Bewusstlosigkeit bei Kindern

Allgemeine Informationen

Hintergrund

  • Reanimationsleitlinien werden durch den European Resuscitation Council (ERC) veröffentlicht1, Herausgabe einer deutschen Version durch den Deutschen Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council = GRC).2
  • ERC-Guidelines enthalten ein eigenes Kapitel für die Wiederbelebung bei Kindern „Section 10: Pediatric Life Support“, dabei sind auch folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:3
    1. Pathopyhsiologie und Spektrum der Grunderkrankungen sind bei Kindern abweichend von Erwachsenen.
    2. Die Inzidenz kritischer Erkrankungen ist bei Kindern geringer, Ersthelfer*innen verfügen daher häufig über keine oder nur eingeschränkte Erfahrung mit Kindernotfällen.
    3. Die verfügbare Evidenz ist häufig gering.

Geltungsbereich

  • Die Leitlinien zur Reanimation bei Kindern gelten für alle Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren (mit Ausnahme von Neugeborenen bei der Geburt).3
    • Patient*innen, die erwachsen aussehen, können auch als Erwachsene behandelt werden.3

Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern

Pediatric Basic Life Support (PBLS) 

Algorithmus Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern (PBLS = Pediatric Basic Life Support)

  • Sicherheit von Ersthelfer*in und Kind sicherstellen.
  • Umstehende um Hilfe bitten bzw. laut rufen.
  • Bewusstsein durch verbale Ansprache und taktile Stimulation prüfen.

Keine Reaktion?

  • Atemwege öffnen.
  • Atmung beurteilen (max. 10 sec).
  • Sofern zweite Ersthelfer*in vorhanden, Alarmierung des Rettungsdienstes durch diese sofort nach Erkennen der Bewusstlosigkeit.

Fehlende oder abnorme Atmung

  • In den ersten Minuten nach einem Atem-Kreislauf-Stillstand ist eine Schnappatmung möglich, bei Zweifeln handeln wie bei Atemstillstand.
  • Bei Atembemühungen ohne Luftstrom (hören/fühlen im Bereich von Nase/Mund) ist der Atemweg nicht offen.

5 initiale Beatmungen

  • Bei älteren Kindern Hals überstrecken, bei Säuglingen neutrale Lage des Kopfes.
  • Ca. 1 sec gleichmäßig in den Mund (bei Säuglingen Mund und Nase) atmen, sodass sich die Brust sichtbar hebt.
  • Bis zu 5 Versuche effektiver Beatmung durchführen.
    • Wenn Ausstattung vorhanden, Beutel-Maske-Beatmung mit Sauerstoff verwenden (2-Helfer-Methode).
    • Wenn nur eine Ersthelfer*in anwesend und ein Mobiltelefon verfügbar ist, sollte nach den 5 initialen Beatmungen ein Notruf erfolgen (Lautsprecherfunktion anstellen).
  • Falls dies erfolglos ist, zu Thoraxkompressionen übergehen.

15 Thoraxkompressionen

  • Unmittelbare Fortsetzung mit Thoraxkompressionen, sofern nicht eindeutige Zirkulationszeichen (wie Körperbewegung, Husten) erkennbar sind.
  • Auf gute Qualität der Thoraxkompressionen achten:
    • Frequenz: 100–120/min
    • Tiefe: Kompression der unteren Hälfte des Sternums um mindestens 1/3 der Brustkorbdimension (max. 6 cm)
    • Sternum nach der Kompression vollständig zurückkommen lassen, nicht auf den Brustkorb lehnen.
  • Thoraxkompression bei Säuglingen und Kleinkindern
    • Den Brustkorb mit beiden Händen umfassen und das untere Drittel des Sternums mit beiden Daumen komprimieren.
    • alternativ Kompression mit zwei Fingern

2 Beatmungen, dann weiter mit 15 Thoraxkompressionen – 2 Beatmungen im Wechsel

  • Auf 15 Kompressionen sollen 2 Atemspenden folgen und dann abwechselnd (15:2-Zyklus).
  • Keine Unterbrechung der Reanimation, es sei denn, es gibt deutliche Anzeichen von Kreislauf (Bewegung, Husten).
  • Wenn möglich, sollen sich 2 (oder mehr) Ersthelfer*innen bei den Thoraxkompressionen abwechseln.

Verwendung eines automatisierten externen Defibrillators (AED)

  • Bei Kreislaufstillstand sofortiger Beginn der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) mit obigem Algorithmus
  • Bei hoher Wahrscheinlichkeit eines primär schockbaren Rhythmus (wie z. B. bei plötzlichem Kollaps) AED holen und anlegen, sofern verfügbar.
  • Wenn mehr als eine Ersthelfer*in da ist, Notruf und Anlegen des AED durch Zweithelfer*in.
  • Ankleben der Pads ohne oder mit minimaler Unterbrechung der CPR
  • Wenn kein AED mit Leistungsabschwächung für Kinder verfügbar, kann für alle Altersgruppen ein Standard-AED verwendet werden.

