Iridozyklitis und Uveitis

Zusammenfassung

  • Definition:Entzündung der Augenhaut (Uvea). Die Einteilung erfolgt nach anatomischer Lage (Uveitis anterior, Uveitis intermedia, Uveitis posterior und Panuveitis) sowie nach dem Verlauf (akut, rezidivierend, chronisch). Auftreten meist idiopathisch oder in Zusammenhang mit einer Grunderkrankung. Im Kindesalter häufig mit juveniler idiopathischer Arthritis vergesellschaftet.
  • Häufigkeit:Die Inzidenz liegt zwischen 17 und 50 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr. Die Prävalenz beträgt etwa 115 pro 100.000 Einw.
  • Symptome:Meist einseitiges Auftreten. Akut mit Schmerzen, Rötung, Visusverlust, verschwommenem Sehen, Tränenfluss, Blepharospasmus und Lichtempfindlichkeit. Auch asymptomatischer oder schleichender Verlauf möglich.
  • Befunde:Minderung der Sehschärfe, ziliare Injektion, Miosis, ungleichmäßig runde Pupille.
  • Diagnostik:Augenärztliche Basisdiagnostik, ggf. weiterführende Untersuchungen zur Diagnose von Grunderkrankungen (Blutuntersuchungen, Bildgebung).
  • Therapie:Topische medikamentöse Behandlung insbesondere mit Kortikosteroiden, systemische medikamentöse Therapie mit Kortikosteroiden und/oder Immunsuppressiva, operative Therapieoptionen bei Komplikationen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Entzündung der Augenhaut (Uvea), die unterschiedliche Abschnitte des Auges betreffen kann.
  • Die Erkrankung wird nach der anatomischen Lokalisation und nach dem Verlauf differenziert.
    • Lokalisation
      • Uveitis anterior: Betrifft die Vorderkammer des Auges (Iritis, Iridozyklitis, anteriore Zyklitis).
      • Uveitis intermedia: Betrifft den Glaskörper (Pars planitis, posteriore Zyklitis, Hyalitis).
      • Uveitis posterior: Betrifft die Netzhaut oder Aderhaut (Chorioiditis, Chorioretinitis, Retinochoroiditis, Retinitis, Neuroretinitis).
      • Panuveitis: Betrifft Vorderkammer, Glaskörper und Netz- oder Aderhaut.
    • Verlauf
      • akut
      • rezidivierend 
      • chronisch1-4
  • Tritt idiopathisch oder in Zusammenhang mit einer Grunderkrankung auf.
  • Im Kindesalter ist die Uveitis häufig mit juveniler idiopathischer Arthritis vergesellschaftet.1

Häufigkeit

  • Iridozyklitis/Uveitis ist eine verhältnismäßig seltene Erkrankung.
  • Die Inzidenz von intraokulären Entzündungen liegt in Mitteleuropa und den USA zwischen 17 und 50 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr.
  • Die Prävalenz von intraokulären Entzündungen liegt in Mitteleuropa und den USA bei ca. 115 pro 100.000 Einw.
  • Die anteriore Uveitis ist die häufigste Form der Uveitis.
    • Uveitis anterior: 58–90 % der Fälle2,5
    • Uveitis intermedia: ca. 20 % der Fälle4
    • Uveitis posterior: 12–15 % der Fälle3
  • Tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf.6
  • Erkrankungsgipfel im Alter von 20–40 Jahren6

