Diabetes, gastrointestinale Komplikationen

Zusammenfassung

  • Definition:Diabetes mellitus geht mit einem vermehrten Auftreten gastrointestinaler Komplikationen einher, die zu großen Teilen durch die gastrointestinale autonome diabetische Neuropathie mit Störungen von Motilität, Sekretion und Resorption verursacht werden.
  • Häufigkeit:Übelkeit kommt bei Diabetes fast doppelt so häufig vor wie bei Personen ohne Diabetes. Völlegefühl und Sodbrennen unterscheiden sich dagegen nicht in der Häufigkeit.
  • Symptome:Gastrointestinales Hauptsymptom bei Menschen mit Diabetes ist Übelkeit.
  • Befunde:Evtl. postprandiale Hypoglykämie, Motilitätsstörungen mit verzögertem Transit oder Magenentleerungsstörung.
  • Diagnostik:Symptomorientierte Diagnostik des Gastrointestinaltraktes.
  • Therapie:Symptomorientierte Behandlung und an die individuelle Situation der Patient*innen angepasste Diabeteseinstellung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Diabetes mellitus beschreibt eine Gruppe von chronischen Stoffwechselerkrankungen, die durch erhöhte Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) gekennzeichnet sind.
    • Beim Typ-1-Diabetes kommt es zu Insulinmangel durch Zerstörung der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse.
    • Beim Typ-2-Diabetes kommt es zu Insulinresistenz und im Verlauf zur verminderten Bildung von Insulin.
  • Diabetes mellitus kann insbesondere bei insuffizienter Therapie zu einer Reihe von Komplikationen führen.
  • Gastrointestinale Beschwerden bei Diabetes mellitus sind oft Folge der autonomen diabetischen Neuropathie und umfassen:1
  • Übelkeit kommt bei Diabetes fast doppelt so häufig vor wie bei Personen ohne Diabetes. Völlegefühl und Sodbrennen unterscheiden sich nicht in der Häufigkeit.2
  • Zu den gastrointestinalen Komplikationen des Diabetes wird mitunter auch die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD)  gezählt.3
    • Bei wechselseitiger Assoziation ist die pathogenetische Beziehung unklar.4-5
  • Die Therapie umfasst eine optimale Blutzuckereinstellung des Diabetes mellitus sowie symptomorientierte Behandlungsmaßnahmen.
  • Zu berücksichtigen ist, dass auch durch die Therapie eines Diabetes – z. B. mit Metformin, Acarbose, DPP4-Hemmern oder GLP-1-Analoga – gastrointestinale Symptome auftreten können.

Häufigkeit

  • Viele Patient*innen mit Diabetes mellitus beklagen gastrointestinale Beschwerden.
    • auch in der Allgemeinbevölkerung verbreitet, jedoch bei Diabetes vermehrt1,6-8
  • Diabetische Neuropathie bei bis zu 30 % nach 10–15 Jahren Krankheitsdauer1
  • Nachweisbare Magenentleerungsstörung bei Diabetes mellitus1
    • bei bis zu 55 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes
    • bei bis zu 30 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes
    • Völlegefühl tritt aber bei Personen mit Diabetes nicht häufiger auf als bei Menschen ohne die Erkrankung.
  • Dysphagie bei 5–12 %9
  • Diarrhö bei bis zu 20 %1,10
    • Auch hier ist an mögliche unerwünschte Wirkungen einer Therapie mit DPP4-Hemmern oder GLP-1-Analoga zu denken.
  • Exokrine Pankreasinsuffizienz
    • bei 26 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes
    • bei 12 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes1

