinstrübung und erweiterte Pupillen, evtl. Urinretention, Ileus, Herzrhythmusstörungen, Krämpfe.
  • Diagnostik:Blutuntersuchungen mit u. a. Säure-Basen-Haushalt, Medikamentenspiegel, EKG, evtl. Röntgen Thorax.
  • Therapie:Magenspülung und Kohlegabe in der ersten Stunde nach Einnahme, Alkalisierung des Blutes und symptomatisch ausgerichtete Behandlung.

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Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Trizyklische Antidepressiva (TCA), auch nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahmehemmer (NSMRI) genannt, sind die Antidepressiva mit dem höchsten Intoxikationspotenzial.
  • Einnahme von TCA in toxischer Dosis, in der Regel mehr als 1 g
    • < 10 mg/kg meist leichte Vergiftung
    • > 15–20 mg/kg Gefahr einer schweren Vergiftung
    • Eine Überdosierung kann tödlich sein.
  • Die wichtigsten TCA sind:
    • Imipramin (Leitsubstanz)
    • Amitriptylin
    • Doxepin
    • Nortriptylin
    • Trimipramin
    • Clomipramin.
  • Maprotilin und Mianserin sind formal tetrazyklisch, Maprotilin unterscheidet sich jedoch strukturell und in seiner Wirkweise kaum von den vorgenannten TCA.

Häufigkeit

  • Die TCA bilden die Medikamentengruppe, die zu den meisten tödlichen Vergiftungen führt und am häufigsten in suizidaler Absicht benutzt wird.
  • Die Letalitätsrate durch TCA-Überdosierungen liegt im Bereich von 2–5 %.

Toxizität

  • Toxische Dosen
    • Bei toxischen Dosen kann es zu tachykarden Herzrhythmusstörungen kommen.
    • Darüber hinaus bestehen eine anticholinerge Wirkung (antimuskarinerge Wirkung) sowie eine Histaminblockade, die zu ausgeprägter Sedierung führen können.
  • Weitere typische Symptome sind: 
    • Bewusstlosigkeit
    • choreatisch-athetotische Zustände
    • Krämpfe
    • anticholinerges Syndrom.
      • Peripheres anticholinerges Syndrom: Mögliche Symptome umfassen Harnverhalt, Obstipation, Hypertonie, Hauttrockenheit, Tachykardie und Mydriasis.
      • Zentrales anticholinerges Syndrom: Mögliche Symptomen sind Agitiertheit, Halluzinationen, Minderung der Vigilanz, Aggressivität, Koma, Schwindel und Dysarthrie.
  • Absorption
    • TCA werden in therapeutischen Dosen rasch absorbiert.
    • Bei hohen Dosen kann die anticholinerge Wirkung jedoch die Absorption durch verminderte gastrointestinale Motilität verzögern.
    • Die maximale Konzentration (Cmax) wird in der Regel nach 2–8 Stunden erreicht, verzögert sich bei Überdosierung aber womöglich bis auf 12 Stunden oder mehr.
  • Toxische Dosen
    • Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und gehören zu den toxischsten TCA; sie zeichnet eine ausgeprägt sedierende Wirkung, Gefahr für Krämpfe, Hypotonie und Herzrhythmusstörungen aus.
    • Die toxische Dosis variiert von Wirkstoff zu Wirkstoff – für detaillierte Informationen nehmen Sie Kontakt zum Giftnotruf (Vergiftungs-Informations-Zentrale, 24 h erreichbar) auf.
    • Kinder: Erfahrungsgemäß liegt die Toxizität von TCA bei Kindern relativ höher als bei Erwachsenen (Giftnotruf kindergesundheit-info.de).
  • Besondere Risikogruppen
    • Patient*innen mit erhöhtem Risiko für Krämpfe
    • Patient*innen mit Herzerkrankungen (ischämische Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz, Herzrhythmus- oder Erregungsleitungsstörungen)
    • Patient*innen mit polyvalenter Vergiftung durch weitere kardiotoxische Mittel (wie Digitalis, Kalziumkanalblocker, Betablocker) oder Monoaminooxidase-Hemmer (MAOI)
    • Kinder

