Trimethylaminurie (Fischgeruch-Syndrom)

Zusammenfassung

  • Definition:Stoffwechselstörung mit Akkumulation von Trimethylamin.
  • Häufigkeit:Inzidenz 1:200.000 bis hin zu 1:1.000.000.
  • Symptome:Starker Körpergeruch nach verdorbenem Fisch und dadurch erhöhter psychischer Leidensdruck.
  • Befunde:Klinischer Befund ist ein fischähnlicher Körpergeruch.
  • Diagnose:Messung von Trimethylamin allein oder in Kombination mit dem N-Oxid-Metaboliten (Trimethylamin-N-Oxid), genetische Untersuchung.
  • Behandlung:Keine kausale Therapie, Ernährungsumstellung lindert die Symptome.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Stoffwechselstörung mit vermindertem Abbau und entsprechend Akkumulation des tertiären Amins Trimethylamin, welches mit der Nahrung aufgenommen wird.1-2
    • In der Folge Fischgeruch von Urin, Schweiß und Ausatemluft.
  • Synonyme: Fish Odor Syndrome/Fischgeruch-Syndrom.

Häufigkeit

  • Seltene Erkrankung, die genaue Inzidenz ist unbekannt.1
    • Weltweit sind ca. 200 Fälle beschrieben.
    • Schätzungen gehen von einer Inzidenz von 1:200.000 bis hin zu 1:1.000.000 aus.2
  • Wahrscheinlich hohe Dunkelziffer.
  • Symptome können von Geburt an oder ab dem Pubertäts-/Menstruationsalter bestehen.
  • Die Erkrankung tritt sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf, sie ist wahrscheinlich etwas häufiger bei Frauen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Meist autosomal-rezessive Vererbung.2
  • Träger des Gens haben meist keine oder nur leichte passagere Symptome.
  • Ursächlich können sein:
    • Angeborener Defekt des Cholinmetabolismus
    • Primärer Flavin-Mono-Oxygenase-3-Mangel oder verminderte Aktivität
      • Leberenzym Flavin-Mono-Oxygenase-3 (FMO3) hat die Aufgabe, Trimethylamin zum geruchlosen Metaboliten Trimethylamin-N-Oxid zu oxidieren.3
  • In der Folge Akkumulation von Trimethylamin im Körper und vermehrte Ausscheidung von Trimethylamin mit Urin, Schweiß und Atemluft.
    • Die Intensität des entstehenden fischähnlichen Geruchs kann variieren.
  • Die Disposition für die Erkrankung wird durch das Verhältnis (Ratio) zwischen freiem Trimethylamin und Trimethylamin-N-Oxid ausgedrückt.
  • Kann sekundär auftreten, z. B. bei Lebererkrankungen.3

Disponierende Faktoren

  • Vererbung.
  • Selten im Erwachsenenalter spontanes Auftreten.
  • Ernährungsbedingt
    • Trimethylamin stammt vor allem aus Substanzen wie Cholin, Carnitin und Trimethylamin-N-Oxid.

ICPC-2

  • T80 Angeb. Fehlbild., endokrin/metabol.

ICD-10

  • E88 Sonstige Stoffwechselstörungen
  • E88.8 Sonstige näher bezeichnete Stoffwechselstörungen

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Diagnose (Fischgeruch).
  • Messung von Trimethylamin und/oder Trimethylamin-N-Oxid im Urin sowie ggf. genetische Untersuchungen.1-3

Differenzialdiagnosen

  • Vaginale Infektionen, z. B. bakterielle Vaginose oder Trichomoniasis
  • Konsum von Fischgerichten
  • Lebererkrankungen, z. B. Leberzirrhose
  • Andere seltene Stoffwechselerkrankungen
  • Mangelnde Körperhygiene

Anamnese

  • Starker Körpergeruch nach (verfaultem) Fisch.
    • Auch andere Körpergerüche sind möglich (Müll, starker Schweißgeruch, Fäkaliengeruch, schlechter Atem).
  • Schweregrad kann variieren, episodische Verläufe sind möglich.
  • Einige der Erkrankten bemerken den Geruch selbst, andere nicht.
  • Bei Frauen wurde von Fällen berichtet, die sich um die Menstruation herum verschlimmern.4
  • Starke psychische Belastung durch den Körpergeruch (Arbeitsleben, Sozialleben) und in der Folge Symptome einer Angststörung oder Depression möglich.5

Klinische Untersuchung

  • Fischartiger Körpergeruch.
  • Psychische Symptome (Rückzugstendenz, Stimmungsschwankungen, Ängste, Panikattacken, Phobie).
  • Keine weiteren Untersuchungen in der Hausarztpraxis indiziert.

