Zusammenfassung
- Definition:Maligne Erkrankung des lymphatischen Systems, die malignen Zellen stammen vorwiegend von B-Lymphozyten ab. Typischer histologischer Befund sind Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen umgeben von reaktiven Zellen.
- Häufigkeit:Jährliche Inzidenz 2–3/100.000 Einw. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 30. sowie über dem 55. Lebensjahr.
- Symptome:In erster Linie nichtschmerzhafte Lymphknotenschwellung, v. a. zervikal und axillär. Leistungsschwäche, evtl. Juckreiz. B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust). Dyspnoe, Husten, thorakaler Druck bei Mediastinaltumor. Bauchbeschwerden bei abdominellem Befall.
- Befunde:Vergrößerte Lymphknoten, abdomineller Druckschmerz, Hepatosplenomegalie.
- Diagnostik:Lymphknotenbiopsie und -histologie sind entscheidend für die Diagnose. Staging mit Rö-Thorax, CT mit Kontrastmittel, PET/CT.
- Therapie:Im Allgemeinen mit kombinierter Chemo- und Strahlentherapie in kurativer Absicht.
Allgemeine Informationen
Definition
- Maligne Erkrankung des lymphatischen Systems1
- Tumorzellen überwiegend aus B-Lymphozyten ableitbar1
- Charakteristikum: geringe Zahl typischer Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen (HRS-Zellen) umgeben von zahlreichen reaktiven Zellen (Bystander Cells)1
- Nachweis der HRS-Zellen grenzt das Hodgkin-Lymphom von der großen Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome ab.2
Häufigkeit
- Insgesamt eher selten, ca. 0,4 % aller Krebsneuerkrankungen3
- aber häufigste Neoplasie bei jungen Erwachsenen4
- Inzidenz
- Altersverteilung
- Geschlechtsverteilung
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ätiologie des Hodgkin-Lymphoms ist nicht definitiv geklärt.
- Eine Reihe von möglichen Ursachen wird diskutiert:
- Infektion mit Epstein-Barr-Virus
- Es besteht eine signifikante Beziehung zwischen EBV-Infektion und Hodkin-Lymphom7-8
- Nachweis bei ca. 20–40 % der Patient*innen mit Hodgkin-Lymphom2
- Die Beziehung besteht bei den verschiedenen Formen des klassischen Hodkin-Lymphoms (95 % der Fälle) in unterschiedlicher Ausprägung, zum nodulären Lymphozyten-prädominanten Hodgkin-Lymphom (5 % der Fälle) besteht hingegen keine Assoziation.9
- Autoimmunerkrankungen, chronisch-entzündliche Erkrankungen2
- immunsuppressive Therapie (Autoimmunerkrankungen, St. n. Organtransplantation)10
- HIV-Infektion10
- Korrelation mit dem sozialen Status (häufiger bei höherem sozialen Status)10
- genetische Faktoren11
- Etwa 1 % der Fälle tritt familiär gehäuft auf.
- Geschwister von Erkrankten haben ein 3- bis 7-fach erhöhtes Risiko.
- Infektion mit Epstein-Barr-Virus
- Im Gegensatz zu anderen Lymphomen machen die eigentlichen neoplastischen HRS-Zellen weniger als 10 % der Tumormasse aus.12
- Quantitativ dominierend ist ein Immunzellinfiltrat aus T-Lymphozyten, B-Zellen, eosinophilen sowie neutrophilen Granulozyten, Makrophagen, Mastzellen, Plasmazellen und Stromazellen.13
- Histologische und klinische Bilder sind Ausdruck einer durch Zytokine und Chemokine vermittelten Reaktion zwischen HRS-Zellen und reaktiven Immunzellen.13-15
- Primärlokalisation am häufigsten zervikal (60–80 %), mediastinal und inguinal1
- Ausbreitung lymphogen, hämatogen oder per continuitatem in extralymphatische Organe1
Histologische Klassifikation
- Histologische Klassifikation des Hodgkin-Lymphoms nach WHO2
- noduläres lymphozyten-prädominantes Hodgkin-Lymphom (NLPHL), ca. 5 %
- klassisches Hodgkin-Lymphom (cHL) mit 4 Subgruppen, ca. 95 %
- nodulär-sklerosierender Typ (NS), 65 %
- gemischtzelliger Typ (MC), 25 %
- lymphozytenreicher Typ (LR), 4 %
- lymphozytenarmer Typ (LD), 1 %.