Ätiologie und Pathogenese

  • Die häufigste Ursache einer autonomen Polyneuropathie ist Diabetes mellitus.11
    • Durch autonome Denervierung kommt es zu vielseitigen Störungen.
  • Wesentliche Faktoren, die eine gastrointestinale autonome Neuropathie begünstigen, sind:1
  • Die gastrointestinale autonome Neuropathie führt zu Dysfunktionen von:1
    • gastrointestinaler Motilität
    • Sekretion
    • Resorption
    • Perzeption.
  • Häufiger Pathomechanismus ist die Hypomotilität im Gastrointestinaltrakt.
    • verzögerter Transit im Ösophagus1
      • zudem anomale ösophageale Peristaltik, spontane Kontraktionen und eingeschränkter Tonus12-13
      • Kann zu Dysphagie, Regurgitationen und Refluxerkrankung führen.
    • verzögerte Magenentleerung bei Gastroparese1
    • verzögerte Darmpassage
      • Begünstigt bakterielle Fehlbesiedlung oder gesteigerte intestinale Sekretion.
      • Kann zu Diarrhö und Obstipation führen.
      • gestörte Darmperistaltik als Ursache der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion
    • Seltener findet sich ein beschleunigter Transit bzw. eine beschleunigte Magenentleerung.1
  • Stuhlinkontinenz
    • begünstigt durch:
      • reduzierten Sphinktertonus
      • verminderte rektale Compliance
      • verminderte Wahrnehmung rektaler Reize.1
  • Exokrine Pankreasinsuffizienz
    • Kann zu Diarrhö bzw. Steatorrhö führen.
    • durch Zusammenwirken multipler Pathomechanismen bedingt
  • Gehäuftes Auftreten von Gallensteinen
    • Pathomechanismus ungeklärt.1
    • ggf. durch eingeschränkte Gallenblasenkontraktilität (mit-)bedingt1

ICPC-2

  • T89 Diabetes mellitus, primär insulinabhäng
  • T90 Diabetes mellitus, primär insulinunabhäng
  • N94 Periphere Neuritis/Neuropathie

ICD-10

  • E10: Diabetes mellitus, Typ 1
  • E11: Diabetes mellitus, Typ 2
  • G63: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
    • G63.2: Diabetische Polyneuropathie
  • G99: Sonstige Krankheiten des Nervensystems bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
    • G99.0: Autonome Neuropathie bei endokrinen und Stoffwechselkrankheiten

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Vorliegen gastrointestinaler Beschwerden bei einer Grunderkrankung mit Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes
  • Hinweise für Manifestation der autonomen Neuropathie am Magen-Darm-Trakt1
    • langjähriger Diabetes
    • Hypoglykämien/Stoffwechselschwankungen mit schlechter Diabeteseinstellung
    • andere Diabeteskomplikationen (v. a. Assoziation mit sensomotorischer diabetischer Polyneuropathie)
    • andere autonome Störungen
    • hohes Alter
  • Ausschluss struktureller und infektiöser Erkrankungen bei progredienten Beschwerden oder Warnsymptomen1

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Praxisempfehlung der DDG zur ausführlichen Anamnese14

  • Gezieltes Erfragen folgender Symptome und Befunde:
    • Dysphagie/Odynophagie
    • abdominelle Schmerzen
    • Übelkeit, Erbrechen
    • Völlegefühl, Blähungen
    • Diarrhö
    • Obstipation
    • Stuhlinkontinenz
    • Blut im Stuhl.
  • Frage nach Dauer und möglicher Progredienz gastrointestinaler Symptome
  • Bedeutung der Beschwerden für Lebensqualität
  • Vorliegen von B-Symptomatik

Weitere Begleitsymptome

Warnsymptome

Klinische Untersuchung

  • Allgemeine körperliche Untersuchung
  • Orientierende neurologische Untersuchung auf Symptome einer Polyneuropathie
    • Schwerpunkt auf autonomer Beteiligung

Ergänzende Untersuchungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Die ergänzende Diagnostik ist abhängig vom Beschwerdebild.
  • Bei Anzeichen einer peripheren Neuropathie mit autonomer oder ohne autonome Beteiligung
  • Das wesentliche Ziel ist der Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen.1
  • Häufige Untersuchungsverfahren
    • Sonografie des Abdomens
    • endoskopische Untersuchungen
      • z. B. Ösophagogastroduodenoskopie, Koloskopie
    • weiterführende Labordiagnostik
    • Schnittbildgebung (CT oder MRT)
    • gastrointestinale Funktionsdiagnostik
      • z. B. Messung der Magenentleerungsgeschwindigkeit1

