Zusammenfassung
- Definition:Die malignen Lymphome des Kindesalters lassen sich – grob unterteilt – der Gruppe der Hodgkin (HL) oder der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) zuordnen. Alle Lymphome betreffen das lymphatische System. V. a. bei den NHL gibt es eine Vielzahl von Subentitäten, deren gemeinsames Merkmal die maligne monoklonale Proliferation lymphatischer Zellen ist.
- Häufigkeit:Die jährliche Inzidenz von HL und NHL bei Kindern < 18 Jahre liegt bei jeweils ca. 0,6/100.000.
- Symptome:Häufig unspezifisch wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ggf. Fieber und Nachtschweiß.
- Befunde:Klinischer Befund ist häufig eine schmerzlose (zervikale) Lymphknotenschwellung.
- Diagnostik:Lymphomtypisierung und Risikostratifizierung durch Laboruntersuchungen, Histologie, Zytologie, Immunphänotypisierung, Zytogenetik, Molekulargenetik sowie bildgebende Verfahren im Rahmen des Stagings (Ultraschall, MRT, PET-CT).
- Therapie:An einem kinderonkologischen Zentrum, im Rahmen von Studien. Häufig multimodaler Therapieansatz. Unterschiedliche Chemotherapieprotokolle, je nach Lymphomentität. Zunehmender Einsatz neuer, zielgerichteter Substanzen, v. a. bei refraktären Verläufen oder im Rezidiv.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die im Kindesalter auftretenden malignen Lymphome lassen sich in die Gruppen der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) und der Hodgkin-Lymphome (HL) unterteilen.
NHL
- NHL sind eine Erkrankung des lymphatischen Systems.
- Gemeinsames Merkmal dieser heterogenen Gruppe ist die maligne monoklonale Proliferation lymphatischer Zellen.
- Zu den häufigsten Entitäten im Kindesalter gehören:1
- das Burkitt-Lymphom (40–50 %)
- B- und T-Zell-lymphoblastische Lymphome (20–25 %)
- das großzellig anaplastische Lymphom (10–15 %)
- das diffus-großzellige B-Zell-NHL sowie das primär mediastinale B-Zell-Lymphom (10 %)
- Allen diesen Entitäten gemeinsam ist, dass sie zu den hochmalignen Lymphomen gehören und somit ein aggressives, teils disseminiertes Wachstum und eine Tendenz zum Befall von Knochenmark und ZNS aufweisen.
HL
- HL betreffen ebenfalls das lymphatische System.
- Die Erkrankung kann lokal oder disseminiert verlaufen.
- Histologisch sind sie durch den Nachweis von Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen charakterisiert, umgeben von einem reaktiv-entzündlichen Begleitinfiltrat.2
- Der Anteil der Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen beträgt dabei häufig < 1 % des Gesamtinfiltrats.
- Die Tumorzellen sind monoklonal und haben ihren Ursprung in der B-Zell-Reihe.
Häufigkeit
- In etwa gleiche Verteilung von NHL und HL mit einem Anteil von jeweils 6 % aller malignen Erkrankungen im Kindesalter.
Inzidenz1-2
- Jährlich erkranken in Deutschland ca. 145 Kinder < 18 Jahre an einem NHL und ca. 150 Kinder < 18 Jahre an einem HL.
- Die jährliche Inzidenz liegt damit jeweils bei ca. 0,6/100.000.
- Bei den NHL liegt die Erkrankungsrate bei Jungen mit ca. 3:1 deutlich höher als bei Mädchen.
Ätiologie
- Angeborene oder erworbene Immundefekte erhöhen das Risiko für das Auftreten von HL und NHL.
- Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) werden mit einem erhöhten Risiko für HL assoziiert, bei NHL ist der Zusammenhang unklar.
