- Definition:Aufgrund physiologischer degenerativer Schrumpfung des Glaskörpers löst sich dieser im hinteren Bereich ganz oder teilweise von der Netzhaut.
- Häufigkeit:Inzidenz nimmt ab 50 Jahren mit dem Alter zu.
- Symptome:Allmähliches oder plötzliches Auftreten von Mouches volantes im Gesichtsfeld, evtl. von Lichtblitzen, in unkomplizierten Fällen keine Visusminderung oder Gesichtsfeldausfälle.
- Befunde:Bei gewöhnlicher Augeninspektion keine Befunde, mit Spaltlampenuntersuchung nachweisbar.
- Diagnostik:Die Diagnose wird gestellt bei typischer Klinik und Visus- und Gesichtsfelduntersuchung zum Ausschluss einer Netzhautablösung oder Makulaschädigung.
- Therapie:Unkomplizierte Glaskörperabhebungen werden nicht behandelt, Überweisung bei plötzlicher Visusminderung oder Gesichtsfeldausfällen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Der Glaskörper (Corpus vitreum) schrumpft aufgrund physiologiescher Degeneration und löst sich von der Netzhaut
- Englisch: Vitreous Detachment oder Posterior Vitreous Detachment
Häufigkeit
- Vor dem Alter von 40–50 Jahren selten
- Bei ca. 40 % der 70-Jährigen, bei ca. 85 % der 90-Jährigen vorhanden.
- Die degenerative Veränderung des Glaskörpers ist die häufigste Ursache einer rissbedingten Netzhautablösung.1
Ätiologie und Pathogenese
- Der Glaskörper besteht zu 98 % aus Wasser und wird durch Kollagenfibrillen stabilisiert, die mit zarten Ausläufern auch in die oberflächlichen (inneren) Netzhautschichten einstrahlen.1
- Mit zunehmendem Alter degeneriert der Glaskörper allmählich, und es kommt zu einer Verdichtung von Kollagenfibrillen.1
- Diese können dann als bewegliche Punkte, sog. Mouches volantes, wahrgenommen werden.
- Der Glaskörper ist locker an der Netzhaut angeheftet. Bei den meisten Menschen löst sich diese Verbindung, mit zunehmendem Elastizitätsverlust des Glaskörpers.
- Diese Ablösung wird als hintere Glaskörperabhebung bezeichnet.1
- In manchen Fällen führt das Schrumpfen des Glaskörpers dazu, dass sich Risse oder Löcher in der Netzhaut bilden, besonders wenn der Glaskörper noch punktuell mit der Netzhaut verbunden ist.
- Durch diese Risse kann Flüssigkeit aus dem Glaskörper hinter die Netzhaut gelangen und eine rhegmatogene Netzhautablösung hervorrufen.
Prädisponierende Faktoren
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Alter über 50 Jahre
- Myopie
- Vorausgegangene Kataraktoperation
- Vorausgegangenes Trauma/Verletzung des Auges
ICPC-2
- F99 Auge/‑Anhangsgeb. Erkrank., and.
- Glaskörperabhebung
ICD-10
- H43.8 Sonstige Affektionen des Glaskörpers
- Schließt Glaskörperabhebung ein
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Der Verdacht ergibt sich, wenn über Wochen hinweg allmählich oder evtl. auch plötzlich neue Mouches volantes (schwebende Flecken, engl. Floaters) im Gesichtsfeld erscheinen.
- Treten auch Lichtblitze (Fotopsien) auf, kann dies auf Zug an der Netzhaut oder eine Netzhautschädigung hindeuten.
- Die Diagnose wird durch eine Spaltlampenuntersuchung bestätigt.
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Es gibt eine zunehmende Zahl von Mouches volantes im Gesichtsfeld ab einem Alter > 50 Jahre.
- Diese Flecken bewegen sich mit dem Auge bei Augenbewegungen und verschwinden, wenn man versucht, auf sie zu fokussieren oder sie anzusehen.
- Die Flecken können punkt- oder fadenförmig, evtl. auch netzförmig sein.
- Die Veränderungen können einseitig auftreten, machen sich innerhalb 1 Jahres aber meist auch auf dem anderen Auge bemerkbar.
- Die Veränderungen können sich innerhalb kurzer Zeit, aber auch allmählich über 2–3 Monate entwickeln.
- Plötzliche Lichtblitze sind Zeichen einer Beteiligung oder Schädigung der Netzhaut.2
- Viele Mouches volantes (> 10), Wahrnehmung einer „Wolke“ oder eines „Vorhanges“ sind Prädiktoren für die Entwicklung eines Netzhautrisses.2-3
Klinische Untersuchung
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
- Die Glaskörperabhebung verursacht keine klinischen Befunde.
- Bei einer unkomplizierten Abhebung sind Visus und peripheres Sehen erhalten.