ICPC-2
- B72 Morbus Hodgkin /-Lymphom
ICD-10
- C81 Hodgkin-Lymphom
- C81.0 Hodgkin-Lymphom, lymphozytenreicher Typ
- C81.1 Hodgkin-Lymphom, noduläre Sklerose
- C81.2 Hodgkin-Lymphom, gemischter Zelltyp
- C81.3 Hodgkin-Lymphom, lymphozytenarmer Typ
- C81.7 Andere Typen von Hodgkin-Lymphom
- C81.9 Hodgkin-Lymphom, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Differenzialdiagnosen
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
- Entzündliche Lymphknotenschwellung (Mononukleose, Toxoplasmose, HIV u. a.)
- Non-Hodgkin-Lymphom
- Sarkoidose
- Lymphknotenmetastasen
Anamnese
- Primärmanifestation häufig (70 %) durch schmerzlose Lymphknotenschwellung16
- Lokalisation
- zervikal ca. 70 %
- axillär ca. 30 %
- inguinal ca. 10 %
- Konsistenz
- derb, gummiartig
- Größe
- > 1,5 cm gilt als suspekt.
- Lokalisation
- B-Symptomatik (ca. 40 % der Patient*innen)16
- Nachtschweiß (Wechsel der Wäsche)
- Fieber >38 °C (manchmal als undulierendes Fieber = Pel-Ebstein-Fieber)
- Gewichtsverlust > 10 % innerhalb von 6 Monaten
- Unspezifische Allgemeinsymptome16
- Leistungsschwäche
- Juckreiz
- Lymphknotenschmerz nach Alkoholgenuss (selten, aber typisch)
- Weitere mögliche Symptome16
- bei mediastinalem Befall
- Husten
- Atemnot
- thorakales Druckgefühl
- obere Einflussstauung (siehe auch Onkologische Notfälle)
- bei abdominellem/retroperitonealem Befall
- Schmerzen
- Cholestase
- Harnstau
- Skelettschmerzen
- evtl. neurologische Symptome oder Symptome endokriner Störungen
- bei mediastinalem Befall
Beurteilung des Allgemeinzustands mit Aktivitätsindex nach WHO
- Im Rahmen der Anamnese soll der Allgemeinzustand mittels Aktivitätsindex nach WHO dokumentiert werden:16
- Grad 0
- normale Aktivität, asymptomatisch
- Grad 1
- leichte Arbeit möglich, symptomatisch
- Grad 2
- Selbstversorgung möglich, < 50 % der Tageszeit bettlägerig
- Grad 3
- begrenzte Selbstversorgung möglich, > 50 % der Tageszeit im Bett/Sessel
- Grad 4
- voll pflegebedürftig.
- Grad 0
Klinische Untersuchung
- Die körperliche Untersuchung umfasst vor allem periphere Lymphknoten, Milz, Leber und Abdominalbereich.16
- Dominierende klinische Befunde sind ein oder mehrere vergrößerte periphere Lymphknoten.16
- zervikal ca. 70 %, axillär ca. 30 %, inguinal ca. 10 %
- (Außerdem sind in 60 % der Fälle mediastinale und in 25 % der Fälle retroperitoneale Lymphknoten betroffen.)
