Lymphadenopathie bei Erwachsenen (geschwollene Lymphknoten)

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Lymphknotenschwellung liegt dann vor, wenn ein Lymphknoten größer als normal ist.
  • Die Größe von Lymphknoten kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen.
  • Man unterscheidet lokalisierte (regionale) und generalisierte Lymphknotenschwellungen.
  • Wenn Größe und Konsistenz von Lymphknoten anomal sind, spricht man von einer Lymphadenopathie.1
  • Steht die entzündliche Schwellung des Lymphknotens im Vordergrund, dann spricht man von einer Lymphadenitis.2
  • Ist das lymphatische Gewebe malige verändert, spricht man von einem malignen Lymphom.

Häufigkeit

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2
  • Zur Häufigkeit in hausärztlichen Praxen gibt es nur Daten aus den 1980er Jahren, aus den USA und den Niederlanden:3-4
    • Inzidenz von Lymphknotenvergrößerungen: < 1 % pro Jahr
  • Bei ca. 50 % sind nur Halslymphknoten betroffen.
  • Bei ca. 25 % generalisierte Schwellungen
  • Bei ca. 1 % aller Lymphknotenschwellungen liegt ein Malignom vor.3

Diagnostische Überlegungen

  • Geschwollene Lymphknoten können Anzeichen harmloser sowie behandlungsbedürftiger und schwerster Erkrankungen sein.
  • Sehr viele Krankheiten können eine Lymphknotenschwellung hervorrufen.5 Diese sind nicht immer kurativ behandelbar.
    • Malignome (Primärtumore und Metastasen)
    • immunologische Erkrankungen einschließlich Allergien und Autoimmunerkrankungen
    • Infektionen
    • Bindegewebs- und Gefäßerkrankungen
    • atypische, lymphoproliferative Erkrankungen
    • granulomatöse Erkrankung
    • metabolische Erkrankungen wie Speicherkrankheiten oder Amyloidose
    • andere Ursachen
  • Merkhilfe für die Differenzialdiagnose: MIAMI1
    • Malignome
    • Infektionen
    • Autoimmunerkrankungen
    • Mischung unterschiedlicher und seltener Erkrankungen
    • Iatrogene Ursachen (z. B. Medikamente, Serumkrankheit)
  • Risikofaktoren für eine maligne Ursache1
    • Alter > 40 Jahre
    • Lymphadenopathie besteht seit mehr als 4–6 Wochen.
    • generalisiert (mehr als 2 Regionen betroffen)
    • männlicher Patient
    • Lymphknoten ist nach 8–12 Wochen nicht auf seine normale Größe geschrumpft.
    • supraklavikuläre Lokalisation
    • Allgemeinsymptome (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Hepatosplenomegalie)
    • weiße Hautfarbe
  • Größe
    • Lymphknoten mit einem Durchmesser von mehr als 10 mm sind bei Erwachsenen selten normal und bedürfen grundsätzlich der weiteren Abklärung.
    • Dasselbe gilt für Lymphknoten in der Leistenregion > 15 mm.2,6
  • Weitere wichtige Merkmale
    • Konsistenz
    • Adhärenz5
  • Lokalisierte Lymphadenopathie
    • Entsteht durch eine örtlich begrenzte akute, frühere oder chronische Entzündung oder durch Malignome in der von den betroffenen Lymphknoten drainierten Umgebung.
  • Generalisierte Lymphadenopathie

Konsultationsgrund

  • Die Patient*innen stellen sich häufig mit der Befürchtung vor, dass die Schwellung ein Symptom eines Malignoms sei.

Abwendbar gefährliche Verläufe

  • Behandlungsbedürftige Infektion
  • Malignität

ICPC-2

  • B02 Lymphknoten vergrößert/schmerzend

ICD-10

  • C77 Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung der Lymphknoten
    • C77.0 Lymphknoten des Kopfes, des Gesichtes und des Halses
    • C77.1 Intrathorakale Lymphknoten
    • C77.2 Intraabdominale Lymphknoten
    • C77.3 Axilläre Lymphknoten und Lymphknoten der oberen Extremität
    • C77.4 Inguinale Lymphknoten und Lymphknoten der unteren Extremität
    • C77.5 Intrapelvine Lymphknoten
    • C77.8 Lymphknoten mehrerer Regionen
    • C77.9 Lymphknoten, nicht näher bezeichnet
  • R59 Lymphknotenvergrößerung
    • R59.0 Lymphknotenvergrößerung, umschrieben
    • R59.1 Lymphknotenvergrößerung, generalisiert
    • R59.9 Lymphknotenvergrößerung, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2

