Verbrennungen durch Nesselquallen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei Kontakt mit Nesselquallen kommt es zur Injektion von Gift in die Haut durch die winzigen Nesseln an den Nesselfäden oder Tentakeln der Qualle.1
  • Entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste tritt die gelb-rote Cyanea capillata auf, die meist milde Symptome verursacht.2
  • In tropischen und subtropischen Gewässern existieren Arten, die lebensbedrohliche Symptome verursachen können.

Häufigkeit

  • Schätzungsweise 150 Mio. Fälle von Verbrennungen durch Quellen weltweit pro Jahr1
    • durch den Klimawandel zunehmende Häufigkeit

Pathogenese

  • Nesselquallen besitzen Nesselzellen (Nematozysten)3 an den Tentakeln.
    • Große Nesselquallen können mehrere Millionen Nesselzellen enthalten.
    • Nesselzellen enthalten kleine, hochspezialisierte Kapseln, die unter Einwirkung von Druck oder chemischen Substanzen Giftstoffe freisetzen und so eine lokale oder systemische Reaktion verursachen können.
  • Die Symptome sind abhängig von der Menge des aufgenommenen Nesselgifts.

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.4

Anamnese

  • Kontakt mit einer Nesselqualle kann im Meer oder am Ufer auftreten.
    • Häufig bestand Kontakt mit von der Nesselqualle abgerissenen Tentakeln beim Baden.
  • Erfragen möglicher Symptome:
    • brennende Schmerzen
    • Hautreaktionen (Erythem, Blasenbildung, Hautablösung)
    • Übelkeit
    • Erbrechen
    • Selten sind:
      • schockähnliche Symptome
      • Atem- und Herz-Kreislauf-Beschwerden
      • Irukandji-Syndrom, das Folgendes umfassen kann: Bauch-/Rücken-/Brustschmerz, Tachykardie, Bluthochdruck, kardiale Beschwerden bis hin zum Tod.4

Klinische Untersuchung

  • Brennen oder Taubheitsgefühl der Haut?5
    • Einige Minuten später entsteht häufig eine gestreifte, leuchtend rote Schwellung.
    • Der Schmerz lässt oft im Laufe einer halben Stunde nach und wird von einem Juckreiz gefolgt.
    • Die Schwellung geht gewöhnlich im Laufe einiger Stunden zurück. Auf der Schwellung können Blasen entstehen.
  • Vor der Heilung können subkutane Blutungen auftreten. 
  • Bis zu mehreren Wochen oder Monaten können Flecken auf der Haut zu sehen sein.
  • Liegen Anzeichen für eine schwere allergische Reaktion vor?
    • Atembeschwerden oder andere Anzeichen für eine anaphylaktische Reaktion?
      • Juckreiz in den Handflächen, Müdigkeit, Unruhe, Kribbeln im Körper, schneller Puls, Schwindel, Atemnot, Übelkeit, Bewusstlosigkeit

Therapie

Sofortmaßnahmen am Strand

  • Ruhe bewahren.
  • Sofort das Wasser verlassen.
  • Am Strand Nesselfäden entfernen.
  • Auf der Haut klebende Tentakel mit Meerwasser abspülen.1
    • bei Quallenstichen in nichttropischen Gewässern in der Regel Spülung mit Meerwasser
    • Bei Quallenstichen in tropischen Gewässern Spülung mit (Haushalts-)Essig (in der Regel 4–6%ig)6-7 und anschließend Meerwasserspülung. Süßwasser sollte nicht verwendet werden.
    • Bei Stichen durch die Quallengattung „Portugiesische Galeere“ Meerwasserspülung verwenden, kein Essig.6-7
  • Notfalls die betroffenen Stellen mit trockenem Strandsand bestreuen und den angefeuchteten Sand mit einer Karte behutsam abschaben.
  • Vermieden werden sollte es, die Tentakel mit einem Handtuch abzureiben oder mit Süßwasser oder Alkohol abzuspülen.

