Hypereosinophiles Syndrom

Das hypereosinophile Syndrom ist eine seltene Bluterkrankung, die zu Entzündungen und Schäden an verschiedenen Organen führt. Die Behandlung von Betroffenen erfolgt individuell, je nachdem, ob und welche spezielle genetische Veränderung die Ursache der Erkrankung ist.

Was ist das hypereosinophile Syndrom?

Definition

Das hypereosinophile Syndrom (HES) ist ein Oberbegriff für eine ganze Gruppe seltener Bluterkrankungen, bei denen es zu einer Überproduktion bestimmter weißer Blutkörperchen (der eosinophilen Granulozyten) kommt. Die erhöhte Anzahl der Granulozyten im Blut kann verschiedene Organe schwerwiegend schädigen.

Die eosinophilen Granulozyten (kurz auch Eosinophile) sind eine spezialisierte Form der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Sie sind Bestandteil des Immunsystems und insbesondere für die Bekämpfung von Parasiten und Würmern und bei Allergien von Bedeutung. Bei Menschen, die am hypereosinophilen Syndrom erkrankt sind, ist die Zahl der eosinophilen Granulozyten über einen längeren Zeitraum erhöht, ohne dass eine Infektion oder Allergie die Ursache ist.

Symptome

Zu Beginn der Erkrankung verursacht das hypereosinophile Syndrom keine Beschwerden. Wird es zu diesem Zeitpunkt diagnostiziert, handelt es sich um einen Zufallsbefund, der im Rahmen einer Blutuntersuchung aufgefallen ist. Später berichten die meisten Patient*innen von eher unspezifischen Symptomen wie stark ausgeprägter Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue), Schwäche, Muskelschmerzen, Hautausschlag, Fieber, Husten, Schnupfen oder Kurzatmigkeit und Atemnot (Dyspnoe).

Die Beschwerden können stark variieren und sind abhängig von den betroffenen Organen.

Herz

Bei 40–50 % der Patient*innen ist das Herz von der Erkrankung in Form einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) betroffen. Die Folge kann eine Herzschwäche sein, bei der es das Herz nicht mehr schafft, die benötigten Blutmengen durch den Kreislauf zu pumpen. Auch eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Herzmuskels (Myokardischämien) und Herzrhythmusstörungen können auftreten. Die Patient*innen selbst bemerken die Einschränkungen ihrer Herztätigkeit meist durch Kurzatmigkeit oder Atemnot, Brustschmerzen und Husten.

Die Herzbeteiligung ist eine wesentliche Ursache für Krankheit und Tod von Betroffenen mit hypereosinophilem Syndrom.

Nervensystem

Das hypereosinophile Syndrom kann sich auch auf das Nervensystem auswirken. In diesem Fall kann es zu Verschlüssen von Blutgefäßen im Gehirn (Thromboembolien), Erkrankungen mit Funktionsstörungen des Gehirns (Enzephalopathien) sowie Störungen im Nervensystem (periphere Neuropathien) kommen. Letzteres umfasst alle Nervenbahnen, die außerhalb des Gehirns oder Rückenmarks liegen.

Haut

Eine Beteiligung der Haut ist beim hypereosinophilen Syndrom häufig. Sie tritt bei knapp 70 % der Patient*innen auf. Typische Symptome sind in diesem Fall nesselfieberähnlicher Ausschlag und Schwellungen (Angioödem und Urtikaria) sowie rote Punkte und Knoten. Selten, aber möglich, ist auch eine Schädigung der Schleimhaut in Mund, Nase, Rachen, Speiseröhre und Magen sowie im Anal- und Genitalbereich.

Lunge

Etwa 44 % der Patient*innen entwickeln Lungensymptome. Dies zeigt sich in erster Linie durch einen anhaltenden Husten.

Augen

Plötzliches unscharfes Sehen ist ein Hinweis auf eine Beteiligung der Augen. Auslöser sind kleine Blutgerinnsel, die entweder durch das Blut mitgeführt werden (Mikroembolie) oder lokal auftreten (Thrombose).

Andere Organsysteme

Das hypereosinophile Syndrom kann auch Magen, Leber, Darm oder Gelenke betreffen. 

Ursachen

Bei den meisten Patient*innen (3/4 aller Fälle) wird keine Ursache für das hypereosinophile Syndrom gefunden (idiopatisches hypereosinophiles Syndrom).

In einigen Fällen lässt sich die Erkrankung auf eine Chromosomenveränderung mit Verschmelzung bestimmter Gene oder einen Fehler im Produktionssystem der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) zurückführen.