- Kann durch eine Spaltlampenuntersuchung bestätigt werden.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Ggf. Visus
- Ggf. Fingerperimetrie zur Überprüfung des Gesichtsfeldes
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bei Verdacht auf eine Netzhautablösung augenärztliche Untersuchung
- Indirekte Ophthalmoskopie/Biomikroskopie beider Augen in Mydriasis
- Spaltlampenuntersuchung zur Darstellung des peripheren Augenhintergrunds
- Glaskörper- oder Netzhautblutungen sind Prädiktoren eines Netzhautrisses.2-3
Indikationen zur Überweisung
- Betroffene mit Symptomen einer Glaskörperabhebung sollten augenärztlich untersucht werden, um Risikofaktoren für Netzhautriss oder Netzhautablösung zu erkennen, besonders bei zahlreichen Mouches volantes, Vorhangsehen oder Wahrnehmung von Lichtblitzen.2-3
- Verdacht auf Netzhautablösung
- wiederholte Lichtblitze, evtl. deutliche Zunahme von Mouches volantes3
- Visusminderung oder Gesichtsfeldausfälle
- Verdacht auf Makulaschädigung
- Verschlechterung des zentralen Sehens
Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Eine unkomplizierte Glaskörperabhebung wird nicht behandelt.
Weitere Therapien
- Bei Verdacht auf Netzhautriss oder Netzhautablösung ist es wichtig, rasch die Indikation für eine Operation des Auges abzuklären.
Präventive Maßnahmen
- Es sind keine präventiven Maßnahmen bekannt.
- Die Glaskörperabhebung ist eine physiologische altersbedingte Veränderung.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Der Glaskörper durchläuft eine allmähliche Degeneration, die sich ab dem Alter von ca. 50 Jahren bei einem zunehmenden Teil der Bevölkerung bemerkbar macht.
- Der Glaskörper schrumpft. Die Abhebung ist Teil dieser Entwicklung.
- Bei den allermeisten Menschen verursacht eine Glaskörperabhebung keine Beschwerden oder Komplikationen.
- In einem Teil der Fälle bilden sich jedoch Risse oder Löcher in der Netzhaut, die zu einer Netzhautablösung führen können.
Komplikationen
- Netzhautablösung, meist mit peripheren Gesichtsfeldausfällen
- Jeder 5. Betroffene mit akuter hinterer Glaskörperabhebung entwickelt ein Netzhautforamen.1
- Makulaschaden und Ausfall des zentralen Sehens
- Glaskörperblutung2
Prognose
- Bei den allermeisten Menschen führt die Glaskörperabhebung nicht zu einer Sehverschlechterung.
- Bei einem kleinen Teil der Fälle (< 10 %) kommt es zur Netzhautablösung, die eine schwere Visusminderung zur Folge haben kann, wenn sie nicht schnell behandelt wird.
Verlaufskontrolle
- Bei Nachweis einer Glaskörperabhebung sollten die Patient*innen angewiesen werden, sich bei deutlicher Zunahme von Mouches volantes oder zunehmenden und anhaltenden Lichtblitzen zu melden, damit sie an eine Augenarztpraxis überwiesen werden können.4
- Bei einer plötzlichen Verschlechterung der Sehstärke oder Gesichtsfeldausfällen unbedingt Kontakt aufnehmen.
- Betroffene, bei denen trotz initial zahlreichen Mouches volantes, Blitz- oder Vorhangsehen und/oder Nachweis von Glaskörper- oder Netzhautblutungen eine Netzhautschädigung ausgeschlossen wurde, sollen zu augenärztlichen Kontrolluntersuchungen überwiesen werden.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- In den allermeisten Fällen ungefährlich und unkompliziert
- Die Betroffenen sollen schnell Kontakt aufnehmen, falls sich ihr Sehvermögen plötzlich verschlechtert.
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Feltgen N, Walter P: Rhegmatogenous retinal detachment—an ophthalmologic emergency. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(1–2): 12–22. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0012 www.aerzteblatt.de
- Gishti O, van den Nieuwenhof R, Verhoekx J, van Overdam K. Symptoms related to posterior vitreous detachment and the risk of developing retinal tears: a systematic review. Acta Ophthalmol. 2019 Jun;97(4):347-352. doi: 10.1111/aos.14012. Epub 2019 Jan 11. PMID: 30632695. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- van Overdam KA, Bettink-Remeijer MW, Klaver CC, et al. Symptoms and findings predictive for the development of new retinal breaks. Arch Ophthalmol 2005; 123: 479. pmid:15824220 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Coffee RE, Westfall AC, Davis GH, Mieler WF, Holz ER. Symptomatic posterior vitreous detachment and the incidence of delayed retinal breaks: case series and meta-analysis. Am J Ophthalmol 2007; 144: 409. pmid:17583667. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).