Virale Infektionen

Bakterielle Infektionen

Parasiten

Mykosen

Malignome

Immunologisch

Allergien

  • Medikamentenallergien
    • z. B. gegen Antibiotika, Antiepileptika, Antiphlogistika, Propylthiouracil, Hydralazin, Allopurinol, Natriumperchlorat
  • Weitere Beispiele
    • chronisches Ekzem
    • Serumkrankheit
    • Allergie gegen Silikon

Autoimmunerkrankungen

Weitere immunologische Ursachen

  • Graft Versus Host Disease
  • Immundefekte, z. B. variables Immundefektsyndrom (Common Variable Immunodeficiency, CVID)
  • Impfungen

Metabolisch

Speicherkrankheiten

  • Morbus Fabry
  • Morbus Gaucher
  • Morbus Niemann-Pick
  • Morbus Tangier

Amyloidose

  • Im Lymphknoten interstitielle Ablagerungen von Amyloid nachweisbar2

Andere Ursachen

  • Sarkoidose
  • Morbus Castleman (angiofollikuläre Lymphknotenhyperplasie)
  • Dermatopathische Lymphadenopathie (Pautrier-Woringer-Syndrom)
  • Fremdkörperreaktionen
  • Kawasaki-Syndrom
  • Kikuchi-Syndrom
  • Lymphomatoide Granulomatose (EBV-assoziierte Lymphoproliferation)
  • Morbus Crohn
  • Rosai-Dorfman-Syndrom
  • Thyreoiditis

Anamnese

Alter

  • Bei Kindern ist die Ursache für Lymphknotenschwellungen nur selten eine maligne Erkrankung.
  • Bei Erwachsenen und vor allem bei Älteren haben große Lymphknoten oft eine maligne Ursache.

Zeitaspekt?

  • Akut aufgetretene und rasch zunehmende Schwellungen deuten auf eine floride Erkrankung hin, z. B. auf eine akute Entzündung bei EBV-InfektionSarkoidose oder Impfreaktion oder auf einen Tumor mit hoher Proliferationsrate, z. B. aggressives Lymphom, kleinzelliges Bronchialkarzinom, Keimzelltumor. 2 
  • Langsam aufgetretene Schwellungen sind typisch für chronische Infektionen, Autoimmunerkrankungen und langsam proliferierende Malignome (z. B. chronische Leukämien).
  • Lymphknotenschwellungen, die weniger als 2 Wochen oder länger als 1 Jahr bestehen, beruhen nur selten auf einer malignen Erkrankung.2

Halsschmerzen?

  • Eine Pharyngitis kann mit einer Vergrößerung der zervikalen Lymphknoten einhergehen.
  • Eine Mononukleose führt zu einer generalisierten Lymphknotenschwellung.

Exposition

  • Kontakt mit Tieren?
    • Katzenkratzkrankheit: Katze
    • Tularämie: Nagetiere und Hasen können Träger von Francisella tularensis sein.
      • Kontakt mit oder Verzehr von unzureichend gegartem Fleisch?
      • Zecken- oder Insektenstiche?
      • Inhalation von potenziell infizierten Stäuben?
    • Brucellose: Schafe können Träger von Brucella melitensis sein.
    • Erysipeloid: Bei häufigem Hautkontakt mit Fisch oder Fleisch, meist beruflich bedingt
    • Toxoplasmose: Verzehr von rohem Schweine- oder Schafsfleisch? Kontakt zu Katzenkot?
  • Als mögliche Hinweise auf ein erhöhtes Malignomrisiko:
  • Medikamente?
    • z. B. Antibiotika, Antiepileptika, Antiphlogistika, Propylthiouracil, Hydralazin, Allopurinol, Natriumperchlorat
  • Impfungen?
  • Bluttransfusionen?
  • Sexuelles Risikoverhalten mit erhöhtem Risiko für Infektionen mit:
  • Auslandsaufenthalt? Potenzielle Exposition gegenüber Tropenkrankheiten?

Allgemeinsymptome?

Exanthem, Gelenk- oder Muskelschmerzen?

  • Autoimmunerkrankung?

Lokale Verletzungen?

  • Können zu einer Lymphknotenschwellung im Lymphabflussgebiet führen.