- abdomineller Druckschmerz
- Hepatomegalie
- Splenomegalie
- Dominierende klinische Befunde sind ein oder mehrere vergrößerte periphere Lymphknoten.16
- Weitere mögliche Befunde16
- Anämie, Blutungszeichen (bei Knochenmarksbefall)
- obere Einflussstauung (bei starkem mediastinalem Befall)
- je nach Organbefall auch neurologische Ausfälle, Zeichen endokriner Störungen
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG
- Vor Therapieeinleitung: Beurteilung der Therapierbarkeit, auch als Ausgangsbefund zur Beurteilung späterer therapiebedingter Toxizitäten16
Lungenfunktion
- Vor Therapieeinleitung: Beurteilung der Therapierbarkeit, auch als Ausgangsbefund zur Beurteilung späterer therapiebedingter Toxizitäten16
Labor
- Es gibt keinen für Hodgkin-Lymphom spezifischen Laborparameter.1
- Bestimmt werden sollten:16
- BSG
- Differenzialblutbild
- LDH, GOT, GPT, Gamma-GT, Bilirubin, AP, Kreatinin, Harnsäure, Kreatinin, TSH
- HIV, Hepatitis B, Hepatitis C
- bei Frauen Beta-hCG-Test
Röntgenthorax16
- P. a. und seitlich
- Ggf. Nachweis eines großen Mediastinaltumors
- Baseline-Untersuchung zur späteren Beurteilung der Toxizität
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Untersuchungen bei Spezialist*innen erforderlich für:
- Sicherung der Diagnose (Histologie aus Lymphknoten oder extranodalem Organ)
- initiales Staging (ergänzend zum Rö-Thorax)
- CT
- PET/CT
- Therapievorbereitung
- Echokardiografie
- Gonadenfunktion (ggf. Fertilitätsberatung)
Biopsie und Histologie
- Lymphknoten bzw. primär befallenes extranodales Organ
- Knochenmarkspunktion
- nur noch im Falle eines unklaren PET-/CT-Befunds empfohlen16
Bildgebung im Rahmen des Stagings
- Computertomografie (CT)
- Untersuchung durch CT mit Kontrastmittel (kann im Rahmen der Ganzkörper-PET/-CT als eine Untersuchung durchgeführt werden):16Hals, Thorax, Abdomen
- Verdächtig sind (insbesondere wenn kugelig, ohne Fetthilus, mit zentraler Nekrose):16
- Lymphknoten > 10 mm in der Kurzachse
- inguinale Lymphknoten > 15 mm
- Ganzkörper-PET/-CT (18-FDG)
- starke 18F-FDG-Aufnahme beim Hodkin-Lymphom17
- verbessertes Staging im Vergleich zur alleinigen CT16
- PET/CT führt im Vergleich zum CT in 10–30 % der Fälle zu einer Änderung des Stadiums, meistens Upstaging.18
- Optimierung der Knochenmarksdiagnostik (Durchführung erübrigt im Allgemeinen eine Knochenmarkspunktion)16
- negativ-prädiktiver Wert 99 %1
- Obwohl der Einsatz wissenschaftlich unstrittig ist, erfolgt die Kostenübernahme durch die GKV nur im Einzelfall auf Antrag.16
- Magnetresonanztomografie (MRT)
- Sonografie
- Kann bei Bedarf ergänzend eingesetzt werden.
- Bei Verdacht auf extranodalen Befall oder Organbefall, der in der CT und PET/CT nicht zu sichern ist.16
- Szintigrafie
- seit der Einführung des PET/CT kaum noch von Bedeutung
Echokardiografie
- Vor Therapieeinleitung: Beurteilung der Therapierbarkeit, auch als Ausgangsbefund zur Beurteilung späterer therapiebedingter Toxizitäten16
Gonadenfunktion
- Frauen: Dokumentation der Zyklusanamnese, FSH, LH, Anti-Müller-Hormon16
- Männer: Spermiogramm bei nicht abgeschlossener Familienplanung, FSH, LH, Testosteron, Inhibin B16
Psychoonkologische Diagnostik
- Der Bedarf nach psychoonkologischer Beratung sollte geklärt und ggf. niedrigschwellig ein psychoonkologisches Gespräch angeboten werden16
Stadieneinteilung nach der modifizierten Ann-Arbor-Klassifikation
- Stadium I: Befall einer Lymphknotenregion oder ein einziger lokalisierter Befall außerhalb des lymphatischen Systems
- Stadium II: Befall von 2 oder mehr Lymphknotenregionen auf derselben Seite des Zwerchfells oder lokalisierter Befall außerhalb des lymphatischen Systems und von Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells
- Stadium III: Befall von 2 oder mehr Lymphknotenregionen bzw. von Organen außerhalb des lymphatischen Systems auf beiden Seiten des Zwerchfells
- Stadium IV: nicht lokalisierter, diffuser oder disseminierter Befall einer oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von lymphatischem Gewebe
- Jedes Stadium wird um Zusatz A oder B ergänzt.