Ätiologie und Pathogenese

  • Die therapeutische Wirkung der TCA besteht in einer Erhöhung des Serotoninspiegels durch:
    • Hemmung der Monoamin-Wiederaufnahme in den Synapsen
    • antagonistische Wirkung auf die postsynaptischen Serotoninrezeptoren.
  • Bei Überdosierung treten Symptome verschiedener Organsysteme auf:
    • Kardiotoxizität – verschiedene Herzrhythmusstörungen, Kreislaufversagen
    • ZNS-Depression und Krämpfe
    • anticholinerges Syndrom.
  • Tod infolge einer Überdosis an TCA
    • Herzrhythmusstörungen, kardiogener Schock oder Status epilepticus mit Hyperthermie sind oft die Ursachen. Typischerweise treten tödliche Komplikationen bereits in den ersten Stunden auf.
  • Eine Azidose verschärft die Vergiftung durch steigende TCA-Konzentration und eine direkte arrhythmische Wirkung.3
  • Sinustachykardie und Extrasystolen sind häufig die ersten kardialen Symptome.
  • Im weiteren Verlauf treten die zentral hemmenden und die kardiotoxischen Wirkungen in Form von Sedierung, Hypotonie und im Verlauf auch Bradyarrhythmie in den Vordergrund.

Klinische Hinweise auf Überdosierung

  • Hemmung der Monoaminwiederaufnahme (Noradrenalin, Serotonin)3-4
    • sympathomimetische Wirkung
    • (Tachy-)Arrhythmien
    • choreatisch-athetotische Zustände
    • Myoklonus, Muskelsteifigkeit und Hyperreflexie
  • Anticholinerge Wirkung
    • Leitsymptome: von Erregtheit über Delirium zu Halluzinationen, undeutlicher Aussprache, Ataxie, Sedierung und Koma
    • Periphere Wirkungen führen zu erweiterten Pupillen, Sehstörungen, Tachykardie, verminderter Sekretion in Mund und Bronchien, trockener Haut, Ileus, Urinretention, erhöhtem Muskeltonus und Tremor.
  • Hemmung der Adrenozeptoren
    • Hypotonie und Reflextachykardie
    • Miosis, jedoch auch Mydriasis möglich
  • Natrium- und Kaliumblockade
    • längere PR- und QRS-Intervalle, ebenso verlängerte QT-Zeit mit dem Risiko einer Torsade de pointes3
  • Wirkung als GABA-Antagonist
    • herabgesetzte Krampfschwelle

Pharmakokinetik

  • TCA sind lipophile Medikamente, die die Blut-Hirn-Schranke leicht passieren.
  • Bei therapeutischen Dosen wird der maximale Plasmaspiegel nach 2–8 Stunden erreicht.
  • Der TCA-Gewebespiegel liegt in der Regel 10- bis 100-mal höher als die Plasmakonzentrationen (1–2 % der im Körper befindlichen TCA liegen im Blut vor), weshalb Hämodialyse oder forcierte Diurese wenig effektiv sind.
  • Die durchschnittliche Halbwertszeit von TCA beträgt 24 Stunden (variiert zwischen 6 und 36 Stunden), kann bei Überdosierung aber auf bis zu 72 Stunden ansteigen.
  • Die therapeutische Dosis liegt in der Regel zwischen 2 und 4 mg/kg Körpergewicht, höhere Dosen können toxische Wirkungen hervorrufen. Lebensbedrohliche Vergiftungen sind oft nach der Einnahme von mehr als 15–20 mg/kg zu beobachten.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • A84 Vergiftung durch medizinische Substanz

ICD-10

  • T36-T50 Vergiftungen durch Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen
  • T43.- Vergiftung durch psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert, Exkl.: Appetitzügler (T50.5), Barbiturate (T42.3), Benzodiazepine (T42.4), Intoxikation im Sinne von Rausch (F10-F19), Methaqualon (T42.6), Psychodysleptika [Halluzinogene] (T40.7-T40.9)
    • T43.0 Tri- und tetrazyklische Antidepressiva
    • T43.2 Sonstige und nicht näher bezeichnete Antidepressiva

