Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen, Akutbehandlung

Allgemeines zur Therapie

  • Siehe auch Artikel Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen.
  • Ein Asthmaanfall ist oft eine durch Angst bestimmte Situation.1
    • Beruhigen Sie die Patient*innen und bringen Sie diese in eine ruhige, abgeschirmte Umgebung. 
  • Für die Versorgung des Asthmaanfalls bei Kindern und Jugendlichen wird von der Nationalen Versorgungsleitlinie ein strukturiertes Vorgehen genannt.1
  • Basistherapie1
    1. atmungserleichternde Körperstellung (Hinsetzen, Aufstützen der Arme)
    2. dosierte Lippenbremse
    3. 2–4 Hübe schnell wirksames Beta-2-Sympathomimetikum (SABA)
  • Insbesondere bei Kleinkindern besteht eine eingeschränkte Kooperationsfähigkeit, was bei der Inhalation zu Problemen führen kann.
  • Parallel zur Initialtherapie sollte die Einschätzung des Schweregrades des Asthmaanfalls erfolgen.1

Schweregrad des Asthmaanfalls

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Leichter bis mittelschwerer Anfall

  • Symptome
    • Unvermögen einen längeren Satz während eines Atemzuges zu vollenden.
  • Klinische Zeichen
    • Atemfrequenz < 30/min
    • Atemmuster
      • verlängerte Ausatmung
      • Zeichen der Dyspnoe: Einziehungen, Nasenflügeln
      • trockene Rasselgeräusche im Exspirium: Giemen und Brummen
  • Apparative Zeichen
    • Blutdruck normoton
    • Peak Expiratory Flow (wenn am Gerät geschult)
      • < 80 % und > 50 % des persönlichen Bestwertes
    • Pulsoxymetrie SaO≥ 92 %

Schwerer Anfall

  • Symptome
    • Unvermögen, einen längeren Satz während eines Atemzuges zu vollenden.
  • Klinische Zeichen
    • Atemfrequenz
      • > 5 Jahre: > 30/min
      • 2–5 Jahre: > 40/min
    • Atemmuster
      • verlängerte Ausatmung
      • Zeichen der Dyspnoe: Einziehungen, Nasenflügeln
      • trockene Rasselgeräusche im Exspirium: Giemen und Brummen
  • Apparative Zeichen
    • Blutdruck normoton
    • Peak Expiratory Flow (wenn am Gerät geschult)
      • < 50 % des persönlichen Bestwertes
    • Pulsoxymetrie SaO2 < 92 % (Zyanose)

Lebensbedrohlicher Anfall

  • Symptome
    • Erschöpfung, Konfusion
  • Klinische Zeichen
    • Atemfrequenz
      • > 5 Jahre: > 30/min
      • 2–5 Jahre: > 40/min
      • auch Bradypnoe oder Apnoe möglich
    • Atemmuster
      • Zeichen der Dyspnoe: Einziehungen, Nasenflügeln
      • trockene Rasselgeräusche im Exspirium: Giemen und Brummen
      • auch fehlendes Atemgeräusch („stille Lunge“) möglich
  • Apparative Zeichen
    • Blutdruck hypoton
    • Peak Expiratory Flow (wenn am Gerät geschult)
      • ggf. nicht messbar
    • Pulsoxymetrie SaO2 < 92 % (Zyanose)

Behandlungsempfehlungen

  • Es existieren sowohl eine nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma1 als auch eine Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)2 und der Global Initiative of Asthma (GINA).3
  • Im folgenden Leitlinienkasten haben wir uns vor allem auf die NVL bezogen, Zitate aus der Leitlinie der DGP und GINA sind kursiv gedruckt.