Medikamentöse und lokale Therapie

  • Keine evidenzbasierte Therapie, es gibt nur wenige valide Studien.4
  • Lokale Therapie4
    • Wärme oder Kälte?1,4
      • Ein in kaltes Wasser getauchtes Handtuch, das auf die gereizten Areale gelegt wird, kann den Juckreiz dämpfen.
      • Haut, die durch die Quallengattung „Portugiesische Galeere“ geschädigt ist: Baden des betroffenen Körperteils in warmem Wasser (45 Grad, 20 min, Einmalbehandlung) kann den Schmerz lindern.6
    • Essiglösung?1,4,6
      • Kontakt mit tropischen Würfelquallen: Auftragen von 4- bis 6-prozentigem (Haushalts-)Essig mit 30-minütiger Einwirkzeit, um die Giftstoffe zu inaktivieren.6-7
      • Kontakt mit Feuerquallen oder Portugiesischer Galeere: Keine Essiglösung verwenden, da diese die Nesselzellen aktiviert.7
    • Lokal betäubende Salben/Cremes (Xylocain, Lidocain, Macrogol-9-laurylether oder andere) können lindernd wirken.
    • Kortikosteroidcremes der Gruppen I (Prednisolon, Hydrocortison) und II (Triamcinolonacetonid, Prednicarbat, Methylprednisolonaceponat) können den Juckreiz und die allergische Reaktion lindern, sollten jedoch nicht bei Ulzerationen oder Anzeichen einer Infektion verwendet werden.
  • Systemische Therapie
    • in der Regel nicht notwendig
    • analgetische Therapie ggf. mit Paracetamol, NSAR oder Metamizol gemäß jeweiliger Fachinformation
    • Bei ausgeprägter allergischer Reaktion und Juckreiz Antihistaminika und ggf. Prednisolon, siehe die Artikel Urtikaria und Angioödem sowie Anaphylaxie.
      • Antihistaminika: 1. Wahl sind H1-Antihistaminika
        der zweiten Generation wie Cetirizin, Levocetirizin, Loratadin, Desloratadin, Fexofenadin und Ebastin.8

Weitere Maßnahmen

  • Bei Blasen- und Wundbildung sollte eine Tetanusprophylaxe verabreicht werden.9
  • Bei Infektion kann die Abstrichentnahme aus dem betroffenen Hautareal sowie die Einleitung einer antibiotischen Therapie erwogen werden.
    • z. B. Amoxicllin/Clavulansäure oder Clindamycin2
  • Bei Patient*innen mit sekundärer Hyperpigmentierung lokale Applikation von 1,8 % Hydrochinon auf Glykol- und Alkoholbasis als Option10

Verlauf

  • Der Abschnitt beruht auf dieser Referenz.1
  • Meist selbstlimitierend
  • Größere Verbrennungen können zu Narbenbildung führen.
  • Schwere systemische Komplikationen sind selten und treten meist nur bei extrem hohen Giftmengen oder schweren Vorerkrankungen auf.

Prävention

  • Warnhinweise am Strand beachten.
  • Strandinspektion vor dem Schwimmen: Liegen viele angespülte Quallen am Strand, so ist Vorsicht geboten.
  • Ablandiger Wind (Wind, der aufs Meer hinaus weht) kann ein Indiz für vermehrt auftretende Quallen sein, da tiefere Wasserschichten mit Quallen an den Strand getrieben werden.
  • Schwimmen mit Schwimmbrille, um Giftquallen gezielt ausweichen zu können.
  • Beim Schnorcheln in tropischen Gewässern Neoprenanzug tragen.
    • Vorsicht beim Ausziehen, da Nesselfäden auch am Neopren hängen bleiben können.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Park JS, Elston DM. Aquatic Antagonists: Jellyfish Stings. Cutis. 2022 Jan;109(1):20-22. doi: 10.12788/cutis.0433. PMID: 35180051. www.mdedge.com
  2. Tønseth KA. Helseskade ved kontakt med brennmaneter. Tidsskr Nor Lægeforen 2007; 127: 1777-8. Tidsskrift for Den norske legeforening
  3. Kompaktlexikon der Biologie: Nematocysten (abgerufen am 08.08.2023). www.spektrum.de
  4. McGee RG, Webster AC, Lewis SR, et al. Interventions for the symptoms and signs resulting from jellyfish stings. Cochrane Database of Systematic Reviews Review - Intervention. published 05 June 2023. www.cochranelibrary.com
  5. Hasle G. Farlige dyr Tidsskr Nor Lægeforen 2002; 122: 1695-701. PubMed
  6. Cegolon L, Heymann WC, Lange JH, Mastrangelo G. Jellyfish stings and their management: a review. Mar Drugs. 2013 Feb 22;11(2):523-50. doi: 10.3390/md11020523. PMID: 23434796; PMCID: PMC3640396. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Tønseth KA, Salvesen Andersen T, Karlsen HE. Brennmanetskader. Tidsskr Nor Legeforen 2009; 129: 1350. doi:10.4045/tidsskr.09.0617. tidsskriftet.no
  8. Zuberbier T, Aberer W, Asero R, et al. The EAACI/GA²LEN/EDF/WAO guideline for the definition, classification, diagnosis and management of urticaria. Allergy. 2018;73(7):1393‐1414. PMID: 29336054. onlinelibrary.wiley.com
  9. RKI-Ratgeber. Tetanus. Stand 2018. www.rki.de
  10. Kokelj F, Burnett JW. Treatment of a pigmented lesion induced by a pelagia noctiluca sting. Cutis 1990; 46: 62-4. PubMed

Autor

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster

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