Anaphylaxie

Zusammenfassung

  • Definition:Akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist.
  • Häufigkeit:Jährliche Inzidenz ca. 2–50/100.000, in den vergangenen Jahrzehnten ansteigend.
  • Symptome:Juckreiz, Bauchkrämpfe, Heiserkeit, Dyspnoe, Schwindel, Angst.
  • Befunde:Flush, Urtikaria, Angioödem, Tachypnoe, Bronchospasmus, Hypotonie, Tachykardie.
  • Diagnostik:Diagnosestellung auf Basis von klinischem Befund und Anamnese.
  • Therapie:Wichtigste Maßnahme ist die möglichst rasche Gabe von Adrenalin i. m., ggf. Oxygenierung und Volumengabe. Nach Stabilisierung ergänzend Antihistaminikum und Glukokortikoid. Medikamentengabe nach Schulung auch im Rahmen der Selbsttherapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist.1
  • Klinische Manifestation in einem oder mehreren der folgenden Bereiche:
    • Haut
    • Respiration
    • Herzkreislauf
    • Abdomen.

Häufigkeit

  • Prävalenz und Inzidenz
    • Ca. 0,3–3 % Betroffenen mit Anaphylaxie in der Vorgeschichte in der Bevölkerung2
    • jährliche Inzidenz 2–50 Fälle/100.000 Einw.3-5
    • 1–3 Todesfälle pro 1.000.000 Einw. jährlich1
    • Zunahme der Inzidenz in den vergangenen Jahrzehnten4,6
    • Anstieg vor allem der1
      • nahrungsmittelinduzierten Anaphylaxie bei Kindern.
      • arzneimittelinduzierten Anaphylaxie bei Erwachsenen.
  • Geschlecht
    • Im Kindesalter sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen (häufigeres Auftreten von Nahrungsmittelallergien bei Jungen), nach der Pubertät ausgeglichene Geschlechterverteilung.1
  • Alter
    • Eine Anaphylaxie kann in jedem Alter auftreten.7
    • bei Kindern vor allem Nahrungsmittelallergien
    • bei Erwachsenen vor allem Insektenstiche und Medikamente als Auslöser

Ätiologie und Pathogenese

  • Grundsätzlich gibt es zwei Formen der Anaphylaxie:8
    • Immunoglobulin-E(IgE)-vermittelt
    • nicht-immunologisch (d. h. direkte Aktivierung).
  • Klinisches Bild und Behandlung der beiden Formen unterscheiden sich nicht.8

Allergische, IgE-vermittelte Anaphylaxie

  • Die Mehrheit der anaphylaktischen Reaktionen ist IgE-vermittelt.8-9
  • IgE aktiviert Mastzellen und in geringerem Ausmaß auch basophile Granulozyten.10
  • Es kommt zur Freisetzung verschiedener Mediatoren wie Histamin, Prostaglandin, Tryptase, Zytokine und Leukotriene.10
  • Die relative Bedeutung der einzelnen Mediatoren ist Gegenstand der Diskussion, Einigkeit besteht über die zentrale Rolle von Histamin.1

Nicht-immunologische Anaphylaxie

  • Bei dieser, auch als „pseudo-allergisch“ bezeichneten Reaktion, besteht keine immunologische Sensibilisierung.1
  • Die Mediatorenfreisetzung erfolgt IgE-unabhängig.
  • Insgesamt nur begrenzter Erkenntnisstand zur Pathophysiologie dieser Form der Anaphylaxie1
  • Typische Auslöser sind NSAR, Salicylate, Opioide, Röntgenkontrastmittel.1,11

Auslöser von Anaphylaxien

  • Die verschiedenen Auslöser sind bei Kindern und Erwachsenen in unterschiedlicher Häufigkeit für eine Anaphylaxie verantwortlich:1
    • Nahrungsmittel: Kinder 60 %, Erwachsene 16 %
    • Insektengifte: Kinder 22 %, Erwachsene 52 %
    • Arzneimittel: Kinder 7 %, Erwachsene 22 %
    • sonstige: Kinder 5 %, Erwachsene 3 %
    • unbekannt: Kinder 7 %, Erwachsene 6 %.
  • Kontakt zum Anaphylaxie-Auslöser überwiegend durch orale oder parenterale Zufuhr1
    • selten aerogen oder über die Hautoberfläche (Kontaktanaphylaxie)
  • Eine spezielle Variante ist die nahrungsmittelinduzierte anstrengungsgetriggerte Anaphylaxie (am häufigsten durch Weizen).1 