- Zusammengefasst sowohl bei NHL als auch bei HL weitgehend unklare Ätiologie
Histologie
NHL
- Hier erfolgt keine vollständige Wiedergabe der komplexen Klassifikation maligner NHL.3
- Eine grobe Unterteilung erfolgt in B-Zell-, T-Zell- und NK-Zell-Lymphome sowie Grauzonen-Lymphome, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen und überlappende histologische Merkmale aufweisen.
- Weitere therapierelevante Unterteilungen sind die Untergruppen der
- lymphoblastischen Lymphome, ausgehend von unreifen B- und T- Vorläuferzellen und im Verhalten ähnlich einer akuten lymphatischen Leukämie
- reifen B-Zell-Lymphome wie diffus-großzellige-B-NHL oder primär mediastinale B-NHL
- großzellig anaplastischen Lymphome.
HL
- Unterscheidung zwischen dem klassische Hodgkin-Lymphom (cHL) und dem nodulär Lymphozyten-prädominante Hodgkin-Lymphom (NLPHL)
- Das cHL lässt sich folgenden Untergruppen zuordnen:4
- lymphozytenreicher Typ
- nodulär sklerosierender Typ
- Mischtyp
- lymphozytenarmer Typ
- Das cHL lässt sich folgenden Untergruppen zuordnen:4
Klassifikation und Stadieneinteilung
NHL – St.-Jude-Klassifikation
- Die nachfolgenden Absätze beziehen sich auf diese Referenz.1
- Stadium I
- eine einzelne nodale oder extranodale Tumormanifestation ohne lokale Ausbreitung, mit Ausnahme von mediastinalen, abdominalen und epiduralen Lokalisationen
- Stadium II
- mehrere nodale und/oder extranodale Manifestationen auf derselben Seite des Zwerchfells mit oder ohne lokale Ausbreitung
- nicht: mediastinale, epidurale oder ausgedehnte nicht-resektable abdominale Lokalisationen
- multilokaler Knochenbefall
- Stadium III
- Lokalisationen auf beiden Seiten des Zwerchfells, alle thorakalen Manifestationen (Mediastinum, Thymus, Pleura), alle ausgedehnten nicht-resektablen abdominalen Manifestationen, Epiduralbefall
- Stadium IV
- Befall des Knochenmarks (< 25 %) und/oder des ZNS
NHL – Internationales Pädiatrisches NHL-Staging-System (IPNHLSS)
- Die nachfolgenden Absätze beziehen sich auf diese Referenz.5
- Stadium I
- Ein einzelner Tumor, der sich nicht im Mediastinum oder Abdomen befindet (N; EN; B oder S: EN-B, EN-S).
- Stadium II
- ein extranodaler Tumor mit regionalem nodalem Befall – oder –
- zwei oder mehr nodale Manifestationen auf derselben Seite des Zwerchfells – oder –
- ein vollständig resektabler primär abdominell gastrointestinaler Tumor (üblicherweise ileocoecal lokalisiert) mit oder ohne einem lokalen mesenterialen Lymphknotenbefall (bei malignem Aszites oder Ausdehnung des Tumors bis an die benachbarten Organe sollte dies als Stadium III betrachtet werden)
- Stadium III
- zwei oder mehr extranodale Manifestationen (inkl. EN-B oder EN-S) oberhalb und/oder unterhalb des Zwerchfells – oder –
- zwei oder mehr nodale Manifestationen oberhalb und/oder unterhalb des Zwerchfells – oder –
- alle intrathorakalen Manifestationen (Mediastinum, Hilus, Lunge, Pleura, Thymus) – oder –
- abdominelle oder retroperitoneale Manifestationen, inkl. Lokalisation in Leber, Milz, Niere und/oder Ovar unabhängig vom Resektionsstatus (Ausnahme: ein vollständig resektabler primär abdominell gastrointestinaler Tumor [üblicherweise ileocoecal lokalisiert] mit oder ohne einem lokalen mesenterialen Lymphknotenbefall) – oder –