- Zusatz A: kein Vorliegen von B-Symptomen
- Zusatz B: Vorliegen von B-Symptomen
- Fieber > 38 Grad u./o.
- Nachtschweiß u./o.
- Gewichtsverlust > 10 % innerhalb von 6 Monaten
Erfassung von Risikofaktoren
- Neben der Stadieneinteilung werden für die Therapieentscheidung Risikofaktoren berücksichtigt:16
- 3 oder mehr Lymphknotenareale betroffen
- großer Mediastinaltumor (≥ 1/3 des maximalen Thoraxquerdurchmessers im konventionellen Rö-Thorax oder CT)
- extranodaler Befall
- BSG
- > 50 mm/h ohne B-Symptome
- > 30 mm/h bei B-Symptomen.
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Bei Verdacht auf Hodgkin-Lymphom Überweisung zu Spezialist*innen
- Krankenhauseinweisung bei Symptomen onkologischer Notfälle (z. B. Einflussstauung)
Leitlinie: Diagnostik bei Hodgkin-Lymphom16
- Jede ungeklärte Lymphknotenschwellung, die länger als 4 Wochen persistiert oder die eindeutige Progredienz zeigt, soll durch Biopsie und histologische Untersuchung abgeklärt werden.
- Die histologische Diagnose soll an der Biopsie eines ganzen Lymphknotens oder eines anderen primär befallenen Organs gestellt werden.
- Nach histologischer Diagnosesicherung sollen die Ausbreitungsdiagnostik und die Organfunktionsdiagnostik sowie evtl. fertilitätserhaltende Maßnahmen innerhalb von 4 Wochen abgeschlossen sein.
- Die Diagnostikuntersuchungen sollen umfassen:
- Anamnese
- körperliche Untersuchung
- Labor
- bildgebende Verfahren
- Röntgen-Thorax
- CT (mit Kontrastmittel) von Hals, Thorax und Abdomen
- PET/CT.
- Sonografie und MRT sollten bei Bedarf ergänzend eingesetzt werden.
- Untersuchungen zur Toxizitätsbeurteilung (EKG, Echokardiogramm, Lungenfunktion, TSH, Gonadenfunktion) sollen vor Therapiebeginn durchgeführt werden.
- Bei nicht abgeschlossener Familienplanung bzw. vorhandenem Kinderwunsch soll auf die Möglichkeiten fertilitätserhaltender Maßnahmen hingewiesen werden.
- Bei allen Patient*innen mit Hodgkin-Lymphom soll der Bedarf der Betroffenen nach einer psychoonkologischen Mitbetreuung geklärt werden. Allen Patient*innen mit Hogkin-Lymphom soll die Möglichkeit eines psychoonkologischen Gesprächs orts- und zeitnah angeboten werden.
- Bei Diagnosemitteilung sollen die Patient*innen Informationen zu Selbsthilfegruppen erhalten.
Therapie
Therapieziele
- Heilung
- Verbesserung der Heilungschancen auf 80–90 % in den letzten 20 Jahren mithilfe von Therapiestudien19
- Lebensverlängerung
- Symptomverbesserung
Allgemeines zur Therapie
- Nach Diagnosestellung umfassende Aufklärung über Erkrankung, Behandlung, Nebenwirkungen, Spätfolgen und Risiken, Notwendigkeit regelmäßiger Nachsorgeuntersuchungen16
- Die individuelle körperliche, psychische und soziale Situation berücksichtigen.
- Die patientenzentrierten Gespräche an den Informationsbedarf anpassen.
- Die Patient*innen über Patientenleitlinien5 und Selbsthilfegruppen (s. u.) informieren.
- Die Patient*innen sollten möglichst im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden.16
- Eine Behandlung im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien führt zu einem verlängerten progressionsfreien Überleben.16
- Therapieerfolg in Deutschland innerhalb von Zentren der GHSG (German Hodgkin Study Group) unabhängig von Zentrumsart und Mindestmengen20
- Qualitätsstandards sind in deutschen GHSG-Zentren auf allen Versorgungsebenen gewährleistet.20
- Eine adäquate Behandlung erfordert die multidisziplinäre Zusammenarbeit von:16
- Haus*ärztinnen
- Fachärzt*innen der Hämatoonkologie, Pathologie, Psychoonkologie, Radiologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie
- weiteren Fachärzt*innen in Abhängigkeit von Spätfolgen und Komplikationen:
- kardiale und pulmonale Spätfolgen
- Infertilität
- Sekundärneoplasien.
