Porphyria cutanea tarda (PCT)

Zusammenfassung

  • Definition:Die Porphyria cutanea tarda (PCT) ist durch eine reduzierte Aktivität des an der Porphyrinsynthese beteiligten Enzyms Uroporphyrinogen-Decarboxylase (UROD) gekennzeichnet.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz liegt schätzungsweise bei 1/25.000.
  • Symptome:Blasenbildung an lichtexponierten Hautstellen (Hände, Unterarmstreckseiten, Gesicht, Nacken).
  • Befunde:Flüssigkeitsgefüllte Blasen, die platzen und zu Narben- und Milienbildung führen, ausschließlich an sonnenexponierten Hautstellen.
  • Diagnostik:Untersuchung auf Gesamtporphyrin und Porphyrinvorläufer (ALA, PBG) im Urin.
  • Therapie:Die Therapie erfolgt mit niedrig dosierten Chloroquin (125 mg 2 x pro Woche).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Unter Porphyrien versteht man eine heterogene Gruppe metabolischer Erkrankungen, die durch vorwiegend hereditäre, teilweise aber auch erworbene Funktionsstörungen der Häm-Biosynthese charakterisiert sind.1
    • Den verschiedenen Porphyrievarianten gemeinsam sind herabgesetzte katalytische Aktivitäten eines der beteiligten Enzyme und eine Akkumulation der Intermediärstoffwechselprodukte.
  • Bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) ist die Aktivität der Uroporphyrinogen-Decarboxylase (UROD) herabgesetzt.
  • Die daraus folgene Anhäufung von Uroporphyrinogen in Leber und Haut führt zu oxidativen Schädigungen in der Haut unter Sonnenlichteinfluss.
  • PCT ist die einzige Porphyrieform, die nicht ausschließlich monogen vererbt wird.

Häufigkeit

  • PCT ist weltweit betrachtet die häufigste aller Porphyrien.2
  • Die geschätzte Prävalenz beträgt regional unterschiedlich zwischen 1:5.000 und 1:25.000.

Ätiologie und Pathogenese

  • Porphyrien, Enzymdefekte
    Porphyrien, Enzymdefekte
    Bei einer Porphyria cutanea tarda (PCT) kommt es zu einer reduzierten Aktivität der Uroporphyrinogen-Decarboxylase (UROD) im Rahmen der Häm-Synthese.
  • Das Intermediärprodukt Uroporphyrinogen akkumuliert zunächst in der Leber und wird später in die Haut transportiert und dort abgelagert.
  • Dies führt zu einer Photosensibilität und daraus folgend oxidativen Schädigungen des umliegenden Gewebes.
  • Die Patient*innen entwickeln daher Symptome ausschließlich in lichtexponierten Bereichen des Körpers.
  • PCT lässt sich in zwei Typen unterscheiden:3
    1. sporadischer Typ
      • keine Mutationen betreffend das Enzym UROD, ca. 80 % der Fälle
      • Einsetzen der Symptome meistens in der Altersgruppe 35–50 Jahre
    2. familiärer Typ
      • UROD-Gendefekt, der zu einer um 50 % reduzierten UROD-Aktivität in allen Körperzellen führt.
      • Der Erbgang ist autosomal dominant mit einer klinisch niedrigen Penetranz.
      • Weitere Faktoren zur Auslösung klinischer Symptome sind nötig, da diese erst auftreten, wenn die Aktivität der UROD auf unter 20 % des Normalmaßes sinkt.4
      • Symptome setzen in früherem Alter ein als beim sporadischen Typ.
  • Bisweilen tritt gleichzeitig eine Hämochromatose auf.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • T99 Endo./metab./ernäh. Erkrank., andere

ICD-10

  • E80 Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoffwechsels
    • E80.1 Porphyria cutanea tarda (PCT)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Bullae oder Vesikel in sonnenexponierten Bereichen
  • Abheilungsnarben, Milienbildung, Hyperpigmentation
  • Keine neuroviszeralen Symptome
  • Erhöhte Ausscheidung von Porphyrinen im Urin, speziell die Fraktionen Uroporphyrin und Hepta-Porphyrin
  • Ob ein erblicher oder sporadischer Typ vorliegt, wird in der Regel mittels DNA-Analyse festgestellt.

Differenzialdiagnosen

  • Andere Porphyrieformen: Die hereditäre Koproporphyrie (HCP), die Porphyria variegata (PV) und die kongentitale erythropoetische Porphyrie (CER, Morbus Günther) können vergleichbare Hautsymptome auslösen. Bei diesen Varianten treten oft auch akute neuroviszerale Symptome auf.
  • Andere bullöse Hautleiden (z. B. Epidermiolysis bullosa)
  • Photodermatosen (z. B. polymorphe Lichtdermatose, Urticaria solaris)