- alle paraspinalen oder epiduralen Manifestationen unabhängig von anderen Lokalisationen – oder –
- eine einzelne Knochenmanifestation mit begleitendem extranodalem Befall und/oder Befall von nichtregionalen Lymphknoten
- Stadium IV
- sämtliche zuvor genannten Manifestationen mit zusätzlichem Befall des ZNS (Stadium IV ZNS), des Knochenmarks (Stadium IV BM) oder von ZNS und Knochenmark (Stadium IV kombiniert) mit Diagnose basierend auf konventionellen Methoden
- B = Knochen; BM = Knochenmark; EN = extranodal; N = nodal; S = Haut
HL – Cotswold-Klassifikation und aktualisierte Ann-Arbor-Klassifikation
- Die nachfolgenden Absätze beziehen sich auf diese Referenzen.2,6
- Stadium I
- Befall einer einzelnen Lymphknotenregion (I) oder lokalisierter Befall eines einzelnen extralymphatischen Organs oder Bezirks (IE)
- Stadium II
- Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells (II) oder lokalisierter Befall eines einzelnen extralymphatischen Organs oder Bezirks und seines (seiner) regionären Lymphknoten mit oder ohne Befall anderer Lymphknotenregionen auf der gleichen Zwerchfellseite (IIE)
- Stadium III
- Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III), ggf. zusätzlich lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs oder Bezirks (IIIE) oder gleichzeitiger Befall der Milz (IIIS) oder gleichzeitiger Befall von beiden (IIIE+S)
- Stadium IV
- disseminierter (multifokaler) Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne gleichzeitigen Lymphknotenbefall; oder isolierter Befall eines extralymphatischen Organs mit Befall nichtregionärer Lymphknoten
- E-Läsion: Infiltration extralymphatischer Strukturen (z. B. Perikard, Pleura)
- Ergänzung um A-/B- Kategorien
- A: kein Vorliegen definierter Allgemeinsymptome
- B: Vorliegen definierter Allgemeinsymptome
- unerklärlicher Gewichtsverlust von mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten – und/oder –
- unerklärtes persistierendes oder rekurrierendes Fieber mit Temperaturen über 38 °C – und/oder –
- starker Nachtschweiß
ICPC-2
- B72 Morbus Hodgkin /Hodgkin-Lymphom
- B74 Andere maligne Tumore
ICD-10
- C81 Morbus Hodgkin
- C81.0 Morbus Hodgkin, lymphozytenreicher Typ
- C81.1 Morbus Hodgkin, noduläre Sklerose
- C81.2 Morbus Hodgkin, gemischter Zelltyp
- C81.3 Morbus Hodgkin, lymphozytenarmer Typ
- C82 Follikuläres Lymphom
- C82.7 Andere Typen des Follikulären Lymphoms
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Histologische Diagnosesicherung und Risikostratifizierung, um eine optimale Therapieplanung vornehmen zu können.
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust
- Ggf. starkes nächtliches Schwitzen
- Fieber ohne erklärbare Ursache
Klinische Untersuchung
- Schmerzlose Lymphknotenschwellung, häufig zervikal
- Bauchschmerzen oder Ileus-Symptomatik bei abdominellem Befall
- Husten, Stridor, Halsvenenstauung bei mediastinalem Befall
- Hirnnervenausfälle und Kopfschmerzen bei zerebralem Befall
- Querschnittsymptomatik bei epiduralem Befall
- Cave: Notfallsituationen bei Erstdiagnose!