Leitlinien Asthma (NVL, DGP und GINA): Initialtherapie1-3

  • Die Initialtherapie umfasst stets eine atmungserleichternde Körperstellung (Hinsetzen, Aufstützen der Arme), dosierte Lippenbremse und 2–4 Hübe eines schnell wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums (SABA).
    • Anzahl der Hübe wird nicht nach dem Körpergewicht dosiert.
  • Bei einem schweren oder lebensbedrohlichen Asthmaanfall sollte nach der Initialtherapie die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus organisiert werden, ggf. mit notärztlicher Begleitung (bei lebensbedrohlichem Anfall).
  • Bei Kindern und Jugendlichen sollen inhalative Glukokortikoide als Hochdosistherapie nicht zur Notfallbehandlung des Asthmaanfalls eingesetzt werden.

Leichter bis mittelschwerer Anfall

  • Selbsthilfetechniken
    • atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
  • SABA inhalativ
    • 2–4 Hübe alle 10–20 min
    • 4–10 Hübe, alle 20 min für 1 Stunde wiederholen (GINA).
  • Ipratropiumbromid inhalativ
    • Nicht anwenden.
  • Sauerstoff
    • in der Regel nicht notwendig
  • Prednisolon
    • Wenn kein ausreichendes Ansprechen auf 2–4 Hübe SABA alle 10 min 2-mal in Folge: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon oral oder i. v.
    • Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)

Schwerer Anfall

  • Selbsthilfetechniken
    • atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
  • SABA inhalativ
    • 2–4 Hübe alle 10–20 min
    • 4–10 Hübe, alle 20 min für 1 Stunde wiederholen (GINA).
  • Ipratropiumbromid inhalativ
    • 2–4 Hübe alle 6–8 Stunden als Add-on zu SABA
  • Sauerstoff
    • Zielsättigung: > 94 %
      • 94–98 % (GINA)
  • Prednisolon
    • Wenn kein ausreichendes Ansprechen auf 2–4 Hübe SABA alle 10 min 2-mal in Folge: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon oral oder i. v.
    • Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)

Lebensbedrohlicher Anfall

  • Selbsthilfetechniken
    • atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
  • SABA inhalativ
    • 2–4 Hübe alle 10–20 min
    • 4–10 Hübe, alle 20 min für 1 Stunde wiederholen (GINA).
    • alternativ: Dauerverneblung des SABA mit Sauerstoff unter Kontrolle der Herzfrequenz
      • 0,5–1 mg Salbutamol pro kg KG pro Stunde (DGP)
  • Ipratropiumbromid inhalativ
    • 2–4 Hübe alle 6–8 Stunden als Add-on zu SABA
  • Sauerstoff
    • Zielsättigung: > 94 %
      • 94–98 % (GINA)
  • Prednisolon
    • sofort, soweit möglich: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon i. v.
    • Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)

Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln

  • Die Angaben zu diesem Abschnitt beziehen sich auf die entsprechende Leitlinie der DEGAM.4
  • Dosieraerosole (DA) benutzen Treibmittel, um den Wirkstoff in tiefe Lungenabschnitte zu transportieren.
    • Diese schädigen zwar die Ozonschicht nicht, sind aber starke Treibhausgase.
    • Dadurch haben DA im Vergleich zu Pulverinhalatoren ein vielfach höheres Schädigungspotenzial für die Atmosphäre.
  • Nichtsdestotrotz sind DA in folgenden Fällen indiziert:
    • bei Kindern < 5 Jahre für die Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika oder Glukokortikosteroiden
    • bei akutem Asthmaanfall
  • Verschreibende, Apotheker*innen und Patient*innen sollten berücksichtigen, dass zwischen den einzelnen DA beträchtliche Unterschiede in ihrem Global Warming Potential bestehen, und das DA mit einem möglichst niedrigen GWP bevorzugen, wenn sie klinisch vergleichbar wirksam sind.

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Zeigt sich 30–60 min nach der initialen Versorgung des leichten bis mittelschweren Asthmaanfalls keine nachhaltige Besserung, empfiehlt die Leitliniengruppe die umgehende Einweisung in das Krankenhaus bzw. die weitergehende Behandlung in der Notaufnahme.1
  • Schwere und lebensbedrohliche Anfälle sollten immer im Krankenhaus unter adäquater Überwachung behandelt werden.