Fertilitätsprotektion
- Vor Therapie sollte eine Aufklärung über die Möglichkeit einer therapieinduzierten Infertilität sowie die Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion erfolgen.16
- Mögliche Maßnahmen bei Patientinnen16
- medikamentös: GnRH-Analoga kombiniert mit Pille
- Reproduktionsmedizin: Kryokonservierung von befruchteten/unbefruchteten Eizellen, Einfrieren von ovariellem Gewebe
- Mögliche Maßnahmen bei Patienten
- Kryokonservierung von Spermien
- Kryokonservierung von Spermien extrahiert aus dem Hodengewebe
Untersuchungen zur Toxizitätsbeurteilung vor Therapie
- Zur Beurteilung der Therapierbarkeit sowie als Basisuntersuchung vor Verlaufskontrollen hinsichtlich Toxizität sollen folgende Untersuchungen durchgeführt werden: EKG, Echokardiografie, Lungenfunktion, TSH, Gonadenfunktion).16
Stadienadaptierte Therapie
- Die Therapie wird stadienadaptiert durchgeführt (frühe Stadien, mittlere Stadien, fortgeschrittene Stadien)
- Die Stadieneinteilung erfolgt auf Basis der Ann-Arbor-Klassifikation und der Risikofaktoren:1
- frühe Stadien
- Stadium I (A oder B) ohne Risikofaktoren
- Stadium II (A oder B) ohne Risikofaktoren
- mittlere Stadien
- Stadium I (A oder B) mit 1 oder mehreren Risikofaktoren
- Stadium IIA mit 1 oder mehreren Risikofaktoren
- Stadium IIB mit Risikofaktor hohe BSG und/oder ≥ 3 betroffene Lymphknotenareale
- fortgeschrittene Stadien
- Stadium IIB mit Risikofaktor großer Mediastinaltumor und/oder extranodaler Befall
- Stadium III (A oder B)
- Stadium IV (A oder B).
- frühe Stadien
- Therapiebeginn unmittelbar nach Diagnose und Stadieneinteilung!
Therapie des frühen Stadiums
- Standard ist eine Kombinationstherapie.1
- Chemotherapie
- 2 x ABVD (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin)
- Strahlentherapie mit 20 Gy
- Durchführung als Involved-Field-Strahlentherapie (IF-RT)
- Chemotherapie
- Die Kombinationstherapie ist einer alleinigen Chemotherapie oder alleinigen Strahlentherapie überlegen.1
Therapie des mittleren Stadiums
- Standard ist eine Kombinationstherapie.1
- Chemotherapie
- 2 x BEACOPPeskaliert (Cyclophosphamid, Etoposid, Adriamycin, Procarbacin, Vincristin, Bleomycin, Prednisolon)
- 2 x ABVD
- Strahlentherapie mit 30 Gy
- Durchführung als Involved-Field-Bestrahlung (IF-RT)
- Chemotherapie
Therapie des fortgeschrittenen Stadiums
- Primär alleinige Chemotherapie1
- 6 x BEACOPPeskaliert
- Bestrahlung PET-positiver residueller Lymphknoten (≥ 2,5 cm) mit 30 Gy1
- Möglichwerweise Reduktion der therapiebedingten Toxizitäten möglich durch Anwendung neuer zielgerichteten Substanzen wie Brentuximab Vedotin in Kombination mit konventionellen Chemotherapien21
Therapie spezieller Gruppen
Patient*innen > 60 Jahre1
- Aufgrund der Toxizität keine Behandlung mit BEACOPPeskaliert
- Stadienadaptiert Therapie mit 2, 4 bzw. 6–8 Zyklen ABVD
- Bestrahlung im frühen und intermediären Stadium wie bei jüngeren Patient*innen, im fortgeschrittenen Stadium lokale Bestrahlung PET-positiver Lymphome (≥ 2,5 cm)
NLPHL (noduläres lymphozyten-prädominantes Hodgkin-Lymphom)
- Im Stadium IA ohne Risikofaktoren alleinige Strahlentherapie (30 Gy)1
- hervorragende Prognose
- In allen anderen Stadien Therapie wie bei cHL1
Therapie des Rezidivs
- Unterscheidung zwischen:
- Frührezidiv (3–12 Monate nach Therapieende)
- Spätrezidiv (> 12 Monate nach Therapieende).
- Therapie der Wahl für die meisten Patient*innen im 1. Rezidiv ist eine Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation (ASZT).10
- Brentuximab Vedotin ist eine effektive Therapieoption bei Rezidiv nach ASZT.22
- Nach Versagen einer Therapie mit Brentuximab Ventodin kommt eine Behandlung mit den Anti-PD1-Antikörpern Nivolumab und Pembrolizumab in Betracht.22-24
- Bei Rezidiv oder Progress unter Anti-PD-1-Therapie gibt es noch keine klaren Therapieempfehlungen25
Leitlinie: Therapie des Hodgkin-Lymphoms16
- Allen Patient*innen soll eine Behandlung im Rahmen klinischer Studien angeboten werden, sofern keine Ausschlusskriterien eine Teilnahme unmöglich machen.
Frühes Stadium
- Die kombinierte Chemo-Strahlentherapie soll als Primärtherapie bei Patient*innen mit einem Hodgkin-Lymphom im frühen Stadium durchgeführt werden.
- Die Chemotherapie bei Patient*innen mit einem Hodgkin-Lymphom im frühen Stadium soll mittels ABVD (Adriamycin = Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin und DTIC = Dacarbazin) durchgeführt werden.
- Eine Strahlentherapie nach Abschluss der Chemotherapie bei Patient*innen mit einem Hodgkin-Lymphom im frühen Stadium soll durchgeführt werden.
Intermediäres Stadium
- Patient*innen mit Erstdiagnose eines Hodgkin-Lymphoms im intermediären Stadium soll eine Kombinationstherapie bestehend aus mehreren Zyklen einer Polychemotherapie gefolgt von einer lokalen RT verabreicht werden.
Spätes Stadium
- Erwachsene Patient*innen bis zu 60 Jahren mit fortgeschrittenem HL sollen mit BEACOPPeskaliert behandelt werden.
Alternative Therapieformen
- Patient*innen sollten nach komplementären und/oder alternativen Therapien befragt und auf mögliche Risiken sowie mögliche Interaktionen mit Standardtherapien hingewiesen werden.16
Sonstige Verhaltensregeln während und nach Behandlung
- Nikotinkarenz, da sich die Risiken des Rauchens und der Radiochemotherapie überadditiv addieren.1
- Patient*innen sollten während und nach der Behandlung sportlich aktiv sein.16
- Verhütungsmaßnahmen16
- Während Therapie soll doppelte Verhütung durchgeführt werden.
- nach Beendigung der Therapie individueller Entscheid über Verhütungsmaßnahmen
Psychoonkologische Betreuung
- Psychoonkologische Behandlungsmaßnahmen sollten in das Therapiekonzept integriert werden.16
- Ausrichtung am individuellen Bedarf der Patient*innen16
- Bedarfsfeststellung anhand vom klinischen Bild sowie mittels validierter Messinstrumente (empfohlen von der Deutschen Krebsgesellschaft), z. B.:26
- Distress-Thermometer
- HADS (Hospital Anxiety and Depression Scale)
- PO-Bado (psychoonkologische Basisdokumentation).
- Bedarfsfeststellung anhand vom klinischen Bild sowie mittels validierter Messinstrumente (empfohlen von der Deutschen Krebsgesellschaft), z. B.:26
Palliativbehandlung
- Schmerz
- Übelkeit und Erbrechen
- Verstopfung
- Maligne Obstruktion
- Mundtrockenheit
- Kachexie und Dehydrierung
- Atemschwierigkeiten
- Depression
- Angst
- Delirium
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf und Prognose
- Über 80 % der Patient*innen können geheilt werden.27
- in frühen Stadien über 90 %27
- Auch bei Rezidiv noch gute langfristige Behandlungserfolge und sogar Heilungen27
- Die Überlebensraten steigen für beide Geschlechter an.6
- Der lymphozytenreiche Subtyp weist die günstigste, der lymphozytenarme die schlechteste Prognose auf.6
- Rezidive treten in den ersten Jahren nach Behandlung auf.
- später als 5 Jahre nach Therapieende nur selten Rezidiv
- Frührezidive (bis 12 Monate nach Therapieende) mit schlechterer Prognose als Spätrezidive28
Komplikationen
Sekundäre Tumorerkrankungen
- Allgemein erhöhtes Risiko für sekundäre maligne Erkrankungen nach Therapie eines Hodgkin-Lymphoms
- Folgetherapie nach Progredienz oder Rezidiv erhöht das Risiko nochmals.28
- Die Erkrankungswahrscheinlichkeit für solide Tumoren 10 Jahre nach einem primären Hodgkin-Lymphom gegenüber der Allgemeinbevölkerung ist etwa um das Doppelte erhöht.6
- insbesondere Krebserkrankungen des Magens, des Dickdarms und Rektums, der Lunge und der Brust6
- 30 Jahre nach Hodkin-Therapie im Kinder- und Jugendalter betrug die kumulative Inzidenz für:29
- sekundäre maligne Neoplasien insgesamt 19 %
- Mamma-Ca bei Frauen 16 %
- Schilddrüsen-Ca 4,4 %
- hämatopoetische Neoplasien 1,5 %.
- In der Pubertät besonders hohe Vulnerabilität der weiblichen Brustdrüsenzellen durch supradiaphragmale Radiotherapie
- Inzidenz des Mamma-Ca bei früheren Hodgkin-Patientinnen im Alter von 25–45 Jahren 24-fach erhöht30
Sonstige Folgeschäden durch Bestrahlung und/oder Chemotherapie
- Koronare Herzerkrankung und Klappenvitien31
- Herzinsuffizienz
- Hypothyreose
- Lungenfunktionsstörungen
- Fertilitätsstörungen
Nachsorge
- Ziel der Nachsorge ist Erkennen von:1
- Rezidiven
- Sekundärmalignomen
- Spättoxizitäten.
- Engmaschige Kontrollen sind vor allem in den ersten Jahren notwendig.
- 90 % der Rezidive in den ersten 5 Jahren
- Abfolge der Nachsorgeuntersuchungen1
- im 1. Jahr alle 3 Monate
- bis zum 4. Jahr alle 6 Monate
- anschließend jährlich
- Bestandteile der Nachsorgeuntersuchungen1
- Anamnese
- körperliche Untersuchung
- Labor einschließlich: Differenzial-BB, klinische Chemie, BSG, TSH
- CT einmalig 3 Monate nach Therapieende, weitere CT nur bei V. a. Rezidiv
- Palpation und bildgebende Früherkennungsuntersuchungen der Brust
- Untersuchungen auf Organtoxizitäten (Herz, Lunge, Schilddrüsen, Gonaden)
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Hodgkin-Lymphom
- Lymphom
- Lymphom, Behandlung
- Lymphom, zurück in den Alltag
- Ernährungstipps bei Appetitlosigkeit
Allgemeines zur Behandlung
Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung
- Palliativmedizin
- Angst
- Übelkeit und Erbrechen
- Verstopfung
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden
- Gewichtsverlust bei Krebs
- Depression
- Delirium
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Schmerzen bei Krebs
Patientenleitlinie
- Patientenleitlinie von AWMF, Deutscher Krebshilfe und Deutscher Krebsgesellschaft: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin-Lymphoms
Patientenorganisationen
- Links zu einer Reihe von nationalen und internationalen Selbsthilfegruppen finden Sie auf der Website der German Hodgkin Study Group (GHSG).
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin Lymphoms bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 018-029OL. S3, Stand 2018. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie. Hodgkin-Lymphom, Stand 2018. www.onkopedia.com
- Deutsche Krebsgesellschaft. Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. AWMF-Leitlinie Nr. 032-051OL. S3, Stand 2014. www.awmf.org
Literatur
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).