Symptomspezifische Diagnostik

  • Die NVL empfiehlt anhand der führenden Symptomatik folgende diagnostische Algorithmen.1

Dysphagie und Refluxerkrankung

  • Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
    • bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss struktureller Veränderungen:
      • Ösophagogastroduodenoskopie
      • ggf. auch sonstige bildgebende Untersuchungen.
  • Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
    • Bei nichtobstruktiver Dysphagie oder Refluxbeschwerden, die nicht ausreichend auf PPI ansprechen:
      • Ösophagusmanometrie
      • 24-Stunden-pH-Metrie.

Diabetische Gastropathie (Gastroparese) – das Vollbild dieser Erkrankung ist sehr selten!

  • Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
    • bei V. a. Gastropathie und auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
      • Ösophagogastroduodenoskopie
      • Abdomensonografie
      • ggf. auch sonstige bildgebende Untersuchungen
      • Laboruntersuchungen.
  • Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
    • bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und fehlendem Ansprechen auf einfache Maßnahmen (z. B. Ernährungsumstellung):
      • Magenentleerungs-Szintigrafie (Referenzverfahren)
      • 13C-Atemtest (mit Markierung fester Speisen).

Diabetische Diarrhö und exokrine Pankreasinsuffizienz – ebenfalls selten 

  • Eine diabetische Diarrhö ist im Wesentlichen eine Ausschlussdiagnose.
  • Symptome und Verläufe
    • Typisch sind intermittierende braune, wässrige, voluminöse Stuhlgänge mit plötzlichem Stuhldrang und Tenesmen.
    • Diabetesspezifische Medikamente und Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen als Ursachen infrage und müssen gezielt erfragt werden.
  • Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
    • bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
      • Anamnese (Medikamente, Zuckeraustauschstoffe u. a.). Insbesondere DPP4-Hemmer und GLP-1-Analoga sollten probatorisch abgesetzt werden.
      • Endoskopie (einschl. Histologie zum Ausschluss von z. B. Zöliakie/Spruemikroskopischer Kolitis)
      • Abdomensonografie
      • Laboruntersuchungen (einschl. Stuhluntersuchung auf pathogene Keime, sofern keine Duodenalbiopsie erfolgt; Antikörperdiagnostik mit Frage nach Zöliakie/Sprue)
      • ggf. sonstige bildgebende Untersuchungen.
  • Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
    • Bei Patient*innen, deren Beschwerden weiterhin unzureichend geklärt sind:
      • Laktose-/Fruktose-/Sorbitol-Wasserstoffatemtest
      • Glukose-Wasserstoffatemtest
      • ggf. fäkale Elastase-1
      • ggf. Laktulose-Wasserstoffatemtest
      • ggf. D-Xylose-Test.

Diabetische Obstipation – nicht häufiger als bei Personen ohne Diabetes

  • Der 1. Schritt: Feststellen, ob eine hyperglykäme Situation zur Dehydratation geführt hat – dann zunächst diese behandeln.
  • Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
    • bei auffälliger oder inkonklusiver Basisdiagnostik zum Ausschluss organischer Veränderungen:
      • Medikamentenanamnese
      • digital-rektale Untersuchung
      • Ileokoloskopie (aussagekräftigstes Verfahren)
      • Laboruntersuchungen
      • ggf. Abdomensonografie
      • ggf. sonstige bildgebende Untersuchungen.
  • Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
    • bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen (z. B. Laxanzien):
      • (MRT-)Defäkografie
      • anorektale Manometrie
      • Bestimmung der Kolon-Transitzeit (Hinton-Test)
      • neurologische Mitbeurteilung.

Diabetische Stuhlinkontinenz – extrem selten!

  • Weiterführende Diagnostik der 1. Stufe
    • digital-rektale Untersuchung
    • rektale Endosonografie
    • (MRT-)Defäkografie
    • bei fehlendem Hinweis auf organische Erkrankungen weiterhin:
      • anorektale Manometrie
      • ggf. neurologische Untersuchungen.
  • Weiterführende Diagnostik der 2. Stufe
    • bei weiterhin unzureichend geklärten Beschwerden und unzureichendem Ansprechen auf übliche therapeutische Maßnahmen:
      • (MRT-)Defäkografie
      • Anorektale Manometrie
      • Bestimmung der Kolon-Transitzeit (Hinton-Test)
      • Neurologische Mitbeurteilung.