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Pathogenese der Uveitis ist noch nicht vollständig aufgeklärt.
  • Idiopathisches Auftreten bei 48–70 % der Fälle
  • Zusammenhang mit einer Reihe systemischer Erkrankungen (siehe Abschnitt Prädisponierende Faktoren)
  • Es besteht eine Assoziation zu Traumata, entzündlichen oder infektiösen Prozessen.5
    • Es wird angenommen, dass okuläre Traumata zu einer Ausschüttung von inflammatorischen Cytokinen führen und eine Uveitis auslösen können.
    • Häufig zeigt sich eine Vergesellschaftung mit HLA-B27-positiven Grunderkrankungen.
    • Bei infektiösen Prozessen scheint „Molekulares Mimikry" eine Rolle zu spielen. Hierbei kommt es zu einer Kreuzreaktion mit körpereigenen Antigenen.
      • Ca. 20 % der Fälle stehen in einem Zusammenhang mit infektiösen Prozessen. 
  • In seltenen Fällen können Medikamente eine Uveitis auslösen (z. B. Cidofovir, Checkpoint-Inhibitoren).5

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • F73 Augeninfektion/-entzündung, andere

ICD-10

  • H20 Iridozyklitis
    • H20.0 Akute und subakute Iridozyklitis
    • H20.1 Chronische Iridozyklitis
    • H20.2 Phakogene Iridozyklitis
    • H20.8 Sonstige Iridozyklitis
    • H20.9 Iridozyklitis, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird anhand der Anamnese und dem typischen klinischen Befund gestellt.
  • Zur Diagnose sollte eine Überweisung an eine Fachärztin/einen Facharzt für Augenheilkunde erfolgen.1-2
  • Bei Erstdiagnose einer juvenilen idiopathischen Arthritis ist unabhängig vom Vorhandensein einer okulären Symptomatik innerhalb von 2 Wochen eine augenärztliche Vorstellung indiziert.1

Differenzialdiagnose

Anamnese

  • Sowohl plötzlicher, als auch schleichender Beginn möglich
  • Uni- oder bilaterales Auftreten
  • Rötung
  • Schmerzen
  • Lichtempfindlichkeit
  • Tränenfluss
  • Visusminderung
  • Photopsien
  • Flimmern
  • Skotome
  • Mouches volantes
  • Häufig auch asymptomatischer Verlauf möglich
  • Ggf. anamnestisch Hinweise auf systemische Grunderkrankungen1,3
  • Ggf. Verletzungen/Operationen der Augen in der Vorgeschichte2

Klinische Untersuchung

  • Inspektion des betroffenen Auges/beider Augen
    • gerötetes Auge, ziliäre Injektion (rötlich-bläuliche Verfärbung rund um die Cornea)
    • Miosis
    • ungleichmäßige Rundung der Pupille

Bei Fachärzt*in für Augenheilkunde

  • Augenärztliche Basisdiagnostik
    • Bestimmung der Sehschärfe
    • Spaltlampenuntersuchung
      • Gradeinteilung der Vorderkammerzellen und der Vorderkammertrübung („Tyndall-Phänomen")
    • Untersuchung des Augenhintergrundes
    • Tonometrie
  • Typische Befunde
    • Verschwommenes Sehen auf der betroffenen Seite, aber der Grad der Sehschärfenminderung variiert.
    • rotes Auge mit ziliarer Injektion
    • Miosis
    • ungleichmäßige Rundung der Pupille als Zeichen für hintere Synechien
      • Hintere Synechien entstehen durch Verklebungen der Iris mit der Linsenvorderseite aufgrund der Entzündung. Vordere Synechien entstehen durch Verwachsung zwischen Iris und Hornhaut (viel seltener).
    • Trübung des Kammerwassers („Tyndall-Phänomen").
    • retrokorneale Proteinausfällung (Präzipitate)
    • In schweren Fällen kommt es zur Bildung eines Hypopyons.
  • Weiterführende DiagnostiK
    • Gonioskopie bei granulomatöser Uveitis und Erhöhung des Augeninnendruckes
    • Perimetrie bei Verdacht auf Makulabeteiligung
    • Fluoreszenzangografie, optische Kohärenztomografie (OCT) bei Verdacht auf Makulaödem
    • okuläre Sonografie
    • neuroophthalmologischer Status
    • Amsler-Gitter
    • Elektrophysiologie
    • Kammerwasserpunktion (Nachweis von HSV, VZV, CMV)
    • diagnostische Vitrektomie
    • chorioretinale Biopsie2-4