Häufigkeit

Das hypereosinophile Syndrom ist eine seltene Krankheit. Schätzungen zufolge sind 1–9 von 100.000 Menschen betroffen. Die meisten Patient*innen sind zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 20 und 50 Jahre alt, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen.

Untersuchungen

Das hypereosinophile Syndrom wird mithilfe einer Blutuntersuchung festgestellt. Dafür wird Ihnen in Ihrer Hausarztpraxis Blut abgenommen. Bestätigt sich der Verdacht, werden Sie weiter von Spezialist*innen für Hämatologie und Onkologie untersucht und behandelt. Hier erfolgt auch die genaue Abklärung, welche Organe beteiligt sind. In der Regel wird auch eine Knochenmarksuntersuchung durchgeführt, auch um die möglicherweise vorhandenen Genveränderungen festzustellen, die der Erkrankung zugrundeliegen können. 

Behandlung

Die Behandlung des hypereosinophilen Syndroms richtet sich nach der Schwere und der Ursache der Erkrankung. So ist es bei Patient*innen mit auffälligen Blutwerten ohne Beschwerden und ohne Organbeteiligung möglich, zunächst einmal abzuwarten und die Entwicklung des Blutbildes regelmäßig zu kontrollieren.

Wirkt sich das hypereosinophile Syndrom auf Organe aus, ist eine frühzeitige Behandlung wichtig.

Kortison

Wurde bei Ihnen ein idiopatisches hypereosinophiles Syndrom festgestellt, werden Sie mit Kortison behandelt, in der Regel mit Tabletten.

Bei einer Beteiligung des Magen-Darm-Systems kann es notwendig sein, dass Sie das Medikament intravenös erhalten. Sollten Sie auf die Kortisonbehandlung nicht ansprechen, kann ein anderes Medikament mit dem Wirkstoff Interferon-alpha eingesetzt werden. Da hier jedoch mit schwereren Nebenwirkungen (z. B. Depression, Schilddrüsenunterfunktion, Leberschäden) zu rechnen ist, wird es nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt.

Imatinib

Konnte bei Ihnen eine bestimmte Genveränderung (PDGFRA-Fusionsgen) nachgewiesen werden, erhalten Sie ein Medikament mit dem Wirkstoff Imatinib. Hierbei handelt es sich um einen sog. Tyrosinkinase-Hemmer, der normalerweise zur Behandlung bestimmter Leukämien eingesetzt wird.

Als Nebenwirkung können verschiedene Zelltypen im Blut absinken (Zytopenie), es kann eine Leberentzündung (Hepatitis) oder Durchfall (Diarrhö) auftreten. Zudem kann es zu Wassereinlagerungen und in seltenen Fällen zu einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) kommen.

Dennoch ist die Behandlung wichtig, da es bei vielen Patient*innen mit dieser Genveränderung zu einem schnellen Fortschreiten des hypereosinophilen Syndroms kommt.

Stammzelltransplantation

Bei anderen Genveränderungen (FGFR1-Fusionsgen, JAK2-Fusionsgen) erfolgt die Behandlung mit einer allgogenen Stammzelltransplantation. In diesem Fall erhalten die Patient*innen Stammzellen, die von anderen Personen gespendet wurden.

Weitere Therapien

Je nach Erkrankungskonstellation können Ihre Ärzt*innen weitere Medikamente oder eine Behandlung möglicher Organschädigungen in Erwägung ziehen. Dazu gehören z. B. eine Operation an den Herzklappen, die Entfernung von Blutgerinnseln (Thrombektomie) oder die Entfernung der Milz (Splenektomie).

Sollten Medikamente zum Einsatz kommen, die auch gesunde Zellen schädigen können, kann bei jüngeren Menschen eine Kryokonservierung von Spermien angeboten werden. Das Einfrieren der Samenzellen kann ermöglichen, einen evtl. späteren Kinderwunsch zu erfüllen.

Was können Sie selbst tun?

Halten Sie sich an die Therapieempfehlungen Ihrer Ärzt*innen und nehmen Sie empfohlene Kontrolluntersuchungen wahr.

Prognose

Die Prognose variiert für die verschiedenen Untertypen des hypereosinophilen Syndroms. Aufgrund der verbesserten therapeutischen Möglichkeiten hat sich die Prognose in den letzten Jahren deutlich verbessert. Das Risiko für bestimmte Leukämieformen und Lymphome ist erhöht.

Weitere Informationen

Autorin

  • Carina Steyer, Medizinjournalistin, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hypereosinophiles Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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