Diabetische Gallenblasendysfunktion

  • Bei Gallenblasenkontraktionen, Cholezystomegalie und Gallensteinen
    • Abdomensonografie
    • ggf. zusätzliche bildgebende Untersuchungen (CT, MRT, MRCP)
    • ggf. invasivere Verfahren (Endosonografie oder ERCP)

Indikationen zur Überweisung

  • Bei länger als 4 Wochen andauernden Beschwerden, die subjektiv belastend sind, ist anhand der Symptomatik zu entscheiden, ob eine Überweisung zur weiterführenden Diagnostik (z. B. an Gastroenterolog*in) unmittelbar oder erst nach einem erfolglosen Therapieversuch eingeleitet wird.14

Therapie

Therapieziele

  • Grundsätzliche Therapieziele1
    • Lebensqualität verbessern.
    • Beschwerden verringern.
    • Komplikationen vermeiden.
    • Diabeteseinstellung verbessern.
  • Individualisierung der Therapieziele
    • u. a. abhängig von (Ko-)Morbidität, Alter und Lebenserwartung sowie von der Lebensqualität der Betroffenen

Allgemeines zur Therapie

  • Empfehlungen gemäß der NVL1
  • Störungen des Gastrointestinaltraktes sollen symptomorientiert behandelt werden.
    • Entsprechend den Vorgaben für Menschen ohne Diabetes mellitus – sie kommen bis auf Übelkeit auch nicht häufiger vor.
    • Diabetesspezifische Risiken und Kontraindikationen berücksichtigen.
  • Normnahe Diabeteseinstellung anstreben.
  • Nicht behandlungsbedürftig sind Funktionsstörungen
    • ohne subjektive Beschwerden
    • ohne relevante morphologische Veränderungen
    • ohne Beeinträchtigung der Stoffwechselfunktion.
  • Psychosoziale Aspekte und Komorbidität beachten.

Symptomatische Therapie

  • Empfehlungen zur symptomorientierten Therapie gemäß der NVL.1

Gallenblasendysfunktion

  • Erhöht das Risiko für das Auftreten von Gallensteinen.
  • Bei unkomplizierter Gallenblasendysfunktion
    • keine übliche Therapie neben Diabeteseinstellung
  • Gallensteine und deren Komplikationen sollen so behandelt werden wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus.
    • Besondere diabetesassoziierte Risiken berücksichtigen.
      • z. B. in Bezug auf OP-Indikation bzw. Kontraindikationen (Medikamenteneinnahme)

Refluxerkrankung

  • Behandlung entsprechend der üblichen Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus
  • Medikamentöse Therapie der Wahl sind Protonenpumpenhemmer (PPI).

Dysphagie

  • Bei Dysphagie und retrosternalen Schmerzen, die auf Ösophagusmotilitätsstörungen beruhen.
    • Behandlung entsprechend der üblichen Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus 
  • Bei Hypotonie des Ösophagus
    • ausgiebiges Kauen fester Nahrung bzw. Verabreichung von flüssiger Zusatzkost bei aufrechtem Oberkörper
    • Eine generelle Gabe von Prokinetika ist nicht empfohlen.
      • am Ösophagus allenfalls geringer Effekt
      • Bei anhaltenden Beschwerden kann im Einzelfall ein Therapieversuch mit Prokinetika (z. B. Domperidon, Metoclopramid) erwogen werden (Off-Label-Use).
  • Bei Dysphagie durch Hypertonie des Ösophagus
    • Therapieversuch mit Glattmuskelrelaxanzien (z. B. Kalziumantagonisten, off label)
    • bei Therapieversagen
      • invasive endoskopisch interventionelle Verfahren
      • operative Therapie als Ultima Ratio
  • Bei Achalasie
    • pneumatische Dilatation als Therapie der Wahl
    • Gabe von Glattmuskelrelaxanzien
    • endoskopische Injektion von Botulinustoxin in den unteren Ösophagussphinkter
    • operative Behandlung in therapierefraktären Fällen