- Tracheakompression
- Pleura-/Perikardergüsse
- obere Einflussstauung
- Paraplegie
- Nierenversagen mit Hyperkaliämie
- Zytokin-Release-Syndrom
Mögliche Laboruntersuchungen in der Hausarztpraxis
- Blutentnahme: Differenzialblutbild, Leberwerte (GOT, GPT, Bilirubin), Kreatinin, Harnsäure, LDH, CRP, BSG
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bei Ergüssen oder ausgeprägtem Knochenmarkbefall (> 20 % Lymphomzellen)
- zytologische Untersuchung von Erguss- oder Knochenmarkspunktat
- weitere Typisierung durch Immunphänotypisierung, Zytogenetik und Molekulargenetik
- Bei befallenen Lymphknoten
- histologische Untersuchung von Gewebebiopsaten
- möglichst kompletter Lymphknoten
- Feinnadelaspirationen oder Stanzbiopsien sind nicht ausreichend.
- weitere Typisierung und Einordnung durch Immunphänotypisierung, Zytogenetik und Molekukargenetik
- histologische Untersuchung von Gewebebiopsaten
Untersuchungen bei Vorliegen eines NHLs
Laboruntersuchungen1
- Allgemeine Diagnostik
- u. a. Blutbild, Differenzialblutbild, Retikulozyten
- Knochenmarksdiagnostik (s. o.) ggf. ergänzt durch Knochenmarkshistologie
- Liquordiagnostik (Zellzahl und Zytologie)
- je nach Entität Diagnostik bzgl. minimal disseminierter Erkrankung
- Diagnostik zur Einschätzung/Überwachung potenzieller Therapierisiken
- Blutgruppe (ggf. Transfusionsbedarf unter Therapie)
- Blutgerinnung
- Serumelektrolyte (wichtig: Phosphat und Kalzium), Nierenretentionsparameter und Harnsäure, LDH
- Einschätzung des Risikos einer möglichen Tumorlyse
- Leberenzyme
- Immunglobuline
- serologischer Status (Hepatitis A, B, C, HIV, CMV, EBV, HSV, VZV) und Toxoplasmose
- Impfstatus
- endokrinologischer Status und Schwangerschaftstest
- Einleitung fetilitätserhaltender Maßnahmen vor Beginn der zytostatischen Therapie
Bildgebende Diagnostik1
- Allgemeine Untersuchungen
- Sonografie (Lymphknotenregionen, Abdomen, Mediastinum, Thorax, Hoden)
- Röntgen-Thorax in 2 Ebenen
- EKG, Echo
- EEG
- ggf. MRT oder PET-CT
- Spezielle Untersuchungen
- MRT von Kopf und ggf. Wirbelsäule bei möglichem zerebralem Befall oder neurologischen Symptomen
- CT-Thorax oder MRT mit KM bei mediastinalem Befall
- CT-Thorax bei pulmonalem Befall
- MRT oder CT mit KM bei abdominellem Befall
Untersuchungen bei Vorliegen eines HLs
Laboruntersuchungen2
- Im Wesentlichen wie bei NHL
Bildgebende Diagnostik2
- Sonografie (Lymphknotenregionen, Abdomen, Mediastinum)
- Ggf. Röntgen-Thorax
- EKG, Echo
- Lungenfunktion
- Ggf. EEG
- PET-CT8 oder PET-MRT
- wesentlich für Staging und zur Beurteilung des Therapieansprechens
- MRT von Hals, Thorax, Abdomen und Becken
Indikationen zur Überweisung
- Bei anhaltenden und/oder progredienten Lymphknotenschwellungen nach Ausschluss lokaler/systemischer Infektionen und ggf. antibiotischer Therapie
- Bei anhaltender Müdigkeit, Abgeschlagenheit ohne erkennbare Genese und/oder Auffälligkeiten im Labor (z. B. Anämie, Thrombozytenabfall, deutlich erhöhte LDH, Verschlechterung der Nierenfunktionsparameter oder erhöhte Leberwerte)
- Bei Symptomen durch Kompression von Organen, z. B. durch Lymphombulks mediastinal oder abdominell
- Dyspnoe
- obere Einflussstauung
- Ileus
- Nierenversagen
Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Therapie in kurativer Intention – an einem kinderonkologischen Zentrum und im Rahmen von Studienprotokollen – mit dem Ziel der Heilung und der Minimierung möglicher therapieassoziierter Spätfolgen (Sekundärmalignome, Sterilität, Endorganschäden)
- Sowohl HL als auch NHL sind Chemotherapie-sensibel.