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

Indikation zur Überweisung

  • Sofortige Überweisung zur Augenärzt*in

Therapie

Therapieziele

  • Entzündung hemmen, Schmerzen lindern.
  • Komplikationen wie z. B. Glaukom oder die Entstehung von permanenten Synechien verhindern.
  • Sehfähigkeit wiederherstellen/erhalten.
  • Systemische Grunderkrankungen erkennen und behandeln. 
  • Rezidivprophylaxe1-4

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung sollte unter augenärztlicher Leitung erfolgen.
  • Mögliche Therapieoptionen
    • topische medikamentöse Behandlung
    • systemische medikamentöse Behandlung
    • operative Therapie
  • Bei Vorliegen einer systemischen Grunderkrankung und bei Gabe einer immunmodulatorischen Medikation sollte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Augenärzt*innen, Rheumatolog*innen, Internist*innen, Kinderärzt*innen und Allgemeinmediziner*innen angestrebt werden.
  • Bei anhaltender Uveitis trotz systemischer Steroidtherapie sollte die Behandlung an speziellen Uveitiszentren erfolgen.1-4

Medikamentöse Therapie (bei Ausschluss infektiöser Genese)

  • Topische/lokale medikamentöse Behandlung
    • Kortikosteroide
      • Prednisolonacetat 1 %, Dexamethason 0,1 %
      • bei Therapiebeginn stündliche Gaben mit beschwerdeadaptierter Reduktion
      • Meist muss eine mehrwöchige Behandlung erfolgen.
      • ausschleichende Behandlung, ggf. mit schwächeren Wirkstoffen
      • Ggf. können Kortikosteroide periokulär, parabulbär oder intravitreal injiziert werden.2-3
      • Bei Vorliegen einer Uveitis posterior ohne Vorderkammerbeteiligung sind topisch applizierte Kortikosteroide nicht wirksam, da sie nicht tief genug eindringen. Kortikosteroide sollten in diesem Fall lokal injiziert werden.3
  • Systemische medikamentöse Behandlung
    • Kortikosteroide
      • indiziert bei akutem Stadium der Uveitis intermedia und Uveitis posterior, bei schwerem Verlauf der Uveitis anterior, bei ausgeprägter Trübung des Glaskörpers oder bei Makulaödem
      • bei akutem Stadium der Uveitis intermedia/posterior: orale Gabe (1,0 mg/kg KG Prednisolonäquivalent), ggf. intravenös (Methylprednisolon 10–30 mg/kg KG für 3–5 Tage), Dosisreduktion über 6–12 Wochen, ggf. Erhaltungsdosis von 0,1 mg/kg KG
    • Immunsuppressiva (z. B. Cyclosporin A, Tacrolimus, Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycofenolat-Mofetil, Biologica, TNF-alpha Inhibitoren, Interferon alpha)
      • insbesondere bei fehlender Wirksamkeit sowie zur Einsparung von Kortikosteroiden
      • bei drohender oder fortschreitender Visusminderung
      • Die individuelle Auswahl der Medikation richtet sich auch nach der evtl. vorliegenden Grunderkrankung.
  • Rezidivprophylaxe
    • Kortikosteroide
      • wenn möglich topisch, ggf. auch oral in niedriger Dosis
    • Immunsuppressiva
  • Behandlung einer evtl. vorliegenden systemischen Grunderkrankung1-4

Operative Therapie

  • Die operative Versorgung einer Uveitis sollte möglichst an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
  • Mögliche operative Eingriffe sind:
    • Operation zur Senkung des Augeninnendrucks
    • operative Behandlung eines sekundär entstandenen Kataraktes
    • Pars-plana-Vitrektomie
    • Keratektomie
    • Trabekulektomie
    • tiefe Skleraresektion
    • zyklodestruktive Eingriffe.1-4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Kann akut oder schleichend beginnen.
  • Häufig chronischer Verlauf
  • Bei frühzeitiger Behandlung dauert die Erkrankung von einigen Tagen bis zu 2 Wochen.
  • Die Uveitis anterior ist häufig selbstbegrenzend, es liegen aber keine Daten dazu vor, wann, wie häufig und bei welchen Betroffenen dies erfolgt.6
  • Es gibt eine seltenere, granulomatöse Form mit eher schleichendem Beginn und chronischem Verlauf, die Monate bis Jahre dauern kann.