Klinische Manifestation

  • Mögliche Prodromalsymptome
    • Juckreiz, Brennen an Handinnenflächen, Fußsohlen oder im Genitalbereich
    • metallischer Geschmack
    • Angst
    • Kopfschmerzen
    • Desorientierung
  • Betroffene Organsysteme (in absteigender Häufigkeit geordnet)1,12
    • Haut
    • Atemwege
      • oropharyngeale Schwellung, kloßige Sprache, Schluckbeschwerden, Speicheln, inspiratorischer Stridor, exspiratorisches Giemen, Dyspnoe, Tachypnoe
    • Herzkreislauf
      • Tachykardie, Hypotonie
    • Gastrointestinaltrakt
      • krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
  • Beginn meist akut1
    • aber auch verzögerter Beginn möglich, z. B. bei Erdnussallergie im Median 55 min nach Konsum
  • Die Symptome können in unterschiedlicher Weise gleichzeitig oder nacheinander auftreten.1
  • Auch bei einer Reaktion zunächst „nur“ vom Grad I ist die weitere Dynamik nicht absehbar.1
    • Die Reaktion kann auf jeder Stufe zum Stillstand kommen und sich zurückbilden.
    • andererseits evtl. rasches Fortschreiten in Minuten bis hin zu Schock/Tod möglich
  • In 5–20 % der Fälle protrahierte oder biphasische Verläufe mit erneuter Symptomatik meist nach 6–24 h1

Klassifikation der anaphylaktischen Reaktion

Prädisponierende Faktoren

  • Prädisponierend können sowohl endogene als auch exogene Faktoren wirken.1

Augmentationsfaktoren

  • Körperliche Belastung
  • Infektionen
  • Psychischer Stress
  • Medikamente
    • Substanzen, die eine Mastzellaktivierung bzw. Leukotrienbildung fördern (z. B. NSAR).
    • Betablocker und ACE-Hemmer können den Schwergrad der Anaphylaxie verstärken.
  • Alkohol

Vorerkrankungen

Andere Faktoren

  • Bestimmte Allergene (Art und Menge)
  • Alter
  • Männliches Geschlecht
  • Grad der Sensibilisierung
  • Höhe des IgE

ICPC-2

  • A92 Allergie/allergische Reaktion NNB

ICD-10

  • T78 Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert
    • T78.0 Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
    • T78.2 Anaphylaktischer Schock, nicht näher bezeichnet
  • T80 Komplikationen nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken
    • T80.5 Anaphylaktischer Schock durch Serum
  • T88 Sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert
    • T88.6 Anaphylaktischer Schock als unerwünschte Nebenwirkung eines indikationsgerechten Arzneimittels bei ordnungsgemäßer Verabreichung

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnosestellung erfolgt anhand des klinischen Krankheitsbildes sowie der Anamese hinsichtlich Auslöser und Risikofaktoren.
  • Eine Anaphylaxie ist sehr wahrscheinlich, wenn eines der beiden folgenden Szenarien zutrifft:13
  1. akuter Beginn unter Beteiligung der Haut, der Schleimhaut oder beider und mindestens eines der folgenden Symptome:
    • respiratorische Kompromittierung, z. B. Dyspnoe, Bronchospasmus, Stridor, Hypoxämie bis zur respiratorischen Insuffizienz
    • fallender Blutdruck oder damit verbundene Symptome einer Endorganstörung, z. B. Kollaps, Synkope, Schock
    • schwere gastrointestinale Symptome, insbesondere bei Exposition gegenüber Non-Food-Allergenen
  2. akuter Beginn von Hypotonie, Bronchospasmus oder Kehlkopfbeteiligung nach Exposition gegenüber einem bekannten oder wahrscheinlichen Allergen, auch ohne typische Hautbeteiligung

Differenzialdiagnosen

  • Aufgrund der z. T. wenig charakteristischen Symptomatik kann die Abgrenzung zu Differenzialdiagnosen schwierig sein.1

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Atemwegserkrankungen

Endokrinologische Erkrankungen

Hauterkrankungen

Neuropsychiatrische Erkrankungen

Pharmakologisch/toxische Reaktionen

  • Ethanol
  • Histaminose, z. B. bei Fischvergiftung
  • Opiate (Morphin)

Anamnese und Untersuchung

Schnelle Beurteilung nach dem ABCDE-Schema1

  • A – Atemwege: kloßige Sprache, geschwollene Zunge
  • B – Belüftung: Beurteilung der Atmung (Sprechdyspnoe, Stridor, Giemen; optional: Auskultation, Pulsoximetrie)
  • C – Circulation: Puls (Stärke, Frequenz, Regelmäßigkeit), Blutdruck, Beurteilung der Rekapillarisierungszeit (vorzugsweise an Stirn oder Sternum)
  • D – Disability: Bewusstsein, Blutzuckermessung
  • E – Exposure: Inspektion leicht einsehbarer Hautareale sowie der Schleimhäute, Erfragen weiterer Beschwerden (z. B. Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, thorakales Druckgefühl, Sehstörung, Pruritus)

Rasche Anamnese nach dem AMPLE-Schema1

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei anaphylaktischer Reaktion möglichst rasche Krankenhauseinweisung

Therapie

Therapieziele

  • Vitalfunktionen sicherstellen.
  • Anaphylaktische Reaktion behandeln und Komplikationen verhindern.