Fremdkörper in den Atemwegen

  • Von einer Fremdkörperverlegung ist auszugehen wenn
    • die Symptome plötzlich beginnen.
    • keine anderen Krankheitszeichen vorhanden sind.
    • es Hinweise auf Essen oder Spielen mit kleinen Gegenständen unmittelbar vor dem Ereignis gibt.
  • Das Kind hustet effektiv:
    • Dann ist kein Eingreifen erforderlich.
    • Kind zum Husten ermuntern und kontinuierlich überwachen.
  • Das Kind hustet ineffektiv (abnehmendes Bewusstsein, leiserer Husten, Unfähigkeit zu atmen oder zu sprechen, Zyanose).
    • Bei nur einer Ersthelfer*in mit den Maßnahmen fortfahren, eine zweite Ersthelfer*in kann ggf. Rettungsdienst alarmieren.
    • Bewusstseinsgrad des Kindes bestimmen.
    • Das Kind ist bei Bewusstsein, aber der Husten ist ineffektiv: Schläge auf den Rücken.
    • Falls Schläge auf den Rücken die Fremdkörperverlegung nicht beseitigen:
      • bei Kindern im Wechsel: 5 abdominelle Kompressionen, 5 Rückenschläge
      • bei Säuglingen im Wechsel: 5 Thoraxkompressionen, 5 Rückenschläge
  • Das Kind ist bewusstlos.
    • Fortfahren nach Algorithmus PBLS (s. o.)
  • Falls der Fremdkörper erfolgreich ausgestoßen wurde, weiter Beurteilung des klinischen Zustands, im Zweifel oder nach Bauchkompressionen dringende medizinische Nachsorge.
  • Siehe auch den Artikel Fremdkörper in den Atemwegen.

Seitenlage

  • Bei bewusstlosen Kindern ohne Kreislaufstillstand und mit eindeutig normaler Atmung können die Atemwege freigehalten werden durch
    • fortgesetzte Überstreckung des Halses mit Anheben des Kinns oder
    • Lagerung in Seitenlage, insbesondere wenn das Risiko des Erbrechens besteht.
  • In der Seitenlage jede Minute Überprüfung der Atmung, um einen Kreislaufstillstand sofort zu erkennen.
  • Jeglichen atmungsbehindernden Druck auf die Brust vermeiden.
  • Regelmäßiger Seitenwechsel (ca. alle 30 min) zur Vermeidung von Druckstellen
Seitenlage
Stabile Seitenlage

Pediatric Advanced Life Support (PALS)

  • Anwendung vor allem durch innerklinische pädiatrische Notfallteams
  • Beurteilung und Behandlung kritisch kranker Kinder gemäß der ABCDE-Regel, wobei im Rahmen der Primärversorgung vor allem ABC im Vordergrund steht:
    • A = Atemwege
    • B = Beatmung
    • C = Circulation
    • D = Defizit (neurologisch)
    • E = Exploration

Erweiterte Maßnahmen zur Reanimation von Kindern (PALS = Pediatric Advanced Life Support)

  • Zunächst Fortführen des PBLS
  • Verschiedene Maßnahmen werden z. T. parallel durch ein trainiertes Team durchgeführt.

Rhythmus

  • Kardiales Monitoring mit EKG-Elektroden oder selbstklebenden Defibrillator-Pads (oder Defibrillationspaddeln)
  • Schockbarer Rhythmus
    • 1 Schock mit 4 kJ/kg KG
    • unmittelbares Fortsetzen der CPR für 2 min (Unterbrechungen minimieren)
    • nach dem 3. Schock
      • i. v./i. o. Amiodaron 5 mg/kg KG (max. 300 mg)
      • i. v./i. o. Adrenalin 10 μg/kg KG (max. 1 mg)
  • Nicht schockbarer Rhythmus
    • I. v./i. o. Adrenalin 10 μg/kg KG (max. 1 mg) so schnell wie möglich verabreichen.
    • unmittelbares Fortsetzen der CPR für 2 min (Unterbrechungen minimieren)

Sauerstoffversorgung und Beatmung

  • Oxygenierung und Beatmung durch Beutel-Maske-Beatmung mit hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (100 %)
  • Intubation erwägen bei Transport unter CPR oder längerer Wiederbelebung.
  • Hyperventilation vermeiden.
  • Bei CPR mit Überdruckbeatmung über einen Endotrachealtubus kann die Beatmung asynchron und die Thoraxkompression kontinuierlich sein (nur alle 2 Minuten zur Rhythmusprüfung pausieren).
  • Sobald ein dauerhafter ROSC (Return of Spontaneous Circulation) eintritt, Titration der Sauerstoffversorgung auf eine Sauerstoffsättigung (SpO2) von 94–98 %.

ICD-10

  • R40.2 Bewusstlosigkeit o. n. A.

Wichtige Veränderungen lebensrettender Maßnahmen bei Kindern im Vergleich zu den Leitlinien 2015

  • Zu den wichtigsten Änderungen im Vergleich zu den Leitlinien von 2015 gehören:
  • Die Leitlinien gelten für alle Kinder im Alter von 0–18 Jahren, mit Ausnahme von „Neugeborenen bei der Geburt“.
    • Patient*innen, die erwachsen aussehen, können als Erwachsene behandelt werden.
  • Die Sauerstofftherapie soll auf einen Sauerstoffsättigung (SpO2) von 94–98 % titriert werden.
    • Solange SpO2 bzw. PaO2 nicht messbar sind, sollte Sauerstoff mit hohem Flow gegeben werden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Seitenlage
Stabile Seitenlage

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • European Resuscitation Council. Guidelines for Resuscitation, Stand 2021. www.cprguidelines.eu
  • Deutscher Rat für Wiederbelebung. Reanimationsleitlinien, Stand 2021. www.grc-org.de

Literatur

  1. European Resuscitation Council. Guidelines for Resuscitation 2021. www.cprguidelines.eu
  2. Deutscher Rat für Wiederbelebung - Reanimationsleitlinien 2021. www.grc-org.de
  3. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2021: Section 10. Paediatric life support. ercguidelines.elsevierresource.com

Autor

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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