Diagnostik beim Spezialisten

  • Messung von Trimethylamin und/oder Trimethylamin-N-Oxid im Urin.
  • Oraler Belastungstest mit Trimethylamin
    • z. B. bei der Untersuchung von Familienmitgliedern und möglichen genetischen Trägern der Stoffwechselstörung

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung Patient*innen an eine*n Spezialist*in für Stoffwechselerkrankungen überweisen, ggf. genetische Untersuchung.

Therapie

Therapieziel

  • Symptome lindern.
  • Prävention und/oder Behandlung psychosozialer Beschwerden.

Allgemeines zur Therapie

  • Keine kausale Therapie.
  • Ernährungsumstellung
    • Reduktion von Cholin und Carnitin in der Ernährung.
    • Beispiele für Lebensmittel mit hohem Cholin-Gehalt:
      • Eigelb
      • Innereien
      • vereinzelte Gemüse wie Kohl, Mais, Avocado, Sojabohnen, Erbsen
    • Beispiele für Lebensmittel mit Trimethylamin-N-Oxid:
      • Fisch
      • Krustentiere
    • Sinnvoll ist die Zusammenarbeit mit Ernährungsmediziner*innen oder Ernährungsberater*innen, um eine ausreichende Nährstoffzufuhr zu gewährleisten.2
    • Am effektivsten bei Personen mit leichten bis mittleren Formen der Erkrankung.6
  • Antibiotikum
    • Experimenteller Ansatz, keine Routine.
    • Kurzfristige Behandlungen mit Neomycin und Metronidazol zur Reduktion der Aktivität der Darmflora haben bei einigen Patient*innen positive Wirkungen gezeigt.7-8
  • Psychosoziale Maßnahmen (Verhaltenstherapie, Psychotherapie)
  • Verlaufskontrollen mittels Fragebogen.9

Empfehlungen für Patient*innen

  • Ernährungsumstellung
  • Kenntnis darüber, dass Menstruation, Fieber und Stress die Erkrankung vorübergehend verschlechtern können.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Lebenslange Erkrankung

Komplikationen

  • Depression
  • Angststörung
  • Soziale Phobie

Prognose

  • Derzeit gibt es keine kausale Therapie.
  • Symptomlinderung durch Ernährungsumstellung gelingt häufig.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Mitchell SC, Smith RL. trimetylaminuria: The fish malodor syndrome. Drug Metabolism and Disposition 2001; 29: 517-21. PubMed
  2. Awosika AO, Anastasopoulou C. Trimethylaminuria. 2023 Jul 15. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan–. PMID: 37603646. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Haugaard LK, Lund AM, Patursson P, Christensen E. Fish odour--could be a sign of trimethylaminuria. Ugeskr Laeger 2010; 172: 3268-9. PubMed
  4. Zhang AQ, Mitchell SC and Smith RL. Exacerbation of symptoms of fish-odour syndrome during menstruation. Lancet 1996; b, 348: 1740-1741.
  5. Ayesh R, Mitchell SC, Zhang A and Smith RL. The fish odour syndrome: Biochemical, familial and clinical aspects. Br J Med 1993; 307: 655-657. PubMed
  6. Mitchell SC. The fish-odor syndrome. Perspect Biol Med 1996; 39: 514-526 PubMed
  7. Treacy E, Johnson D, Pitt JJ and Danks DM. trimetylaminuria, fish odour syndrome: A new method of detection and response to treatment with metronidazole. J Inherit Metab Dis 1995; 18: 306-312. PubMed
  8. Rehman HU. Fish odor syndrome. Postgrad Med J. 1999 Aug;75(886):451-2. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Rutkowski K, Rahman Y, Halter M. Development and feasibility of the use of an assessment tool measuring treatment efficacy in patients with trimethylaminuria: A mixed methods study. J Inherit Metab Dis. 2019 Mar;42(2):362-370. onlinelibrary.wiley.com. onlinelibrary.wiley.com

Autoren

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Barne- og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital, Trondheim

 

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