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-2

Diagnostische Kriterien

  • Bekannte Einnahme einer toxischen Dosis des Arzneimittels
  • Nachweis eines erhöhten Spiegels von TCA im Blut
    • Vorsicht! Es liegt ein großes Verteilungsvolumen vor. Die Serumwerte bieten wenig Aufschluss über den Grad der Vergiftung. Die Diagnose sollte in einer Klinik gestellt werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Anfänglich und bei leichter Vergiftung (< 10–15 mg/kg) können Patient*innen verlangsamt und womöglich unruhig wirken.
  • Bei schwereren Vergiftungen können die Patient*innen bewusstlos werden, das Risiko von Ileus, Atemdepression und generalisierten Kramfanfällen ist erhöht.
  • Lebensbedrohliche Symptome und Anzeichen einer Vergiftung treten fast immer innerhalb der ersten 6 Stunden nach Einnahme ein, meist jedoch bereits innerhalb von 2 Stunden nach der Einnahme.
  • Patient*innen, die 6 Stunden nach der Einnahme noch keine Anzeichen einer Vergiftung aufweisen (QRS > 100 ms, Herzrhythmusstörungen, Erregungsleitungsstörungen, mentale Veränderungen, Krämpfe, Atemdepression oder Hypotonie), entwickeln eher selten schwere Vergiftungen.

Wichtige Fragen

  • Wie viele Tabletten wurden genommen? Welches Präparat?
  • Wann fand die Einnahme statt? Einnahme auf einmal oder über längeren Zeitraum?
  • Wer hat das Medikament verschrieben (nach der Medikamentenschachtel suchen)? Verschreibende können ggf. für weitere Informationen kontaktiert werden.
  • Gehörte das Medikament einer anderen Person?
  • Hat Patient*in zusätzlich Alkohol/Drogen/andere Tabletten eingenommen?
  • Hat Patient*in erbrochen? Wurde Erbrechen provoziert?
  • Wurde medizinische Kohle verabreicht?
  • Die Umstände der Aufnahme:
    • Depressiv/suizidal?
    • Unfall?

Klinische Untersuchung

  • Eine Vielzahl von Symptomen sind möglich, abhängig vom Schweregrad der Überdosis. Am häufigsten sind mentale Veränderungen zu beobachten.
  • Kontrolle der Vitalfunktionen inkl. Basismonitoring (EKG, Pulsoxymetrie, RR-Messung)
  • Wirkung auf das ZNS
    • Unruhe, Halluzinationen, Hyperthermie, Krämpfe, Ataxie, ZNS-Depression und Atemdepression
    • In der Aufwachphase können die Patient*innen verwirrt sein, delirant, halluzinierend oder unruhig sein.
  • Peripheres anticholinerges Syndrom
  • Kardiale Wirkungen
    • Herzrhythmusstörungen (Tachyarrythmien, im Verlauf auch schwerste Bradyarrhythmien), Kammerflimmern, Torsade de Pointes
    • Herzversagen, Blutdruckabfall und möglicherweise kardiogener Schock

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine relevanten Zusatzuntersuchungen
  • Ggf. Basislabor (BB, Na, K, Kreatinin, GOT, GPT, GGT und TCA-Plasmaspiegel).

Diagnostik im Krankenhaus

  • Blutuntersuchung
    • Säure-Basen-Haushalt (Blutgase), Elektrolyte, Kreatinin, Glukose, CK
    • TCA-Plasmaspiegel (in erster Linie qualitative Aussage)
  • Mögliche Veränderungen im EKG5
    • „Niedervoltage“-T-Wellen, evtl. invertierte T-Wellen
    • ST-Senkung
    • QT-Verlängerung
    • erhöhte U-Wellen
    • verbreiterte P-Wellen mit Zacken
    • Ein auf mehr als 100 ms verlängerter QRS-Komplex ist oftmals ein Indikator für kardiotoxische Effekte.
    • schwere Herzrhythmusstörungen und Blockbilder, ventrikuläre Tachykardie und Vorhofflattern/-flimmern 
    • Weniger schwere Herzrhythmusstörungen, wie Sinusbradykardie, Sinusarrest oder sinuatrialer Block, können ebenfalls auftreten.
  • Röntgen Thorax
    • bei Verdacht auf Aspiration im Rahmen von Bewusstseinsstörungen

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Verdacht auf Intoxikation: sofortige Einweisung ins Krankenhaus!
  • Transport immer in ärztlicher Begleitung wegen der Gefahr von:
    • Krämpfen
    • Hypotonie
    • lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen.
  • Bei fehlenden Symptomen und Entscheidung, Patient*in nicht in ein Krankenhaus einzuweisen, ist es sinnvoll mit der Giftinformationszentrale Rücksprache zu halten.
    • Das Ausbleiben von Symptomen 6 Stunden nach Einnahme einer Überdosis spricht dafür, dass eine stationäre Einweisung entbehrlich ist.4
    • Bei Suizidalität soll grundsätzlich eine stationäre Einweisung erfolgen.