Notfallbehandlung

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,13
  • Hilfe anfordern.
  • Auslöser stoppen, sofern möglich.
  • Lagerung
    • Grundstrategie ist Flachlagerung und Vermeidung abrupter Bewegungen, situationsabhängige Anpassung der Lagerung
      • Trendelenburg-Lagerung (Beine hoch) zur Verbesserung der Hämodynamik
      • bei Situationen mit führender Atemnot halbsitzende Lagerung
      • bei eingeschränktem Bewusstsein/drohendem Erbrechen stabile Seitenlage

Sofortige Gabe von Adrenalin i. m. (Außenseite des Oberschenkels)

  • Die mastzellstabilisierende und vasokonstriktorische Adrenalingabe ist die wichtigste therapeutische Maßnahme!
  • Adrenalin 1:1.000 (1 mg/ml), für die i. m. Injektion wird die unverdünnte Stammlösung verwendet:
    • Erwachsene: 0,3–0,6 ml
    • Kinder > 30 kg: 0,3–0,6 ml
    • Kinder 15–30 kg: 0,15–0,3 ml
    • Kinder < 15 kg: 0,05–0,1 ml.
  • Tritt keine Besserung ein, kann die Gabe alle 5–10 min wiederholt werden.

Oxygenierung/Respiration

  • Bei kardiovaskulärer oder pulmonaler Reaktion sofortige Gabe von O2
    • möglichst über Atemmaske mit Reservoirbeutel
  • Bei Bronchospasmus/Larynxödem
    • Adrenalin über Vernebler (unverdünnte Lösung, z. B. 3–5 ml à 1 mg/ml)
      • Die inhalative Applikation von Adrenalin kann die parenterale Gabe nicht ersetzen!
    • Möglich ist auch die Gabe von Salbutamol (2 Hübe, bei ausbleibender Wirkung 4–8 Hübe) oder Terbutalin s. c.
  • Evtl. Freihalten der Atemwege mit Guedel-Tubus, eine selten notwendige Intubation wird meist erst im Rahmen einer notärztlichen Versorgung erfolgen.

Volumengabe/Kreislaufstabilisierung

  • Anlage eines möglichst großlumigen venösen Zugangs (ggf. auch mehrerer Zugänge)
  • Infusion kristalloider Lösung (NaCl 0,9 % oder Vollelektrolytlösung
  • Rasche Gabe von 10–20 ml/kg KG, ggf. weitere Volumengabe bis zur Kreislaufstabilisierung
  • Bei schwerem Schock titrierende i. v. (oder intraossäre) Gabe von Adrenalin (0,01 ml/kg KG)
    • Für die intravenöse/intraossäre Gabe wird entweder 1 ml der handelsüblichen 1:1.000-Lösung (= 1 mg/ml Lösung) mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnt (Endkonzentration 1:10.000 = 0,1 mg/ml) oder die Adrenalin-Fertigspritze (1 mg/10 ml) verwendet.
  • Bei Kreislaufstillstand kardiopulmonale Reanimation, siehe auch:

Antihistaminika

  • Sollten zur Antagonisierung der Histaminwirkung nach initialer Stabilisierung der Vitalfunktionen verabreicht werden.
  • H1-Antagonist, z. B. Dimetinden i. v. (1 mg/ml)
    • Erwachsene > 60 kg KG: 1–2 Ampullen = 4–8 ml
    • 30–60 kg KG: 1 Ampulle = 4 ml
    • 7,5–30 kg KG: 1 ml/10 kg KG
    • < 7,5 kg KG: 1 ml

Glukokortikoide

  • Antiasthmatische und unspezifische membranstabilisierende Wirkung
  • Verzögerter Wirkeintritt, Gabe erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen
  • Zum Beispiel Prednisolon
    • Erwachsene > 60 kg KG: 500–1.000 mg
    • 30–60 kg KG: 250 mg
    • 7,5–30 kg KG: 100 mg
    • < 7,5 kg KG: 50 mg