Zurückliegende Erkrankungen oder Ereignisse

  • Infektionen?
  • Infektneigung als Hinweis auf eine immunologische Störung?
  • Verletzungen?
  • Transplantation?
  • Silikonimplantate?
  • Hautveränderungen?
  • Malignome? Familienanamnese?

Ungewohnte und schwere muskuläre Tätigkeit?

  • Kann zu einer Lymphknotenschwellung im Lymphabflussgebiet der betreffenden Muskeln führen.

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Allgemeinzustand
  • Vergrößerte Lymphknoten
    • lokalisiert, generalisiert
  • Blässe, Ikterus, Exanthem oder Blutungsneigung?
    • Zur Beurteilung, ob evtl. das Knochenmark betroffen ist.
  • Fieber
    • Besonders bei Infektionen, Bindegewebserkrankungen und Malignomen im Frühstadium ist der Befund oft unspezifisch.
  • Abdominelle Palpation

Merkmale des/der Lymphknoten

  • Bewertung der Größe, der Konsistenz, des Schmerzgrads, der Mobilität und der Verteilung
    • Lymphknoten > 1 cm (Leiste > 1,5 cm, epitrochleare und evtl. auch supraklavikuläre Lymphnoten > 5 mm) bedürfen der weiteren Abklärung.2
    • Bei Kindern sind Lymphknoten bis 2 cm Durchmesser in den meisten Fällen reaktiver Genese und bedürfen in der Regel keiner weiteren Abklärung.2
    • Bei Erwachsenen können Lymphknoten > 1,5 cm zwar auch reaktiv – etwa bei einer Mononukleose – auftreten, das Risiko für eine maligne Ursache steigt aber bei großen Lymphknoten mit zunehmendem Alter an.2 
  • Konsistenz und Schmerzgrad
    • schmerzfrei, hart, unregelmäßig und fest fixiert an der Unterlage: Verdacht auf Metastasen
    • schmerzfrei, fest und gut abgegrenzt: Verdacht auf Systemerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankung
    • weiche und elastische Knoten: Verdacht auf frühere Infektion
    • schmerzhaft, weich und Rötung: Verdacht auf akute Lymphadenitis
  • Verschmolzen mit periglandulärem Ödem
    • Verdacht auf fortgeschrittene Lymphadenitis; auf Lymphknotenkonglomerate, Abszesse und Fisteln achten.
  • Lokalisierte Lymphknotenschwellung
    • Suche nach Läsion im Abflussgebiet
    • Supraklavikuläre Lymphadenopathie deutet auf Mali2gnität hin. Hier können Lymphnotenmetastasen aus Magen-Darm-Trakt, dem urogenitalen System und der Lunge erstmalig in Erscheinung treten.7
  • Generalisierte Lymphknotenschwellung
    • leicht vergrößert, fest: Verdacht auf generalisierte Lymphadenitis wie bei Mononukleose, evtl. HIV in der Akutphase

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2

Labor

  • Basislabor
  • Ggf. EiweißBSGCRP
  • Besonders bei sehr schnell voranschreitender Lymphknotenschwellung und Verdacht auf hochmalignen Tumor:
    • Harnsäure
    • Nierenfunktion
    • ggf. Immunelektrophorese und Paraproteindiagnostik
  • Bei Verdacht auf immunologische Erkrankung ggf. weitere immunologische Parameter, z. B.:
  • Bei Verdacht auf Infektionskrankheit ggf. mikrobiologische Untersuchungen, z. B. Serologie für EBVCMVHIV und Toxoplasmose, evtl. Hepatitis-Virus (HBVHCV), evtl. Intrakutantest auf Tuberkulose (Näheres s. Artikel zu den entsprechenden Erkrankungen)

Sonografie2

  • Geeignet, um Lokalisation und Größe der Lymphknoten im Verlauf zu erfassen.
  • Besonders geeignet für die Darstellung von:
    • retroperitonealen Lymphknoten
    • Zervikalen Lymphknoten: Erfahrene Untersucher können ggf. mithilfe des Power-Doppler reaktive von neoplastischen Lymphknotenschwellungen unterscheiden.
    • Leber
    • Milz.
  • Verkalkungen können auf Lymphknotentuberkulose hinweisen.