Diabetische Gastropathie

  • Die diabetische Gastropathie behindert eine Optimierung der Stoffwechseleinstellung.
  • Beschleunigte Magenentleerung (seltener)
    • Führt zu schnellem und starkem Anstieg der postprandialen Blutglukosespiegel und zu Oberbauchbeschwerden.
    • noch keine etablierten Therapieoptionen
    • Umstellung der Ernährungsgewohnheiten
      • kleine, über den Tag verteilte Mahlzeiten
      • Vermeidung rasch resorbierbarer Kohlenhydrate (z. B. zuckerhaltige Getränke)
      • probatorisch Verwendung von Quellstoffen (z. B. Flohsamenschalen) zur Verzögerung des Transits
  • Verzögerte Magenentleerung/Gastroparese (häufiger)
    • Behindert die Synchronisation zwischen Kohlenhydratresorption und Medikamentenwirkung (v. a. Insulinwirkung).
      • Dies kann zu akuten Stoffwechselentgleisungen, insbesondere Hypoglykämien, führen.
    • allgemeintherapeutische Maßnahmen
      • gründliches Kauen
      • aufrechtes Sitzen für mindestens 30 min nach jeder Mahlzeit
      • kleine, über den Tag verteilte Mahlzeiten
      • reduzierte Fettzufuhr, wenig Ballaststoffe
      • langsames Spazierengehen nach den Mahlzeiten
      • ggf. Gabe von passierter/flüssiger Kost
    • bei insulinpflichtigen Patient*innen
      • Insulinbedarf kann reduziert sein.
      • ggf. Anpassung des Spritz-Ess-Abstands
    • bei ausbleibender Besserung durch Ernährungsumstellung
      • Einsatz von Prokinetika unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Profils zeitlich begrenzt auf wenige Wochen (ggf. wiederholt)
        • Metoclopramid oder Domperidon (Off-Label-Use)
        • bei unzureichender Wirksamkeit: ggf. Erythromycin (Off-Label-Use)
    • bei therapierefraktären Fällen
      • Behandlung in spezialisierten Einrichtungen
      • Einsatz eines gastralen Neurostimulators
      • dauerhafte enterale Ernährung
      • dauerhafte parenterale Ernährung (Ultima Ratio)
    • nicht empfohlene Verfahren
      • endoskopische Injektion von Botulinustoxin-A in den Pylorus
      • resezierende operative Verfahren

Diabetische Diarrhö und exokrine Pankreasinsuffizienz

  • Eine genaue differenzialdiagnostische Abklärung ist entscheidend.
    • Bei anderen Ursachen sind spezifische Therapien verfügbar, bei diabetischer Diarrhö ist dies nicht möglich.
  • Symptomatische Therapie
    • Gabe von Quellstoffen (Flohsamenschalen)
    • Loperamid
    • bei Therapieversagen
      • probatorische Therapie mit Colestyramin
      • ggf. Therapieversuche mit Clonidin oder Octreotid
  • Bei bakterieller Fehlbesiedlung
  • Bei diabetesassoziierter exokriner Pankreasinsuffizienz
    • Therapie durch Substitution von Pankreasenzymen
    • Kontrolle der Diabeteseinstellung
      • z. T. Verschlechterung der Blutglukosekontrolle unter Therapie