Leitlinie: Notfallausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen in der Praxis1

  • Stethoskop
  • Blutdruckmessgerät
  • Pulsoxymeter, evtl. Blutzuckermessgerät
  • Stauschlauch, Venenverweilkanülen (in verschiedenen Größen), Spritzen, Infusionsbesteck, Pflaster zur Fixierung der Kanülen
  • Sauerstoff und Verneblerset mit Sauerstoffmaske (verschiedene Größen)
  • Beatmungsbeutel mit Masken (verschiedene Größen)
  • Absaugvorrichtung, ggf. Guedel-Tubus
  • Volumen (z. B. balancierte Vollelektrolytlösung)
  • Arzneistoffe zur Injektion: Adrenalin, Glukokortikoid, H1-Rezeptorantagonist
  • kurzwirksamer Beta-2-Adrenozeptoragonist, z. B. Salbutamol zur Inhalation (bevorzugt als Inhalationslösung zur Anwendung über Verneblerset mit Maske, ggf. alternativ als Dosieraerosol mit Inhalierhilfe/Spacer/Maske, Autohaler o. Ä.)
  • Automatisierter externer Defibrillator

Weitere Versorgung nach der Akutbehandlung

  • Nach der Akutbehandlung sollen Schulungen durchgeführt und Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko einer erneuten Anaphylaxie zu mindern und ggf. eine rasche Behandlung zu ermöglichen
  • Zu Informationen über Schulungsprogramme und -orte siehe Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation.

Identifikation des Auslösers

  • Patient*innen nach Anaphylaxie sollen allergologisch weiter abgeklärt werden.1,11
    • Allergieanamnese
    • Hauttest, Bestimmung von spezifischem IgE
  • Ausstellung eines Allergie-Passes

Vermeidung erneuter Anaphylaxien

  • Bei Nahrungsmittelallergie sollte eine individuell angepasste therapeutische Eliminationsdiät durchgeführt werden (Adressen von Ernährungsfachkräften z. B. über Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie)1
  • Bei bestimmten IgE­-vermittelten Aller­gien besteht die Möglichkeit zur desensibilisierenden Immuntherapie (z. B. Insektengifte).2

Notfallset, Anaphylaxie-Pass

  • Bei nicht sicher vermeidbarem Auslöser (Insektenstiche, Nahrungsmittel) oder sonst erhöhtem Anaphylaxierisiko sollte das dauerhafte Mitführen eines Notfallsets empfohlen werden, einschließlich:
    • Instruktion über die Anwendung im Notfall
    • schriftlicher Anwendungshinweis (Anaphylaxie-Pass, beziehbar z. B. über DAAB)
  • Das Notfallset sollte Folgendes enthalten:1
    • Adrenalin-Autoinjektor
      • Spezielle Instruktion erforderlich, verschiedene Präparate sind nicht einfach austauschbar.
      • Bei der Rezeptur soll das „Aut-idem-Kästchen“ auf dem GKV-Rezept angekreuzt werden.
    • H1-Rezeptorantagonist
    • Glukokortikoid
    • bei Patient*innen mit Asthma bronchiale oder St. n. Reaktion mit Bronchospasmus ein inhalativer Bronchodilatator (Beta-2-Agonist).

Leitlinie: Indikationen für die Verordnung eines Adrenalin-Injektors1

  • Patient*innen mit systemischer allergischer Reaktion und Asthma bronchiale (auch ohne Anaphylaxie in der Vorgeschichte)
  • Progrediente Schwere der Symptomatik der systemischen allergischen Reaktion
  • Vorgeschichte früherer anaphylaktischer Reaktionen gegen nicht sicher vermeidbare Auslöser
  • Systemische Allergie mit extrakutanen Symptomen auf potente Allergene wie Erdnüsse, Baumnüsse, Milch, Sesam
  • Hoher Sensibilisierungsgrad mit erhöhtem Anaphylaxierisiko – vor allergischer Provokationstestung
  • Patient*innen, die bereits auf kleinste Mengen des Allergens reagieren.
  • Erwachsene mit Mastozytose (auch ohne bekannte Anaphylaxie)

Indikationen für die Verschreibung eines zusätzlichen zweiten Adrenalin-Autoinjektors

  • Besonders schwere Anaphylaxie in der Vergangenheit
  • Hohes Körpergewicht: > 100 kg KG
  • Unkontrolliertes Asthma bronchiale
  • Schlechte Erreichbarkeit der nächsten notfallmedizinischen Versorgung
  • Besonders hohes Risiko für schwere Anaphylaxie (z. B. Erwachsene mit Mastozytose)
  • Organisatorisch: für Kinderbetreuungsstätte/Schule sowie gemäß familiärer Situation