Weitergehende Therapiemaßnahmen im Krankenhaus

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Initialtherapie weiterführen und ausschöpfen.
  • Bei respiratorischer Insuffizienz Sauerstoffgabe
  • Flüssigkeit bei Bedarf substituieren (oral oder i. v.)
  • Magnesium 25–50 mg/kg Körpergewicht (max. 2 g) über 20–30 min i. v. anwenden, üblicherweise 1-mal pro Tag.
  • Zusätzlich ist die individualisierte Therapie mit Beta-2-Sympathomimetika i. v. und oder Theophyllin i. v. als Ultima Ratio möglich.
    • Leitend ist hier die Überlegung, einen weiteren Wirkmechanismus probatorisch anzuwenden, um damit ggf. eine Beatmung zu vermeiden.
  • Wenn eine parenterale Therapie erforderlich ist, gelten folgende Dosisempfehlungen:2
    • Reproterol (ab 3. Lebensmonat zur parenteralen Gabe bei schwerem Asthmaanfall zugelassen)
      • Kurzinfusion (Initial): 1 μg Reproterolhydrochlorid/kg KG/min über 10 min
      • Dauerinfusion: 0,2 μg Reproterolhydrochlorid/kg KG/min über 36–48 Stunden
    • Magnesiumsulfat
      • 25–50 mg/kg/Dosis (max. 2 g) über 20–30 min i. v.
      • dann ggf. 15–25 mg/kg/h
      • Cave: Bradykardie!
    • Theophyllin (ab 6 Monaten)
      • nach Loading Dose 0,5–1 mg/kg/h
      • Spiegelkontrolle 30 min nach Ende der Loading Dose
      • Spiegel 10–20 mg/l

Betreuung nach einem Asthmaanfall

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Nach der Akutversorgung oder der (intensiv-)stationären Behandlung ist neben der Nachsorge die Prävention eines weiteren Asthmaanfalls entscheidend.
  • Folgende Maßnahmen sollten erfolgen:
    • Risikofaktoren für eine Verschlechterung der Asthmakontrolle identifizieren.
    • Asthma-Aktionsplan aushändigen bzw. überarbeiten.
    • Schulung bzw. Nachschulung anregen.
    • Notwendigkeit einer Intensivierung der Langzeittherapie prüfen.
    • Indikation zu einer Rehabilitation prüfen.
  • Die Leitlinie der GINA empfiehlt nach einem akuten Asthmaanfall zusätzlich: 3
    • Inhalationstechnik und Adhärenz überprüfen.
    • Falls Prednisolon gegeben wurde, die Gabe für 3–5 Tage fortführen.
    • nach 1–2 Tagen Verlaufskontrolle
  • Bezüglich Informationen zu Risikofaktoren, Schulungen und Langzeittherapie beachten Sie bitte auch den Artikel Asthma bei Kindern und Jugendlichen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP). Fachärztliche Diagnostik und Therapie von Asthma. AWMF-Leitlinie Nr. 020-009. S2k, Stand 2023. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln. AWMF-Leitlinie Nr. 053-059. S1, Stand 2022. www.degam.de
  • Global Initiative for Asthma. Pocket Guide for Asthma Management and Prevention. Stand 2022. www.ginasthma.org
  • Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, 4. Auflage, 2020. www.leitlinien.de

Literatur

  1. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, 4. Auflage, 2020. www.leitlinien.de
  2. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Fachärztliche Diagnostik und Therapie von Asthma. S2k, AWMF-Leitlinie Nr. 020-009, Stand 2023. www.awmf.org
  3. Global Initiative for Asthma. Pocket Guide for Asthma Management und Prevention. Stand 2022. ginasthma.org
  4. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln. S1, AWMF-Nr. 053-059. Stand 2022. www.degam.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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