Bei Spezialist*innen

Bildgebung2

  • Röntgen-Thorax
    • zur Abklärung von Lymphknotenschwellungen grundsätzlich indiziert
    • Hinweise auf Lymphome im Mediastinum und Hilusbereich, sowie auf pulmonale Auffälligkeiten
  • CT 
    • Abdomen: bei schlechten Sichtverhältnissen in der Sonografie
    • Thorax: bei Hinweisen auf mediastinale Lymphknotenvergrößerungen
  • MRT
    • Bietet bei der Lymphknotendiagnostik – abgesehen von der fehlenden Strahlenbelastung – keinen Vorteil gegenüber der Computertomografie.2,8
  • Gastroskopie/ERC/ERCP
    • ggf. bei solitär vergrößerten links supraklavikulären Lymphknoten zum Ausschluss eines Malignoms im oberen Gastrointestinaltrakt
  • Bronchoskopie
    • bei V. a. Sarkoidose oder Metastasierung aus dem Thorax
  • HNO-Spiegelbefund
    • in der Regel zur Abklärung zervikaler Lymphknotenvergrößerungen notwendig

Exzisionsbiopsie2

  • Vergrößerte Lymphknoten mit ungeklärter Ursache, die länger als 4 Wochen bestehen2, sollten sonografisch assistiert2 biopsiert werden.

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Frühzeitig bei Verdacht auf Malignität. Dies gilt insbesondere bei Lymphomen, da frühe Non-Hodgkin-Lymphome im Stadium I geheilt werden können (manche auch im Stadium II): regionale Lymphknotenschwellung.
  • Jede Lymphknotenschwellung, die über 1 Monat2 besteht, sollte von Spezialist*innen untersucht werden, wenn keine eindeutige und harmlose Ursache der Schwellung bekannt ist.

Checkliste zur Überweisung

Geschwollene Lymphknoten

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Biopsie? Operation?
  • Anamnese
    • Beginn, Dauer, Entwicklung?
    • Symptome? Solitäre oder multiple Lymphknoten? Änderungen der Größe im Verlauf der Zeit, Unwohlsein?
    • Andere kürzliche oder chronische Erkrankungen, die relevant sind?
    • Regelmäßige Medikamente?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand?
    • Lokalisierung des/der vergrößerten Lymphknoten? Größe? Abgrenzung?
    • Hepatomegalie? Splenomegalie?
  • Ergänzende Untersuchungen

Empfehlungen

  • Vergrößerte Lymphknoten nach einer Infektion sind ungefährlich und bilden sich spontan zurück; kleine Knötchen können bestehen bleiben, dies ist jedoch normal.
  • Sollte die Schwellung nicht innerhalb von 4 Wochen abklingen, ist eine weitere Abklärung erforderlich.

Illustrationen

Mononukleose (reaktive Lymphozytose): 1 typische „Mononukleosezellen“ im Blutausstrich
Mononukleose (reaktive Lymphozytose): 1 typische „Mononukleosezellen“ im Blutausstrich

 Quellen

Literatur

  1. Gaddey HL, Riegel AM. Unexplained Lymphadenopathy: Evaluation and Differential Diagnosis. Am Fam Physician 2016; 94: 896-903. PMID: 27929264 PubMed
  2. Jung W, Trümper L. Differenzialdiagnose und -abklärung von Lymphknotenvergrößerungen. Internist 2008; 49:305–320. www.springermedizin.de
  3. Fijten GH, Blijham GH. Unexplained lymphadenopathy in family practice. An evaluation of the probability of malignant causes and the effectiveness of physicians' workup. J Fam Pract. 1988 Oct;27(4):373-6. PMID: 3049914 PubMed
  4. Allhiser JN, McKnight TA, Shank JC. Lymphadenopathy in a family practice. J Fam Pract. 1981 Jan;12(1):27-32.
  5. Habermann TM, Steensma DP. Lymphadenopathy. Mayo Clin Proc. 2000;75:723-732. PubMed
  6. Lymphknotenschwellung über einen Monat: immer invasive Diagnostik! Ärzte Zeitung 15.09.2009, Neu-Isenburg. www.aerztezeitung.de
  7. Chau I, Kelleher MT, Cunningham D, et al. Rapid access multidisciplinary lymph node diagnostic clinic: analysis of 550 patients. Br J Cancer. 2003;88:354-361. PubMed
  8. Brennan DD, Gleeson T, Coate LE et al. A comparison of whole-body MRI and CT for the staging of lymphoma. AJR Am J Roentgenol 2005; 185: 711–716. PMID: 16120924 PubMed

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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