- Beim HL wird die Chemotherapie mit einer niedrig dosierten Bestrahlung der betroffenen Areale kombiniert.
Therapie NHL
Chemotherapie1
- Je nach Entität unterschiedliche Therapiestrategien
- Lymphoblastische Lymphome werden analog zu ALL-Therapieprotokollen behandelt.
- Reife B-Zell-Lymphome sprechen am besten auf wiederholte, sehr kurze und intensive Therapiezyklen an.
- Eingesetzte Zytostatika sind: Cyclophosphamid, Ifosfamid, Methotrexat, Cytosin-Arabinosid, Doxorubicin, Vincristin und Etoposid.
- zusätzlich Kortikosteroide
- zusätzlich ZNS-Prophylaxe zur Vermeidung von ZNS-Rezidiven mit sehr schlechter Prognose
- Großzellig-anaplastische Lymphome werden analog zu den B-Zell-Lymphomen mit kurzen, wiederholten, intensiven Therapieregimen behandelt.
Chirurgische Therapie1
- Abhängig von der Entität kann eine vollständige Entfernung kleiner lokalisierter Lymphome zu einem exzellenten Outcome führen.
- Ergänzt wird die chirurgische Therapie durch eine kurze Chemotherapie.
Strahlentherapie1
- In modernen Therapieprotokollen kaum noch einen Stellenwert in der Primärtherapie
- keine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens bei erhöhter Therapietoxizität
- Einsatz im Progress und bei Rezidiven
ZNS-Prophylaxe9-10
- Lymphoblastische Lymphome
- Patient*innen ohne initialen ZNS-Befall
- hochdosierte systemische MTX-Therapie und intrathekale Therapie mit MTX als Prophylaxe
- Eine prophylaktische Schädelbestrahlung wird nicht empfohlen.
- Patient*innen mit ZNS-Befall
- hochdosierte systemische MTX-Therapie, intensivierte intrathekale Therapie und Schädelbestrahlung (ab dem 2. Lebensjahr)
- Patient*innen ohne initialen ZNS-Befall
- Reife B-Zell-Lymphome
- Patient*innen ohne initialen ZNS-Befall
- systemische MTX-Therapie und intrathekale Prophylaxe
- keine Schädelbestrahlung
- Patient*innen mit ZNS-Befall
- deutlich schlechtere Prognose
- Aus Studien ergibt sich kein Benefit durch eine zusätzliche Schädelbestrahlung.
- Anwendung einer intrathekalen Dreifach-Therapie innerhalb von Studienprotokollen
- Patient*innen ohne initialen ZNS-Befall
- Großzellig anaplastische Lymphome
- geringe Tendenz zu ZNS-Befall
- keine prophylaktische Schädelbestrahlung erforderlich
- Keine intrathekale Therapie erforderlich, wenn eine systemische Therapie mit hochdosiertem MTX erfolgt.
- geringe Tendenz zu ZNS-Befall
Allogene Stammzelltransplantation11
- Therapeutische Option für:
- Patient*innen mit lymphoblastischem Lymphom
- ohne Ansprechen auf konventionelle Chemotherapie
- mit Rezidiv in zweiter Remission
- Patient*innen mit B-Zell-Lymphom
- mit Rezidiv in zweiter Remission
- Patient*innen mit großzellig anaplastischem Lymphom
- mit Rezidiv
- Patient*innen mit lymphoblastischem Lymphom
Therapie HL
Chemotherapie2
- Therapieoptimierungsstudien zur Minimierung therapieassoziierter Spätfolgen wie Zweitmalignome, Endorganschäden oder Sterilität
- Aktuell verwendete Zytostatika sind u. a. Vincristin, Dacarbazin, Etoposid, Adriamycin in Kombination mit Prednison.