Leitlinie: Bestandteile eines Notfallsets zur Selbsthilfe1

  • Adrenalin-Autoinjektor zur intramuskulären Applikation
    • gewichtsadaptiert 150-μg- oder 300-μg-Injektor
  • H1-Antihistaminikum
    • Dosis kann bis auf das Vierfache der Einzeldosis erhöht werden.
    • oral als Flüssigkeit oder (Schmelz-)Tablette je nach Alter und Präferenz
  • Glukokortikoid
    • 50–100 mg Prednisolonäquivalent
    • rektal oder oral (Flüssigkeit oder Tablette) je nach Alter und Präferenz
  • Beta-2-Adrenozeptoragonist (bei bekanntem Asthma bronchiale oder vorheriger Reaktion mit Bronchospasmus)
    • Gabe von 2 Hüben bei Anaphylaxie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

  • Typisch für die Anaphylaxie ist der perakute Beginn der Symptome nach einem Antigenkontakt.14
    • Im Einzelfall sind aber auch verzögert einsetzende Reaktionen bis zu mehreren Stunden nach Exposition möglich.1
  • Der individuelle Verlauf ist unberechenbar: Anaphylaxien können spontan zum Stillstand kommen, aber auch unter adäquater Therapie progredient verlaufen.11
  • In 5–20 % der Fälle protrahierte oder biphasische Verläufe (auch nach erfolgreicher initialer Therapie) mit erneuter Symptomatik meist nach 6–24 Stunden1
  • Die Mortalität beträgt:10
    • 0,1 % bei anaphylaxiebedingten Notfallkonsultationen
    • 1 % bei hospitalisierten Patient*innen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisation

  • Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutscher Rat für Wiederbelebung, German Resuscitation Council (GRC). Reanimationsleitlinien 2021. www.grc-org.de

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025, Stand 2021. register.awmf.org
  2. Ring J, Brockow K. Anaphylaxie-Leitlinie: Update 2021. Allerg J 2021; 30: 3. doi:10.1007/s15007-021-4757-1 DOI
  3. Worm M, Eckermann O, Dölle S, et al. Triggers and treatment of anaphylaxis: an analysis of 4000 cases from Germany, Austria and Switzerland. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 367-375. doi:10.3238/arztebl.2014.0367 DOI
  4. Beyer K, Eckermann O, Hompes S, et al. Anaphylaxis in an emergency setting - elicitors, therapy and incidence of severe allergic reactions. Allergy 2012; 67: 1451-1456. doi:10.1111/all.12012 DOI
  5. Decker W, Campbell R, Manivannan V. The etiology and incidence of anaphylaxis in Rochester, Minnesota: a report from the Rochester Epidemiology Project. J Allergy Clin Immunol 2008; 122: 1161-1165. doi:10.1016/j.jaci.2008.09.043 DOI
  6. Ben-Shoshan M, Clark AE. Anaphylaxis: past, present and future. Allergy 2011; 66: 1-14. DOI:10.1111/j1398-9995.210.02422.x. DOI
  7. Yu J, Lin R. The Epidemiology of Anaphylaxis. Clinic Rev Allerg Immunol 2018; 54: 366-374. doi:10.1007/s12016-015-8503-x DOI
  8. Pflipsen M, Vega Kolon K. Anaphylaxis: Recognition and Management. Am Fam Physician 2020;102:355-362. www.aafp.org
  9. Reber L, Hernandez J, Galli S. The pathophysiology of anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 2017; 140: 335-348. doi:10.1016/j.jaci.2017.06.003 DOI
  10. Guillet C, Hasler S, Schmid-Grendelmeier, P. Anaphylaxie: Von der Urtikaria bis zum anaphylaktischen Schock. Swiss Med Forum 2020; 20: 312-316. doi:10.4414/smf.2020.08510 DOI
  11. Müller-Werdan U, Werdan K. Anaphylaktischer Schock. eMedpedia. Publiziert 28.07.15. Zugriff 23.11.22. www.springermedizin.de
  12. Worm, M. Anaphylaxie: Wie richtig handeln? Dtsch Arztebl 2018; 115: 10-14. doi:10.3238/PersPneumo.2018.03.09.02 DOI
  13. Deutscher Rat für Wiederbelebung - German Resuscitation Council (GRC). Reanimation 2021 - Leitlinien kompakt. www.grc-org.de
  14. Baumert J. Anaphylaktische Kreislaufinsuffizienz. eMedpedia, publiziert am 21.04.2017. Zugriff 23.11.22. www.springermedizin.de

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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