Komplikationen

  • Katarakt
  • Glaukom
  • Hypotoner Augeninnendruck
  • Makulaödem
  • Retinale/choroidale Neovaskularisation
  • Epiretinale Membran
  • Bildung von Synechien
  • Bandförmige Keratopathie
  • Glaskörperblutung3-5

Leitlinie: Risikofaktoren für okuläre Komplikationen und einen schlechten Visusverlauf bei Uveitis im Rahmen einer juvenilen idiopathischen Arthritis1

  • Schlechter initialer Visus 
  • Hohe Entzündungsaktivität der Uveitis bei Erstdiagnose
  • Vorderkammer-Tyndall 1+ (Trübung aufgrund von Protein und Entzündungszellen, Anm. der Redaktion) oder Laser Flare > 20 photon units/ms (Streuung des Lasers aufgrund von Protein und Entzündungszellen in der Vorderkammer, Anm. der Redaktion)
  • Katarakt
  • Uveitismanifestation vor der Arthritis
  • Kurzes Intervall zwischen Arthritis- und Uveitisbeginn (< 6 Monate)
  • Frühes Erkrankungsalter (≤ 5. Lebensjahr)
  • Lange Erkrankungsdauer
  • Makulaödem
  • Dichte Glaskörpertrübung (> 2+)
  • Okuläre Hypotonie
  • Glaukom
  • Ungenügende Compliance

Prognose

  • Eine kurative Therapie ist nur bei infektiöser Genese möglich. Bei Vorliegen einer entzündlichen Systemerkrankung kann lediglich antientzündlich behandelt werden.1
  • Durch rechtzeitige Behandlung können dauerhafte Schäden am Auge verhindert werden.
  • Bei zu spätem Therapiebeginn oder bei unzureichender Therapie können Komplikationen auftreten und zu einer dauerhaften Visusminderung bzw. zu einem Visusverlust führen.
    • Ca. 10 % der Erblindungen in den USA sind auf Uveitiden zurückzuführen.5
  • Das Risiko für ein Rezidiv nach einer akuten Entzündung beträgt 30 %.2

Verlaufskontrolle

  • Engmaschige augenärztliche Kontrollen in der akuten Phase
  • Bei chronisch rezidivierender Verlaufsform sollte alle 3 Monate eine augenärztliche Kontrolle erfolgen.2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Iridozyklitis

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Diagnostik und antientzündliche Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 045-012. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, deutsche Opthalmologische Gesellschaft. Uveitis intermedia. BVA/DOG Leitlinie Nr. 24a. Stand 2020. augeninfo.de
  • Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Nichtinfektiöse Uveitis posterior. Leitlinie Nr. 24b. Stand August 2017. augeninfo.de

Literatur

  1. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Diagnostik und antientzündliche Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 045-012. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  2. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Uveitis anterior. BVA/DOG Leitlinie Nr. 14, Stand 2010. augeninfo.de
  3. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Nichtinfektiöse Uveitis posterior. Leitlinie Nr. 24b. Stand August 2017. www.dog.org
  4. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Opthalmologische Gesellschaft. Uveitis intermedia. BVA/DOG Leitlinie Nr. 24a, Stand 2020. augeninfo.de
  5. Duplechain A, Conrady CD, Patel BC, Baker S. Uveitis. 2021 Aug 11. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 31082037. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Curi A, Matos K, Pavesio C. Acute anterior uveitis. Clin Evid. 2005 Dec;(14):739-43. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Susanne Engelhardt, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin, Hof
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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