Allgemeine Informationen
- In diesem Artikel werden nur die empfohlenen Erste-Hilfe-Maßnahmen in der Hausarztpraxis bei einem Tier- oder Menschenbiss genannt.
- Für ausführlichere Informationen siehe Artikel Tier- und Menschenbiss.
Therapie
Therapieziele
- Bei schweren Bissverletzungen mit massiven Blutungen Sicherung der Vitalfunktionen (siehe auch Hypovolämischer Schock).
- sehr selten
- Infektionen vermeiden.
- Gute Abheilung der Wunden
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie setzt sich zusammen aus Allgemeinmaßnahmen zur Lokalbehandlung der Wunde sowie der Infektionsprophylaxe1
Empfehlungen für Patient*innen
- Wunde mit Leitungswasser spülen und reinigen.2
- Wunde verbinden und möglichst ruhig halten bis zum Arztbesuch.
Allgemeinmaßnahmen zur Lokalbehandlung
- Sämtliche Angaben beziehen sich auf diese Referenz.1
- Säuberung (z. B. 1 % Organojodlösung)
- Spülung mit nur geringem Druck (z. B. mit Knopflochkanüle und NaCl 0,9 %)
- Débridement von avitalem Gewebe
- Primärer Wundverschluss wird nicht empfohlen, eine mögliche Ausnahme stellen Bisswunden im Gesicht dar.3
- Ruhigstellung und Hochlagerung betroffener Extremitäten
Infektionsprophylaxe
- Empfehlungen gemäß der Leitlinie des PEI zur Behandlung bakterieller Erkrankungen3
Prophylaktische antibiotische Therapie
- Indikationen
- mäßige bis schwere und tiefe Bisswunden
- Bisswunden der Hand und im Gesicht
- Bisswunden, die möglicherweise bis Periost oder Gelenkkapsel reichen.
- Immunsuppression/Immundefizienz
- Leberinsuffizienz
- Z. n. Milzexstirpation
- Ödeme im betroffenen Gebiet
- Präparat
- Aminopenicillin + Beta-Laktamase-Inhibitor für 3–5 Tage
- bei Menschenbiss alternativ auch Ertapenem 1 x 1 g/d i. v. für 3–5 Tage möglich
- Beispiel (Anmerkung der Redaktion, nicht aus der Leitlinie): Amoxicillin/Clavulansäure 875/125 mg p. o. 1–1–1 für 3–5 Tage
- Aminopenicillin + Beta-Laktamase-Inhibitor für 3–5 Tage
Antibiotische Therapie bei infizierten Wunden
- Kalkulierte Therapie
- Präparat
- Aminopenicillin + Beta-Laktamase-Inhibitor für 5–10 Tage
- bei infiziertem Menschenbiss alternativ auch Ertapenem 1 x 1 g/d i. v. für 5–10 Tage möglich
- Beispiel (Anmerkung der Redaktion, nicht aus der Leitlinie): Amoxicillin/Clavulansäure 875/125 mg p. o. 1–1–1 für 5–10 Tage
- Aminopenicillin + Beta-Laktamase-Inhibitor für 5–10 Tage
- Bei schweren Infektionen oder immunsupprimierten Patient*innen
- Piperacillin/Tazobactam i. v. 4,5 g 1–1–1 für 5–10 Tage
Impfungen
- Bei unzureichendem Tetanusschutz Auffrischungsimpfung
- Siehe Artikel Tetanus.
- Bei Biss von tollwutverdächtigem Tier Postexpositionsprophylaxe
- Siehe Artikel Tollwut.
Sonderfall Schlangen- und Gifttierbisse
- In Deutschland gibt es nur wenige Giftschlangen (Kreuzotter, Aspisviper), aber bei als Haustiere gehaltenen Exoten kann es bei Bissverletzungen zur Einbringung von Giften kommen.
- Identifizierung des Tieres besonders wichtig, da nur so das notwendige Antiserum gespritzt werden kann. Diese Antiseren stehen in Deutschland nur in einigen wenigen Standorten zur Verfügung.
- Empfohlene Maßnahmen bei Bissunfall durch Giftschlange:4
- Ruhe bewahren.
- Tiere bzw. Terrarien sichern.
- Notruf 112 verständigen.
- Beengende Gegenstände entfernen (z. B. Ring).
- Auf einem Blatt Papier folgende Angaben festhalten:
- Bissverursacher: möglichst lateinischer Artname
- Bisszeitpunkt und -stelle
- Notrufnummer aus Deutschland bei Gifttierbissen: 0700 112 0 7323
- Papier mit diesen Angaben Notärzt*in aushändigen.
Sonderfall Spinnenbisse
- Spinnenbisse sind für den Menschen nur sehr selten wirklich gefährlich, können aber eine sich bis zu 24 Stunden hinziehende schwer zu kontrollierende Schmerzsituation auslösen.5
- analgetische symptomatische Therapie, z. B. mit Ibuprofen 600 mg 1–0–1 und Novalgin 500 mg 1–1–1–1
Meldepflicht bei Tollwut
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Überweisung an Spezialist*in
- infizierte Wunden
- in die Tiefe gehende Wunden im Gesicht, an den Genitalien und an den Händen
- bei Beteiligung von Knochen oder Sehnen
- Unverzügliche Einweisung ins Krankenhaus
- bei Verdacht auf systemische Infektion (Sepsis)
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinie
- Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie Nr. 082-006. S2k, Stand 2017. www.awmf.de
Literatur
- Rothe K, Tsokos M, Handrick W. Animal and human bite wounds. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 433–43. www.aerzteblatt.de
- DGUV. Bissverletzungen durch Säugetiere. Stand 2016. www.dguv.de
- Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018. S.175ff. AWMF-Leitlinie 082-006. Stand 2017. www.awmf.org
- Serum-Depot Berlin. Generelles Notfallablaufschema. Zugriff 24.08.2022. www.serumdepot.de
- Rieke B, Küper T, et al. Moderne Reisemedizin: Handbuch für Ärzte, Apotheker und Reisende S.362ff. Stuttgart: Gentner, 2010.
Autor
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster