Augenausfluss (Epiphora)

Allgemeine Informationen

Definition

  • Augenausfluss wird auch als Epiphora, Tränenträufeln, Tränenfluss, nasses Auge oder Augenfluss bezeichnet.
  • Hierbei übersteigt die Tränenproduktion die Abflusskapazität.1

Häufigkeit

  • Tritt normalerweise bei reflektorischer Stimulation der akzessorischen Tränendrüsen auf.
  • Tritt pathologisch auf, wenn die Tränenproduktion die normale Menge übersteigt und/oder der Abfluss behindert ist.
  • Tritt meist im höheren Lebensalter auf.2

Klinische Anatomie

  • Jedes Auge verfügt über zwei Kanäle, die vom medialen Teil der beiden Augenlider (Punctum lacrimale) ausgehen und im Tränensack enden.
  • Der Tränenkanal verbindet den Tränensack mit der Nase und mündet in der Concha inferior.
  • Eine Obstruktion oder Verengung des Abflusssystems führt zu Augenausfluss, wenn die Produktion die normale Menge überschreitet.

Diagnostische Überlegungen

  • Die normale Tränenproduktion ist so gering, dass die Flüssigkeit evaporiert, bevor sie in die Abflusskanäle gelangt.
  • Augenausfluss (Epiphora) weist darauf hin, dass die Produktion zu hoch oder der Abfluss zu schlecht ist oder eine Kombination aus beidem gegeben ist.2

Zu hohe Produktion

  • Erhöhter Reiz: emotionale Faktoren, erhöhter Konjunktiva-/Bulbus-Reflex (Entzündung, Schmerz, Wind, Kälte etc.)

Abflussstörungen

  • Eine spontane Öffnung der Tränenwege kommt bei Säuglingen in den ersten Lebenswochen häufig vor.3
  • Bei älteren Menschen entsteht die Überproduktion häufig aufgrund von lokaler Reizung oder verstopften Tränenkanälen.
  • Chronische Nasenprobleme oder Verletzungen können den Tränenabfluss behindern.4

Konsultationsgrund

  • Häufig besorgte Eltern von Kindern mit verschlossenem Tränenwegen und harmloser Konjunktivitis

Abwendbar gefährliche Verläufe

  • Dakryozystitis bei Erwachsenen
  • Lokale Reizung durch Fremdkörper, Trichiasis usw.

ICPC-2

  • F03 Augenausfluss/-absonderung

ICD-10

  • H04 Affektionen des Tränenapparates
    • H04.2 Epiphora

Differenzialdiagnosen

Angeborene anatomische Obstruktion

  • Bei Kleinkindern kann der Tränenkanal bis weit ins 1. oder, in manchen Fällen, sogar bis ins 2. Lebensjahr verschlossen sein
  • Häufig einseitig

Dakryozystitis

  • Siehe Artikel Dakryozystitis.
  • Infektion des Tränensackes
  • Eine Tränensackstenose mit verringertem Abfluss zur Nase ist häufig die prädisponierende Ursache.
  • Meist einseitig; Schwellung, Schmerzen, Rötung, Ausfluss, Vereiterung der Bindehaut
  • Entzündliche Veränderungen im Tränensackbereich, Eiter kann aus den Tränensäcken ausgedrückt werden.

Altersbedingte Veränderungen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Entropium und Ektropium können dadurch zu Augenausfluss führen, dass die Puncta lacrimalia nicht an den Bulbi anliegen, um den Tränenfluss aufzunehmen.
  • Der Pumpmechanismus der Tränenkanäle wird mit zunehmendem Alter schwächer. Dies kann zu Augenausfluss führen.

Virale Konjunktivitis

Anamnese

In welchen Zusammenhängen?

  • Ständiges Tränen (innen und außen): Nach lokalen Ursachen suchen (Entzündung, Trichiasis, Allergien etc.).
  • Nur provoziertes Tränen (bei Wind, Kälte, Zigarettenrauch etc.): vermutlich unzureichender Abfluss

Von Schmerzen begleitet?

  • Lokale Ursachen wie Infektionen usw. berücksichtigen.

Von der Nase ausgehende Probleme?

  • Eine Stenose am Auslauf zur Nase ist bei chronischen Beschwerden der Nasenschleimhaut oder Schiefstellung der Nase nicht ungewöhnlich.

Verschlossener Tränenkanal bei Kindern?

  • Äußert sich häufig in den ersten Wochen.

Klinische Untersuchung

  • Auf Entropium und Ektropium bei älteren Patient*innen achten.
  • Auf Anzeichen einer Infektion achten.
  • Ausschluss einer Reizepiphora

Ergänzende Untersuchungen

Bei Spezialist*innen

  • Spaltlampenuntersuchung des medialen Lidwinkels6 

Test mit Fluoreszeintropfen

  • Bei Unsicherheit, ob die Tränenkanäle offen sind, können Fluoreszeintropfen ins Auge getropft werden.
  • Bei offenem Kanal lassen sich die Tropfen schnell im Nasensekret auf derselben Seite nachweisen.

Test mit Chloramphenicol

  • Bei offenen Tränenkanälen erzeugt ein Tropfen Chloramphenicol innerhalb von 10 Minuten einen bitteren Geschmack im Mund.

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

Tränenkanalstenose bei Kindern

  • Meist spontane Öffnung des Tränenkanals in den ersten Lebenswochen1
  • Augenärzt*innen empfehlen bei der konnatalen Tränenwegstenose eine Stufentherapie:3
    1. konservativ mit Tränensackmassage, adstringierenden Augen- und Nasentropfen
    2. Tränenwegspülung und
    3. Tränenwegspülung und -schienung in Narkose.

Tränenkanalstenose bei Erwachsenen

  • Erfordert in der Regel eine Überweisung an eine augenärztliche Praxis zur Eröffnung und Spülung.
  • Patient*innen, die auch chronische Nasen-Probleme haben, sollten zur HNO überwiesen werden.

Maßnahmen

Tränenkanalstenose bei Kindern

  • 3-mal täglich Tränensackmassage, über einen Zeitraum von 10 Tagen3
  • Kommt es zur Infektion, ist eine antibakterielle Therapie angezeigt.6

Illustrationen

Untersuchung des Tränenabflusses
Untersuchung des Tränenabflusses

Quellen


Leitlinie

  • Berufsverband und Wiss. Fachgesellschaft der Augenärzte. Fehlstellungen der Lider/Tränenleiden (a) Tumoren der Lider (b). DOG-Leitlinie Nr. 9, Stand 2011. www.dog.org

Literatur

  1. Heichel J, Struck H-G. Diagnostik und Therapie von Tränenwegserkrankungen, HNO Volume 66, p. 751–759 (2018). www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Schaudig U, Meyer-Rüsenberg H-W. Epiphora. Ophthalmologe 2009, 106: 229–234. www.springermedizin.de
  3. Heichel J, Bredehorn-Mayr T. Die konnatale Dakryostenose aus ophthalmologischer Sicht. HNO 2016. volume 64: 367–375. link.springer.com
  4. Worak SR. Obstruction Nasolacrimal Duct. emedicine medscape, 25.3.2016. emedicine.medscape.com
  5. Frings A, Geerling G, Schargus M. Rotes Auge – Leitfaden für den Nicht-Ophthalmologen. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 302-12. www.aerzteblatt.de
  6. Berufsverband und Wiss. Fachgesellschaft der Augenärzte. Fehlstellungen der Lider/Tränenleiden (a) Tumoren der Lider (b). DOG-Leitlinie Nr. 9, Stand 2011. www.dog.org

Autor*innen

  • Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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