Anamnese

  • Auftreten von Bullae oder Vesikeln auf lichtexponierter Haut
    Porphyria cutanea tarda, Gesicht
    Porphyria cutanea tarda, Gesicht
    • Die Hautveränderungen entwickeln sich langsam, und den Patient*innen ist der Zusammenhang zwischen Ausbruch und Lichtexposition evtl. nicht bewusst.
  • Verletzungsempfindliche Haut
    • Minimale Traumen führen zu oberflächlichen Erosionen mit Krustenbildung.
  • Narbenbildung und Pigmentveränderungen
  • Abklärung evtl. Risikofaktoren (Alkohol, Rauchen, Leberschädigungen, Hepatitis-C-/HIV-Infektionen)

Klinische Untersuchung

  • Bis zu mehrere Zentimeter große Bullae oder Vesikel auf lichtexponierter Haut
    Porphyria cutanea tarda, Hände
    Porphyria cutanea tarda, Hände
  • Serös oder angioserös gefüllt, nicht entzündet, bisweilen schmerzhaft, oft juckend5
  • Empfindliche Haut, Pigmentveränderungen, Narben an lichtexponierten Stellen (Hände, Unterarme, Gesicht, Nacken)
  • Oft verstärkte Behaarung und aktinische Veränderungen der Haut

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Indikationen zur Überweisung

  • Patient*innen können in der Hausarztpraxis untersucht und betreut werden; die meisten werden jedoch von Hautärzt*innen betreut.

Checkliste für Überweisung

Porphyrie

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Therapie?
  • Anamnese
    • Beginn und Dauer?
    • Bullae, Vesikel? Wundenbildung? Narben? Lokalisationen?
    • Beschwerden/Unwohlsein? Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität?
    • Familienanamnese?
    • Andere relevante Erkrankungen?
    • Regelmäßige Medikamente?
  • Klinische Untersuchung
    • Evt. Hautausschlag beschreiben. Pigmentveränderungen? Narben? Behaarung?
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziel

  • Symptomfreiheit

Allgemeines zur Therapie

  • Hydroxychloroquin in niedriger Dosierung (125 mg 2 x wöchentlich), fördert die Porphyrinausscheidung im Urin.
  • Bei hohem Ferritinspiegel und/oder Kontraindikationen gegen Chloroquin: Aderlasstherapie zur Reduzierung der Eisenspeicher
    • 450 ml wöchentlich oder alle 2 Wochen (individuell angepasste Intervalle), bis das Ferritin im unteren Normbereich liegt (20–30 µg/l [42–63 pmol/l]).
  • Bei einer klinischen Erkrankung ist bei potenziell hepatotoxischen Medikamenten Vorsicht geboten.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Sonnenschutz ist erforderlich, solange die Porphyrinausscheidung im Urin hoch ist.
    • Sonnencreme mit physikalischem Lichtfilter (enthält Zinkoxid oder Titandioxid)
    • Abdeckung durch Kleidung

Prävention

  • Vermeidung von:
    • Eisenzufuhr
    • Alkohol
    • Rauchen
    • Östrogeneinnahme.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Porphyrinausscheidung im Urin geht zurück.
  • Rückbildung der Hautsymptome im Verlauf von mehreren Monaten bis Jahren

Komplikationen

Prognose

  • Gut, sofern nicht gleichzeitig eine Lebererkrankung vorliegt.
  • Ein Rezidiv nach einigen Jahren ist möglich (Rezidivrate 5–17 %)6, jährliche Kontrolle empfohlen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

4173-2-porfyria-cutanea-tarda.jpg
Porphyria cutanea tarda, Hände
1449-2-porfyria-cutanea-tarda-ansikt.jpg
Porphyria cutanea tarda, Gesicht
Porphyrien, Enzymdefekte
Porphyrien, Enzymdefekte

Quellen

Literatur

  1. Gutiérrez PP, Wiederholt T, Bolsen K, et al. Diagnostik und Therapie der Porphyrien: Eine interdisziplinäre Herausforderung. Dtsch Arztebl 2004; 101(18): A-1250 / B-1030 / C-998. www.aerzteblatt.de
  2. Puy H, Gouya L, Deybach JC. Porphyrias. Lancet 2010; 375: 924-37. PubMed
  3. Aarsand AK, Boman H, Sandberg S. Familial and sporadic porphyria cutanea tarda: characterization and diagnostic strategies. Clin Chem 2009; 55: 795-803. PubMed
  4. Ashwani K. Singnal. Porphyria cutanea tarda: Recent update. Molecular genetics and metabolism 2019; 128: 271-281. doi.org
  5. Janice Andersen, Janne Thomsen, Åshild Rostad Enes, Sverre Sandberg & Aasne K. Aarsand . Health-related quality of life in porphyria cutanea tarda: a cross-sectional registry based study. Health and Quality of Life Outcomes 2020; 18: 84. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. H. Salameh, H.Saraihra, M. Rizwan, Y.-F. Kuo, K.E. Anderson, A.K.Singal. Relapse of porphyria cutanea tarda after treatment with phlebotomy or 4-aminoquinoline antimalarials: a meta-analysis. British Journal of Dermatology 2018; 179: 1351-1357. doi.org

Autor*innen

  • Dirk Wetzel, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, und Katja Sauer, Dr. med. vet., Kassel
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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