- Stadienabhängig werden lokale Stadien mit zwei Zyklen behandelt, intermediäre Stadien erhalten vier Therapiezyklen und fortgeschrittene Stadien sechs Zyklen.
- Therapieansprechen und Fortführung werden nach zwei Zyklen mittels PET-CT beurteilt.
Strahlentherapie
- Auch hier erfolgte im Rahmen mehrerer teils europaweiter Studien eine Anpassung von Bestrahlungsdosis und Bestrahlungsfeld mit dem Ziel einer Therapieoptimierung bei größtmöglicher Schonung von Risikoorganen (z. B. Herz, Lunge, Nieren, Gonaden).12
- Innerhalb von Studien wurde bei einer kompletten Remission im PET-CT auf eine Bestrahlung verzichtet.
- Goldstandard ist eine Radiotherapie in 3D-Technik.
- Abhängig vom Befallsmuster erfolgt sie als:
- konformale Therapie
- intensitätsmodulierte (IMRT)
- volumenmodulierte (VMRT) Bestrahlung
- Abhängig vom Befallsmuster erfolgt sie als:
Autologe Stammzelltransplantation
- Im Rezidiv13-14
- Ziel ist das Erreichen einer erneuten Remission durch eine „Salvage-Therapie“.
- Nach Regeneration und gezielter Stimulation der Vorläuferzellen werden den Patient*innen körpereigene (autologe) Stammzellen entnommen und nach einer Hochdosischemotherapie refundiert.
- Dieses Vorgehen ermöglicht den Einsatz intensiverer und somit stark myelotoxischer Chemotherapieregime, da eine Regeneration des Knochemarks durch die zuvor gewonnenen Stammzellen erfolgt.
Neuere therapeutische Substanzen
- Rituximab15-16
- CD20-Antikörper
- Brentuximab Vedotin17-18
- Antikörper-Wirkstoff-Konjugat
- Spezifische Bindung an CD30 auf der Zelloberfläche und Freisetzung eines Zellgiftes, das von der Tumorzelle aufgenommen wird.
- Antikörper-Wirkstoff-Konjugat
- HDAC2 (Histon-Deacetylase)-Inhibitoren
- Beeinflussung des Zellzyklus durch die Hemmung von Histon-Deacetylasen
- mTOR-Inhibitoren19
- Hemmung des mTOR abhängigen Signalwegs in der Zelle
- Beeinflussung von Protein-Synthese und Translation
- immunsuppressiver Effekt durch Beeinflussung der Interleukin-2- abhängigen Proliferation von T-Zellen
- Checkpoint-Inhibitoren20
- Antikörper gegen Oberflächenproteine, die zu einer Maskierung der Tumorzellen führen.
- CAR-T-Zellen2 (chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zellen)
- Genetisch veränderte, körpereigene T-Zellen der Patient*innen, denen mithilfe eines viralen Vektors ein neuer Antigenrezeptor eingeschleust wird. Dieser neue Antigenrezeptor richtet sich spezifisch gegen die Krebszellen der Betroffenen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
NHL
- Deutlich schlechtere Heilungsrate im Rezidiv, abhängig von der Lymphomentität
- Rezidivrate insgesamt niedrig, deswegen limitierte Daten
- Re-Induktionstherapie u. a. mit Antikörpern, ALK-Inhibitoren oder Brentuximab-Vedotin gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation als möglicher kurativer Ansatz21
HL
- Sehr hohe Heilungsrate, auch im Rezidiv
- Der Schwerpunkt der Verlaufskontrollen liegt neben dem Erkennen eines Rezidivs auf der Minimierung therapieassoziierter Langzeitfolgen.22
- Auch in den aktuell laufenden Studien fällt der Therapieoptimierung hinsichtlich der Langzeitfolgen ein hoher Stellenwert zu.