Diabetische Obstipation

  • Bei unkomplizierter Obstipation
    • Behandlung entsprechend den Vorgaben wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus
    • Umstellung der Ernährung
      • Erhöhung der Ballaststoffzufuhr
      • ausreichende Flüssigkeitszufuhr
    • Allgemeinmaßnahmen (z. B. körperliche Bewegung)
  • Bei Nichtansprechen auf eine Ernährungsumstellung
    • Ballaststoffe (sofern verträglich) therapeutisch (Pektine, Flohsamenschalenpräparate, Weizenkleie, Leinsamen)
    • Laxanzien und/oder Klistiere (z. B. PEG-Lösungen)
  • Bei funktionellen Stuhlentleerungsstörungen
    • Biofeedback-Therapie
    • Klistiere und Suppositorien, die eine Defäkation auslösen.
  • Bei organischen Veränderungen (z. B. große Rektozele)
    • chirurgische Mitbehandlung
  • Bei schweren Formen der Obstipation ist oft ein komplexes therapeutisches Regime nötig (Ernährungstherapie, Prokinetika, Laxanzien, Schmerzmedikation, ggf. chirurgische Intervention).

Anorektale Dysfunktion (diabetische Stuhlinkontinenz)

  • Bei Stuhlinkontinenz mit Schwächung des Sphinkterapparates
    • Beckenbodengymnastik
    • Biofeedback-Therapie (bei erhaltener intrarektaler Wahrnehmung)
  • Wenn Durchfälle die Inkontinenz erschweren, sollte die begleitende Therapie mit einem Antidiarrhoikum erfolgen.
  • Bei organischen Veränderungen mit Stuhlinkontinenz sollte die Indikation chirurgischer Verfahren geprüft werden.

Prävention

  • Bestmögliche Einstellung des Blutzuckermanagements1
  • Reduktion von Alkoholkonsum1
  • Anpassung der Essgewohnheiten
    • Besserung z. B. durch kleinere Portionsgrößen bei Gastroparese15

Verlaufskontrolle

  • Die Empfehlungen gelten nur für die sehr seltene Situation, dass der Diabetes zu spezifischen gastrointestinalen Komplikationen geführt hat.1
  • Erstuntersuchung
  • Folgeuntersuchungen
  • Untersuchung

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Video

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Diabetes Gesellschaft. Leitlinien & Praxisempfehlungen. Diabetische Neuropathie. Stand 11/2020. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-001e. S3, Stand 2016. (abgelaufen; Kapitel in Version von 2021 noch in Überarbeitung). www.leitlinien.de 

Literatur

  1. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie: Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-001e, Stand 2016. www.awmf.org
  2. Wilm S, Helmert U. The prevalence of fulness, heartburn and nausea among persons with and without diabetes mellitus in Germany. Z Gastroenterol 2006;44.373-377. www.thieme-connect.com
  3. Krishnan B, Shithu B, Walker J, Walker AB, Pappachan JM World J Diabetes. 2013 Jun 15; 4(3): 51–63. Published online 2013 Jun 15. doi: 10.4239/wjd.v4.i3.51 www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Rinella ME. Nonalcoholic fatty liver disease: a systematic review. JAMA. 2015 Jun 9;313(22):2263-73. doi: 10.1001/jama.2015.5370. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Noureddin M1 Mato JM, Lu SC. Nonalcoholic fatty liver disease: update on pathogenesis, diagnosis, treatment and the role of S-adenosylmethionine. Exp Biol Med (Maywood). 2015 Jun;240(6):809-20. doi: 10.1177/1535370215579161. Epub 2015 Apr 13. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Wilm S, Helmert U. The prevalence of fullness, heartburn and nausea among persons with and without diabetes mellitus in Germany. Z Gastroenterol 2006;44(5):373-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Phillips LK, Rayner CK, Jones KL, Horowitz M. An update on autonomic neuropathy affecting the gastrointestinal tract. Curr Diab Rep 2006;6(6):417-23. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Bytzer P, Talley NJ, Leemon M, Young LJ, Jones MP, Horowitz M. Prevalence of gastrointestinal symptoms associated with diabetes mellitus: a population-based survey of 15,000 adults. JAMA Intern Med 2001;161(16):1989-96. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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  15. Olausson EA, Störsrud S, Grundin H, Isaksson M, Attvall S, Simrén M. A small particle size diet reduces upper gastrointestinal symptoms in patients with diabetic gastroparesis: a randomized controlled trial. Am J Gastroenterol. 2014;109(3):375-385. Doi:10.1038/ajg.2013.453 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg
  • Günther Egidi, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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