Therapie

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-2

Therapieziele

  • Verminderung von Mortalität und Morbidität sowohl in der akuten Phase als auch durch Prophylaxe von Folgeerscheinungen6

Allgemeines zur Therapie

  • Initial ABCDE-Schema der Notfallmedizin
  • Magenentleerung durch Magenspülung, Gabe medizinischer Kohle
    • Das Induzieren von Erbrechen durch Emetika gilt heute als obsolet.7
    • Magenspülung nur bei erhaltenen Schutzreflexen7
    • nur indiziert innerhalb der ersten 1 Stunden nach Einnahme7
    • Magenspülung nur bei Einnahme einer potenziell lebensbedrohlichen Dosis7
  • Alkalisierung des Blutes zur Reduktion der Gefahr für Herzrhythmusstörungen
    • Kann vorteilhaft in der Praxis begonnen werden, wenn der Transportweg länger als eine halbe Stunde dauert.
    • Eine Rücksprache mit den diensthabenden Ärzt*innen der aufnehmenden Abteilung zu Präparat und Dosierung ist sinnvoll.
  • Symptomatische Behandlung
    • Behandlung von Krampfanfällen, z. B. mit Lorazepam.8
    • Evtl. Hypotonie mit Flüssigkeitsbehandlung i. v. korrigieren.
    • bei Bewusstlosigkeit: Schutzintubation und Beatmung
    • kardiopulmonale Reanimation bei Herzstillstand
    • Behandlung nur akut lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen nach ERC-Leitlinie (Defibrillation, Adrenalin und Amiodaron bei Kammerflimmern und ventrikulärer Tachykardie, Magnesium bei Torsade de Pointes), wenn keine Besserung der Arrhythmie durch die Gabe von Bikarbonat zu erreichen ist.
  • Symptomfreie Patient*innen sollten für mindestens 6 Stunden beobachtet werden. Bei großen eingenommenen Mengen sollte die Beobachtung auf mindestens 8 Stunden ausgedehnt werden.

Medikamentöse Therapie

  • Bei sicher erhaltenen Schutzreflexen innerhalb der ersten Stunde nach Einnahme: medizinische Kohlesuspension zum Einnehmen7
    • Die Suspension sollte eine Konzentration von 150 mg/ml nicht überschreiten, um das Risiko eines Ileus zu minimieren.
    • Dosierung 0,5–1 g/kg KG7
  • Natriumhydrogenkarbonat 8,4 % (Bikarbonat) Infusionslösung: 1 mval/ml (in der Klinik)
    • 1 mval (1 ml)/kg KG langsam i. v.
    • Verbessert die Reizleitung und Kontraktilität des Herzens, zugleich wird eine myokardiale Ektopie unterdrückt.4
    • pH-Kontrolle mittels Blutgasanalyse erforderlich, Ziel-pH 7,5–7,552
  • Bei Hypokaliämie kann eine Kaliumzufuhr angezeigt sein.

Behandlung von Komplikationen, möglichst in der Klinik

  • Krampfanfälle
    • meist innerhalb von 3 Stunden nach der Einnahme
    • Benzodiazepine sind die erste Wahl bei fortdauernden Krämpfen.8
  • Hypotonie
    • balancierte Vollelektrolytlösung i. v.
    • Gabe von Natriumhydrogencarbonat 8,4 %, wenn isotonische Lösung nicht zu einer Besserung führt.
    • Adrenalin als Vasopressor bei anhaltender Hypotonie
      • Nicht über den gleichen i. v. Zugang wie Bikarbonat geben.
  • Arrhythmie?
    • Antiarrhythmika werden nicht empfohlen.2
      • Alle Klasse-1a- und 1c-Antiarrhythmika, Betablocker, Kalziumantagonisten und Phenytoin sind kontraindiziert.1
    • Gabe von Bikarbonat bei QRS > 100 ms
      • 1 mval/kg KG NaHCO3 8,4 % entspr. 1 ml/kg KG über 10 min i. v. als Erstmaßnahme
      • vor weiteren Gaben Blutgasanalyse erforderlich, Ziel-pH 7,5–7,55
    • Asymptomatische Patient*innen mit Sinustachykardie, isolierter PQ- und QT-Verlängerung oder AV-Block 1. Grades benötigen keine Behandlung.
  • Unruhe
    • evtl. Benzodiazepine
  • Peripheres anticholinerges Syndrom
    • Die Therapie mit Physostigmin wird in der Literatur sehr kontrovers diskutiert und sollte nur in Einzelfällen nach sorgfältiger Indikationsstellung erfolgen.7,9-10