Komplikationen
Therapieassoziierte akute Komplikationen
- Ausgeprägte Knochenmarksupression
- erhöhtes Risiko für schwere Infektionen bis hin zur Sepsis
- erhöhte Blutungsneigung durch Thrombozytopenie
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit durch Anämie
- Hohe Mukosatoxizität, vor allem oral und gastrointestinal
- Gefahr eines Tumorlyse-Syndroms unter Therapiebeginn bei hoher Tumorlast
Therapieassoziierte Spätfolgen
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
- z. B. Anthrazyklin-induzierte Kardiomyopathie
- Lungenfibrose nach Bleomycin-haltigen Therapieregimen
- Bleomycin verschwindet zunehmend aus den aktuellen Therapieregimen und wird durch andere Substanzen ersetzt.
- Infertilität
- Sekundärmalignome
Prognose
NHL1
- Prognose abhängig von der Lymphomentität
- Im Rezidiv ungünstige Prognose, insbesondere bei reifen B-NHL und lymphoblastischen T-NHL21,23
- häufig Frührezidive oder Progress unter Ersttherapie
- Rezidivrate bei reifen B-NHL 4–10 %
- Rezidivrate bei lymphoblastischen Lymphomen 10–15 %
HL2
- Sehr gute Langzeitüberlebensraten
- Das 5-Jahres-Gesamtüberleben aller Krankheitsstadien liegt bei ca. 95 %.
- Auch im Rezidiv können langanhaltende Remissionsraten oder Heilungen erzielt werden.
- Ca. 10 % der Kinder mit HL erleiden ein Rezidiv.
- Frührezidive (< 1 Jahr nach Erstdiagnose) und refraktäre Erkrankungen haben eine ungünstigere Prognose als ein Rezidiv, das nach > 1 Jahr auftritt.
- 10-Jahres-Gesamtüberleben bei Frührezidiv: ca. 75 %
- 10-Jahres-Gesamtüberleben bei refraktärer Erkrankung: ca. 50 %
- 10-Jahres-Gesamtüberleben bei Spätrezidiv: > 90 %
- Frührezidive (< 1 Jahr nach Erstdiagnose) und refraktäre Erkrankungen haben eine ungünstigere Prognose als ein Rezidiv, das nach > 1 Jahr auftritt.
- Der zunehmende Einsatz neuerer therapeutischer Substanzen wie Antikörper, Checkpoint-Inhibitoren und CAR-T-Zellen zeigt in aktuellen Studien bessere Ansprechraten und ein verlängertes Gesamtüberleben bei Patient*innen mit refraktärer oder rezidivierter Erkrankung.
Verlaufskontrollen
NHL1
- Im ersten Jahr monatlich
- Im zweiten Jahr alle 2 Monate
- Im dritten Jahr alle 4 Monate
- im 4. und 5. Jahr halbjährliche Kontrollen
- Nach dem 5. Jahr jährliche Kontrollen
- klinische Untersuchung, Blutbild, sonografische Kontrolle des Lokalbefundes
- Echo jährlich
HL2
- Initial alle 3 Monate, im Verlauf halbjährlich bis jährlich
- Kontrolle hinsichtlich des Auftretens von Rezidiven und therapieassoziierten Spätfolgen
- Laborchemische, sonografische und ggf. bildgebende Diagnostik
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Weitere Informationen
- Informationsportal Kinderkrebsinfo
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.
Quellen
Leitlinien
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. S1-Leitlinie Hodgkin-Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-012, Stand 2018. register.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. S1-Leitlinie Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-013, Stand 2023. register.awmf.org
Literatur
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. S1-Leitlinie Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025-013, Stand 2023. register.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. S1-Leitlinie Hodgkin-Lymphom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-012, Stand 2018. register.awmf.org
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Autor*innen
- Kristin Haavisto, Dr. med, Fachärztin für Innere Medizin und Hämato-/Onkologie, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).