Weitere Therapien

  • Hyperventilation?
  • Hämodialyse?
    • aufgrund ausgeprägter Gewebe- und Proteinbindung keine wirksame Behandlung

Monitoring

  • Symptomfreie Patient*innen sollten mindestens 6 Stunden beobachtet werden.
  • Patient*innen sollten auf der Intensiv-/Überwachungsstation beobachtet werden, wenn eine potenziell toxische Dosis eingenommen wurde oder die Betroffenen Vergiftungssymptome/-anzeichen zeigen.
  • Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Symptomen sollten für weitere 24 Stunden nach Symptomfreiheit beobachtet werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-2

Verlauf

  • Bei leichten Fällen zu beobachten:
    • vermindertes Bewusstsein
    • Sinustachykardie
    • leichte anticholinerge Symptome (trockene/heiße Haut, leicht erweiterte Pupillen).
  • Schwere Fälle sind gekennzeichnet durch:
    • Koma (bei TCA-Vergiftung rasch eintretend und in der Regel zwischen 24 und 48 Stunden andauernd)
    • Hypotonie und Atemdepression
    • erhöhte Reizbarkeit des ZNS mit Krampfanfällen und Herzrhythmusstörungen.
  • Patient*innen in der Rekonvaleszenzphase nach einer Vergiftung sind oft psychomotorisch unruhig und haben visuelle und/oder akustische Halluzinationen.

Komplikationen

Prognose

  • Häufig klinisch schwere Verläufe
  • Die meisten Todesfälle ereignen sich in den ersten Stunden mit Bradyarrhythmien, Koma und Schock.
  • Todesfälle kommen selten später als 24 Stunden nach der Einnahme vor.
  • Alle Typen einer Arrhythmie sind möglich, Bradykardie und ein breiter QRS-Komplex haben die ungünstigste Prognose.

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 030-041. S1, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Grayzel J, Salhanick SD, Traub SJ: Tricyclic antidepressant poisoning; Wolters Kluwer 2017; UpToDate (last update Jun 2022) www.uptodate.com
  2. Khalid MM, Waseem M. Tricyclic Antidepressant Toxicity. 2022 Aug 7. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 28613681. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Kerr GW, McGuffie AC, Wilkie S. Tricyclic antidepressant overdose: a review. Emerg Med J 2001; 18: 236-41. PubMed
  4. Tintinalli JE, Kelen GD, Stapczynski JS, Ma J, Cline D. Emergency Medicine: A Comprehensive Study Guide. 6th ed. New York, NY:McGraw-Hill; 2004.
  5. Veris-van Dieren J, Valk L, van Geijlswijk I, Tjan D, van Zanten A. Coma with ECG abnormalities: consider tricyclic antidepressant intoxication. Neth J Med 2007; 65: 142-5. PubMed
  6. Woolf et al. Tricyclic antidepressant poisoning: an evidence-based consensus guideline for out-of-hospital management. Clinical Toxicology. 2007; 45(3): 203-33 PubMed
  7. Müller D, Desel H. Common causes of poisoning—etiology, diagnosis and treatment.. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(41): 690-700. doi:10.3238/arztebl.2013.0690 DOI
  8. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 030-041, Stand 30.04.2017. www.awmf.org
  9. Böhmer R, Schneider T, Wolcke B. Taschenatlas Rettungsdienst. Naseweis Verlag, Ingelheim: Wolcke B, 2011.
  10. Arens AM, Kearney T. Adverse Effects of Physostigmine. J Med Toxicol. 2019 Jul;15(3):184-191. doi: 10.1007/s13181-019-00697-z. Epub 2019 Feb 11. Erratum in: J Med Toxicol. 2019 Oct;15(4):310. PMID: 30747326; PMCID: PMC6597673. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Kassim T, Mahfood Haddad T, Rakhra A, Kabach A, Qurie A, Selim M, Nayfeh AS, Aly A, Holmberg MJ. A Case of Amitriptyline-induced Myocarditis. Cureus. 2018 Jun 19;10(6):e2840. doi: 10.7759/cureus.2840. PMID: 30430045; PMCID: PMC6233954. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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